Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    http://www.kulueke.net/pics/ir…manen-maenner-jung/34.jpg "Meine Güte, Vater", platzte Audaod so laut hervor, dass sich ein paar der umstehenden Leute nach ihm umsahen. Witjon stand neben ihm, ebenso der Großteil der Sippe Wolfriks, sofern sie nicht dem Zug der Legion gen Süden gefolgt war oder aus anderem Grunde in alle Himmelsrichtungen verstreut war.
    "Haben die Petronier so viel Gold in ihrem Schuppen vergraben, dass sie sich ein solches Opfertier leisten können?" fragte Audaod dann mit gedämpfter Stimme, nachdem er einen missbilligenden Blick seines Vaters geerntet hatte. Der wiederum zuckte mit den Schultern.
    "Lese ich ihre Rechnungsbücher?" stellte er eine Gegenfrage und warf seinem Sohn einen kurzen Seitenblick zu, der von seiner Ahnungslosigkeit zeugte.
    "Was weiß ich?" gab Audaod ebenso ahnungslos zurück. Er wunderte sich doch sehr, dass Lucius ohne mit der Wimper zu zucken einen Bullen für Apollo Mogon opferte. Einen Bullen! Die meisten Magistri Vici, hielten sich einfach an die Tradition, einen Schafbock zu opfern. War ja klar, dass dieser Petronier wieder mal aus der Reihe tanzen musste. Audaod hatte von seinem Vater nun schon einige Male erzählt bekommen, wie dieser Bursche sich beizeiten in den Ratssitzungen benahm. Ungeheuerlich war das, ganz klar. Wobei Audaod es dem Grünschnabel auch nicht ganz verdenken konnte. Immerhin stellte er sich die Sitzungen des Ordo Decurionum als größtenteils unfassbar langweilig vor. Womit er vermutlich auch noch recht hatte.


    Witjon verfolgte das Opfer mit halber Aufmerksamkeit und widmete sich derweil lieber unauffällig den Anwesenden in der Besuchermenge. Petronius Crispus den Älteren sah er und auch einige andere Honoratioren der Civitas. Dann fielen dem duccischen Sippenoberhaupt natürlich etliche Klienten beziehungsweise Muntlinge ins Auge, aber auch einige Widersacher.
    "Apollo Mogon möge ihm seine Lustlosigkeit verzeihen", spottete Audaod schließlich, nachdem er die Zeremonie einige Zeit beobachtet hatte.
    "Er ist wirklich nicht mit so viel Elan bei der Sache", stellte auch Witjon fest, als der Pontifex den Magister Vici zum zweiten oder dritten Male anstupsen musste. Hoffentlich nahm ihm der geehrte Gott das nicht übel...
    Und wahrlich, der junge Petronius verkündete letztlich den Segen des Mogon über die Civitas. Witjon nickte zufrieden. Dunkle Wolken mochten am Horizont heraufziehen, doch Mogontiacum hatte das Wohlwollen des Apollo.


    Dagwin war offensichtlich so baff, dass er erstmal keinen Ton mehr herausbekam. Deshalb schmunzelte Witjon nur milde und wuschelte dem kleinen Duccius durchs Haar.


    Petronius Crispus zugewandt hakte er dann einfach wieder dort ein, wo Dagwin sie beide unterbrochen hatte.
    "Allerdings, Aegyptus hat sich auch gegen den Vescularius gestellt. Oder zumindest nicht auf seine Seite. So ganz klar ist das wohl noch nicht, sagt man. Aber 'man' sagt ja bekanntlich viel. Wenn es nach den einfachen Leuten geht, ist Italien bereits in Mord und Totschlag versunken."
    In einem kritischen Blick äußerte Witjon seine Skepsis über derart leichtfertiges Gerede. Und noch immer zogen Milites im Gleichklang der Caligae an ihnen vorüber. Bedrohlich hallten die Nägel ihrer Soldatenstiefel durch die Straßen Mogontiacums.

