Verdammte Schlamperei! Ich bin einfach nicht zum Sklaven geboren
Ist wieder frei!
Verdammte Schlamperei! Ich bin einfach nicht zum Sklaven geboren
Ist wieder frei!
Es fiel Cassim schwer, seine Blicke von der Schale zu wenden, in der vor seinen Augen ein Feuer entzündet wurde. Wie hypnotisiert starrte er in die allmählich entstehende Glut. Sein Herz raste. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Wie ein Stück Vieh würden sie ihn hier und jetzt brandmarken. Auf ewig gezeichnet. Auf ewig Sklave. Entehrt.
Die Stimme des Römers schien sein Ohr gar nicht zu erreichen. Die Worte perlten einfach an ihm ab, wie die Wassertropfen auf der Haut nach einem erfrischenden Bad. Nur die rotleuchtende Glut erreichte ihn.
Nein! Er wollte dem entgehen. Es durfte nicht sein. Er, der er aus einer der vornehmsten Familien Parthiens entstammte, er durfte nicht so enden.
Sein Körper versteifte sich, als er plötzlich den Druck auf sich spürte, der ihn hinunter zu Boden drücken wollte. Mit all seiner Kraft, die noch in ihm war, versuchte er Gegendruck auszuüben. Jede Faser versuchte, sich noch ein letztes Mal aufzubäumen. Allerdings war der Parther durch den langen Rückmarsch, seine Verletzung, die zwar fast schon verheilt war und dem Mangel an Nahrung geschwächt, was dazu führte, dass der Sklave, der ihn an seinen Schultern gepackt hatte, ihn schließlich doch auf die Knie zwang. Ein letzter Versuch, um das Unheil doch noch abzuwehren, versuchter er sich verzweifelt aus seinem Griff zu winden, was der custos aber zu verhindern wusste.
"Nein, nein!", schrie er. Doch der Römer ließ sich nicht erweichen.
"Verflucht sollst du sein! Du und die deinen!", zischte er und einige parthische Flüche folgten noch, bevor man seine Tunika entzwei riss und das glühende Eisen sich in seine Haut einbrannte. Ein bestialischer Schrei folgte, der keinerlei menschliche Züge mehr besaß. Der anhaltende Schmerz breitete sich schnell im ganzen Körper des Parthers aus. Sein Schreien ebbte langsam in ein jämmerliches winseln ab. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft und war dem Parther ein letzter Beweis für die Besiegelung seines Schicksals.
Als der Druck des custos nachließ, sackte der Sklave in sich zusammen und blieb vor den Füßen seines Herrn liegen.
Irgendwann, Cassim hatte sein Zeitgefühl verloren, hatten ihn seine Wächter wieder zurückgetrieben und ihn wieder in das stinkende Loch geworfen, in dem er und Hannibal die letzte Nacht gemeinsam verbracht hatten. Nun war er allein und kauerte sich mit seiner Trauer in eine Ecke. Nachdem sich die Tür hinter ihm schloss, kehrte die Dunkelheit des Kerkers wieder zurück. Hass und Verzweiflung beherrschten ihn. Sobald er die Augen schloss, sah er den toten Gefährten in seinem Todeskampf vor sich, dann den Römer am Vorabend der Kreuzigung, wie er ihm prophezeite, welche Strafe ihn ereilen sollte. Dann glaubte er plötzlich Stimmen zu hören. Ganz leise Stimmen, die ihm etwas zu wisperten. Der Parther konnte nicht erfassen, was die Stimmen sagten, doch meinte er, die Stimmen machten sich über ihn lustig. Nach uind nach verschmischte sich alles und die Stimmen bekamen Gesichter. Da war der Römer, der ihn verhöhnte und auch den tote Freund, der bleich vom Kreuz zu ihm herab sprach und ihn für seinen Tod verantwortlich machte. Selbst wenn er sich die Ohren zuhielt, waren diese Stimmen immer noch da, bis er endlich begriff, dass sie in seinem Kopf waren. "Seid still! Seid endlich still! Lasst mich! Geht weg! Ihr seid nicht real!", schrie er, bis sein Schreien in einem jammervoll flehenden Weinen endete. Langsam schien sich der Wahnsinn des Parthers bemächtigen zu wollen. Die Palette an Grausamkeiten, die sein Geist ifür hm selbst bereit hielt, riss nicht ab.
