Eigentlich hatte sich Cassim nur umsehen wollen, als er auf einen Raum stieß, dessen Tür weit offen stand. Tage zuvor hatte man ihm erklärt, dies sei ein Gemeinschaftsraum der Sklaven. Neugierig trat er näher, um einen Blick hinein werfen zu können. Er hörte eine männliche Stimme. Vereinzelte Worfetzen hörte er heraus, wie unterrichten und früh jemand hier ist. Cassim blieb erst am Türrahmen stehen, um sich ein Bild zu machen. Zwei Männer und eine Frau waren anwesend. Es mussten auch Sklaven sein. Einer der Römer hätte sich bestimmt nicht hierher begeben, so mutmaßte Cassim.
Der eine, der gesprochen hatte, machte einen gebildeten Eindruck auf ihn. Der andere blonde Mann hielt sich im Hintergrund und es hatte eher den Anschein als sei er desinteressiert. Ja, man konnte sogar behaupten, Verachtung in seinem Blick zu sehen.
Die junge dukelhaarige Frau, sah etwas blaß aus, was aber ihrer Schönheit durchaus nicht abträglich war. Auch sie, so schien es, fühlte sich in diesem Raum deplaziert.
Cassim fragte sich, was hier vor sich ging. Er wollte noch eine Weile an der Tür ausharren und weiter beobachten. Möglicherweise würde er sich auch zu den dreien dazu gesellen. Alleine schon der Frau wegen, die er einfach interessant fand.
Beiträge von Cassim
-
-
Nach der ersten Begegnung mit dem Römer, der ihn gekauf hatte und den daraus resultierenden Erkennissen über seine zukünftigen Aufgaben und Zukunftsaussichten, hatte Cassim es vorgezogen, sich erst einmal gründlich in der Villa umzusehen. Für ihn war diese neue Umgebung noch so fremd. Obgleich er einiges vom Leben der Römer durch Erzählungen seines römischen Sklaven kannte. Jetzt aber war er selbst mitten in einer solchen Villa und war gezwungen, unter Römern zu leben. Seine Ausgangsposition als Sklave war nicht die Beste, um die Vorzüge des römischen Alltagsleben voll auskosten zu können.
Sein Weg führte ihn erst durch den Garten, der noch so einige Überraschungen dür ihn bereit hielt. Die Vielfalt der Pflanzen und der Teich hatten ihn bereits beeindruckt. Soviel Wasser an einem Platz, welcher im Grunde keinen ersichtbaren Nutzen brachte, außer der, dass ein solcher Platz Entspannung und Erholung bot, wenn man die nötige Zeit dazu hatte.
Ihm waren auch die Statuen aufgefallen, die vereinzelt im Garten aufgestellt waren. Er vermutete, es könnte sich dabei um ihre Götter handeln, die sie dort anbeteten. Eigenartiges Volk! Es war ihm ein Rätsel, wie sie so mächtig werden konnten. Cassim blieb vor dem Abbild einer halbnackten Frau stehen, die einer griechischen Göttin ähnelte und die er nun etwas eingehender betrachtete. Sie besitzen nichts eigenes, sogar die Kunst müssen sie von anderen Volkern kopieren, dachte er verächtlich.Sim-Off: Wer möchte?
-
Hannibal hatte sich zu ihm umgewandt. Genauso wie er vermutet hatte, war dem Sklaven der Inhalt des Gesprächs mit dem Römer nicht entgangen. Wahrscheinlich war er ihm treu ergeben, wie ein Hund. Die Antwort auf seine Frage verblüffte ihn jedoch.
"Mit Löwen? Du kennst dich mit Löwen aus?" Cassim hob erstaunt die Augenbrauen an. Soviel er wusste, gab es doch hier gar keine Löwen. Wohl hatte ihm sein römischer Sklave von den seltsamen Praktiken erzählt, die die Römer unternahmen, um sich in ihren Arenen ein fragwürdiges Vergnügen zu verschaffen. Wie jemand, der in der Arena mit Löwen kämpfte, sah der Sklave nun nicht gerade aus. Überhaupt musste er noch so einiges über dieses Volk lernen. Manches erschien ihm so fremdartig und vieles davon verstand er nicht.
Hannibal beantwortet ihm auch seine andere Frage nach den möglichen Tätigkeiten die er in der Zwischenzeit tun konnte. Hierbei sah er interessiert auf, als der Sklave ihm den Vorschlag machte, ihm auch einmal die Stadt zu zeigen. "Du willst mir die Stadt zeigen? Ja, das könnten wir tun…," antwortete er nachdenklich. "…wenn meine Wunde ganz verheilt ist." Seine recht Hand fuhr über die Srelle seiner Tuika, unter der sich die Wunde befand. Sie schmerzte sehr. Es war ein pochender Schmerz, der kam und ging. Gerade jetzt war er da. Kurz hielt er inne, dann sah er nochmals zu Hannibal auf. "Vielleicht könntest du mir doch wegen der Wunde helfen. Sie will einfach nicht richtig verheilen. Kennst du etwas, was mir helfen könnte?" Cassims Streben war es, wieder völlig gesund zu werden und neue Kräfte zu sammeln. Erst dann konnte er damit beginnen, auch nur einen Gedanken an Flucht zu verschwenden. Bis es soweit war, wollte er seine Umgebung erkunden.
"Wieviele Bewohner hat diese Villa?" Er hatte außer Hannibal, dem Römer und einigen umhereilenden Sklaven noch niemaden gesehen. Diese Haus war riesengroß. Zu groß für einen Mann und eine Handvoll Sklaven. -
Cassim indes ließ sich für einen kurzen Moment vom Gezwitscher des Vogels ablenken. Seine Gesichtszüge milderten sich und beinahe hätte der Anblick ihm ein angedeutetes Lächeln entlockt. Der Vogel jedoch, zog es vor, auch den Rest des Gartens zu erkunden und seine grenzenlose Freiheit zu genießen. Fast wehmütig lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Römer, der ebenfalls für einen Atemzug abwesend gewirkt hatte. Was in ihm vorgegangen war, konnte Cassim nicht ergründen. Allerdings hatte er auch nicht das Bedürfnis danach.
Gänzlich unbeeindruckt nahm er dann auch die Erlaubnis, seinen Gott anbeten zu dürfen, hin. Wahrscheinlich kam es dem Römer auf einem Gott mehr oder weniger auch nicht mehr an. Cassim nickte ihm andeutungsweise. "Danke," sagte er leise. In dem Parther begann es zu arbeiten. Er fragte sich, ob er selbst so gütig gewesen wäre. Wahrscheinlich nicht! Er musste wohl oder übel dem Römer zugestehen, nicht ganz so barbarisch zu sein, wie er anfangs vermutet hatte. Vielleicht war es sogar eine zarte Nuance von Sympathie, die er für ihn empfand. Trotz der unterschiedlichen Kulturen, der sie angehörten, hatten sie einige Gemeinsamkeiten an sich entdecken können.
