Beiträge von Cassim

    Der Nubier erwies sich auch an diesem Tag genauso hilfsbereit, wie an der Hochzeit, als er ihn mit einem Getränk versorgt hatte. So zuvorkommend verhielt sich ihm niemand gegenüber in der Villa der Flavier. Auch wenn sich seine Lage deutlich verbessert hatte, so herrschte noch immer Misstrauen gegenüber dem Parther und auch die Androhungen des Aristides, die er gegen jeden ausgesprochen hatte, der einen freundschaftlichen Verkehr mit dem Parther pflegte, hatte sich tief in das Gedächtnis eines jeden flavischen Sklaven eingebrannt.
    "Oh, besten Dank, aber das ist nicht nötig. Es ist nicht sehr schwer." Als Beweis dafür, führte er Cimon vor Augen, wie leicht doch die Tasche war, in der sich lediglich einige Bögen Papyrus, etwas schwarze Tinte und ein calamus aus Schilfrohr befand. Diese Schreibutensilien hatte er sich für sein neues Tätigkeitsfeld kaufen sollen. Ganz nebenbei hatte er auch in Laden eines Buchhändlers eine unbestimmte Zeit geschmökert und hatte dann auch noch eine Schrift erstanden, die, wie er glaubte, Gracchus gefallen konnte.
    "Nichts da! Ich werde dich einladen!" Darauf bestand er und teilte dies auch Cimon sehr energisch, aber mit einem Augenzwinkern mit.
    "Du bedenkst mich mit Geschenken und bietest mir jedes Mal deine Hilfe an, wenn wir uns treffen, dann musst du mir jetzt auch die Gelegenheit bieten, mich zu revanchieren!" Auf Cimons Geste hin, setzte er sich wieder und lief neben dem Nubier her. Um die Mittagszeit ließ das Gedränge in den Straßen merklich nach. So konnten sie sich während dem gehen auch ungestört weiter unterhalten.
    "Du hast mir damit wirklich eine Freude gemacht. Ich werde es immer in Ehren halten." Cassim ging die breite Straße weiter, auf der sie sich begegnet waren. Seine Kenntnis der Stadt betreffend, war nicht besonders gut. In der Vergangenheit hatte er nicht oft Gelegenheit gehabt, die Stadt zu besuchen. Aristides hatte er einst in die Subura begleitet und hatte dort eine recht ominöse Nacht in einem besseren Hurenhaus verbracht. In ein solches Etablissement wollte er den Nubier natürlich nicht führen und die Subura musste es beileibe auch nicht sein. Schließlich entschied sich dafür, wieder zurück zu den Märkten zu gehen, um dort eine gute Taverne zu finden, in der es Speis und Trank für sie gab.

    Auch Cassims Freude war nicht zu verleugnen gewesen. So viele Menschen gab es nun auch wieder nicht in Rom, die er als Freund hätte bezeichnen können. Trotz dass er dem Nubier nur einmal begegnet war, hatte er vor einigen Wochen, während die Römer ihr Saturnalienfest feierten, ein Päckchen von ihm erhalten. Der Parther verband schmerzliche Erinnerungen mit diesem Fest und daher hatte er sich an diesen Tagen von der Außenwelt zurückgezogen. Nicht einmal zum gemeinsamen Essen mit den Römern war er gegangen, denn genau ein Jahr war es her, dass er und seine Gefährten ihre Hand nach der Freiheit ausgestreckt hatten. Da nicht nur die Flucht gescheitert war, sondern auch einer seiner Freunde dafür mit dem Leben bezahlen musste, hatte dieses Fest für ihn einen fahlen Beigeschmack. Doch genau dieses Päckchen erhellte seine Stimmung und ließ ihn, wenigstens für eine Weile, die Trauer vergessen. Ein hölzernes Pferd war darin verborgen gewesen, sorgfältig hergestellt und mit viel Hingabe bemalt. Cassim hatte von jeher Pferde gemocht. Darum hatte er sich über dieses Geschenk besonders gefreut. Allerdings war er im gleichen Moment auch etwas verlegen, da er selbst kein Geschenk für den Nubier hatte. Doch genau jetzt bot sich die Gelegenheit sich zu revanchieren.
    "Ach, ich kann nicht klagen, danke!" Die zweite Chance, die ihm der Flavier angeboten hatte, wollte er keineswegs wieder leichtsinnig aufs Spiel setzen. Deswegen gab er sich mit allem besonders viel Mühe, auch wenn manches ihn einiges an Überwindung kostete.
    "Ich hatte einige Besorgungen zu machen, du weißt schon." Er deutete auf die Tasche, die er mit sich führte und die gut gefüllt war mit den verschiedensten Dingen.
    "Eigentlich bin ich jetzt schon wieder auf dem Rückweg, aber ich muss zu keiner bestimmten Stunde wieder in der Villa sein. Wenn du möchtest, können wir beide ein wenig diese Stadt kennenlernen und dann irgendwo einkehren. Ich lade dich gerne dazu ein!" Ein wenig Geld hatte der Parther noch in seinem Beutel. Dies würde allemal für seinen Freund und ihn ausreichen.
    "Ach ja, bevor ich es vergesse, herzlichen Dank für dein Geschenk! Ich habe mich sehr darüber gefreut."
    Auf dem oft so ernst dreinblickenden Gesicht des Parthers, zeichnete sich nun ein herzliches Lächeln ab.

