Beiträge von Decimus Duccius Verus

    Er hörte sich die Pläne des Jungen an, welcher ziemlich ehrgeizig und pflichtbewusst zu sein schien. "Achso ist das." entgegnete er und fühlte sich zugleich bestätigt in seiner Feststellung, dass alle Petronier einen Hang zur Militärkarriere verspürten. "Es ist gut, dass du hier Verwaltungsarbeiten übernimmst, bei der Legio werden Legionäre mit solchen Fähigkeiten gerne gesehen, da sie mit wichtigen, administrativen Aufgaben versehen werden können. Du solltest dir unbedingt ein Empfehlungsschreiben von deinem Onkel ausstellen lassen, immerhin war er Primus Pilus." beriet er den jungen Petronier. Ein Empfehlungsschreiben war ein absolutes Muss, ermöglichte es einem doch das schnellere erreichen bestimmter Ränge und ersparte es einem doch niedere Arbeiten, ja man konnte sagen, dass Legionäre mit einem gewissen Empfehlungsschreiben bevorzugt behandelt wurden. Und da sein Onkel Primus Pilus und sogar in der selben Einheit war, würde sich Marcellus keine Sorgen machen müssen.


    Gerade als er geendet hatte, betrat der Duumvir den Raum, woraufhin Phelan aufstand und ihn ebenfalls begrüßte, der etwas überrascht ob seines Besuches bzw. seines Aufenthals in Mogontiacum zu sein schien.


    "Petronius! Ja es ist eine Ewigkeit her." fing er an. "Ich bin mit meiner Tochter, Duccia Silvana, hier her gereist, um die Verwandten zu besuchen und sie in ihrer Obhut zu wissen. Für eine junge Frau erschien mir das Leben bei ihren Verwandten in Mogontiacum ertragreicher als auf dem Gut." mehr erzählte er erstmal nicht, standen sie doch noch im Officium des Scribas. "Wenn dich dein Amt als Duumvir gerade nicht zu sehr in Beschlag nimmt, würde ich gerne ein paar Worte mit dir wechseln." tat er die Absicht seines Besuches kund. Das das Gespräch natürlich nicht hier vor Marcellus, sondern unter vier Augen stattfinden sollte, war natürlich selbstverständlich.

    Aus Mantua war er also? Nun, dafür das er aus Mantua stammte, hatte er sich äußerlich Mogontiacum schon so angepasst, dass man darauf nie kommen würde, dass er nicht von hier war. Seine Haare waren für einen Römer aus Mantua recht lang.


    Für einen Beileidsausspruch erschien es Phelan etwas spät, machte aber eine Anmerkung bzgl. des Vaters "Der Dienst als Soldat Roms scheint in eurer Familie nicht selten zu sein, war Crispus doch auch bei der Legio hier in Mogontiacum. Er bekleidete sogar den Rang des Primus Pilus, nicht wahr?" Das wusste Phelan noch, Crispus war ein stolzer Mann, was sicher auch aus seiner Vergangenheit als dienstältester und somit erfahrenster Centurio der 1. Kohorte herrührt. "Es ist gut, dass dich dein Onkel beschäftigt, falls du eine Laufbahn in der Stadtverwaltung planst, bist du bei ihm in guten Händen." entgegnete er dem Jungen relativ nüchtern. "Ja, Familie ist ein hohes Gut, dass man nicht unterschätzen sollte." auch wenn er erst wieder ein paar Tage in Mogontiacum war und obwohl er nicht in die alte Casa Duccia zurückkehren konnte, fühlte er sich immer mehr heimisch und spürte, wie ihm die Anwesenheit seiner Verwandten ein Stück Lebensfreude zurückgeben konnte.
    "Das Militär ist nichts für dich?" fragte er weiter. Der Junge bemühte sich um ihn als Gast, also wollte er nicht unhöflich sein und still auf den Duumvir warten.

    Der Pontifex nickte begrüßend, als der Scriba sich vorstellte. Er war also auch ein Petronius, was Phelan allerdings nicht sonderlich verwunderte, waren die Petronier zwar nicht so vertreten wie die Duccier in dieser Stadt, aber durchaus immer präsent gewesen!