Während der Römer versuchte, sich aufzuraffen, rang Cassim mit sich, ob er ihm behilflich sein sollte. Ihm war das schmerzverzerrte Gesicht nicht entgangen. Der Römer versuchte zwar, dies zu unterdrücken, der Schmerz war jedoch stärker. Schließlich hatte er es mit eigener Kraft geschafft, sich auf seine Krücken zu stützen. Bevor er den Garten verließ, gab er ihm noch eine letzte Anweisung. Unweigerlich fiel Cassims Blick wieder auf Hannibal, der sich keinen Deut von dem Ort fortbewegt hatte, an dem er sich zu Beginn der Unterredung postiert hatte.
Nachdenklich sah er dem Römer nach, als dieser dann in Richtung des Hauses verschwand. Eine wahrhaftig seltsame Begegnung war dies gewesen. Vielleicht etwas steif, jedoch unter den Gegebenheiten nicht verwunderlich. Beide, der Römer wie auch der Parther hingen immer noch ihren Vorurteilen gegeneinander an. Durchaus hatte diese Begegnung etwas bewirkt. Er wusste nun, was er zukünftig zu tun hatte, er hatte eine kleine Ahnung davon bekommen, was dieser Mann für eine Art Mensch war, der sich nun sein Herr nannte. Einige seiner Vorurteile waren bestätigt worden, andere jedoch nicht. Auf beiden Seiten hatte zumindest ein Nachdenken eingesetzt. Was für Cassim allerdings das wichtigste war, er hatte seinen noch vorhanden Stolz bewahren können. Dies war allerdings auch dem Römer zu verdanken, der sich ihm, den Umständen entsprechend, anständig verhalten hatte.Langsam näherte sich Cassim dem anderen Sklaven. "Ich nehme an, du hast alles mit angehört! Wir sollten uns vielleicht noch unterhalten, was alles wichtig ist, um an den Falken zu kommen. Hast du Erfahrung mit Tieren?" Cassim musterte den Sklaven kritisch. Eine weitere Frage drängte sich ihm noch auf. "Was kann ich eigentlich in der Zwischenzeit tun?" Aus eigener Erfahrung wusste Cassim, dass die Arbeit mit einem Falken langwierig war. Man musste dem Tier auch Zeit und Ruhe gönnen.
-
Sollte Cassim ihm etwa jetzt noch dankbar sein? Gut, er gewährte ihm, seine Religion weiter ausüben zu können. Aber hatte er wirklich im Ernst geglaubt, er würde dies an den heidnischen römischen Altären tun? Damit hätte er selbst seinen Gott erzürnt. Etwas, was Cassim strikt vermeiden wollte. Die Götter und die Ahnen des Römers waren Cassim recht herzlich egal. Von seinem römischen Sklaven hatte er sich so einiges über die heidnischen Rituale erzählen lassen. Diese Römer mussten sich also danach gelegentlich den reinsten Blutorgien hingeben, um ihre Götter zu besänftigen. Das bestätigte einfach nur das, was Cassim eh schon wusste: allesamt waren sie Barbaren!
Cassim hatte auch gehört, wie sehr der Mithraskult gerade unter den römischen Soldaten beliebt war. Aber sie machten aus Mithras einen von vielen. Er selbst machte sich nicht viel aus diesem Kult. Die Lehren Zarathustras lehnten sogar den Kult um Mithras ab. Ob diese Menschen hier eigentlich wussten, wie viele Götter sie überhaupt hatten? Nein, mit den römischen Götzen wollte er rein gar nichts zu tun haben!Cassim legte etwas seine Stirn in Falten. Die Fragen des Römers zeugten von einigem Wissen und auch wieder von Unwissen. Den Hebräergott? Lächerlich! Er hatte vom Gott der Juden gehört. Vereinzelt lebten auch noch Juden in Parthia. Aber auch mit ihnen hatte er nichts zu schaffen. Cassim war, wie auch sein Vater und dessen Vater zuvor, Anhänger der Lehren Zarathustras. "Mein Gott ist Ahura Mazda," entgegnete er mit Bestimmtheit. "Es existiert auch noch ein zweiter Gott. Das ist Ahriman, Ahura Mazdas Zwillingsbruder. Die beiden Götter versinnbildlichen den Kampf zwischen Gut und Böse." Dem Römer hier nun noch einen tieferen Einblick in seine Religion zu geben, empfand Cassim mehr als unangebracht. Dies war schließlich kein netter Plausch zwischen Freunden. "Nein, ich verehre Mithras nicht," antwortete Cassim mehr als gleichgültig. Womöglich war dieser Römer selbst ein Anhänger Mithras.
-
Cassims Frage traf genau ins Schwarze. Die Antwort des Römers war mehr als deutlich, auch wenn er es nicht mit Worten ausdrückte, natürlich, ein Mann von Ehre würde fliehen und auch er würde sich keiner fremden Macht beugen. Diese Ansicht teilten sie also auch. So war es nur folgerichtig, dass der Römer auch jeden Fluchtversuch hart bestrafen würde, genauso, wie es auch Cassim tun würde…
So waren auch seine weiteren Anweisungen nicht verwunderlich. Dass er vorerst in der Villa bleiben sollte, damit hatte Cassim bereits gerechnet. Im Grunde war dies auch gut so. So hätte er vorerst genug Zeit, damit seine Wunden, die immer noch sehr schmerzten, heilen konnten. In dieser Zeit konnte er auch in Ruhe seine neue Umgebung erkunden und Pläne für eine Flucht schmieden. Er wollte auch Kontakte zu den anderen Bewohnern der Villa knüpfen. Möglicherweise könnte sich einer von ihnen eines Tages einmal als sehr nützlich erweisen. Im Notfall hatte er ja noch immer das Messer unter seiner Tunika. Eine größere Waffe wäre zwar besser gewesen, allerdings hätte er sie auch schlechter verbergen können.
Mit unveränderter Miene verfolgte Cassim die Anweisungen des Römers. Er wollte sich zu keiner einzigen Gefühlsregung hinreißen lassen. War dies nicht auch der Kampf zwischen Gut und Böse? Cassim hatte sich bereits in seiner Jugend dafür entschieden, Ahura Mazda im Kampf gegen das Böse zu unterstützen. Auf diese Weise suchte er seinen Weg zu Gott. Deswegen war er mit Freuden in den Krieg gezogen. Er war sich jetzt ganz gewiss- Ahura Mazda hatte ihn nicht verlassen. Er stellte ihn lediglich auf eine Probe. Dies war nur die Fortsetzung seines Kampfes, eines versteckten Kampfes!Cassim wandte sich um, als der Name des anderen Sklaven erwähnt wurde. Hannibal hielt sich noch an derselben Stelle auf, an der er sich zu Beginn des Gesprächs zurückgezogen hatte. Auf den ersten Blick macht er nicht den Eindruck, er könne der geeignete Mann sein, um einen Falken aus seinem Nest stehlen. Jedoch konnte man sich auch in den Menschen täuschen. In bestimmten Situationen konnte ein Mensch zu allem fähig sein und über sich hinaus wachsen. Er selbst hatte dies schon oft erlebt.