    Was man hierzulande als recht schönen Tag bezeichnen mochte, war alles andere für Cassim. Der Parther, der andere Temperaturen und auch andere Kleidung gewohnt war, fror. Selbst nach all den Jahren, seit er in Rom war, hatte er sich daran nicht gewöhnen können. Dementsprechend war auch seine Stimmung, die sich als einziges den Temperaturen angepasst hatte.
    Der Parther war schon seit Stunden in der Stadt gewesen, weil er einige Besorgungen zu machen hatte. Anfangs hatte er sich noch wohl dabei gefühlt, denn der Gang in die Stadt hatte ihm ein gewisses Maß an Freiheit zurück gegeben, welches er die ganze Zeit schmerzlich vermisst hatte. Je länger er sich aber mit seinen Aufträgen aufhalten musste, umso weniger war er darauf erpicht gewesen, diesem trügerischen Gefühl noch größeres Verlangen entgegen zu bringen.
    In gewisser Weise war er erleichtert, nun wieder zur Villa zurückkehren zu können. Doch dann wurde sein Heimweg unvermittelt gestört. Scheinbar aus dem Nichts kommend, war da plötzlich dieser Passant, der ihn aus einer Unachtsamkeit heraus anrempelte.
    "Kannst du nicht aufpassen, du...", begann der Parther zu fauchen, hielt aber dann mitten im Satz inne, denn er hatte in dem Anderen den Nubier wieder erkannt, den er kürzlich auf einer Hochzeit kennengelernt hatte, zu der er den Flavier begleitet hatte.
    "Oh, du?! Cimon, nicht wahr. Das ist aber - eine Überraschung! Wie geht es dir?" Sein Groll gegen den Anrempler hatte sich in Sekundenschnelle in Nichts aufgelöst.

    Hoher Herr? Cassim fühlte sich dadurch geschmeichelt. Lange war es her, seit man ihn so betitelt hatte. Jedoch dachte er keinbeswegs daran, Serafina könnte in ihm einen Freien sehen. Schließlich war er Parther und jeder Parther, der in Rom lebte, war unfrei. Außer den parhtischen Händlern vielleicht. Diejenigen die weder das eine noch das andere waren, waren zweifellos Verräter, die ihr Heimatland verraten hatten.
    "Du bist keine unwürdige Sklavin, meine Blume! Du bist das entzückendste Wesen, welches in diesem Haus umher wandelt." Sanft strich er ihr über die Wange, bevor er sich dann an die Hand nahm und mit sich zog.
    "Komm mit, du Rose von Edessa! Lass uns zuerst in die Bibliothek gegen. Dort muss ich noch eine Kleinigkeit erledigen." Endlich waren ihm wieder die Schriftrollen ins Gedächtnis gefallen, derer er sich zuerst entledigen wollte, damit er freie Hand hatte. 8)
    Dort angekommen, atmete er erst tief ein, um den Geruch des Pergamentes einzusaugen. Dann trat er zu einem der Regale und ließ die Rollen darin verschwinden.
    "So, hier verbringe ich die meiste meiner Zeit. Dies ist die bibliotheca der Flavier! Hier verstauen sie ihr Wissen.", witzelte er und grinste dabei.


    .....Als sie nun dies vernommen, hätten auch alle andern
    beigestimmt, man müsse das gegenwärtige
    Gelage nicht bis zur Trunkenheit steigern, sondern
    nur so nach Behagen trinken.
    Da nun also, habe Eryximachos fortgefahren,
    dies beschlossen ist, daß ein jeder trinke, soviel
    ihm beliebt, und daß kein Zwang stattfinden soll,
    so schlage ich fernerhin vor, die eben eingetretene
    Flötenspielerin zu entlassen, um für sich allein zu
    spielen, oder, wenn sie will, vor den Weibern drinnen,
    uns aber für heute einander mit Reden zu unterhalten.
    Auch den Gegenstand dieser Reden will
    ich euch vorschlagen, wenn es euch recht ist.
    Da hätten alle erklärt, es sei ihnen recht, und sie
    forderten ihn auf, seinen Vorschlag zu machen.
    Eryximachos habe daher fortgefahren: Ich beginne
    meine Rede wie Melanippe bei Euripides: denn
    nicht von mir selber kommt das Wort, sondern von
    unserm Phaidros da, welches ich vortragen will.
    Denn Phaidros hat mir schon wiederholt sein Leid
    geklagt. Ist es nicht schrecklich, sagt er oft zu mir,
    lieber Eryximachos, daß auf alle andern Götter
    Hymnen und Gesänge von den Dichtern verfaßt
    sind, während auf den Eros, der doch ein so wohltätiger
    und großer Gott ist, kein einziger von so
    vielen Dichtern ein Loblied gedichtet hat?Wenn du
    aber jene schätzbaren Männer, die Sophisten, in
    Betracht ziehen willst, daß diese zwar Lobreden
    auf den Herakles und andere in Prosa schreiben,
    wie zum Beispiel der vortreffliche Prodikos - doch
    das ist freilich noch weniger zu verwundern, aber
    ich stieß neulich auf ein Buch, in welchem der Nutzen
    des Salzes wunder wie hoch gepriesen wurde,
    und noch viel anderes dergleichen kannst du hinlänglich
    verherrlicht finden, - auf solche Dinge also
    verwendet man großen Eifer, während den Eros
    noch bis auf diesen Tag kein einziger Mensch seiner
    würdig zu preisen unternommen hat! So also
    wird ein so erhabener Gott vernachlässigt! Darin
    scheint mir nun Phaidros ganz recht zu haben, und
    ich möchte daher nicht bloß mich ihm gefällig erzeigen,
    indem ich ihm eine Beisteuer hierzu liefere,
    sondern ich glaube, daß es auch gegenwärtig für
    uns, die wir hier zugegen sind, ganz angemessen
    sein würde, den Gott zu verherrlichen. Wenn dies
    nun auch eure Ansicht ist, so werden wir hinlänglichen
    Stoff für unsere Unterhaltung durch Reden
    haben. Ich denke nämlich, es muß nach der rechten
    Hand in der Reihe herum ein jeder von uns eine
    Lobrede auf den Eros halten, so schön er nur kann.
    Phaidros aber muß den Anfang machen, weil er
    obenan liegt und überdies der Urheber dieses ganzen
    Vorschlages ist.
    Niemand, lieber Eryximachos, habe darauf Sokrates
    bemerkt, wird dir entgegenstimmen. Denn
    weder ich dürfte mich weigern, der ich zugebe, auf
    nichts anderes als auf die Liebesangelegenheiten
    mich zu verstehen, noch auch Agathon und Pausanias,
    noch Aristophanes, dessen ganzes Treiben
    sich um den Dionysos und die Aphrodite dreht,
    noch überhaupt irgend einer von denen, die ich hier
    vor mir sehe. Freilich kommen wir, die wir zu unterst
    liegen, am schlechtesten dabei weg; indessen,
    wenn nur unsere Vorgänger recht befriedigend und
    schön gesprochen haben, so soll uns das genügen.
    So fange denn Phaidros in Gottes Namen an und
    preise den Eros!