Als sich am Morgen dann wieder die Tür öffnete und ein Spalt Licht in die Zelle fiel, zogen sich die bösen Geister schlagartig zurück. Doch als die Stimme des Römers auf ihn niederfuhr, glaubte er noch, dies sei noch Bestandteil seines Nachtmahrs. Doch als man ihn recht harsch ergriff und ihn hinauszerren wollte, wurde er eines Besseren belehrt. Er sträubte sich, gegen custodes ijedoch, die ihn aus dem Loch zogen, hatte er keine Chance.
Das schwache Licht, außerhalb seiner Zelle blendete ihn so, dass er nicht wahrnehmen konnte, wohin man ihn zerrte. Schließlich fand er sich an einem Ort wieder an dem er zuvor noch nie gewesen war .Hektisch sah er sich um und verkrampfte zunehmend bei dem Anblick. der Werkzeuge und Instrumente, die in diesem Raum des Schreckens zur Schau gestellt wurden. Das was Cassim in der Nacht in seinen Träumen durchgemacht hatte, sollte er nun noch einmal in der Realität erleben, allerdings um ein Vielfaches schmerzlicher.
Das Herz des Parthers begann schneller zu schlagen, es begann zu rasen. Sein Mund wurde trocken. Er konnte nur mit Mühe schlucken.
Dann fiel sein Blick schlagartig auf die Schale, in dem augenblicklich ein Feuer entzündet wurde, so wie es der Römer befohlen hatte. Blankes Entsetzen sprach aus Cassims Blicken. Er war nicht dumm. Er wusste, was nun folgte.
Cassim nickte kurz und übernahm dann den Balken. Im Gegensatz zu Hannibal verfügte er noch über einiges mehr an Kräften. Als das schwere Holz auf seinen Schultern lastete, wurde ihm wieder schmerzlich bewusst, dass er hier eigentlich zur Hinrichtung hätte geführt werden müssen. Nicht nur der Balken war es, auch sein Gewissen drückte ihn nach unten. Hätte er beschreiben sollen, was in ihm vorging, er hätte keine Worte dafür gefunden.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, vorbei an den Schaulustigen, die ihren Weg säumten. Der Parther schaute kein einziges Mal zur Seite Es war seine Reue und auch der Schmerz, der mit jedem Schritt wuchs und seinen Blick zu Boden zwang. Nur ein einziges Mal sah er auf, als er seinen Namen hörte. Dabei erblickte er das fahle Gesicht seines Gefährten, der ihm dankte. Hannibal so sehen zu müssen versetzte ihm einen heftigen Schlag, so dass seine Füße beinahe ihren Halt verloren hätten. Er strauchelte, senkte wieder verbittert seine Augen, schluckte seinen Schmerz. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Am Ort der Hinrichtung hatten Sklaven ein Loch ausgehoben, in welches das Kreuz versenkt werden sollte. Es erstaunte Cassim keineswegs, als er die Stimme des Sklavenjägers vernahm, der auf sein Opfer gewartet hatte. An diesem Ort wurde er nun endgültig zum Handlanger des Todes.
Cassim setzte den Balken von seinen Schultern ab. Doch eine wirkliche Entlastung konnte er dadurch nicht feststellen. Einer der Sklaven, der ihn begleitet hatte und darauf achten sollte, dass er nicht wieder entkam, schob ihn grob zur Seite und meinte nur sarkastisch, er solle nun gut aufpassen!
Gezwungenermaßen beobachtete er jeden Handgriff der Richtknechte, wie sie Hannibal an das Kreuz banden und ihn letztendlich hoch zogen. Spätestens jetzt erstarb das allerletzte Fünkchen Hoffnung in ihn. Tränen rannen an seinen Wangen herab. Er begann zu weinen, zum ersten Mal, seit er ein kleiner Junge gewesen war, damals in Parthien. Zu tiefst bestürzt sah er zu dem Gekreuzigten auf, an dessen Stelle er eigentlich hätte hängen müssen. Von weitem vernahm er die verhasste Stimme des Römers, der seine Anweisungen gab und dann wie ein Feigling verschwand.
Ich werde dich rächen! Er soll dafür bezahlen..., hallte es plötzlich wieder und wieder in seinem Kopf. Eines Tages, wenn er nicht mehr damit rechnet...