    Witjon nahm die Wortmeldungen zur Kenntnis und überflog die diskutierten Stellen nochmal kurz, um sich etwas Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Dann entgegnete er nachdenklich: "Also ich denke, dass es vermutlich sogar am klügsten ist, einen schlichten Verweis auf die Geschäftsordnung in die Lex Municipalis einzuflechten. Statt 'Tut er dies nicht, soll er seinen Rang als Decurio verlieren' könnte man beispielsweise sagen: 'Der Verlust des Ordo Decurionum bestimmt sich nach der in einer Contio unter Vorsitz eines Duumvir bestimmten Geschäftsordnung.' So hätte man ein Werkzeug, das man - wie Domitius angemerkt hat - wesentlich unkomplizierter modifizieren kann, als die Lex Municipalis. Allerdings, gerade aus diesem Grunde, würde ich die Zahlungspflicht in der Lex benannt lassen, um spätere Streichungen zu verhindern. Die Nennung des Mitgliedschaftsverlustes von Todes wegen kann man diesbezüglich dann immer noch besprechen, falls gewünscht." Witjon sah die anderen Redner an, um die Reaktionen auf ihren Gesichtern lesen zu können. Insbesondere wollte er hier nicht über die Geschäftsordnung im Details sprechen, denn das würde nur zu sehr vom Kern ablenken.


    "Ahja, das klitzekleine 'sollen' können wir gerne in 'werden' umwandeln", ergänzte er dann noch schmunzelnd. Das 'sollen' hatte er bewusst stehen gelassen in spontaner Ermangelung eines passenden Ersatzes. Das von Massula vorgeschlagene 'werden' passte ihm aber ganz gut.




    DECURIO - MOGONTIACUM

    "Schön, dann kommen wir nun zu einem der relativ langen Absätze", kündigte Witjon an, nachdem er keinerlei Widerspruch feststellen konnte. Er gab dem Scriba einen Wink, den Wortlaut von Petronius' Entwurf zu verlesen.


    Zitat

    X. De Decurionibus
    Diejenigen, die als Municipes durch die Mehrheit der Decuriones auf Vorschlag eines Duumvir zu Decuriones gewählt werden, sollen rechtmäßige Decuriones des Municipium Ulpium Mogontiaciensis mit allen Rechten und Pflichten sein. Jedes Jahr soll jeder von ihnen ein Honorarium von 200 Sesterzen an die Stadtkasse entrichten oder seinen Rang als Decurio verlieren. Sie und ihre Ehefrauen und ehelichen Kinder sollen das Recht haben, bei den Spielen die vordersten Reihen zu besetzen und die städtischen Thermen kostenlos zu nutzen. Weiterhin sollen sie das Recht haben, durch Abstimmung über die Kooptation von Patronen des Municipium, öffentliche Baumaßnahmen, die Verwendung der städtischen Gelder und die Bestellung städtischer Angestellter, in einer Contio unter Vorsitz eines Duumvir abzustimmen. Weiterhin sollen sie gemäß dieser Lex und zum Wohle des Municipium Ulpium Mogontiaciensis durch Abstimmung in einer Contio unter Vorsitz eines Duumvir Decreta erlassen, die für alle Municipes und Incolae des Municipium Gültigkeit besitzen und laut auf dem Forum verkündet und im Tabularium des Municipium archiviert werden sollen. Darüber hinaus sollen sie am Ende jedes Jahres die Tätigkeit der Magistrati, insbesondere die Aufzeichnungen der Quaestores zur Stadtkasse prüfen und durch Mehrheitsbeschluss die Rechtschaffenheit ihrer Amtsführung in einer Contio feststellen.


    "Hier ist mir eine Passagen aufgefallen, die irreführend sein könnte, nämlich jene über die Rechte der Angehörigen der Decuriones. Deshalb habe ich dort eine kleine Umstellung vorgenommen. Des Weiteren halte ich den Passus über die regelmäßigen Zahlungen und den Verlust der Ratsmitgliedschaft für Diskussionswürdig. Ansonsten habe ich die Reihenfolge der Nennung der Rechte und Pflichten etwas geändert, so dass zunächst die Dinge den Rat direkt betreffend aufgezählt werden und danach diverse gesellschaftliche Privilegien. Außerdem habe ich den Wortlaut wie bisher etwas vereinfacht:


    Diejenigen, die als Municipes durch die Mehrheit der Decuriones auf Vorschlag eines Duumvir zu Decuriones gewählt werden, sind von da an rechtmäßige Decuriones des Municipium Ulpium Mogontiaciensis mit allen Rechten und Pflichten. Jedes Jahr hat jeder von ihnen ein Honorarium von 200 Sesterzen an die Stadtkasse zu entrichten. Tut er dies nicht, soll er seinen Rang als Decurio verlieren.
    Weiterhin haben sie das Recht, durch Abstimmung über die Kooptation von Patronen des Municipium, öffentliche Baumaßnahmen, die Verwendung der städtischen Gelder und die Bestellung städtischer Angestellter, in einer Contio unter Vorsitz eines Duumvir abzustimmen. Sie erlassen gemäß dieser Lex und zum Wohle des Municipium Ulpium Mogontiaciensis durch Abstimmung in einer Contio unter Vorsitz eines Duumvir Decreta, die für alle Municipes und Incolae des Municipium Gültigkeit besitzen und laut auf dem Forum verkündet und im Tabularium des Municipium archiviert werden sollen. Darüber hinaus prüfen sie am Ende jedes Jahres die Tätigkeit der Magistrati, insbesondere die Aufzeichnungen der Quaestores zur Stadtkasse und stellen durch Mehrheitsbeschluss die Rechtschaffenheit ihrer Amtsführung in einer Contio fest.
    Die Decuriones und ihre Ehefrauen und ehelichen Kinder haben darüber hinaus das Recht, bei den Spielen die vordersten Reihen zu besetzen und die städtischen Thermen kostenlos zu nutzen.
    "


    Er ließ seine Worte erst einmal einen Moment wirken und gab den Ratsherren Zeit, sich die Veränderungen vor Augen zu führen.


    "Ich würde gerne einen kritischen Blick auf die jährlichen Zahlungen beziehungsweise die Konsequenzen für Nichtzahlungen werfen. Die Geschäftsordnung des Ordo Decurionum und auch die bisherige Lex Civitatis lassen einen Verlust der Ratsehren nur durch eigenständigen Austritt, Tod, oder aber durch Mehrheitsbeschluss der Decuriones zu. Die Frage ist: Wollen wir einen weiteren Ausschlussgrund zulassen, nämlich jenen qua Gesetzes? Oder wollen wir bei Nichtzahlung die Möglichkeit lassen, dass der Ordo zunächst über den Betroffenen berät und dementsprechend vielleicht noch eine zweite Chance zur Begleichung seiner Schuld lassen?"





    DECURIO - MOGONTIACUM

    Witjon quittierte Massulas Worte mit einem Grinsen und hatte auch nichts gegen Petronius' Vorschlag zu sagen. "In Ordnung, wir übernehmen einfach deinen Vorschlag, Petronius. Der ist wirklich nahezu gleich. Kommen wir dann einfach zum nächsten Absatz."


    Zitat

    VIIII. De Comitiis habendis
    Die Duumviri sollen für Wahlen jährlich alle Municipes durch öffentliche Bekanntmachung mindestens zwanzig Tage vor dem Versammlungstag zu den Comitia laden. Unter dem Vorsitz eines Duumvir sollen die Municipes dann nach Vici getrennt abstimmen und zwei Duumviri, zwei Aediles und einen Quaestor wählen. Am zweiten Tag sollen die Duumviri die Abstimmung beenden und diejenigen zu Duumviri, Aediles und Quaestores ernennen, welche die meisten Stimmen, mindestens jedoch die Hälfte aller abgegebenen Stimmen erhalten haben. Das Ergebnis der Wahlen sollen sie am folgenden Tag öffentlich bekannt geben und auf dem Forum aushängen.


    "Ich schlage vor:


    Die Duumviri müssen für Wahlen jährlich alle Municipes durch öffentliche Bekanntmachung mindestens zwanzig Tage vor dem Versammlungstag zu den Comitia laden. Unter dem Vorsitz eines Duumvir stimmen die Municipes dann nach Vici getrennt ab und wählen zwei Duumviri, zwei Aediles und einen Quaestor. Am zweiten Tag beenden die Duumviri die Abstimmung und ernennen diejenigen zu Duumviri, Aediles und Quaestores, welche die meisten Stimmen, mindestens jedoch die Hälfte aller abgegebenen Stimmen erhalten haben. Das Ergebnis der Wahlen geben sie am folgenden Tag öffentlich bekannt.


