Auf ihrem Weg zu den Steingräber der Duccii ging Phelan alles noch einmal durch den Kopf.
Dagny, der kleine quirlige Rotschopf, die schon in ihm schon wenige Tage nach seiner Ankunft einen bleibenden Eindruck hervorgerufen hatte. Die Schlacht mit Witjon und ihr im Bad, die Witzeleien .. alles hatte ein Ende .. ein langes Ende für eine weitere Tochter Wolfriks, welche die Krankheit nach langer Zeit hingerafft hatte. Ob ihr letzter Atemzug voller Schmerz war, konnte er nicht sagen. Wissen wollte er es auch nicht, jeder Gedanke daran versetzte ihn in ein noch traurigeres Gefühl.
Irminar, bei Phelans Ankunft war er weitaus der Älteste in der Familie. Er hatte Sontjes Bruder zugestimmt bei seiner Reise nach Rom. Der, der meist in der Jugend seiner Verwandten schlechtes sah. Die Jagd, der unüberlegte Angriff auf den bösartigen Wolf, der auf ihn als mitunter schlimmstes Unterfangen eingewirkt hatte. Einen Leichnam hatten sie nicht, er war nach Magna gegangen und dort ist er wohl auch verottet.
Brandinar. Ein Diener der römischen Legion. Phelan kannte ihn kaum, als Probatus hatte der Junge auch einen Ausgang und sonst war er ihm auch etwas suspekt. Nunja, er war wie sein Bruder Gero bei Borbetomagus gefallen.
Als Dagnys Leichnam aufgebahrt dort auf dem pechgetränkten Holzhaufen ruhte, ging Phelan schweren Schrittes zu ihr.
Ein letztes Mal berührte er ihre Stirn und sprach:
"Hel, oh Hel, nehm diese Tochter Wolfriks entgegen, wie du es ebenso bei vielen anderen Kindern Wolfriks getan hast. Wir bitten dich, nehm dich ihrer an."
Der junge Gode strich ihr die Haare aus dem Gesicht und flüsterte "Lebe wohl .. kleiner Rotschopf .." dann ging er einen Schritt zurück und entzündete mit dem Feuer des Todes ihre letzte Stätte. Das Pech half dem Feuer sich schnell zu verteilen und sich schnell zu entfachen. Bedächtig und schweren Mutes trat er zurück zu seiner Schwester und legte ihren Arm um sie. Seine Stirn lehte er gegen ihre Schläfe. Es herrschte Ruhe, nur das knistern war zu hören und der Gestank nach angesengtem Fleisch war zu riechen.
In der Zeit wo Dagny zu Asche wurde blieb es still, fast zwei volle Stunden wartete die duccische Trauergemeinschaft.
Zusammen mit den beiden Bauernsöhnen Bert und Lorik aus den umliegenden Höfen ging er zu der Verbrennungsstätte. Nun sollte Dagnys Asche und ihre übrig gebliebenen Knochen in das Grab überführt werden.
Als die drei davor standen, ließ Phelan seine Augen darüber kreisen.
Sein Blick verfing sich an einem Punkt und so harrte er aus. Als Lorik die Asche aufwühlte, erfüllte es die Luft noch einmal mit dem verherenden Gestank von verbranntem Fleisch. Der junge Gode fing an zu prusten und ging einige Schritte abseits wo er auf die Knie ging und auf das Gras spuckte. Das war einfach zu viel für ihn, die Vorstellung, dass das die Überreste seiner kleinen Dagny sein sollten.
Als er sich wieder gefangen hatte waren Lorik und Bert auch schon mit der Übersetzung fertig und so ging er zu ihrem Grab, die Trauergemeinde folgte ihm einige Schritte näher heran.
Er wischte sich noch einmal mit dem Oberarm über den Mund und faltete dann die Hände. Witjon ging ebenfalls mit der Urne nach vorne, die Brandinars Asche inne hatte und reichte sie den Bauernsöhnen. Zusammen wurden zwei noch so junge Familienmitglieder beigesetzt.