    "Gut, ich werde warten." entgegnete er dem Scriba und setzte sich.
    Nach einiger Wartezeit fragte er ihn "In wiefern bist du mit Crispus verwandt?"

    Ein paar Tage nach ihrer Ankunft hatten sich Phelan und seine Tochter Runa (wieder) in Mogontiacum eingelebt. Die Stadttour mit seiner Lütte hatte er schon hinter sich und konnte sie deshalb auch bedenkenlos in Margas Aufsicht lassen ohne das die Gefahr bestand, dass sie sich selbstständig aus Neugier auf den Weg in die Stadt machen würde. Immerhin hatte sie sich auch auf dem Gut hin und wieder von ihrem Privatlehrer ferngehalten, aber Marga ließ sich nach Bitten und Betteln letztendlich doch dazu breitschlagen, Runa mit in die Vorbereitungen für das allabendliche Familienessen mit einzubeziehen, hatte sie auf dem Gut doch eigentlich fast nie die Möglichkeit gehabt germanische Speisen zu kosten. Ihm kam es ganz recht, dass sie im Hause der Duccier von nun an mehr mit den germanischen Gepflogenheiten in Berührung kam.
    Folglich konnte er sich in eigener Sache in die Stadt, besser gesagt zur Curia, aufmachen.
    Lange war es her, dass er sein Amt als Pontifex in Mogontiacum ausgeführt hatte. Aufgrund seiner unkontinuierlichen und sehr seltenen Anwesenheit der letzten Jahre, er verbrachte ja die meiste Zeit auf dem Gut und im benachbarten Clarenna, war es ihm nicht mehr möglich gewesen dieses Amt auszuüben sowie im Ordo Decurionum mitzuwirken. Doch das sollte sich mit diesem Besuch hoffentlich wieder ändern. Er hatte den Petronier zwar schon lange nicht mehr persönlich gesprochen, war aber durch seinen Vetter über sein Schaffen in der Stadt, welches er sich verdient gemacht hatte, informiert worden. Auch wenn vor zig Jahren gewisse Abneigungen zwischen den Ducciern und Petroniern in Mogontiacum generell gegeben hatte, waren diese mittlerweile wohl verflogen, immerhin hatte Witjon Octavena, Crispus Nichte geheiratet, was die Familien somit auch zueinander geführt hatte.


    So lief er also die Gänge der Curia zum Officium des Scribas entlang, als wäre es gestern gewesen - hatte er doch in diesem Gebäude damals sogar als Magistrat zeitweise sein eigenes Officium-, um sich anzumelden.
    Er trat ein und stellte sich vor.


    "Salve. Ich bin Pontifex Decimus Duccius Verus. Hat Duumvir Petronius Crispus kurz Zeit für ein Gespräch?"

    Als ihm seine Tochter seine Frage beantwortete, drückte er sie kurz an seine Schulter, es war einfach zu schön, in diesen vier (natürlich sinnbildlich für ein Haus, was es in diesem Falle ja nun gar nicht war) Wänden zusammen mit ihr zu sein. Es dauerte nicht lange, da kam aus einer der Türen Witjon herausgestapft und sah - wie fast immer - überbeschäftigt aus. Phelan beneidete seinen Vetter keineswegs um die Pflichten als Familienoberhaupt, Chef der Freya Mercurioque und zu guter aber nicht zu letzt als Procurator Civitatium.
    Freudig ging er auf seinen Vetter zu und öffnete die Arme "Ahhh.. kam' her do ollen Hoevel!" und drückte ihn herzlich an seine Brust, ging dann einen Schritt zurück und hielt seine Arme fest. "Wöör de Wintertiet scho gewees? Mastig sehst ut! Binah as dien Fruu!" scherzte er und lukte danach über die Schulter seines Vetters "Wor is denn dien Oll? Hett se scho smeten? ohne das beleidigend zu meinen, er verstand ihn schon.


    "Wat ik noch seggen wull, dat is mien Lütte, mien Dochter Runa." er öffnete einen Arm in ihre Richtung, sodass sie näher trat, war sie bei der überschwänglichen Begrüßung der beiden fast gänzlich untergegangen.