    Der Parther war in seinem Element. Längst hatte er es sich auf der Kline gemütlich gemacht. Gänzlich entspannt lag er da, den Oberkörper auf den Ellenbogen gestützt, Gracchus zugewandt. Es bereitete ihm sichtliches Vergnügen Platons Werk vorzutragen. Gekonnt kamen ihm die Worte über seine Zunge, obwohl es nun schon Jahre zurücklag, seit er sich intensiv mit dem Symposion beschäftigt hatte. Er liebte die griechische Sprache und auch die Großen der Literatur und Philosophie, die Hellas einst in seiner Blüte hervorgebracht hatte. Letztendlich sah er darin das Vermächtnis seiner Vorfahren, die einst an Alexanders Seite ins Reich der Perser gekommen waren.
    Von Zeit zu Zeit riskierte er einen Seitenblick hinüber zu dem Flavier, der sich genüsslich zurückgelehnt hatte und mit geschlossenen Augen dem lauschte, was der Parther vortrug. Er war sich sicher, mit seiner Auswahl richtig gelegen zu haben, was ihn darin bestärkte, nun sein Bestes zu geben.
    Cassim war noch nicht sehr weit vorgedrungen, da unterbrach ihn der Römer. Sofort verstummte er und sah auf, um die folgende Frage des Gracchus besser erfassen zu können. Die Frage um Parthiens Gottheiten erstaunte ihn nicht. Es lag im Forscherdrang des Menschen zu ergründen, wie der Andere dachte. Er selbst hatte davon schon in seiner Heimat einen theoretischen Einblick erhalten, von den Erzählungen seines römischen Sklaven, den er besessen hatte. Schon damals schenkte er dieser römischen Vielgötterei nur wenig Sympathie. Die praktische Umsetzung hingegen hatte er selbst am eigenen Leibe miterleben müssen, als er Aristides am Abend vor dessen Hochzeit in den Tempel eines dieser römischen Götzen begleiten musste. Noch heute schauderte es ihn, wenn er daran zurückdachte.
    "Diese Frage kann ich mit ja und nein beantworten, Herr. Die meisten meiner Landsleute und auch ich sind Anhänger der Lehren Zarathustras und beten zu Ahura Mazda, dem Einzigen. Ihm gegenüber steht Ahriman, das Böse. Daneben gibt es noch verschiedene andere Kulte, teils von Völkern, die dem Reich angegliedert wurden. Ich hörte, der Kult um Mithras findet auch bei den Römern anklang."