Schweigend nickte Cassim. Bei der Frage, ob er noch Fragen hätte, sann er kurz nach. Im Grunde hatte er jetzt alles gehört, was er wissen musste. Auch das Notwendigste, wo er in Zukunft schlafen sollte und wo man sich waschen konnte, war ihm bereits bekannt. Doch eine Frage hatte er doch noch, die sehr wichtig für ihn war.
"Ist es mir gestattet, zu meinem Gott zu beten?" -
Cassim beobachtete die Mimik des Römers, so als könne er daraus Rückschlüsse ziehen, worüber er nachdachte und wie er der Sache gegenüber stand. War er etwa nicht damit einverstanden, was er über die Greifvögel gesagt hatte? Er dachte wohl, einen geeigneten Falken gäbe es fertig abgerichtet an jeder Ecke zu kaufen. Dieser Gedanke amüsierte Cassim innerlich, wobei er darauf bedacht war, seine eigenen Gedanken, seine Verachtung für den Feind, nicht nach außen zu tragen. Diese Römer waren doch allesamt Barbaren! Wohl wahr, sie hatten es fertig gebracht, großartige Bauwerke zu schaffen, sie waren auf dem Schlachtfeld ein nicht zu unterschätzender Gegner gewesen, doch im Grunde waren sie doch immer Barbaren geblieben.
Oder war es etwas ganz anderes, was ihn so beschäftigte? Hatte er noch Bedenken, womöglich wegen des Raubes eines solchen Vogels? Doch nur ein Falke, der nie erfahren hatte, was es hieß in Freiheit zu leben, war ein guter Falke für die Jagd. Die Arbeit mit einem anderen Falken, der als erwachsenes Tier gefangen wurde, war reine Zeitverschwendung.
Minuten vergingen, in denen nicht gesprochen wurde, in denen nur krampfhaft darüber nachgedacht wurde, was der andere dachte und was der nächste Schritt sein konnte. Doch dann äußerte sich der Römer wieder. "Ja, mindestens ein Jahr, vielleicht auch mehr!"
Erstaunt und in gewisser Weise auch erfreut, veränderten sich Cassims Gesichtszüge, als der Römer sich damit einverstanden zeigte und ihm die nötige Zeit für den Falken gewähren wollte. Aber sollte er ihm deswegen jetzt auf immer und ewig dankbar sein? Machte er sich damit nicht selbst zum Sklaven, indem er sich speichelleckend vor ihm auf den Boden warf um ihm dafür zu danken? Nein! So weit wollte er es sicher nicht kommen lassen! Das allein verbot ihm schon seine Ehre, die zwar schon etwas angekratzt war, allerdings immer noch vorhanden war.
Die nächsten beiden Fragen ließen Cassim wieder aufhorchen. Es kam ihm plötzlich so vor, als hätte der Römer seine Gedanken lesen können. Tatsächlich hatte er in Erwägung gezogen, zu fliehen, während er mit dem Falken zugange war. Natürlich wäre er dann mit dem Falken geflohen. Oder sollte dies nur ein Test sein und alles, was der Römer bisher gesagt hatte, sollte ihn nur ködern? Diesen Römern konnte man einfach nicht trauen, sie waren hinterlistig, verschlagen und falsch!
"Wenn du einen Mann hast, der es sich zutraut, den Falken aus seinem Nest zu holen, dann überlasse ich dies gerne ihm. Ein solches Unterfangen kann sehr schwierig und gefährlich sein," antwortete er auf seine erste Frage. Für die Antwort auf die zweite Frage, wollte sich Cassim noch etwas Zeit lassen. Natürlich war er ein Mann von Ehre! Gab es etwas unehrenhafteres, als die Lüge, auch wenn es der Feind war, gegenüber dem man log? Allerdings würde er jetzt die Wahrheit sprechen, dann machte er sich selbst jeden Vorteil, den er hatte, zunichte. So blauäugig konnte er doch nicht sein! Er begann innerlich mit sich selbst einen Kampf auszufechten. Er wollte nicht lügen, da das ehrlos war, jedoch war es auch seine Pflicht, zu fliehen. Der Krieg, sein Krieg war noch nicht vorbei und man musste dem Gegner schaden, wo man nur konnte.
So antwortete er mit einer Gegenfrage. "Was würdest du an meiner Stelle tun?" -
Der Römer hatte es also wirklich ernst gemeint, mit dem was er gesagt hatte. Tatsächlich hatte er vor, ihn als Jäger einzusetzen. Er hätte wieder die Möglichkeit, mit einem Falken arbeiten zu können. Eine Tätigkeit, die zu seinem liebsten Zeitvertreib gehört hatte. Was wollte man mehr? Auch die Aussichten, demnächst wieder Jagden beiwohnen zu können, war mehr als erfreulich. Natürlich rechnete Cassim fest damit, an diesen Treibjagden zu Pferd teilzunehmen. Die Jagd als Treiber zu erleben, wäre unter seiner Würde gewesen.
Allmählich entkrampfte sich Cassims steife Haltung und auch seine Stimmung lockerte sich auf. Er konnte auch bei dem Römer diese Wandlung erahnen. Auch für ihn war die Jagd eine Passion. Unter anderen Umständen, hätten die beiden Männer möglicherweise sogar Freunde werden können. Dann hätten sie sich gegenseitig ihre Jagderlebnisse austauschen können. Doch die Gegebenheiten waren andere, das durfte er nie vergessen. Womöglich wurde der Römer auch von Hintergedanken geleitet. Warum sollte er dann so vertrauensselig sein? Warum räumte er ihm von Anfang an so viele Freiheiten ein? Er durfte es nicht zulassen, von diesem Römer geblendet zu werden, auch wenn es zu verlockend war! Wahrscheinlich war dies nur eine Taktik des Römers, um ihn in die Irre zu führen.