    Etwas erstaunt besah sich Phelan das Schauspiel zwischen seiner Tochter und Albin. Sie gab dem Ianitor zu verstehen, dass sie Phelans Tochter und nicht seine Frau war und erinnerte den Alten auch noch einmal daran, wie ihre Mutter hieß. Albins Reaktion war etwas verwunderlich, hatte der Pontifex doch eine Schimpftirade des Greises erwartet, der allerdings nur Runa betätschelte und scherzte. Die Landluft außerhalb der Stadt schien ihm anscheinend gut zu tun.
    Mit einem freundlichen Nicken folgten ihm die beiden in das Innere der Villa.
    Zumindest er für seinen Teil war vollkommen überwältigt - seine Tochter lief hinter ihm und daher konnte er ihre Reaktion auf das imposante neue zu Hause nicht sehen - da hatten sich die Architekten der Freya Mercurioque aber einen raugehauen, fette Hütte! Im Innenhof sah alles noch ziemlich neu aus, die Pflanzen unter dem freien Himmel waren noch recht zierlich, waren sie doch vor kurzem erst gepflanzt worden. Die Villa war schon ein ganz anderes Kaliber als die Casa Duccia, allein schon wenn man die Laufwege betrachtete. Als Albin plötzlich durch den Innenhof brüllte, dass Besuch im Hause war, schreckte er kurz aus der Beobachtung geschuldeten geistigen Abwesenheit auf. Auf Albins Nachtrag entgegnete er "Bi de Jötters, watt en schnieket' Huus." und nickte zustimmend. Er hoffte, dass den ersten Duccier, den er sehen würde, Witjon war, stand er ihm doch am nächsten. Natürlich würde er sich auch über jeden anderen freuen, denn er hatte sie alle gleich lang nicht mehr gesehen.
    "Runa.." sprach er über seine Schulter hinweg "Watt mense? Heff ik to veel jelaavt?"

    Es dauerte ungewöhnlich lange, bis jemand ihnen öffnete. Nicht das Albin sprang, sobald es klopfte, er ließ sich immer die Zeit die er brauchte, war es ihm doch egal, ob jemand ein paar Momente länger vor verschlossene Tor warten musste, aber dieses mal dauerte es wirklich eine halbe Ewigkeit. Schließlich öffnete genau der alte Greis, den sie erwartet hatten. Komischerweise war dieser schon wieder keinen Deut älter geworden nach fast einem Jahr, wo sie sich nicht gesehen hatten. Wie machte er das nur? Phelans blonder Schopf hingegen wurde immer heller..


    Wie es die Etikette dem Ianitor vorschrieb, begrüßte er sie auf Latein, typisch grimmig dreinblickend und leicht genervt. Der Pontifex wartete einen Moment, bis dem Alten auffiel, wer denn hier vor ihm stand und verzog dabei keine Miene, außer dass er seine Augenbrauen etwas hochzog. Als er ihn dann endlich erkannte, entgegnete er gespielt patzig "Getz tu ma nit so, als hätts mi nit wedderkennd'." schließlich war Phelan nicht gerade mit seinen langen Haaren der typische Römer, auch wenn Albin zwar nicht wirklich älter geworden zu sein schien, um die Augen stand es wohl nicht mehr so gut.
    Als der Greis nach Runa fragte, ob sie seine neue Frau wäre, drehte er sich kurz zu ihr um und schmunzelte.
    "Albin.. min Fru isset jutt. Besinns' di nit op min Göör vun de Fier vun de Witjon denne sien Geboortsdag vun voer tein Johren? Dat is mien Dochter, Runa, Duccia Silvana." das Albin sie für seine neue Frau hielt bestätigte, dass sie bereits im heiratsfähigen Alter war, also zu einer jungen Frau herangereift war. Eigentlich erinnerte sich der alte Mann an ALLES, was sich jemals in der Familie der Wolfrikskinder ereignet hatte.
    "Sünd de Annern do?" fragte er, etwas an Albin vorbeilukend.