    Nicht nur schön wie die Morgenröte war sie auch geheimnisvoll wirkte sie auf den Parther, dem es schon so lange nicht mehr vergönnt gewesen war, mit einer Frau seines eigenen Volkes zu sprechen. Bezaubert von ihrer Schönheit, lauschte er ihrer Stimme dessen. Offenbar war sie Anhängerin eines Kultes, den er nicht kannte. Aber was machte das schon! Das allein war doch unerheblich!
    Viel wichtiger war es da zu hören, dass es noch niemand geschafft hatte, sie zu besitzen. Cassims Herz begann innerlich zu jauchzen und zu frohlocken. Er würde ganz ohne Zweifel diese Herausforderung annehmen. Serafina war keine dieser Frauen, denen man kurz Honig ums Maul schmierte, damit man sie schnell in sein Bett zerren konnte. Sie war eine hübsche junge Frau aus gutem Hause. Wäre er in seiner Heimat gewesen, hätte er sie vielleicht zu seiner vierten Frau erwählt. Doch auch in der Fremde gab es Möglichkeiten...
    "Welch gute Neuigkeiten, dass die schönste Blume des Gartens noch nicht gepflückt worden ist." Cassim strahlte über beide Ohren. Fast hätte er vergessen, was er an diesem Morgen zu tun gedachte. Ach was, die Schriftrollen konnten warten! Serafina war wohl noch nicht lange in der Villa. Gewiss kannte sie sich hier noch nicht aus und wenn doch, gab es mit Sicherheit den einen oder anderen Platz, den sie noch nicht kannte.
    "Ich nehme an, du weilst noch nicht sehr lange hier? Darf ich dir die Villa zeigen?" Natürlich wollte er ihr nicht den Sklaventrakt zeigen, den kannte sie bestimmt schon zu genüge. Viel besser waren da die Gänge und die herrschaftlichen Zimmer oder der Garten mit seinen verwinkelten Plätzen. Der Teich oder auch der Platz, an dem einst die Vogelvoliere gestanden hatte.

    Diese Schönheit! Diese Anmut! Nur eine parthische Frau konnte so viel Grazie und Eleganz in sich vereinen und dabei distinguiert zu bleiben, wie es ihrer Stellung zukam. All die schamlosen römischen Weiber würden ihr niemals das Wasser reichen können, waren sie im Grunde doch alles nur gottlose Schlampen, die es mit allem und jedem trieben. Doch Serafina war ein Lichtblick in al der Finsternis, die ihn bis dahin umgeben hatte. Sie war ein Geschenk Gottes und er würde, wie man es nun mit wertvollen Dingen zu tun pflegte, sie sorgsam und mit Bedacht behandeln.
    Seine Hand näherte sich ihrem Gesicht. Mit seinen Fingern strich er ihr zart die Strähnen ihres wundervoll glänzenden Haares aus dem Gesicht. Dann hob er sanft ihr Kinn an, damit ihm der Glanz ihrer dunklen Augen nicht länger verborgen blieb.
    Sie danach zu fragen, auf welchem Wege sie hierher gekommen war unterließ er tunlichst, da er die Antwort darauf schon kannte. Wie fast jeder parthischer Sklave in diesen Tagen war sie auch ein Opfer dieses unseligen Krieges geworden. Weshalb also sollte er ihr Herz durch dumme Fragen noch erschweren?
    „Du bist schöner als die Morgensonne, wenn sie an einem Sommertag über dem Tal des Euphats erwacht. Aber das weißt du sicher selbst, weil es dir schon unzählige Verehrer erzählt haben,“ mutmaßte er, obwohl er insgeheim hoffte, es gäbe niemanden sonst, der um ihre Gunst buhlte.

    Cassim nickte zustimmend. Ihm war es schwer ums Herz geworden. Es war wirklich ein Jammer, mit ansehen zu müssen, was dieser Krieg aus ihnen gemacht hatte. Jeden Tag aufs neue Erniedrigung und Schmach erleben zu müssen.
    Aufmunternd legte er Phraates seine Hand auf die Schulter. "Eines Tages wirst du sie wiedersehen, mein Freund! Ganz bestimmt!" Der Parther seufzte, denn insgeheim glaubte er selbst nicht an seine eigenen Worte. Seit seiner missglückten Flucht war die Heimat in unerreichbare Ferne gerückt. Nur ein Wunder konnte da noch Abhilfe schaffen. Wogegen er schon lange nicht mehr an Wunder glaubte.
    Als sein neugewonnener Freund nun von seiner Heimatstadt zu sprechen, beschlich Cassim das sonderbare Gefühl, dass nicht alles so war, wie es Phraates beschrieben hatte. Beklommenheit erfasste ihn. Noch ehe er nachfragen konnte, wurden sie gestört.
    Cassim blieb mit einem Schwung unbeantworteter Fragen zurück und sah dem Landsmann noch nach, wie er in der Küche verschwand.
    "Möge der eine dich auch beschützen!", rief er ihm noch nach. Gänzlich aufgerüttelt, sah er sich um. Auch Cimon war mittlerweile verschwunden - und der Flavier? Er sah sich nach ihm um und als er ihn gefunden hatte, hielt er sich fortan in seiner Nähe auf.