"Einen geeigneten Falken findet man nicht so einfach auf dem Markt. Die besten Falken, die zur Jagd taugen, sind solche, die man von klein auf aufzieht, die man womöglich noch selbst aus dem Nest ihrer Mutter geraubt hat. Ein Falke, den man auf einem Markt kauft, wird niemals das vollbringen können, was ein Falke kann, der niemals die Freiheit gekostet hat. Er wird auch nur halbherzig zu seinem Herrn zurückkehren. Daher wird es auch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis er soweit ist. Ich schätze, spätestens nach zwei Jahren, vielleicht auch schon nach einem Jahr, wird der Falke soweit sein. Mit den Hunden wird das wahrscheinlich einfacher werden." Wobei er nicht damit rechnete, so lange hier zu sein. Er hatte nicht vor länger als unbedingt nötig im Feindesland zu bleiben, was nicht bedeutete, überstürzt und unüberlegt zu handeln. Mit etwas Glück, konnte er dann sogar den Falken mit nach Hause nehmen. Auf dumme Gedanken würde er gewiss auch nicht kommen. Cassim war nicht einer von diesen einfältigen Hitzköpfen, die sich von einer Dummheit in die nächste stürzte. Vielmehr gehörte er zu jenen Menschen, die mit Bedacht an eine Sache heran gingen, auch wenn dies bedeutete, etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen zu müssen. Hierfür war er auch bereit, so manches in Kauf zu nehmen. So war es auch mit dem Messer, welches er unter seiner Tunika trug. Den Römer hier in unmittelbarer Nähe seines Sklaven zu töten, wäre mehr als dumm gewesen. Noch ehe er die Villa hätte verlassen können, wäre er sicher selbst getötet worden. Alles hatte seine Zeit und eines Tages würde auch seine Zeit kommen. -
Cassim war nun wirklich gespannt auf die Reaktion des Römers. Würde er wirkliches Interesse zeigen oder diese Art des Jagens einfach nur als Barbarei des Feindes abtun, nur um sich nicht eingestehen zu müssen, dass er es hie eben nicht mit einem Barbaren zu tun hatte. Im Grunde erwartete Cassim nicht mehr allzu viel. Die letzten Wochen, seitdem man ihn gefangen genommen hatte, hatten sehr an ihm genagt. Er vermied es, darüber nachzudenken, wie seine Zukunft aussehen könnte. Die Schmach, sein Leben als Sklave weiterfristen zu müssen, war groß und sie schmerzte innerlich. Aber sich nun fallen zu lassen, war für Cassim keine Option. Er hatte im Krieg gekämpft und er würde auch jetzt weiter kämpfen, bis…ja bis er eines Tages wieder als freier Mann in seine Heimat zurückkehren würde. Dem war er sich gewiss und das hielt ihm auch am Leben.
In dem Römer begann es zu arbeiten. Er hatte sich aufgesetzt und sah ihn jetzt noch eindringlicher als zuvor an. Unwillkürlich fiel Cassims Blick nun auf das verletzte Bein des Römers. Zu gerne hätte er sich erkundigt, was geschehen war. Doch diese Frage unterließ er letztlich, da er einfach nicht in der Position war, zu fragen und es ihn auch nicht zu interessieren hatte.
Die Worte des Römers ließen Cassim aufhorchen und er konnte kaum seinen Ohren trauen, was er da vernahm! Es verschlug ihm glatt die Sprache. Verwundert sah er ihn nun an, so als ob er die wahren Motive seines Gegenübers herausfinden wollte. Wollte er ihn damit nur narren? Er konnte nicht wirklich an den Großmut des Römers glauben. Oder war es ihm einfach nicht entgangen, dass er es hier mit einem Manne gleichen Standes zu tun gehabt hatte? Cassim musste sich eingestehen, wenn er nun an der Stelle des Römers gewesen wäre, hätte er sicher nicht so großmütig gehandelt.
Ob ihm das Ausmaß seiner Entscheidung eigentlich bekannt war? Um den Falken und die Hunde zu trainieren, bedurfte es viel Freiraum. Für den Anfang reichte es sicher aus, die Hunde hier auf dem Anwesen auszubilden. Doch im Nachhinein war es unumgänglich die Ausbildung auf freiem Feld weiterzuführen. Ähnlich würde es sich auch mit dem Greifvogel verhalten. Aus diesen Mauern herauszukommen, bedeutete bessere Fluchtmöglichkeiten zu haben. Wenn man ihm dann auch noch den Zugang zu Waffen ermöglichte, wäre alles nur ein Kinderspiel!
Er beschloß sich auf dieses Spiel einlassen. Die Entscheidung darüber fiel ihm leicht und bedurfte auch keiner langen Bedenkzeit. Er wollte das Vertrauen des Römers gewinnen. Auch wenn das bedeutete, vor ihm auf die Knie gehen zu müssen. Wenn am Ende die Freiheit stand, war er willens, einiges auf sich zu nehmen.
"Mit einem Adler kann man natürlich auch größere Tiere erlegen. Die Steppenvölker im Nordosten bringen auf diese Weise Wölfe zur Strecke. Es obliegt dir, welches Wild du jagen möchtest", warf Cassim noch ein. Im Übrigen war er davon überzeugt, seine Sache gut zu machen. Er würde den Römer ganz sicher nicht enttäuschen, da ja auch sein weiteres Fortkommen davon abhing.
Cassims Züge entspannten sich und er war fast einem Lächeln nahe. Er hatte Glück im Unglück gehabt, dem war er sich nun gewiss und er wollte die Chance nutzen, die sich ihm nun bot.
"Verfolgungsjagd?", erwiderte Cassim die Frage des Römers. "Meinst du vielleicht Hetzjagden zu Pferd? Ja, damit habe ich auch Erfahrung. Wobei ich die Jagd mit dem Falken immer vorgezogen hatte." Für Cassim war diese Art des Jagens, immer die elegantere gewesen. -
Er betrachtete den Römer und stellte fest,dass er nicht nur seine Neugier geweckt hatte. Nein, es bestand offenkundiges Interesse bei ihm. Auch sein düsterer Blick war etwas gewichen. Es verwunderte ihn schon, dass diese Art des Jagens hier nicht bekannt sein sollte. Selbst bei den Nachbarvölkern der Parther jagte man auf diese Weise schon seit Generationen. Ein Berkutschi, der mit seinem Steinadler auf die Jagd ging, konnte auf diese Art selbst Wölfe erlegen. Cassim jedoch zog dem seinen Falken vor, den er vor einigen Jahren selbst aufgezogen hatte und ihn anschließend auch für die Jagd abgerichtet hatte. Damit konnte er zwar nur kleineres Wild erlegen. Aber was gab es schöneres, als ein am Lagerfeuer zubereitetes Rebhuhn sich schmecken zu lassen, welches man zuvor selbst erlegt hatte?
Wirklich eigenartig, dass all das nicht bekannt war! Aber was konnte man auch schon von so einem barbarischen Volk, wie dem römischen, erwarten? Er wusste zwar nicht allzu viel von diesem Volk. Nur dass, was er von seinem Sklaven erfahren hatte. Jedoch das, was er gehört hatte, war nicht sehr erstrebenswert. So befand er es jedenfalls. Wie und ob man im Land des Feindes jagte, war Cassim nicht bekannt. Nach der Frage des Römers zu schließen, war es mit dem Jagen allerdings nicht allzu weit her.