    Wie ihr seht, habe ich im ersten Satz das sollen durch ein müssen ersetzt, um deutlicher zu machen, dass die Frist verbindlich und Voraussetzung für eine gültige Wahl ist. Und den letzten Halbsatz habe ich der Kompaktheit entfernt, denn Veröffentlichungen werden so oder so auf dem Forum ausgehängt. Ich denke, das muss nicht gesondert aufgeschrieben werden. Irgendwelche Einwände?"
    Diesmal suchte sein Blick ganz bewusst nicht den Domitius, sondern wanderte irgendwo anders im Raum umher. Vielleicht fand sich ja ein anderer, der gerne nörgeln wollte.





    DECURIO - MOGONTIACUM

    Witjon fühlte sich ertappt, als Massula plötzlich so vehement die Diskussion abwürgte. Er kam sich dumm vor, dass er sich so von Petronius und Magonidas in Kleinigkeiten hatte verwickeln lassen, was er in einem verlegenen Lächeln zu verstecken versuchte.


    "Ich glaube, Domitius hat alles Nötige gesagt", setzte er hinterher und zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch. Wenn Petronius jetzt nicht weiter diskutieren wollte, konnten sie zur Abstimmung übergehen. Außer natürlich er zog den Antrag sogleich zurück.

    Beinahe wäre Witjon ein lautes Klugscheißer rausgerutscht. Beinahe. Das süffisante Lächeln konnte der Kerl sich sonstwohin schieben, fand Witjon. Er zuckte mit den Schultern und versuchte so gleichgültig wie möglich zu wirken.
    "Natürlich. Geschworen. Irgendwelche Einwände, diese Formulierung in die Lex zu übernehmen?"
    Witjon warf noch einmal einen Blick in die Runde. Es sah nicht so aus, als hätte jemand noch etwas auszusetzen. Er jedenfalls war zufrieden mit diesem Passus.


    Da sich letztlich niemand mehr zu Wort meldete - Domitius gab ja auch gerne mal seinen Kommentar ab - ließ Witjon den nächsten Absatz verlesen.


    Zitat

    VIII. De Iuribus Magistratum
    Jeder amtierende Duumvir soll das Recht haben, die Beschlüsse und Handlungen seines Collega oder der Quaestores oder Aediles für unwirksam zu erklären. Ebenso soll jedes Aedil das Recht haben, die Beschlüsse seines Collega für unwirksam zu erklären, wenn er dies innerhalb von drei Tagen tut. Jeder Aedil, Quaestor oder Duumvir, der sein Amt rechtschaffen ausgeführt hat, soll nach dem Ende seiner Amtszeit das römische Bürgerrecht für sich und seine ehelichen Kinder verliehen bekommen, soweit er dieses nicht bereits besitzt. Für die Dauer ihrer Amtszeit sollen außerdem alle Duumviri iure dicundo, Quaestores und Aediles von allen Munera und dem Kriegsdienst frei sein.


    "Auch hier empfehle ich der Praxis halber eine vereinfachende Umformulierung", erklärte Witjon und nannte seine Kritikpunkte: "Ich würde die ersten Sätze wie folgt abändern: Jeder amtierende Duumvir hat das Recht, die Beschlüsse und Handlungen seines Collga oder der anderen Amtsträger für Unwirksam zu erklären. Ebenso hat jeder Aedil das Recht, die Beschlüsse seines Collega für unwirksam zu erklären, wenn er dies innerhalb von drei Tagen tut.


    Und dann noch in den letzten Sätze das soll jeweils ersetzen durch hat beziehungsweise sind und so weiter." Den Decuriones dürfte wohl klar sein, wie er das meinte. Eben genau so, wie sie es schon bei allen vorigen Absätzen verändert hatten.