    Sie war einfach so an ihm vorbei gezogen, wie ein fleischgewordener Traum. Sie lachte, dann wandte sie sich zu ihm um. Ein wenig bissig für Cassims Geschmack stellte sie fest, ihr Name sei Serafina. Se-ra-fi-na aus Edessa. Wie süß das klang, noch süßer klang es aus dem Mund der Schönen. Serafina, die Feurige. Oh ja, zweifellos war dies der passende Name für diese heißblütige Schönheit. Und doch schien ein Schatten auf ihrem Herzen zu liegen. Genau wie er selbst ertrug sie nur schwer ihr aufgebürdetes Schicksal, welches sie in der Fremde fristen musste. Dass sie nun in ihm einen Römer, einen Feind vermutete, ahnte er nicht. Wie sollte er auch? Der Parther war durch ihre pure Gegenwart wie berauscht. Seine Augen hafteten an ihr und ließen sie nicht mehr los. Wenn er nicht bald die Initiative ergriff, war sie weg!
    "Aber halt! So warte doch, Serafina!", rief er ihr endlich nach. Schließlich begegnete man nicht jeden Tag einer parthischen Schönheit aus gutem Hause. Wenn sich ihm eine solche Gelegenheit bot, so konnte er sie nicht tatenlos an sich vorbei ziehen lassen. Die Schöne besann sich.
    "Aber nein! Ich habe mich zu entschuldigen, weil ich für die schönste Blume des Gartens keine Augen hatte. Ich hoffe, du kannst mir noch einmal verzeihen, Serafina, Tochter des Tiridates aus Edessa."
    Das süße Geschöpf hatte ihm vollkommen den Kopf verdreht, so dass er nicht nur vergas, sich vorzustellen. Er vergas sich selbst und das, was er eigentlich zu tun gedachte. Verträumt blieb er eine Weile vor ihr stehen, hatte nur Augen für sie und lächelte treudoof. Ahura Mazda sei Dank, hatte ihn niemand so gesehen, außer dem Mädchen natürlich.
    Irgendwann schließlich, musste ihm bewusst geworden sein, was er tat. Voller Verlegenheit räusperte er sich.
    "Oh, äh, wo bleiben denn nur meine Manieren! Cassim, Sohn des Surenas aus dem Hause Parwaz aus Dura."
    Stolz und erhaben, wie es sich für einen parthischen Edelmann gehörte, verneigte er sich andeutungsweise vor ihr.

    Cassims erster Weg an diesem überaus trüben Morgen, war die Bibliothek gewesen. Sein Körper war in eine wollene Tunika eingemummt, um sich gegen diese Affenkälte zu schützen. Er hasste nicht nur die Römer, auch auf die klimatischen Verhältnisse in diesem Land hätte er gut und gerne verzichten können. Er trug einige Schriftrollen bei sich, die er sich am Abend zuvor mitgenommen hatte und nun wieder zurück bringen wollte. Ein Text hatte ihm besonders gefallen. Der Parther konnte einfach nicht widerstehen und öffnete sie, mitten im Gang stehend und begann zu lesen. Nur die Literatur schien ihm in diesen Tagen sein Herz wärmen zu wollen. Völlig vertieft, nahm er das, was um ihn herum geschah kaum wahr.
    In seinen Augenwinkeln bemerkte er plötzlich eine sich nähernde Person, sah kurz auf, widmete sich aber gleich wieder, wie von einer Sucht angetrieben, der Schriftrolle. Selbst das bezaubernde Geschöpf, welches ihm nun unweigerlich gegenüberstand und ihn ansprach, hatte daran nichts ändern können. Die süße zarte Stimme, einer Nachtigall gleich, hätte allein schon seine Aufmerksamkeit erregen müssen und dass sie sich nun der parthischen Sprache bediente, erst recht. Die griechischen Philosophen jedoch, hielten ihn(vorerst) fest in ihrem Bann gefangen und so erwiderte er ein ganz selbstverständliches, in parthischer Sprache gehaltenes „Aber sicher doch!“ und trat ein wenig zur Seite.
    Der Hauch einer zarten Blume schien seine Nase zu erreichen und endlich wurde ihm bewusst, er hatte sich, nach unendlich langer Zeit, der Sprache seiner Väter bemächtigt. Verdattert sah er endlich auf, als sei er aus einem tiefen Schlaf erwacht und erkannte – ein Mädchen. So schön, wie die Morgenröte, das Haar so schwarz wie Ebenholz, die Lippen einer Rose gleich.
    „Yasmina!“, war sein erster Gedanke, den er laut artikulierte.
    Nein, die Schöne war nicht Yasmina. Seine Lieblingssklavin, so sie noch unter den Lebenden weilte und nicht vor lauter Gram ob des Verschwindens ihres Herrn und Geliebten gestorben war, befand sich noch in der Obhut seiner Familie im fernen Dura Europos an den Gestaden des Euphrat. Ein Jammer!
    Doch der große Ahura Mazda, in seiner nicht enden wollenden Güte, schien Mitleid mit seinem Diener zu haben und schickte ihm nun jenes entzückende Wesen, welches ganz offensichtlich auch aus Parthien stammte.

    Donnerwetter! Du hast recht! Ts, diese römischen Postfächer! Alles Ausschuss! Die parthischen sind viel besser! :D



    Wollte sagen, es ist jetzt frei! ;)

    In Erwartung auf Gracchus Entgegnung, blieb er vor den Klinen stehen. Sein Blick war auf den Römer gerichtet, ansonsten verharrte sein Körper in einer Art Starre, die nur darauf wartete, sich wieder lösen zu können, um auf das was kam einzugehen. Er hatte lange damit zugebracht, für und abzuwägen, ob seine Wahl die Richtige war oder ob er sich damit selbst wieder ins Abseits befördern würde. Doch das Antlitz des Gracchus zeigte sich erfreut darüber. Und nicht nur das, selbst ein Lob kam über des Flaviers Lippen, was Cassim wiederum zufrieden stimmte. Seine Mundwinkel verschoben sich leicht nach oben. Nun war es nur noch an ihm, ihn von seinem Können zu überzeugen.
    Der Parther kam der Aufforderung des Flaviers augenblicklich nach und setzte sich. So war es am bequemsten, den ausgesuchten Text vorzutragen. Der innerliche Druck, welcher Cassim anfangs in sich wahrgenommen hatte, ließ merklich nach. Bevor er jedoch beginnen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit kurz von dem herantretenden Sklaven abgelenkt, der ihm verdünnten Wein einschenkte. Das ausdruckslose Gesicht Scuirus´ verriet nichts, was dessen Gedanken waren. So scherte sich der Parther auch nicht darum, obgleich er sich sehr gut vorstellen konnte, wie wenig angenehm diesem seine Anwesenheit sein durfte. Doch Cassim hatte es geschafft, das Wohlwollen des Römers zu gewinnen und dieses wollte er keinesfalls aufs Spiel setzen.
    "Danke, Herr. Es freut mich, dass meine Wahl dein Wohlgefallen findet. So beginne ich nun."
    Cassim nahm einen Schluck uns ließ die wohlschmeckende Flüssigkeit die Kehle hinunter rinnen. Dann räusperte er sich kurz und begann, sichtlich darauf bedacht fehlerfrei und gut betont den erwählten Text vorzutragen.