    Nach einer letzten Etappe von Lopodunum aus, die durch Phelans Erzählungen aus seinen jungen Jahren bei den Duccii gar nicht so lang erschien, erreichten sie schließlich Mogontiacum. Sie passierten das Castellum der ALA II und fuhren die Via Borbetomaga entlang, wo sie zuerst am Vicus Novus und danach am Vicus Victoria vorbeikamen, die außerhalb der Stadtmauern lagen. Wenn man die Via Borbetomaga entlang schaute, hatte man einen guten Überblick über Mogontiacum, welches aber immer mehr hinter den Stadtmauern verschwand, je näher man kam. Ungefähr auf der Mitte der Strecke vom Castellum bis zum westlichen Stadttor wies Phelan Alexandros an, dass die Villa Duccia nun auf der linken Seite läge, woraufhin dieser den Wagen von der Straße durch das Tor und den Hauptweg hinauf zur Villa lenkte. Links und rechts des Weges erstreckten sich die Felder und Obstplantagen der Rus, auf denen die Männer arbeiteten, welche er grüßte - sie erkannten ihn noch, obwohl er es in diesem Jahr noch nicht nach Mogontiacum geschafft hatte. Etwas verwundert schauten sie allerdings, saß neben ihm doch seine hübsche Tochter, die sie bis jetzt noch nicht kannten. Der Ähnlichkeit nach konnten sie sich allerdings bestimmt denken, dass es Phelans Sprössling sein musste. Je weiter sie den Hauptweg hinauf fuhren, desto freudiger wurde er, hatte er die Villa doch noch nicht gesehen, auch Runa schien ziemlich aufgeregt.


    Nach einer Weile erreichten sie schließlich das Ende des Weges, welcher sie direkt vor die prächtige Porta der ebenso prächtigen Villa brachte.
    Schon aus dem Staunen nicht mehr raus kommend stieg er langsam von dem Wagen, ohne seinen Blick von dem imposanten Gebäude abzuwenden. Witjon hatte nicht zu viel versprochen. Ein wenig musste er schon fast vor Freude lachen, war es doch schon fast etwas übertrieben groß! Er wies Alexandros und Kaeso an zu warten, während er seiner Tochter vom Wagen half, um mit ihr die Treppen zum Tor hinaufzugehen. Auf dem Podest blieb er vorerst stehen und ging zu einem der vier Pfeiler, welchen er sich fasziniert ansah. In das Holz der kompletten Fassade des Tors waren Schnitzereien hineingearbeitet, die zum einen die Natur sowie Heldentaten der Mythen als auch Szenen aus der Familiengeschichte zeigten. Er wies Runa an zu sich zu kommen, die noch etwas zaghaft, vermutlich nicht aus Angst, sondern vielmehr aus Respekt und Ehrfurcht gegenüber dieses Baus, am Anfang der steinernen Erhöhung stand.


    Nachdem sie die Schnitzereien begutachtet hatten, zeigte er auf das Familienwappen, das den duccischen Wolf zeigte, welches sich am Giebel der Torüberdachung befand.
    Auch die in germanischer Pfahlschnittweise geschaffenen sechs Götter, denen ihre Familie besonders zugetan waren, übersahen sie nicht, welche das Tor überwachten.
    Sie traten an das massive Tor aus edlem Holz heran, dass einen germanischen Edelmann zeigte, welcher einem Römer die Hand reichte, welch symbolische Geste der Gastfreundschaft und Sinnbild für die Geschichte der Familie. Was für ein imposanter Eindruck, was für ein schöner erster Eindruck von ihrer Familie und ihrem neuen Heim für Runa.


    Mit einem kräftigen Klopfen wie aus alten Tagen kündigte er Vater und Tochter an, welche nun natürlich auf einen bestimmten Mann warteten - dieser Mann konnte nur einer sein: Albin.