"Ja, mit einem Falken, " sagte Cassim schließlich, um die eine Frage des Römers damit zu beantworten. "Man reitet auf einem Pferd, der Falke ruht auf der Hand seines Herrn. Man schützt dafür eigens seine Hand mit einem Lederhandschuh. Solange der Vogel ruht, trägt er eine Haube, die seinen Kopf verdeckt und nur seinen Schnabel frei lässt. So beruhigt man das Tier. Nimmt man die Haube ab, erhebt sich der Falke und folgt seinem Jagdtrieb. Aus dem Flug stürzt er sich dann auf seine Beute. So kann man Rebhühner, Hasen oder auch Kaninchen erlegen. Man benötigt auch noch einen guten Vorstehhund. Nur wenn beide Tiere gut miteinander zusammenarbeiten, ist der Erfolg der Jagd sicher." Einen solchen Hund hatte er auch besessen. Auch ihn hatte er über die Jahre selbst ausgebildet. Der Hund, der Vogel und der Jäger hatten stets eine Einheit gebildet. Fast wäre Cassim schon ins Schwärmen geraten, doch bei Zeiten erinnerte er sich wieder, wo er war und wem er von seiner Leidenschaft berichtete. Mittlerweile war ihm auch Hannibal aufgefallen, der immer noch abseits stand. Jedoch ließ er sich von seiner Anwesenheit nicht stören.
"Um mit einem Falken jagen gehen zu können, bedarf es einiges an Übung. Nicht nur für den Falken oder für den Hund, " gab er schließlich noch zu bedenken. -
Cassim ahnte nichts im geringsten davon, dass unweit des Fischteiches Hannibal stand, um der Unterredung der beiden Männer zu lauschen. Selbst wenn er es gewusst hätte, hätte es ihn wahrscheinlich nicht sonderlich berührt. Dieser Hannibal war in seinen Augen ein typischer Sklave, der seinem Herrn bedingungslos und überallhin gefolgt wäre. Eigentlich eine gute Eigenschaft bei Sklaven. Doch Cassim fühlte sich nicht im Mindesten als Sklave. Er mochte sich momentan in einer schier auswegslosen Situation befunden haben, aber deswegen gleich alles aufgeben, selbst das Ehrwertgefühl? Nein! Er stammte von einer Reihe angesehener Männer ab, die vor ihm mitgeholfen hatten, das Land zu steuern oder die sich im Kampf Ruhm und Ehre erworben hatten. Hatte er diese Kette durchbrochen? Hatte er der Familie Schande zugefügt, weil er nicht ehrenvoll im Kampf sein Leben gelassen hatte? Nein, ihn hatte man in Ketten ins Land des Feindes gebracht und ihn zum Sklaven gemacht! Tröstlich war nur, dass dies nicht aus Feigheit geschehen war. Manchmal erwischte er sich dabei, wie darüber nachdachte, ob es wirklich die Feigheit war, die ihm zum Sklaven gemacht hatte. Aber nein, sagte er sich dann, er hatte bis zum letzten gekampft und war dann dummerweise verwundet worden. Nur ahura Mazda alleine, wusste, warum!
Der Blick des Römers hatte sich keineswegs geändert. Auch für ihn würde der Kampf weitergehen, zwar nicht mehr auf dem Schlachtfeld, dafür aber in seiner eigenen Umgebung, die ihm sicher auch den einen oder anderen Heimvorteil bieten würde. Auch wenn es dem Römer so vorkommen musste, Cassim hätte sich schon voll und ganz seinem Schicksal ergeben, so war er jedoch im Irrtum.
Als er ihn schließlich auf seine Fähigkeiten hin ansprach und besonders das Jagen hervorhob, sah Cassim überraschend auf. Wieso er gerade nach dem Jagen fragte?
Wenn Cassim sich besann, was ihm in seinem früheren Leben wichtig war und womit er sich am liebsten beschäftigte, stand das Jagen an vorderster Stelle, gefolgt von gutem Essen und schönen Frauen. Dem Müßiggang alleine konnte er allerdings nicht so viel abgewinnen. Er musste immer etwas zu tun haben. Nur nach der Arbeit widmete er sich dann den schönen Dingen des Lebens.
Um das Landgut kümmerte sich ein fähiger Verwalter, die Arbeit wurde sowieso von einer Unzahl von Sklaven verrichtet. Was blieb da noch viel außer der Familie? Da war die Literatur, die Musik und natürlich das Jagen! Er liebte es, oft tagelang alleine oder mit einem Freund unterwegs zu sein. Speziell für die Jagd hatte er einen abgerichteten Falken besessen.
"Ja , ich habe früher oft gejagt, mit meinem Falken" antwortete er zögerlich. "Ansonsten kann ich natürlich reiten und weiß, das Schwert zu führen." -
Kam es Cassim nur so vor oder spitzte sich die Situation bei jedem Wort, das gewechselt wurde, mehr und mehr zu? Der aufkommende Wind ließ Cassim dazu auch noch frösteln. Er hatte sich immer noch nicht an dieses Klima gewöhnt. Nichtsdestotrotz wollte er vor dem Römer keine Schwäche zeigen. Jetzt, da er wusste, in wessen Besitz er geraten war, war so etwas ausgeschlossen.
Genauso wie es noch immer in dem Römer zu brodeln schien, brodelte es auch in Cassim. Der Kampf war noch nicht zu Ende! Man hatte ihn zwar in Ketten nach Rom geschafft, doch sein Wille war längst nicht gebrochen. Dem Römer wäre es sicher genauso gegangen, wäre er nun an Cassims Stelle.
"Ja, bei den Kataphrakten! Es ist eine Ehre, bei dieser Einheit dabei zu sein", antwortete er immer noch mit einer stoischen Ruhe, obwohl er innerlich bereits alles andere als ruhig war. In seinen Gedanken reflektierte er noch einmal den Tag, an dem er stolz nach Hause gekommen war und seinem alten Vater davon berichten konnte, dass man ihn bei den gepanzerten Reitern aufgenommen hatte. Doch all der Glanz ging in jenem Moment verloren, als der Römer nun endlich zur Sache kam. Er sagte, er sei kein Kriegsgefangener. Was in Ahura Mazdas Namen war er denn sonst!? Ein Sklave, nicht weiter als ein einfacher Sklave!