    DECURIO - MOGONTIACUM

    Zitat

    Original von Aurelius Lupus, Petronius Crispus, Sicca Magonidas und Petronia Octavena


    Nachdem Witjon das allgemeine Gesprächsthema eigentlich in eine etwas heiterere Richtung zu lenken versucht hatte, startete Marcus Petronius Crispus einen ganz anderen Vorgang, der Witjon leider sehr bekannt war. Er wurde in letzter Zeit ebenfalls immer häufiger gefragt, ob beziehungsweise warum er denn nicht verheiratet sei. Erleichtert stellte er daher fest, dass diesmal ausnahmsweise nicht er gefragt wurde, sondern der Aurelius. Was er dagegen überhaupt nicht schön fand war, dass daraufhin die Stimmung abrupt zu kippen begann. Crispus hatte das Gespräch ausgerechnet auf die verstorbene Frau des Senators gelenkt und fing dann auch noch selbst an von seiner toten Gattin zu reden.


    Witjon musste dabei ebenfalls ein Augenrollen unterdrücken, allerdings aus anderen Gründen als die Petronia. Sicca nahm er in diesem Moment mittlerweile schon nur noch als lästiges Beiwerk wahr, das ihn nicht mehr so sehr kümmerte. Ihn selbst hatte sie nämlich offensichtlich von Beginn an nicht als mögliches Ziel anvisiert, weshalb er sich zuungunsten des Senators außer Gefahr wähnte. Deshalb ignorierte Witjon das anmaßende Wimpernklimpern und Blickezuwerfen der magonidischen Tochter konsequent und hörte lieber, was Petronia Octavena zu sagen hatte, denn die junge Frau fand er an diesem Abend wieder einmal wesentlich sympathischer und weniger - oder besser gesagt überhaupt nicht - aufdringlich im Rest zu ihrer restlichen weiblichen Begleitung.


    Und Octavenas Worte waren genau jene, die er selbst nach dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren so häufig gesagt bekommen hatte, um sie sich daraufhin jahrelang noch gegenüber seiner selbst zu wiederholen. Es waren jene Worte, die ein Witwer hören musste, aber nicht wollte. Jene Worte, die die Trauer nicht linderten, aber die Kraft zum Aufraffen spenden konnten. In Witjons Fall hatte es gereicht. Zum Glück. Und deshalb konnte er in diesem Moment auch ohne überschwängliche Gefühlsduseligkeiten einen Kommentar abgeben, wobei er es natürlich dennoch nicht unterließ eine gewisse Betroffenheit in seinen Blick zu legen.


    "Wohl gesprochen, Petronia", sagte er deshalb und ergänzte: "Ich bedaure euren Verlust, werte Herren, den ich leider nachvollziehen kann." In Mogontiacum war immerhin allseits bekannt, dass Witjon Witwer war, weshalb er diesen Umstand nicht noch einmal konkret herausstellte.
    "Wobei ich in unserem Kreis aber nicht nur Junggesellen erkenne", lenkte er nun lieber schnell das Thema seinerseits von Tod und Trauer auf erfreulichere Dinge. Dabei vermied er im Gegensatz zu Petronius Crispus den Begriff des Junggesellen nicht. Witjon war der Meinung, dass man als Witwer durchaus so bezeichnet werden durfte, war es doch an der Tagesordnung, dass junge Mütter im Wochenbett starben und ebenso junge Ehemänner sich alsbald ohne große Hemmnisse ein neues gebärfreudiges Weib suchten. Wobei Witjon natürlich verstehen konnte, dass mancher römischer Veteran möglicherweise noch in etwas althergebrachten Weltbildern unterrichtet worden war. Aber das waren ja alles auch nur Gedankenspiele...
    Schließlich sprach Witjon Sicca und Octavena dann einfach direkt an: "Sondern doch auch euch beiden jungen Damen. Wie kommt es, dass ihr noch nicht von jungen Männern umworben werdet wie schöne Frauen es verdienen?" Seine Frage war freundlich gemeint und ohne Hintergedanken gestellt, was für den objektiven Betrachter womöglich jedoch einen anderen Anschein erwecken mochte.