    Irgendwie hatte sich Phelan total in seinen Geschichten verheddert. Voller Begeisterung und in epischer Breite erzählte er seiner Tochter von den Jagderlebnissen, was sogar mehrere Stunden ausfüllte, doch Runa hörte gespannt zu. Zu diesen Zeiten war das Leben für ihn noch völlig unbeschwert gewesen. Er hatte noch keine Pflichten, waren diese Ereignisse doch lange vor seiner Reise nach Rom, wo er seine Ausbildung absolvierte. Während er erzählte, wurde er gegen Ende hin immer leiser, kam er doch zu der Stelle, wo er Runa erzählte, dass Irminar und Loki schon lange tot waren. "Ja." entgegnete er ihr. "Aber so ist das im Laufe der Generationen. Mittlerweile gehöre ich zu den ältesten Duccii, ebenso wie Witjon und Alrik. Du bist die neue Generation, zusammen mit Audaod und den noch jüngeren Kindern von Dagmar." Als sie dann die Frage stellte, die er einfach nicht beantworten wollte, schaute er wieder gerade aus und schwieg eine Weile. "Wir leben in der Gegenwart, die Gegenwart ist das was zählt, Runa." sprach er schon fast, als wären es weise Worte. "Wir müssen die Gegenwart leben und uns auf die Zukunft freuen, Vergangenes in Ehren halten, nicht vergessen, aber auch nicht von ihr unsere Gegenwart bestimmen lassen." fuhr er fort.
    Nach einiger Zeit des Schweigens setzte er sich plötzlich auf, stieß seine Tochter an und deutete auf den Horizont "Da! Das Castellum der ALA II Numidia! Dahinter liegt schon die Via Borbetomaga, abseits dieser Straße befindet sich unser Ziel." erklärte er. In freudiger Stimmung und mit einer immer aufgeregteren Tochter im Schlepptau fuhr der Wagen in Richtung Castellum, welches sie passierten und sich fortan auf der Via Borbetomaga befanden.

    Als sie die Frage ihres Vaters vorerst verneinte, der es nicht vermochte die Ironie darin sofort zu erkennen, schaute er sie überrascht mit hochgezogenen Augenbrauen an, welche sich kurz danach aber schon wieder senkten und sich sein Staunen zu einem Lächeln wandelte "Ich hatte schon gedacht, du wolltest mich auf den Arm nehmen." er wuschelte ihr durch den blonden Schopf, so wie er es eben gerne tat.
    Die weitere Fahrt verlief problemlos, da wie gesagt die Sonne schien und die Wolken nicht danach aussahen, als würden sie Tonnen von Wassermassen auf sie niederprasseln lassen wollen. So schwiegen sie zwar, genossen aber vergnügt die Fahrt.


    "Ich bin mal gespannt, ob Witjon noch Manns genug ist mit mir jagen zu gehen, oder ob er völlig dem provinzialen Papierkram für den Legaten zum Opfer gefallen ist." merkte er scherzhaft an. "Es gibt da so die ein oder andere Geschichte aus unseren jungen Jahren, wo der ein oder andere Eber dran glauben musste." gab er schon fast prahlend an.

    "Wir werden sehen, was die Götter für deine Zukunft bestimmt haben, Runa." entgegnete Phelan seiner Tochter und schloss damit das Thema, welches ihn überraschend kurzzeitig aus der Bahn geworfen hatte. "Schau! Lopodunum." merkte er nach einigen Momenten der Stille an, als er schon die Rauchschwaden am Horizont erspähte.
    Sie kamen gerade im rechten Moment an der Taverne an, zeigte sich das Wetter wieder nicht von seiner besten Seite. Während Runa sich zusammen mit Alexandros um die Pferde kümmerte, was ihn sehr freute, da er seine Tochter nicht als verwöhnte Römerstochter erzogen hatte, sondern sie ab und zu mit Aufgaben betreut hatte, die sie bei anderen Eltern nicht hätte machen müssen - sie würde also gewiss die ein oder andere Freude an der duccischen Hros haben -, ging er schon einmal hinein und orderte etwas zu Essen und zu Trinken, damit sie den Abend gemütlich ausklingen lassen konnten.
    Die Nacht war für den Pontifex eher weniger erholsam, hatte er doch noch länger wach gelegen und keinen Schlaf finden können. Wieso wusste er nicht genau, vielleicht war es der volle Magen mit dem leckeren Essen der urgemütlichen Tavernenbesitzersfrau.
    Am nächsten Morgen war Runas Bett bereits leer. Sie hatte sich schon zusammen mit den beiden Bediensteten um den Wagen und um die Pferde gekümmert. Ganz gemütlich, wissend, dass die letzte Etappe nicht all zu lang dauern würde, trat er aus der Taverne heraus, streckte sich kurz und gähnte ordentlich. "Du kannst es wohl kaum erwarten, mh?" begrüßte er eine Tochter. Sie schien ziemlich aufgeregt, denn sie tippelte ganz schön auf der Stelle. Vielleicht musste sie aber einfach auch dringend ihre Notdurft verrichten. "Wenn du bereit bist, bin ich es auch." entgegnete er ihr und setzte sich auf den Wagen.
    Als sie aufbrachen schien die Sonne und wärmte sie in den Mittagsstunden, sodass sie ihre Mäntel auszogen konnten. Phelan genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen, bevor der Winter kommen würde. Ob er den Winter in Mogontiacum oder auf dem Landgut verbringen wollte, wusste er noch nicht, doch eines war ihm klar: Im Winter selbst könnte er wetterbedingt nicht mehr zurückkehren, also würde er sich früh genug entscheiden müssen. Würde er sich vielleicht absichtlich zu spät entscheiden? Das würden die nächsten Monate zeigen..