Cassim presste seine Kiefer aufeinander. Ohne jegliche Regung, die man seiner Körperhaltung oder seinem Ausdruck hätte entnehmen können, nahm er zur Kenntnis, womit er im Falle einer Flucht zu rechnen hatte. Dann dieser süffisante Zug in der Mimik des Römers. Am liebsten hätte er sofort das Messer gezogen und ihm seine verdammte Kehle durchtrennt. Aber nichts dergleichen, Cassim hatte warten gelernt. Ja, er hatte es sogar zu einer seiner Tugenden gemacht. Damit konnte man so manchen Gegner in die Irre führen. Eines Nachts werde ich dir demütig und unterwürfig die Kehle durchschneiden, dachte Cassim und beinahe hätte ihn diese Vorstellung sogar amüsiert. Nichts davon, was er dachte oder was er vorhatte, dang jedoch nach außen und so sollte es auch bleiben! Der Römer würde vergeblich darauf warten müssen, bis dass er sich vor ihm in den Staub werfen würde.
Gleich bleibend ruhig stand er noch immer vor dem Römer und wenn es sein musste, würde er hier auch noch für den Rest des Tages stehen bleiben. An ihm würde er sich die Zähne ausbeißen!
"Ja", war letztlich alles, was er auf die Frage des Römers antwortete. -
Cassims Vermutung schien sich zu bestätigen. Die Fragen, die nun folgten, konnten nicht die eines Zivilisten sein, der den Kriegsverlauf nur aus zweiter Hand kannte. Dieser Mann war auch dabei gewesen, auf der anderen Seite versteht sich und seine Verwundung am Bein war allem Anschein eine Kriegsverletzung! Welche Zweifel blieben da noch offen, was ihn hier zu erwarten hatte? Bei der Erwähnung des Flusses, dort wo er den Römern in die Hände gefallen, hatte sich die Mimik des Römers noch mehr verändert. Er konnte sich auch vorstellen warum! Die Schlacht am Chaboras war siegreich für die parthischen Truppen ausgegangen. Dort hatten sie den Eindringlingen gezeigt, was es hieß, Parthia zu überfallen. Niemand überfiel ungestraft Parthia!
Die Schlacht hatte auf römischer Seite einen hohen Blutzoll gefordert. Doch auch für Cassim war dieser eine Tag ein Schicksalstag gewesen. Mitten im Schlachtgetümmel, wurde sein Pferd von einem Pfeil getroffen. Es war unter ihm tot zusammengebrochen. Wie im Blutrausch hatte er noch mit seinem Schwert um sich geschlagen. Danach konnte er sich nur noch an diesen einen festen Schlag erinnern, der ihn zu Boden gerissen hatte. Als er wieder zu sich gekommen war, war die Schlacht vorbei. Er spürte nur diesen pochenden Schmerz in seiner Brust. Überall und um ihn herum war Blut. Inmitten eines Feldes, übersät mit Leichen, römischen und paartischen, hatte er gelegen und versuchte sich dann aufzuraffen, um sich zu verstecken. In einer Felsmulde hatte er Zuflucht gefunden. Dort hatte er versucht, seine Wunde notdürftig zu versorgen. Hätten ihn die römischen Reiter nicht einige Tage später, bereits mehr tot als lebendig entdeckt, wäre ihm die Sklaverei erspart geblieben. Ein ehrenvoller Tod war ihm verwehrt geblieben.
"Ich war bei der Reiterei", antwortete er wahrheitsgemäß. Es gab schließlich keinen Grund, dies zu verleugnen. Allerdings war ihm auch klar, warum der Römer die Bogenschützen so sehr betonte. Erst im Nachhinein, als man ihn wieder einigermaßen zusammengeflickt hatte und er in einem Holzkäfig saß um darauf zu warten, bis man ihn nach Rom brachte, war ihm zu Ohren gekommen, was mit dem Anführer der Feinde geschehen war. Wenigstens das war ein Triumph, den er unglücklicherweise nicht mehr auskosten konnte.
Die letzte Frage des Römers, ließ sein Blut gefrieren! Auch seine Miene verdunkelte sich jetzt und wäre er in einer anderen Position gewesen, hätte er eine solche Beleidigung nicht auf sich sitzen gelassen. Er beschloss jedoch ruhig zu bleiben. Der Römer wollte ihn nur provozieren, nichts weiter!
"Ich bin nicht geflohen! Ich wurde verletzt und hatte das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam, war bereits alles vorbei. Meine Leute waren weg und ich rettete mich mit letzter Kraft in eine Felsmulde. Dort hat man mich dann gefunden." Er vermied die Verwendung des Wortes "Bastarde". Auch wenn es ihm auf der Zunge lag. Er war klug genug, um seine Lage nicht noch zu verschlechtern. -
Cassim folgte dem Sklaven weiter durch den Garten und unter anderen Umständen hätte es ihn sicher erfreut, was er sah. Der Garten war eine wahre Oase des Friedens und der Ruhe, doch leider nicht für ihn.
Bald erreichten sie einen erhöhten Platz, wo auf einer Bank der Römer saß und wartete. Unmittelbar in der Nähe befand sich ein Fischteich. Cassim wusste nicht, wem er mehr Aufmerksamkeit zollen sollte, dem Römer oder dem Teich. Das Wasser schimmerte fast golden durch die Bestrahlung der Sonne. Jetzt erkannte er auch den Zweck des Gewässers. Ein Fischteich war es, allerdings mit Zierfischen bestückt! So viel Wasser und all das nur als Zierde, dachte er. Doch auch diesmal musste er wieder feststellen, dass dies nicht Parthia war. So widmete er seine Aufmerksamkeit doch besser dem Römer.
Düster blickte der drein. Man sollte meinen, er haderte mit etwas oder mit jemand. Cassims Blick fiel automatisch auf das verletzte Bein. Er fragte sich nur, woher die Verletzung herrühren mochte. Er konnte sich noch nicht wirklich vorstellen, dass dies eine Kriegsverletzung war.
Der Römer richtete das Wort an ihn. Cassim sah zu ihm auf und auch er versuchte mit seinem Blick zu ergründen, was für eine Art Mensch er nun vor sich hatte. "Ja, Cassim ist mein Name" antwortete er ruhig. Mit der nächsten Frage des Römers hatte er bereits gerechnet, jedoch nicht, dass der Römer Kenntnis von den Örtlichkeiten des Kriegsschauplatzes in Parthia hatte. "Am Chaboras! Nach der Schlacht am Chaboras. Ich war verletzt und ich wurde einige Tage später aufgegriffen", antwortete er nachdenklich. Plötzlich beschlich ihn der Gedanke, dass auch der Römer in Parthia dabei war. Wenn das der Fall sein sollte, dann… Er wollte besser nicht darüber nachsinnen, welche Konsequenzen dies mit sich ziehen würde. -
Cassim hörte dem Sklaven aufmerksam zu, während er langsam aber sicher seine Rasur beendete. Allerdings hatte er das Rasiermesser nicht wieder an seinen Platz zurückgelegt. Da er Hannibal in ein Gespräch verstrickt hatte und der nun eifrig am erzählen war, konnte Cassim unbemerkt das Messer unter seiner frischen Tunika verschwinden lassen.