    Nach der Erwiderung des Magoniden drehte Witjon sich zu Lucius um und hob gespielt hilflos die Arme.
    "Da haben wir's ja schon. Der Begriff 'fremd' ist offensichtlich doch nicht so klar, wie Petronius es darstellt."
    Er legte eine sekundenlange Kunstpause ein, während der er einen Blick über die restlichen Decuriones schweifen ließ, dann setzte er nach: "Wir sollten uns also die Frage stellen, ob für jeden Vicus ein anderer Vicus fremd ist, oder ob wir manche Vici anders behandeln, als andere."
    Und jetzt stimmte er letztendlich sogar lieber Petronius zu, als er sagte: "Dahingehend halte ich es nicht für vertretbar, die von dir - Magonidas - genannten Vici als Ganzes nur aufgrund ihres baulichen Zusammenhangs zu sehen, sondern gänzlich die 'Fremdheit' eines Handwerkers aufgrund seiner Vicizugehörigkeit zu bestimmen. Ob er nun hundert Schritte zum nächsten Marktplatz gehen muss, oder ob es tausend Schritte sind. Wo ist da der Unterschied? Ein anderer Vicus ist eben ein anderer Vicus."

    "Mit Verlaub, Mathayus Magonidas, aber das klingt unglaubwürdig. Erst stimmst du Petronius' zu, dass andere Vici nicht die gleichen Rechte in Bezug auf das Forum haben sollen und dann willst du festgestellt wissen, dass ausgerechnet dein Vicus und die Canabae aber zum Vicus Apollinensis hinzugezählt werden sollen? Mumpitz, ehrlich!"


    Witjon schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf.


    "Wenn wir die Vici in Sachen Marktreche trennen, dann bitteschön auch alle. Oder wir behandeln alle wie ein Ganzes. Aber das was du vorschlägst, Magonidas, ist wohl kaum vertretbar."

    "Achso", machte Witjon, als er die Formulierung endlich verstanden hatte. "Dann sollten wir hier vielleicht ein klein wenig präziser formulieren. Dazu würde ich ehrlich gesagt im ersten Satz den Passus 'und vor jeder Amtshandlung' streichen, das finde ich zu missverständlich. Und den letzten Satz würde ich wie folgt umstellen: 'Jeder Magistrat ist verpflichtet für jede Amtshandlung, die er tätigt, ohne diesen Eid geschwört zu haben, eine Strafzahlung von je 2000 Sesterzen in die Stadtkasse zu zahlen.' Ich denke, das ist etwas klarer." Fragend sah er Petronius an. Hoffentlich störte es ihn nicht, dass Witjon ständig etwas zu mäkeln hatte.





    DECURIO - MOGONTIACUM

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Hm, ich wette die Männer am Danuvius werden sich nicht so schnell anschließen. Man sagt, dass Salinator bei seinen Männern nicht unbeliebt war."


    "Gut möglich", gab Witjon zu. "Er hat angeblich viele Freunde dort unter den Kommandeuren. Immerhin haben sie in der Gegend jahrelang zusammen Seite an Seite gekämpft. Zusammen mit dem verstorbenen Valerianus, die Götter seien im gnädig." Witjon zuckte ein bisschen die Achseln. Er wusste auch nur, was man sich so auf der Straße erzählte.
    "Aber andererseits heißt es ja, dass Aegyptus sich losgelöst hätte. Vielleicht muss sich Vescularius in Rom ja plötzlich gegen zwei Seiten verteidigen?"


    Zitat

    Original von Faustus Duccius Decula
    Keuchend und hastich nach Luft ringend kam er bei seinem Verwandten an.
    "Uff.. hab.. hab ich.. was verpasst?" gab er nach und nach von sich, dann staunte er nicht schlecht. So viele Soldaten! Er war schlichtweg völlig beeindruckt und bemerkte so erstmal nicht, dass Witjon sich mit einem Mann unterhielt. Nach einigen Momenten drehte er sich um und strahlte Witjon vor Begeisterung an. Als er seinen Blick weiter nach rechts schwenkte sah er dem Mann in die Augen, mit dem sich Witjon unterhalten hatte. Der Mann sah irgendwie grimmig aus.. ein wenig eingeschüchtert, brachte Dagwin erstmal kein Wort heraus.


    Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen von Dagwin, der plötzlich zwischen den Menschen auftauchte und voller Begeisterung die marschierenden Soldaten angaffte. Witjon musste grinsen über so viel kindlichen Ungestüm.
    "Keine Sorge, du hast nichts verpasst. Die Legionäre marschieren und marschieren und das wird noch lange so bleiben", antwortete er in gutmütigem Ton.


    Dann wandte er sich an Crispus und stellte die beiden einander vor. "Petronius, dieser neugierige Bursche hier ist mein Großneffe Faustus Duccius Decula. Faustus, begrüße artig meinen Kollegen, Decurio Marcus Petronius Crispus." Er gab dem Jungen einen auffordernden Wink und erklärte diesem weiter: "Soll ich dir etwas verraten? Petronius ist ehemaliger Primus Pilus der Legio Secunda. Er ist ein richtiger Legionsveteran."

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Das ist wahr. Allerdings werden die beiden Heere sich sicherlich über uns versorgen..."


    antwortete Crispus und dachte an die armen städtischen Bediensteten, die wahrscheinlich keinen Lohn ausgezahlt bekamen - vielleicht sollte der Ordo Decurionum ein wenig Geld organisieren...


    "Oder weißt du etwas darüber, wie es in anderen Provinzen aussieht? Haben sich noch mehr uns angeschlossen? Also außer diesem Cornelier in Syria?"


    Missmutig stimmte Witjon dem Petronius zu. "Im schlimmsten Fall müssen wir in unseren Nachbarcivitates im Westen Getreide ankaufen, wenn unseres nicht mehr reicht", mutmaßte er dann noch. Auch wenn es grundsätzlich immer der Fall war, dass die Menschen in den Städten schneller Hunger litten als ihre Nachbarn auf dem Land, wenn es zu Nahrungsknappheit kam, könnte es diesmal sogar bei den Bauern knapp werden. Zumindest nahm Witjon das an, wenn man davon ausging, dass man den Bauern wesentlich mehr Getreide abkaufen musste, als sonst üblich war.


    Hinsichtlich Crispus' zweiter Frage konnte Witjon nur mit den Schultern zucken. "Ich weiß vermutlich nicht mehr als du. Es gilt als gesichert, dass Cornelius' Bruder in Britannia auf unserer Seite steht. Und Gallia sowie Belgica haben bisher quasi keine Beachtung gefunden, weil dort kein nennenswertes Militär stationiert ist. Ich schätze aber, dass die sich ruhig verhalten werden. Was sollte es ihnen auch bringen, sich jetzt einzumischen? Höchstens finanzielle Unterstützung wäre von ihnen zu erwarten, aber darüber weiß ich jedenfalls nichts. Und über die Provinzen im Süden ist im Grunde genommen nichts bekannt."

    Nach einer Sitzung des Ordo Decurionum, in der es wieder einmal um den Diebstahl der Stadtkasse ging, hatte Witjon sich beeilt, den Umbau des Tempels des Apollo Mogon in die Wege zu leiten. In besagter Sitzung war Witjon etwas in Bedrängnis geraten, weil er es bisher versäumt hatte, einen sicheren Ort für die Stadtkasse schnellstmöglichst einzurichten. Man hatte sich damals darauf geeinigt, im Tempel des Apollo Mogon einen Kellerraum einzurichten, um das Geld der Civitas in die schützenden Hände des Apollo zu legen. Seitdem hatte die Umsetzung dieses Vorhabens jedoch länger gedauert als beabsichtigt.


    Heute war Witjon zu Besuch auf der Baustelle. Bereits kurz nach besagter letzter Sitzung hatte er dem beauftragten Architekten einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasst. Seither hatte sich viel getan. Das legte er jetzt seinem ehemaligen Amtskollegen im Duumvirat dar, der mit Witjon den Tempel betrat.
    "Siehst du, Patulcius, der Kellerraum ist schon beinahe fertig. Er wird über eine Falltür erreichbar sein, hier vorne, direkt rechts hinter dem Bildnis von Apollo Mogon." Sie bezeugten in einer knappen Verneigung ihre Ehrerbietung gegenüber der Gottheit, dann passierten sie diese und warfen einen genauen Blick auf die Baustelle.