Hinab getaucht in die Teilnahmslosigkeit, versunken in einen einzigen Gedanken, wie er die Folter die nun folgen würde, wie ein Mann überstehen sollte, damit er nicht am Ende, einem Feigling gleich, um Gnade winselte, stand nun Cassim da. Den Blick zum Boden geneigt. Er schenkte den Worten des Römers, die er an Hannibal richtete, nicht mehr viel Beachtung, wurde jedoch durch die Antwort des Sklaven aus seiner Lethargie herausgerissen. Das Kreuz.., hatte Hannibal geantwortet. Und der Römer bestätigte diese Antwort. Aber nicht nur das. Es war sein Wille, dass er selbst Zeuge dieser verabscheuungswürdigen Tat werden sollte, damit, wie der Römer sich ausdrückte, er wusste,was ihm beim nächsten Fluchtversuch blühte. Dass im Anschluss dann auch noch seine eigene Bestrafung folgen sollte, tangierte ihn in diesem Augenblick kaum. Fassungslos blickte er in das vom Tode gezeichnete Gesicht Hannibals und lenkte seine Augen dann auf den Flavier, aus dem ihm der blanke Hass entgegenschlug. Er fragte sich, weshalb er den Sklaven nicht einfach in Ruhe sterben ließ, denn dass er in den nächsten Tagen tot sein würde, lag offen auf der Hand. Er konnte sich nicht mehr länger zurückhalten und schweigen. Die Worte platzten geradezu aus ihm heraus. Sie waren laut und klangen anklagend und herausvordernd.
"Aber wieso? Siehst du denn nicht, dass er bereits stirbt? Er ist doch bereits so gut, wie tot! Warum also dann noch das Kreuz?"
Kaum aber dass er die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, weshalb der Römer so entschieden hatte. Nicht nur Hannibal wollte er dadurch strafen. Auch für den Parther selbst würde dies eine schlimmere Tortur werden, als alle Peitschenhiebe zusammen, die er in den nächsten Tagen ernten würde, denn er war dazu verdammt, weiterzuleben in der Gewissheit, dass es seine Schuld war, die den Gefährten letztendlich tötete.
Diese erste Nacht im Kerker schien endlos zu sein. Cassim hatte kaum Schlaf gefunden. Immer wieder horchte er auf, sobald er ein Geräusch hörte. Auch Hannibals Röcheln trug dazu bei, dass es so war und er mehr als einmal besorgt aufschaute. Dabei störte er sich nicht an dem Geräusch als solchem, vielmehr waren es die Szenen des vorangegangen Abend, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen. Er verstand die Welt nicht mehr! Hannibal würde eh bald sterben. Weshalb dann noch die Kreuzigung? Warum ließ der Römer ihn nicht kreuzigen? Er hatte sich doch in allen Punkten für schuldig erklärt. Er war doch die Wurzel allen Übels. Somit war auch er letztendlich am Tod des Gefährten schuldig. Wahrscheinlich hatte der Römer dies geahnt und wollte ihn deshalb weiterleben lassen, weil der Parther dann für den Rest seines Lebens mit dieser Schuld weiterleben musste.
Cassim brachte es nicht übers Herz, Hannibal anzusprechen. Wären ihm nicht die Hände gebunden gewesen, hätte er ihm die Gnade eines schnellen Todes gewährt. Doch selbst das konnte er nicht für den Freund tun, der langsam dahinsiechte und spätestens am nächsten Tag sein Leben am Kreuz aushauchen sollte.
Am frühen Morgen war Cassim schließlich doch noch eingenickt, weil ihn die Müdigkeit einfach übermannt hatte. Sein Schlaf währte aber nicht lange. Als die Tür zu ihrem Gefängnis aufgerissen wurde und man Hannibal an seinen Füßen herauszog, erwachte auch Cassim und blinzelte in den hellen Lichtschein, der zur Tür herein fiel. Kurze Zeit später holte man auch ihn aus dem Loch und brachte ihn nach oben. Dort herrschte schon geschäftiges Treiben. Alle waren schon auf den Beinen und liefen aufgeregt umher. Als er in den Hof hinaustrat, spürte er, wie alle Blicke plötzlich auf ihn richteten und man zu tuscheln begann. Die Sklaven, die ihn bewachen sollten, machten ihre Späße über ihn und auch über den zum Tode verurteilten Hannibal, dem man einen schweren Holzbalken aufbürden wollte, den er aber unmöglich tragen konnte, weil er dafür längst zu schwach war. Cassim war kurz stehen geblieben, als er den Gefährten so sah. Dieses Bild würde sich für immer in seinem Gedächtnis einbrennen. Den halbtoten Hannibal, den man in Kürze wie ein Stück Vieh durch die Straßen trieb und dadurch bei den Passanten auch noch so etwas wie Belustigung, zu mindestens aber Sensationsgier hervorrief. Genau das war der Grund, weshalb er weiterleben musste! Nun erkannte er die wahre Perversion in dem Urteilsspruch des Römers! Cassim war damit endgültig an seine Grenzen gestoßen. Er musste anerkennen, dass er in diesem Kampf der Unterlegene war. Als er das tat, fühlte er sich dadurch nicht etwa besser doch glaubte er, ihm sei eine große Last genommen worden.