Über Hannibals Bemerkung, hinsichtlich der Vorlieben seines Herrn, musste er kurz schmunzeln. Da hatten sie ja etwas gemeinsam, dachte Cassim. Auch er liebte das Leben, gutes Essen und schöne Frauen. Allerdings ein Leben als Sklave war undenkbar für ihn. Womöglich würde sich bereits heute sein Schicksal entscheiden. Inständig betete er zu Ahura Mazda, er möge ihm beistehen. Vielleicht würde er dem Römer die Kehle durchtrennen, vielleicht könne er dann auch fliehen und vielleicht…ja vielleicht würde er dann auch in seine ferne Heimat zurückkehren können. Doch nun galt es erst einmal, besonnen an die Sache heranzugehen. Nichts überstürzen! Wenn sich heute keine Gelegenheit bieten sollte, dann vielleicht an einem anderen Tag. Doch zuerst musste er dem Römer gegenübertreten. Je näher der Augenblick heranrückte, da er sich dem Feind stellen musste, desto angespannter wurde er, jedoch versuchte er nach außen ruhig zu wirken.
Schließlich folgte er dem Sklaven. Beide verließen sie den Sklaventrakt und endlich bekam er das zu sehen, wovon er so oft schon gehört hatte. Die wohlgestalteten Gänge, die er durchschritt, übertrafen seine Erwartungen. Oftmals hatte ihm sein römischer Sklave davon berichtet, wie prachtvoll doch die römischen Häuser ausgestattet waren. Dies hatte er stets als Schwärmerei seines Sklaven abgetan, standen doch die parthischen Häuser dem in nichts nach. Doch diese Villa übertraf eindeutig seine Vorstellungen. Wenn selbst die Gänge so kunstvoll gestaltet waren, wie würden erst die Zimmer ausgestattet sein? Jedoch der Weg des Sklaven führte nicht in eines der Zimmer. Bald schon schritt er hinaus in den Garten. Cassim folgte ihm und beim Anblick des großen Gartens begann er zu staunen. Der Besitzer dieser Villa musste wirklich ein sehr betuchter und bedeutender Mann sein! Diese Villa und der Garten dazu, musste ein Vermögen wert sein! In Parthia bedurfte es einen großen Aufwand, einen Garten solcher Größe zu unterhalten.
Hannibals Frage rissen ihn wieder aus seinem Staunen heraus. Bei euch Orientalen! Cassim musste erneut schmunzeln.
Eigenartig, warum er gerade danach fragte. Aber es stimmte. Im Orient waren die Sitten und Gebräuche ganz anders, als hier. Zu Hause nannte man diese Römer Barbaren und im Vergleich zu Parthia war hier vieles anders und in Cassims Augen auch primitiver.
Ja, die Ehrerbietung eines Sklaven gegenüber seinem Herrn, zwangen ihn in die Knie. So mancher parthische Herr verlangte die bedingungslose Unterwerfung seiner Sklaven und der beste Beweis dieser Ehrerbietung war es, indem sich ein Sklave vor seinem Herrn in den Staub warf. Allerdings hatte er das niemals von seinen Sklaven verlangt. "Ja, stimmt" pflichtete er dem Sklaven wortkarg bei. -
Wohlig räkelte sich Cassim in dem einfachen Holzzuber. Wenn er die Augen schloss, sah er sich wieder in seinem Hause in Dura Europos. Das nahe am Euphrat gelegene Anwesen verfügte über ein großzügiges, vornehm ausgestattetes Bad, das keine Wünsche übrig ließ. Stets hatte er nach einem langen Tag ein Bad mit aromatischen Badeessenzen genossen. Zuerst verwöhnte Djamilija ihn, indem sie ihn wusch. Dann folgte Yasmina mit ihrer Massage. Wie lange war das her und was war alles geschehen, seit er zum letzten Mal in diesen süßen Genuss gekommen war?
Als plötzlich Schritte heran nahten, öffnete er sofort wieder seine Augen und es war Hannibal, den er erblickte. Er war wieder zurück gekommen war und mahnte ihn zur Eile. Ungern entstieg er dem Zuber und griff nach dem Handtuch. Sachte tupfte er die zum Teil verheilte Wunde ab und begann sich, nachdem er trocken war, die frische Kleidung anzuziehen. Es war gut, dass es in diesem Raum keinen Spiegel gab, denn eigentlich wollte er auch gar nicht wissen, wie er in dieser Sklaventunika ausschaute. Sie sah bereits grauenvoll aus und sicher wurde sie durch ihn nicht besser. Aber im Grunde war das gleich. Die Entbehrungen der letzten Monate, seitdem er in den Krieg gezogen war, hatten ihn genügsam werden lassen.
Natürlich waren Cassim auch diesmal diese seltsamen Blicke Hannibals aufgefallen und so langsam dämmerte es ihm, was er womöglich damit bezweckte. Allerding störte sich Cassim nicht größer darum, sondern nahm dies mit stoischer Ruhe hin. Solange er ihn nicht berührte, konnte es ihm gleich sein, welcher Neigung Hannibal zugewandt war.
Auch als der Sklave ihm anbot, ihn zu rasieren, ließ er sich nichts anmerken, was sein Plan bezüglich des Messers gewesen war. Selbstverständlich würde er niemals einen Fremden freiwillig so nahe an seine Kehle heranlassen. "Ach, nein danke! Das schaffe ich schon selbst! Während des Krieges hatte ich meistens auch keinen Spiegel", antwortete er abwinkend. Gleich darauf wandte er sich den Rasierutensilien zu und begann sich zu rasieren. Nach wenigen Minuten war er fast fertig. "Wie ist der eigentlich so, dieser Herr?" -
Cassims Augen wanderten zu besagter Truhe. Bevor er den Schlafraum mit Hannibal wieder verließ, öffnete er die Truhe und suchte nach einer passenden Tunika. Alle Gewänder, die sich darin befunden hatten, waren aus groben, strapazierfähigen Stoff gemacht. Er entschied sich schließlich für eine Erdfarbene.
Hannibal führte ihn in einen größeren Raum, in dem er sich waschen konnte. Auch dort war alles sehr nüchtern und zweckmäßig gehalten. Oh, wie sehr vermisste er bereits die Annehmlichkeiten seines eigenen Zuhauses. Wäre er nun zu Hause, kämen sofort einige Sklaven herbeigeeilt, die sich um das Wohlbefinden ihres Herrn kümmern würden. Wie sehr vermisste er die lieblich zarten Hände Yasminas, seiner Lieblingssklavin, die ihn nach dem Bad stets massiert hatte. All das war nun unerreichbar geworden.
