Drusus war es in dem mit Familienmitgliedern überfüllten Atrium zu eng geworden. Er bekam unter den vielen Anwesenden einfach keine Luft mehr. Außer dem Senator, an den er sich nur dunkel erinnerte, und seinen beiden Geschwistern waren ihm alle unbekannt.
Er wollte ins Freie und er wollte alleine sein. Unbemerkt, wie er hoffte, entfernte er sich. Sein Weg führte ihn in den großen Garten der casa., der mit seinen vielen Blumen und Pflanzen, den Wasserspielen und Statuen aus Marmor sowie den von Blumen und Hecken umgebenen Sitzgelegenheiten zur Ruhe und Muse einlud.
Drusus setzte sich in einen kleinen Pavillion, verschränkte die Arme und streckte seine Beine von sich. Er sah den kleinen Wölkchen am blauen Mittagshimmel nach und ließ sein bisheriges Leben, vor allem das der letzten Jahre, Revue passieren.
Die Kindheit verging wie im Flug. Die Jugend mit den Geschwistern verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Dann die üblichen jeder Familie eigenen Querelen, die mit dem Verlassen des elterlichen Hauses ihr Ende fanden.
Dann die Reise aufs Geradewohl, die ihn in die Germania verschlagen hatte. War es Abenteuerlust? Wollte er einfach nur etwas in einer gänzlich anderen Umgebung erleben?
Das große Weingut bei Mogontiacum, der liebenswerte Besitzer und schließlich Aeala, die er über alles geliebt hatte.
Immer und immer wieder hatte Drusus versucht, die Ereignisse zu verdrängen. In diesem Augenblick kam er nicht dagegen an.
Aeala war die Tochter des Weingutbesitzers. Sie war wunderschön, ihre grünen Augen, die langen schwarzen Haare ... Bei ihrem ersten Anblick mußte ihn Amor mit mehreren Pfeilen getroffen haben.
Ihre Eltern hatten nichts gegen eine Verbindung einzuwenden, zumal Aeala ihr einziges Kind war und Drusus der Weinbau trotz der beschwerlichen Arbeit Freude bereitete.
Eines Tages, es war ein schöner, sonniger und heißer Tag im August, wollte er mit Aeala wieder zum Fluß. Wie so oft wollten sie sich nach der Arbeit erfrischen. Wie so oft machten sie einen Wettlauf, wer von ihnen zuerst am Fluß war.
Aeala war zuerst am Fluß. Lachend winkte sie Drusus noch zu. Dann verschlang sie der Fluß.
Drusus sah sie untergehen. Obwohl er kurz nach ihr im Wasser war, konnte er sie nicht mehr finden. Zwei Tage später zogen Flußfischer ihren leblosen Körper aus dem Wasser.
...
Der Einladung eines Freundes folgend war Drusus nun schon längere Zeit in Rom. Bislang hatte er noch gezögert, mit seiner Familie Verbindung aufzunehmen. Dann erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Cousins.
Die Begrüßung durch seinen älteren Bruder und die Schwester war herzlich, der Senator schien ihn nicht zu erkennen. Der kleine Bruder, den er zu treffen hoffte und mit dem er über alles reden wollte und konnte, war bei der Armee.
Eine weiße Taube weckte Drusus mit ihrem lauten Gurren aus seinen Träumen.
Drusus kam sich verloren vor. Er war überzeugt, daß er hier nichts verloren geschweige denn zu suchen hatte. Er wollte nur noch weg, so weit wie möglich, und er wußte auch wohin.
Zuvor aber wollte er noch den Senator aufsuchen.