Von hinten drängten ihn die Sklaven, weiterzugehen und sich in den Zug einzureihen. Er wandte sich an einen seiner Aufpasser, der ihm dicht auf folgte. "Lasst mich doch das Kreuz für Hannibal tragen!" Wenigstens das konnte er noch für ihn tun.
Cassim hatte es bereits geahnt. Aristides würde ihm nicht die Gnade gewähren, ihn einfach umzubringen. Nicht einmal qualvoll am Kreuz wollte er ihn sterben lassen. Dafür saß sein Hass zu tief. Wäre der Parther an seiner Stelle gewesen, hätte er sich wohl ähnlich von seinen Gefühlen leiten lassen.
Die Androhungen der Folter, die der Römer für ihn vorgesehen hatte, prallten an Cassim einfach ab. Er wagte nicht mehr daran zu denken, was in einigen Jahren sein würde. Früher oder später würde es ihm gelingen, dieses Leben abzustreifen, wie ein schmutziges Kleidungsstück. Es gab keinen ersichtlichen Grund mehr, diesen Körper noch länger am Leben zu erhalten. Und auch die Qualen, die ihn schon in den nächsten Tagen ereilen sollten, hatten für ihn ihren Schrecken verloren. Sollte er ihn halb tot peitschen und brandmarken lassen! Was war das gegen die Tatsache, endgültig seinen Traum verloren zu haben? Der Traum von der Wiedervereinigung mit den seinen und der Traum von Freiheit. Die düsteren Zukunftsaussichten, die ihm Aristides entgegen schleuderte, sie konnten ihm im Augenblick nichts anhaben, da er selbst maßlos von sich enttäuscht war, auch wenn das Scheitern der Flucht nicht sein Verschulden gewesen war.
Dies war nun das Resultat seines Unvermögens und seines Hochmutes. Niemals wieder würde er sich einem anderen Menschen anvertrauen, sei es Sklave oder Nichtsklave. Die Zukunft würde für ihn eine Mahnung sein, die er, wie eine Suppe, täglich auslöffeln würde. Das Einzige, was ihn unendlich traurig stimmte, war der Verlust des Falken. Er war die letzte Verbindung zu seinem alten Leben, welches nun endgültig unwiederbringlich war. Tröstlich war nur sein Wissen, dass der Falke es geschafft hatte. Er erfreute sich wieder seiner Freiheit. Ungehindert konnte er sich wieder in die Lüfte schwingen und sein Leben auskosten.
Als der Römer endlich fertig war, hatte Cassim das Bedürfnis, noch etwas zu sagen. Es sollte keine Rechtfertigung sein, für das, was er getan hatte. Allerdings sollte auch niemand anders darunter leiden müssen, wofür er verantwortlich war.
"Ich habe damals jedes deiner Worte verstanden und trotzdem waren mein Hunger nach Freiheit und die Sehnsucht nach meiner Familie größer als alle deine Strafandrohungen. Ich weiß, du kannst das nicht verstehen und du wirst es auch nie verstehen können. Aber sei dir gewiss, wärest du an meiner Stelle, hättest du genauso gehandelt. Und auch das, was du mir nun antun wirst, hat keinerlei Bedeutung mehr für mich, denn ich bin schon tot, tief in meinem Herzen. Dort regt sich nichts mehr. Doch eins sollst du wissen. Ich alleine habe Hannibal und auch den Thraker dazu überredet, mir zu helfen und mit mir zu kommen. Außerdem war es nie meine Absicht, deinem Weib etwas anzutun oder sie sogar zu entführen. Unglücklicherweise hat sie uns überrascht, in der Nacht, als wir gehen wollten. Es war meine Entscheidung, sie mitzunehmen. Das tut mir auch aufrichtig leid! Aber ich alleine trage hierfür die Verantwortung!"