Hannibals Worte rissen ihn abermals aus seinen Gedanken und schmerzhaft musste er sich damit abfinden, dass sein früheres Leben endgültig vorbei war. "Ja, ein Bad wäre gut", antwortete er resigniert.Während er auf die Sklaven wartete, die den Zuber füllen sollten, sah er sich etwas genauer um. Er griff sich ein Handtuch und legte es für sich bereit. Dann sah er die Rasierutensilien auf dem Tisch, das Öl und ein scharfes Messer. Hannibal musste schon etwas Vertrauen zu im gefasst haben, sonst hätte er es wohl kaum so achtlos dort hingelegt. Auf Cassims Gesicht zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. Vielleicht konnte er das Messer nach dem rasieren einfach einstecken, dann könnte er, wenn es notwendig werden sollte, dem Römer ganz leicht die Kehle durchschneiden.
Kurze Zeit später erschienen die beiden Küchensklaven und begannen den Zuber mit warmem Wasser zu füllen. Cassim begann sich, ungeachtet davon, dass Hannibal immer noch anwesend war, zu entkleiden und stieg dann mit einem Seufzer in den Zuber. Das warme Wasser tat seinem geschundenen Leib so gut. Er hätte stundenlang so verweilen können. -
Mit Verlaub, heute erscheinen solche Verse vielleicht ganz amüsant und witzig. Doch dieser Text spiegelt nur in karikativer Form wieder, wie der bittere Alltag in der ehemaligen DDR aussah.
Ich der ich einer Generation angehöre, der die DDR und alles was damit zu tun hatte, noch live miterlebt habe (glücklicherweise vom Weste aus), finde, das so etwas hier falsch plaziert ist. -
Endlich hatten sie sie den Markt und seinen Lärm hinter sich gelassen. Wortlos und in Gedanken versunken folgte Cassim den beiden Sklaven. Als der einen Sklave, der Hannibal hieß, das Schweigen durchbrach, hob Cassim kurz den Kopf. "Ich spreche beide Sprachen gut, dank meines römischen Sklaven!" Er hielt seine Antwort minimal. Genauso war auch sein Interesse an einer Unterhaltung mit dem Sklaven. Als der dann andeutete, das Ziel erreicht zu haben, begannen seine Augen das große imposante Gebäude zu mustern. Am Haupteingang der Villa waren sie vorbei gegangen. Stattdessen betraten sie die Villa durch einen weniger spektakulär wirkenden Hintereingang. Der Geruch von Stall drang ihm sofort in die Nase. Mit einer vorsichtigen Neugier sah er sich erst einmal um. Diese Villa musste von ihren Ausmaßen ähnlich groß gewesen sein, wie das Anwesen seiner Familie, auf dem er aufgewachsen war. Auch beherbergte es eine unüberschaubare Sklavenschar. Der einzige Unterschied war wohl nur die Architektur und der Baustil, ansonsten ähnelte diese Villa dem, was er kannte und liebte.
Doch von den schönen Wohnräumen der Villa bekam er nicht viel zu sehen. Hannibal führte ihn direkt in den Wirtschaftstrakt, dort wo die Sklaven sich aufhielten und arbeiteten. Hannibal führte ihn in einen Raum, der mit mehr Ähnlichkeit mit einem Stall denn mit einem Schlafraum für Menschen hatte. Etwas anderes hatte er eigentlich auch nicht erwartet. Man würde ihn hier wie ein Stück Vieh behandeln. Endlich schnitt Hannibal ihm die Handfesseln durch und erleichtert rieb sich Cassim seine Handgelenke, die bereits tiefe Einschnittwunden zeigten. Er nickte nur und schritt auf das erste freie Lager zu. Zu seinem Erstaunen blieb Hannibal noch und musterte ihn von oben bis unten. Etwas stimmt mit dem Kerl nicht, dachte Cassim. Noch immer prangte die große Schnittwunde quer über der Brust und eigentlich musste es ja offensichtlich sein, dass er verletzt war. "Ja, aber das geht schon wieder! War nur ein Kratzer!" Er vermied es zu erwähnen, dass die Wunde immer noch schmerzte. Ganz besonders an den Tagen, an denen es feucht-kalt war.
"Kann ich mich irgendwo säubern?" Wenn er schon mal da war, konnte er ihn auch gleich nach den sanitären Einrichtungen fragen. Seit Wochen war es ihm nicht mehr vergönnt gewesen, sich richtig zu waschen. Auch eine Rasur wäre nun ganz annehmlich gewesen. -
Cassim musterte den anderen Sklaven, dessen eigenartiger Ausdruck ihn verunsicherte. War es nur ein hämisches Grinsen oder steckte da mehr dahinter? Mit dem Namen der Familie seines neuen Herrn konnte er erst nicht viel anfangen, doch dann entsann er sich, den Namen doch schon einmal gehört zu haben. Lange war es her, sehr lange. Damals war er ein Knabe von gut zehn oder zwölf Jahren. Sein Vater hatte damals für ihn einen römischen Sklaven besorgt, der ihm die Sprache und die Kultur des Erzfeindes näher bringen sollte. Lucius hieß er, wenn er sich recht erinnerte. Eines Tages hatte dieser Lucius über die römischen Kaiser gesprochen. Dabei erwähnte er auch die Flavier. Welche Ironie! Nun war er es, den man zum Sklaven gemacht hatte und allem Anschein nach war er nun Sklave in einem Haushalt, der bereits römische Kaiser hervorgebracht hatte. Nun, ein Trost war das gewiss nicht und so schwieg Cassim. Ebenso wenig äußerte er sich darüber, als der Skave ihm den guten Rat gab, nicht zu türmen. Mit dem Gorilla im Nacken würde er das sicher nicht tun! So verrückt oder dumm war er nun auch nicht. Doch seine Zeit würde kommen! Dessen war er sich vollkommen sicher. Wenn nicht heute dann morgen! Er bräuchte nur etwas Geduld. Doch mit dieser Tugend war er gesegnet.
Sein Blick ruhte nun vorerst auf dem Sklaven, dem er wortlos folgte. Was sollte er auch anderes tun. Im Grund war er froh, von diesem Ort fort zu kommen.
Einen kurzen Blick hatte er auf Aristides erhaschen können, als der Sklave sich bei seinem Herrn abmeldete. Doch das war auch alles, was er bislang von seinem neuen Herrn gesehen hatte. Dabei war ihm nicht entgangen, dass dieser ein verletztes Bein hatte. Das musste dann auch der Grund dafür gewesen sein, warum er an Krücken ging. Er fragte sich, woher diese Verwundung herrühren mochte. Vielleicht ein Reitunfall. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei ihm um einen von diesen verweichlichten Römern, die den ganzen lieben langen Tag in ihren Villen hockten und wenn sie sich dann tatsächlich einmal auf den Rücken eines Pferdes wagten, sofort herunterstürzten. Verächtlich schüttelte er leicht den Kopf und folgte dann den beiden Sklaven, die sich nun auf den Weg zu seinem neuen Zuhause machten