    Symposion


    Apollodoros und einige seiner Freunde


    In der Erzählung des Apollodoros treten redend auf:


    Glaukon · Aristodemos · Sokrates · Agathon · Phaidros · Pausanias · Eryximachos · Aristophanes · Diotima · Alkibiades


    Apollodoros: Ich glaube, auf das, wonach ihr mich
    fragt, nicht unvorbereitet zu sein. Ich befand mich
    nämlich jüngst gerade auf dem Wege von Phaleron,
    meiner Heimat, nach der Stadt. Da rief einer meiner
    Bekannten, der mich von hinten gewahr wurde,
    mich scherzend aus der Ferne folgendermaßen an:
    He, du da, Apollodoros aus Phaleron, warte doch!
    Und ich blieb stehen und erwartete ihn.
    Er aber versicherte hierauf: Wahrhaftig, Apollodoros,
    auch schon vor kurzem suchte ich dich auf,
    um von dir etwas Näheres über die gesellige Zusammenkunft
    des Agathon, Sokrates, Alkibiades
    und der übrigen zu erfahren, welche damals beim
    Gastmahle zugegen waren, nämlich darüber, wie
    die von ihnen gehaltenen Liebesreden lauteten.
    Denn ein anderer erzählte mir davon, der es von
    Phoinix, dem Sohne des Philippos, gehört hatte; er
    sagte aber, du wissest es auch, und konnte mir
    überdies selber nichts Genügendes mitteilen.
    Darum lege nun du es mir dar: denn dir steht es
    auch am ersten zu, die Reden deines Freundes zu
    berichten. Vorerst aber sage mir, fuhr er fort, warst
    du selbst mit in dieser Gesellschaft oder nicht?
    Und ich erwiderte: In der Tat, dein Berichterstatter
    scheint dir durchaus nichts Genügendes mitgeteilt
    zu haben, wenn du glaubst, daß diese Gesellschaft,
    nach welcher du fragst, erst neuerdings
    stattgefunden habe, so daß auch ich hätte zugegen
    sein können.
    Das glaubte ich freilich.
    Aber wie sollte sie doch, entgegnete ich, lieber
    Glaukon!Weißt du denn nicht, daß Agathon schon
    seit einer Reihe von Jahren sich nicht mehr hier
    aufhält? Seitdem ich dagegen mit Sokrates zusammenlebe
    und es mir zur Aufgabe gemacht habe, an
    jedem Tage zu erfahren, was er sagt oder tut, - das
    sind noch keine drei Jahre her. Vorher aber trieb
    ich mich mit dem herum, was mir gerade in den
    Wurf kam, und vermeinte recht etwas zu beschaffen,
    war aber in Wahrheit unglücklicher als irgend
    einer, ebenso wie du nun, der du glaubst, man
    müsse eher alles andere tun als philosophieren.
    Spotte nicht, antwortete er, sondern sage mir,
    wann denn diese Gesellschaft stattfand?
    Und ich erwiderte: Noch während unserer Kinderzeit,
    als Agathon mit seiner ersten Tragödie
    siegte, und zwar tags darauf, nachdem er mit den
    Genossen seines Chores schon das eigentliche Siegesopferfest
    gefeiert hatte.
    Also schon vor gar langer Zeit, wie es scheint,
    meinte er. Wer hat es dir denn erzählt? Ohne Zweifel
    Sokrates selbst?
    Keineswegs, entgegnete ich, sondern ebenderselbe,
    von welchem es Phoinix erfahren hat. Es war
    das ein gewisser Aristodemos aus Kydathenai, ein
    kleiner Mann, der stets barfuß ging; der war mit in
    der Gesellschaft gewesen und war überdies, wie ich
    glaube, unter seinen Zeitgenossen einer der eifrigsten
    Verehrer des Sokrates. Indessen habe ich aber
    schon über einige Punkte von dem, was ich von
    jenem hörte, auch bei Sokrates nachgefragt, und
    dieser bestätigte sie mir so, wie jener berichtet
    hatte.
    So erzähle es mir denn schnell wieder, versetzte
    er. Ist ja doch der Weg nach der Stadt so recht geeignet
    dazu, um während des Wanderns zu erzählen
    und zuzuhören.
    So unterhielten wir uns denn im Gehen hierüber,
    und ich bin daher, wie ich schon im Anfang bemerkte,
    hierauf nicht unvorbereitet. Soll ich es also
    auch euch berichten, so muß ich es wohl tun. Denn
    auch ohnehin schon bereiten mir Reden über philosophische
    Gegenstände, mag ich sie nun selbst
    vortragen oder von anderen vortragen hören, - abgesehen
    von dem Nutzen, den sie mir, wie ich glaube,
    gewähren, - die größte Freude; alle anderen
    aber, zumal wie ihr Reichen und Geldmänner sie zu
    führen pflegt, erregen mir für meine Person Überdruß
    und gegen euch, ihr Freunde, Mitleiden, weil
    ihr etwas Rechtes zu schaffen glaubt und doch nur
    etwas ganz Nichtiges treibt. Vielleicht nun haltet
    ihr hinwiederum dafür, daß ich zu beklagen sei,
    und ich glaube, daß ihr den rechten Glauben habt;
    von euch jedoch glaube ich dies meinerseits nicht,
    sondern weiß es gewiß.