    "Und?" stieß er seine Tochter an, "Bist du schon aufgeregt? Du bist so unruhig."

    Die längeren Ruhepausen, die zwischen ihren Gesprächen herrschten, störte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Beide genossen die Umgebung und konnten sich jeder für sich umsehen, sich in Gedanken verlieren und natürlich auch versuchen, etwas zu dösen, was auf dem holprigen Wagen natürlich nicht ganz so einfach war.
    Nach einiger Zeit brach Runa die Stille mit einem Thema, mit dem Phelan schon lange abgeschlossen hatte. Allerdings wusste er, dass seine Tochter ihn danach fragen würde, wenn sie alt genug war und das nicht nur aus Sorge oder Interesse um ihren Vater, sondern auch aus Sorge um sich. Wie würde es sein, wenn sie verheiratet werden würde? Das war bestimmt eine Frage, die sie sich stellte, ob sie das selbe Schicksal ereilen würde.


    Er atmete tief ein, wartete einen Moment, um dann wieder in vollem Schwung auszuatmen als würde er sich in die Startlöcher eines Rennens begeben, dass nicht leicht werden würde.
    "Weißt du Runa." fing er klassisch an, wie es seine Art eben war.
    "Es war meine Pflicht diese Verbindung einzugehen und ich wollte einfach nur Weg aus Mogontiacum. Ich brauchte Abstand. Ich wusste die Verbindung war gewinnbringend für die Familie, ich würde auf ein Landgut nahe Clarenna ziehen und eine hübsche Frau heiraten. Eine perfekte Ausgangslage, um neu woanders anzufangen." leitete er ein, bis er schließlich auf den Punkt zu sprechen kam, den seine Tochter so wissbegierig erklärt wissen wollte.
    "Allerdings ist es schwer einen Menschen aus der Pflicht heraus zu lieben. Liebe ist etwas wunderbares, sie ist wunderbar, weil sie einfach geschieht, nicht weil sie bestimmbar und erzwingbar ist. Die Liebe ist etwas unsichtbares, etwas von den Göttern ermöglichtes." erklärte er. "Wir haben uns lange gut verstanden und es lief für die Ausgangslage ziemlich erträglich, du weißt, es hätte viel schlimmer kommen können." er lehnte sich etwas zurück "Als ich meine Ausbildung zum Sacerdos Publicus in Rom absolvierte, bekam ich kurz vor meiner Probatio eine Mitschülerin, die ebenfalls von Aurelius Orestes angeleitet wurde. Ihr nahme war Decima Flava." als er ihren Namen aussprach, machte er eine Pause, so, als würde er sich kurz in die Zeit zurückversetzt fühlen, in der er sie kennen lernte. "Eine wunderschöne junge Frau, in die ich mich verliebte. Doch die Liebe hatte keine Chance, ich musste zurück nach Mogontiacum und sie musste in Rom bleiben. Es war sowieso ungewiss, ob wir eine Verbindung hätten eingehen können, mussten das doch unsere Familien entscheiden. Ich gab ihr zum Abschied mein Amulette mit unserem Sippenwappen, dem Wolf. Ich habe sie seitdem nie wieder gesehen. Ein Briefkontakt war nicht möglich, zu sehr hätte es mein Herz zerfressen." gestand er offen und ehrlich, vergaß er sich doch, es war nicht seine Absicht so viel von sich Preis zu geben. "Aber sorge dich nicht. Ich führe ein glückliches Leben, seitdem du geboren bist, Runa." schloss er mit einem Grinsen und fasste ihre Hand. "Ich fahre mit dir nach Mogontiacum, wir werden die Verwandten wieder sehen, ich werde meine alte Heimat wieder sehen, ich könnte gerade nicht glücklicher sein." Ja er war etwas über sich selbst verwundert, war er doch eigentlich über die Jahre ruhiger, rationaler und in sich gekehrter geworden. "Die Götter ebnen uns den Weg und ihre Pfade sind unergründlich. Es war vermutlich ihr Wille, dass ich zurück nach Mogontiacum kehre, um später deine Mutter zu ehelichen, sodass aus unserer Verbindung eine Tochter hervorginge."