So sprach der junge Gode:
Liebe Dagny,
du hast die Segel gesetzt für die große Reise,
du hast dich aufgemacht für die lange Fahrt.
Wir sind gekommen, um dir Lebwohl zu sagen
als einem, der für eine Weile weggegangen ist,
aber den wir am Ende unserer eigenen Reise wiedersehen werden.
Mögen die Disen dich unterwegs begleiten,
und dich sicher auf die andere Seite bringen.
Sleipnir, trage sie nach Asgard!
Schiff der Vanen, bring sie sicher voran
an den Platz, wo er endlich sein wird.
Ihr Götter, Asen und Vanen,
empfangt die Seele unseres geliebten Verstorbenen,
sorgt für ihn und behütet ihn.
Laßt ihn ausruhen, und in eurer Gegenwart glücklich sein,
so wie er euer war in Midgard, so laßt ihn auch jetzt sein,
für immer und alle Tage.
Götter, seid in unseren Herzen, wie Dagny in unserem Herzen ist,
wo wir immer vereint sein werden im Glauben und in Liebe.
So war es, so ist es, und so wird es immer sein.
Danach pausierte er einen Moment .. ein Moment der Stille .. nur die Seufzer der Frauen waren hinter ihm zu hören.
Er schaute wieder nach oben und richtete sein Wort an Brandinar:
Lieber Brandinar,
eine Weile werden wir dein Gesicht nicht unter uns sehen,
und obwohl wir dich und deine Gesellschaft in unserem täglichen Leben vermissen,
bist du immer noch in Gemeinschaft mit uns, und wir mit dir.
Wir sind geeint durch unseren Glauben und unsere Götter,
und diese Gemeinschaft besteht, hier und danach.
Dieses Band zwischen uns ist im Leben so stark, wie es im Tod ist,
und dieses Band eint uns, wo auch immer wir sind.
In der Zwischenzeit leben deine Worte und Taten unter uns weiter.
Wir erinnern uns an dich, an alles, was du gewesen bist, und getan hast.
Dein Name wird mit Dankbarkeit und Stolz ausgesprochen werden,
und dein Name wird Teil der Geschichten werden, die wir erzählen.
Götter, bringt uns Trost und Stärke in dieser Zeit der Veränderung,
und helft uns, auf unserem eigenen Lebensweg weiterzurreisen.
Götter, seid in unseren Herzen, wie Brandinar in unserem Herzen ist,
wo wir immer vereint sein werden im Glauben und in Liebe.
So war es, so ist es, und so wird es immer sein.
Schweren Mutes drehte er sich zu der Trauergemeinschaft um und blickte Loki an. Es war getan. Die Gräbe waren geschlossen und die Steine gesetzt. Nun kam die "Beisetzung" Irminars.
Silko trug Irminars Stein nach vorne und postierte ihn in die Reihe der anderen ein. Dann ging er wieder zurück und Phelan begann mit einem kurzen Gedenkgebet:
Lieber Irminar , bring unseren Ahnen von uns Nachricht,
und unseren Lieben, die vor uns gegangen sind.
Bringt zu ihnen unsere Liebe und unsere Ehre,
halte uns einen Platz frei in ihren Hallen,
so daß wir uns alle wiedersehen am Ende der Reise.
Götter, seid in unseren Herzen, wie Irminar in unserem Herzen ist,
wo wir immer vereint sein werden im Glauben und in Liebe.
So war es, so ist es, und so wird es immer sein.
Nun blickten alle auf die Gräber der Duccier.
Hier lagen junge sowie auch alte Familienmitglieder. Der Tod ist eine unheilbarer und unaufhaltsamer Teil des Lebens und wird am Ende eines Jeden Menschens sich immer als dominant beweisen.