    [WRAPIMG=left]http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/26.jpg[/wrapIMG] Aulus Patulcius Merula nickte mit zufriedenem Lächeln. "Jeder, der also an unser Geld will, muss es erstmal mit Apollo aufnehmen", schlussfolgerte er. "Das soll mal einer wagen. Und dann soll hier eine Falltür eingelassen werden?" Er deutete auf das Loch, das hier noch offen vor ihnen lag.
    "Richtig. Eine relativ steile Treppe wird hinunterführen. Hier ist zwar bisher nur eine Holztreppe, aber das wird zuletzt fertig gestellt."
    In diesem Moment erschein ein etwas verstaubtes Gesicht auf der knarzenden Holztreppe und zeigte sich erfreut, als er die beiden gewesenen Duumvirn erkannte.
    "Ah, salvete Decuriones. Willkommen", begrüßte der Architekt Cnaeus Atinius Carus die beiden Männer.
    "Salve Atinius. Wie geht es voran?"
    "Es läuft", erwiderte dieser grinsend. "Der Raum unten ist schon so gut wie fertig. Wir verputzen gerade die Wände, das sollten wir noch heute abschließen. In den nächsten zwei Tagen vollenden wir dann den Boden. Und dann folgen nur noch die Feinheiten und der Einbau der Steinstufen."
    Witjon klopfte Patulcius aufmunternd auf die Schulter. "Na schau, wir können schon nächste Woche die Stadtkasse hier unterbringen", frohlockte er und suchte dabei nochmal den Blick des Architekten, der zustimmend nickte. Atinius ließ sich gerade eine Schüssel mit Wasser anreichen, um sein Gesicht zu waschen. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, fragte er: "Wollt ihr nach unten, euch umschauen?"
    Die Duumvirn sahen sich kurz an und schüttelten dann beiden den Kopf.
    "Nein danke, wir vertrauen auf deine Einschätzung", grinste Witjon. Er hatte keine Lust, sich in der Baustelle dreckig zu machen. Lieber kam er später wieder, wenn die groben Arbeiten abgeschlossen waren und nur noch die Falltüre und Öllampenhalter angebracht wurden.
    "Wir kommen später wieder", ergänzte Patulcius. "Viel Erfolg noch, Atinius. Weiter so." Und damit verabschiedeten sie sich und verließen den Tempel wieder. Witjon war zuversichtlich, dass der Kellerraum fertig sein würde, wenn das wiedergefundene Geld der Stadtkasse nach Mogontiacum zurückgebracht wurde.

    Zufrieden nahm Witjon das Ergebnis der Abstimmung zur Kenntnis. Es kam dann die Aufforderung, einen anderen Kandidaten für das Amt des Magister des Collegiums vorzuschlagen, woraufhin es im Saal zunächst überraschend still blieb. Witjon musste einen Augenblick überlegen, bis er selbst einen passenden Mann erdacht hatte, dann erbat er das Wort.


    "Ich schlage Eginhard, Sohn des Richbert, vor. Ihr kennt ihn als einen der erfolgreichsten Steinmetze Mogontiacums. Ich denke er wäre eine hervorragende Wahl für den Posten des Magisters." Dass Eginhard gleichzeitig im Namen des Konsortium Freya Mercurioque handwerkerte, stellte einen angenehmen Nebeneffekt dar, der hoffentlich einen großen Teil der Honoratioren zu einer positiven Abstimmung bewegen würde. Einen heimlicher Seitenblick auf Domitius Massula zumindest konnte Witjon sich nicht verkneifen.

    "Neben der Schule meinst du?" fragte Witjon. Er konnte es nur gutheißen, wenn der Junge von Tatendrang erfüllt war. "Du könntest bei Leif im Stall schauen, ob er vielleicht etwas für dich zu tun hat. Wenn du ihm nach der Schule hilfst, wirst du ein kräftiger Bursche, das verspreche ich dir." Ein Lächeln umspielte Witjons Mundwinkel bei dieser Ansage. Leif würde den Kleinen Heu stemmen und die Pferdeboxen vom Mist befreien lassen. Davon bekam man ordentliche Oberarme.