    Während Runa referierte fiel ihm auf, dass sie etwas von seinen Worten bzw. Belehrungen in ihre Überlegungen mit einbezogen hatte: 'Dei Götter sind es die über unser Leben wachen, uns leiten, aber leben müssen wir es dennoch selbst.' Dabei wirkte es keinesfalls so, als hätte sie es einfach nur von ihrer Wissensdatenbank abgerufen, sondern es wirkte viel mehr verinnerlicht, automatisiert und gar selbstverständlich, was den Vater sehr beeindruckte. "Wenn wir sterben kommen wir den Göttern so nah, dass wir zusammen mit ihnen speisen können, in Asgard." ergänzte er sie.
    "Du hast einen Schritt übersprungen. Natürlich fungieren die Götter zusammen, sie sind eine Einheit, sie wohnen zusammen in Asgard. Doch jeder hat seine Aufgabe. Sie sind verschieden, sie haben verschiedene Eigenschaften ebenso wie wir Menschen. Nicht jeder Mensch ist gleich." fing er an zu erklären. "Die Menschen haben in den letzten Jahrhunderten vieles geschaffen, wenn du nur an die Technologien denkst, ihre Strukturen, ihre Organisation. Wir haben es möglich gemacht, dass wir zusammen in Städten leben können, dass alles geregelt ist, dass wir ein Gesetz haben, dass uns eine Linie gibt, eine Ordnung unter der wir alle zusammen leben können. Doch es gibt eben Dinge im Leben, die kann sich der Mensch nicht erklären, es geht über sein Wissen und seine Vorstellungskraft hinaus. Hier zeigen sich die Mächte der Götter. Daher glauben wir an so viele verschiedene Gottheiten, es gibt so vieles im Leben für das wir keine Antwort haben, aber die Götter geben uns die Zuversicht, dass wir uns nicht fürchten müssen, dass alles gut ist. Sie wachen über uns."

    Als Runa ihre Antwort zuerst fragend anbot, schaute ihr Vater sie mit großen Augen und leicht nach rechts geneigtem Kopf an, so als wolle er fragen "Ja oder nein?". Als sie kurz darauf selbstsicher die richtige Antwort äußerte, nickte er und bestätigte sie "Ganz Recht. Daher trägt jede römische Legion auch den Adler als ihr Fledzeichen, mit dem Schriftzug S.P.Q.R., Senatus Populusque Romanus mit sich. Sie ziehen also mit Iuppiters Segen, mit Iuppiters Kraft, mit Iuppiters Geleit, was den Männern natürlich auch Mut verleiht und sie mit Stolz erfüllt."


    Interessiert lauschte er den weiteren Ausführungen seiner Tochter. "Und? Was denkst du.. steht das in Verbindung mit unseren Göttern?" Es war wichtig Runa mit solchen Frangen zu löchern, erwartete sie das doch auf der einen Seite in ihrer Ausbildung und brauchte sie das doch auf der anderen Seite für ihr Selbststudium, wo sie sich derartige Fragen selbst zu stellen hatte.


    "Ich glaube Mogontiacum wird dir gefallen. Die Stadt liegt in einem Übergangsgebiet. Im Kultleben der Stadt treffen also keltische, germanische und römische Gottheiten aufeinander und demnach gibt es auch mehrere Kultstätten bzw. Tempel. erzählte er ihr mit deutlich erkennbarer Vorfreude.