    Unbeschreiblich war Cassims Freude über den Landsmann, der nicht nur ebenso dem gleichen Stande entsprungen war, nein der auch ein Kataphrakt gewesen war. Er wollte Ahura Mazda noch für diese glückliche Fügung danken, dass er die Wege der beiden Männer zusammen geführt hatte. Ein wenig überschattete ihn seiner Freude, als Phraates davon sprach, wie er durch Dura gekommen war. Cassims Herz begann schneller zu schlagen. Gerne hätte er sich danach erkundigt, wie der Zustand seiner Heimatstadt gewesen war, die er nicht mehr gesehen hatte, seit er in den Krieg gezogen war.
    Vorerst jedoch hörte er dem anderen Parther zu, was dieser zu erzählen hatte und nickte hin und da, weil er nachvollziehen konnte, was Phraates berichtete.
    "Ich nahm an der Schlacht am Chaboras teil. Dort zeigten wir den römischen Hunden, was es heißt, Parthia zu überfallen! Ein wahrlich guter Tag zum Sterben! Als mein Pferd tot unter mir zusammenbrach, versuchte ich noch so vielen Römern wie möglich den Garaus zu machen. Ich weiß nur noch, wie mich etwas Stumpfes traf, daraufhin verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, war die Schlacht bereits vorbei. Da man mich für tot hielt, hat man mich zurückgelassen. Verwundet schleppte ich mich in eine Felsnische, die mir Schutz bieten sollte. Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag. Jedenfalls entdeckten mich dort einige Tage später ein paar römische Reiter, die mich mitnahmen. Hätten sie mich dort nur liegen lassen oder mich gleich getötet!" Der Parther sah verbittert weg. Nur Sklaverei war schlimmer als der Tod!
    Als Cimon dem Landsmann nun auch Wein einschenkte, wandte er sich den beiden wieder zu.
    "Du warst in Dura? Sag mir, wie sah es dort aus, als du dort durchgezogen bist?", fragte er schließlich und hoffte auf eine Antwort, die ihm wieder Hoffnung gab.

    Wenige Tage später nur, nachdem Cassim die Bibliothek zum ersten Mal betreten hatte, schien er Tag gekommen zu sein, an dem er die Chance erhielt, sich zu bewähren. Schon am ersten Abend, da er den Bestand der literarischen Werke in Augenschein nehmen konnte, hatte er damit begonnen, eine Auswahl zu treffen. In den Tagen danach kamen noch einige Werke hinzu, die er in die engere Auswahl mitnahm. Schlussendlich hatte er sich doch für die erste Schrift entschieden, denn der erste Gedanke war meist der Beste!
    Mehrere Male hatte er sich darin versucht, den Text vorzutragen und dabei ihn gut zu betonen, damit das Vorlesen nicht eintönig wurde und er am Ende wieder im Pferdestall landete.
    Wie jeden Tag, seit man ihn nicht mehr an die Arbeit im Stall heranzog, sorgte der Parther für eine ansprechende Körperpflege. Sogar an ein wohlriechendes Öl war er gekommen, mit dem er sich nach dem Bad einrieb. Das tiefschwarze kurze Haar war ordentlich gekämmt und die Rasur bot auch keinen Anlass zur Beanstandung. Vervollkommnet wurde dies alles durch deine saubere Tunika, die ihm von nun an wieder tagtäglich zur Verfügung stand.
    Alles hatte den Anschein, die schlechtesten Tage seines Daseins seien vorüber. Die Drohungen des Aristides, waren nichtig geworden und verhallt. Nur das Schandmal in des Parthers Nacken gemahnte ihn daran, wer sein Feind war. Gegen den anderen Flavier, Gracchus, der nun sein neuer Herr war, hegte keinen Groll. Ihm konnte er einzig und alleine den Vorwurf machen, dass er ein Römer war, mehr jedoch nicht.
    Mit der ausgewählten Schriftrolle in Händen, folgte er Sciurus, als dieser ihn holen kam. Der Leibsklave führte ihn in das cubiculum des Gracchus. Der Parther fand es nicht abträglich, die Lesung in einer solch intimen Umgebung abzuhalten, da es doch dem Vergnügen seines Herrn dienen sollte.
    Ihm fiel eine weitere Kline auf, die neben der des Flaviers stand. Es schien als erwarte er noch Besuch.
    Cassim verbeugte sich leicht. "Salve, Herr! Ich habe eine Text ausgewählt, der dir hoffentlich zupasskommt: Platons Symposion. Erwartest du noch jemanden?"

    Vorsorglich, fall mir die Zeit nicht mehr dazu reicht, gebe ich bereits jetzt meine Abwesenheit bekannt:


    Vom 21.12. bis voraussichtlich 06.01. werde ich weder lesend noch schreibend zugegen sein.


    Daher wünsche ich euch allen schon jetzt ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr! :)

    Wie erquicklich es doch für Cassim war, wieder einmal die eigene Sprache zu sprechen und dabei keine Selbstgespräche führen zu müssen. Wer hätte das gedacht, dass dieser eintönige Tag noch eine solche Wendung nahm. Und wie sich herausstellte, war Phraates nicht nur ein Landsmann. Ebenso war er ein Savaran und hatte als Kataphrakt gedient. Unglücklicherweise war er, genauso wie Cassim in die Hände der Römer geraten. Doch an jenen schmachvollen Augenblick wollte er nicht denken. Allein wichtig war ihr Zusammentreffen. Auch wenn sein Landsmann nicht aus der gleichen Ecke Parthiens stammte, wie man unschwer an seinem Akzent erkennen konnte, so war er doch Parther, wie er auch. Schließlich musste man in der Fremde zusammenhalten!
    "Ich bin Cassim, Sohn des Surenas aus des Hause Parwaz, aus Dura. Ich war ebenfalls bei den Kataphrakten. Wie mir scheint haben wir beide in der gleichen spah gedient. Allerdings war ich im zweiten vasht des fünften gond. Es erfüllt mich mit Freude, dich kennenzulernen, Phraates, Sohn des Tiridates!" Die Freude des Parthers war geradezu unbeschreiblich! Nach so langer Zeit, ausgerechnet auf einer römischen Hochzeit einen Landsmann zu treffen, war schlicht und ergreifend grandios!
    "Wie kommt es, dass du hier bist?", fragte Cassim. Das Lächeln war halbwegs aus seinem Gesicht verschwunden, denn dies war ein Thema, welches nicht gerade zum Fröhlich sein einlud. Auch er dachte nur ungern daran zurück, wie er in römische Gefangenschaft geraten war. Wieso also sollte es dem anderen Parther anders ergehen?
    Der Parther war so vertieft in die Unterhaltung. Er merkte nichts vom zwischenzeitlichen Verschwinden des Nubiers. Erst als dieser wieder zurück war, lächelte er ihn dankbar an.
    Von der stattfindenden Opferzeremonie bekam der Parther nichts mit. Er verabscheute sowieso die Rituale dieser Ungläubigen.

    Cassim hatte sich selbst wieder in Rage versetzt. Aus der Tiefe seines Herzens schien wieder dieser maßlose Hass aufsteigen zu wollen, der sein Gesicht noch mehr zu verfinstern drohte. Alles wonach er nach der misslungenen Flucht noch trachtete war Rache! Rache für ihn und den gekreuzigten Freund. Jedoch musste er vorerst dieses Vorhaben auf Eis legen, solange Aristides Rom fern blieb. Bis dahin war er Flavius Gracchus neuer Sklave, auch wenn ihm das widerstrebte. Allerdings hatte ihm der Flavier eine zweite Chance geboten, die er genutzt hatte. Wäre er sonst hier an Ort und Stelle? Und Cimon, der einem anderen Sklaven Briefe schreiben durfte? War er im Grunde nicht genauso wie er? Er, ein Spross aus edlem Hause war vor dem Flavier auf die Knie gegangen und hatte dafür einige Annehmlichkeiten erhalten. Was würde er in Zukunft noch alles tun, um Vorteile daraus ziehen zu können? Er wollte gar nicht darüber nachdenken, weil es ihn selbst anekelte.
    Nur eine Tätowierung! Der Nubier war nicht gebrandmarkt, er war "nur" tätowiert! Und man hatte ihm eingeredet, stolz darauf sein zu können. Der Parther wollte darauf etwas erwidern, doch er beließ es dabei, weil er am Ende nur den Nubier damit traf. Als er aufsah, wollte er kaum seinen Augen trauen! Zwischen den römischen Hochzeitsgästen stach ein Mann heraus, als sei er der Abkömmling eines fremden Sterns. Für Cassim jedoch war diese Erscheinung vertraut, wenn auch falsch platziert. Jener Mann, der sich ihnen zu nähern schien, trug ein edel parthische Tracht, wie sie dem Shah in Shah selbst gebührt hätte. Dazu zierte ein scheinbar seidener Turban sein Haupt. Sprachlos war die exakte Beschreibung, die auf den Parther zutraf, als dieser Mann direkt vor ihnen stehen blieb und den Nubier begrüßte. Cimons Worten zu urteilen, war dies kein anderer als Phraates selbst.
    Erhaben beugte sich der Parther leicht nach vorne und begrüßte seinen Landsmann -auf parthisch versteht sich. "Dorud baer shoma! Az molaghat e sham khosh vaghtam." Damit auch Cimon die Möglichkeit hatte, an ihrem Gespräch teilzuhaben und weil es die Höflichkeit gegenüber dem Nubier gebot, wechselte er wieder ins Lateinische. "Ich bin Cassim. Cimon sagte, du seist auch Kriegsgefangener. Wo dientest du?"