Dann verstummte Cassim wieder. Er hatte alles gesagt, was gesagt werden musste und wenn sein Gott ihm die nötige Kraft dazu gab, wollte er auch dann stumm bleiben, wenn er nun bald die Peitsche zu spüren bekam. Aristides hingegen hatte sich mittlerweile an den schwerverletzten Hannibal gewandt, dessen Tage ohnehin gezählt waren.
Kurz nachdem Cassim wieder die verhasste Villa betreten hatte, fand er sich in einem finsteren, modrig riechenden Verlies wieder. Den verletzten Hannibal und ihn hatte man zusammen in dieses eine Loch gesteckt. Wo der Thraker abgeblieben war, konnte er nur vermuten. Ob aus Unachtsamkeit oder gewollt, hatte man ihnen die Fesseln, nicht abgenommen. Nachdem hinter ihnen die quietschende Tür zugeschlagen wurde, ließ er sich erschöpft zu Boden sinken. Dunkelheit umgab ihn. Kaum ein Lichtstrahl fand seinen Weg hier hinunter. Dem Parther war dies einerlei. Endlich Ruhe! Die Strapazen des Rücktransports hatten Cassim sehr mitgenommen. Er hatte kaum etwas gegessen und kaum geschlafen. Einfach deswegen, damit er nicht ständig die Gesichter derer sehen musste, die zuhause auf ihn warteten. Die Fesseln an seinen Händen hatten sich tief ins Fleisch geschnitten. Mittlerweile nahm er den Schmerz kaum noch wahr. Er sah nur schemenhaft die Umrisse seines Gefährten, der in einem sehr schlechten Zustand war. Allein sein röchelnder Atem verriet seine Anwesenheit. Es gab nichts mehr, was noch zu besprechen war. Es war alles gesagt worden. Noch immer konnte er es nicht fassen, dass es Hannibals eigene Tochter war, die sie auf so üble Weise ans Messer geliefert hatte. Die Hoffnungslosigkeit hielt ihn nun fest umschlossen. Der Parther wusste, er würde nie mehr seine Heimat sehen, die schönen Augen seiner Frau. Nie wieder würde er das fröhliche Lachen seiner Kinder hören. Vorbei! Er tat das, was er schon seit Tagen tat, seit man ihm die Fesseln der Sklaverei wieder angelegt hatte: Er starrte ins Leere und schwieg.
Cassim rechnete fest damit, den kommenden Tag nicht mehr zu erleben. Er quälte sich nicht mit der Frage, wie der Tod ihn ereilen würde. Dem Römer würde diesbezüglich schon etwas einfallen. Gleichwelche Gräueltaten dem römischen Hirn entspringen würden, er wollte sich ihnen stellen und aufrecht sterben, nicht um Gnade bettelnd.
Es überraschte ihn nicht es besonders, als nach Stunden die Tür ihres Verlieses wieder aufgerissen wurde und man sie recht unsanft nach draußen beförderte. Keuchend stolperte er nach draußen in den Hof. Die Sonne war schon fast untergegangen. Die stimmungsvolle Abendröte wollte so gar nicht zu der Szenerie passen. Die glanzlosen Augen des Parthers folgten einigen vorbeiziehenden Vöglen. Kurzzeitig dachte er an den Falken, der als einziger die Freiheit erlangt hatte. Schließlich verschwanden sie hinter den Baumkronen. Dort verankerte sich sein Blick und er verfiel wieder in Apathie. Selbst als der Römer eintraf und ihn ins Visier nahm, änderte sich dies nicht. Die Worte, die er an ihn richtete waren es schließlich, die ihn aus der Passivität zurückdrängten. Sehr wohl erinnerte sich Cassim noch an ihr erstes Gespräch. Damals war der Parther noch fest davon überzeugt, bald wieder die Freiheit zurückzuerlangen. Trotz seiner Verletzung, die er mitgebracht hatte, strotzte er nur so von Selbstbewusstsein und Willensstärke. Alles hatte so leicht ausgesehen. Davon war nichts mehr übrig geblieben. Der Römer hatte ihm damals prophezeit, man würde ihn wieder einfangen und zurückbringen. Er hatte ihm auch klipp und klar deutlich gemacht, was ihn dann erwartete.
Er sah zu Aristides, in dessen hartes Gesicht, das keinerlei Gnade ihnen gegenüber wallten lassen würde. Cassim blieb überraschend ruhig. Nichts regte sich in seinen Zügen, weder Reue noch Hochmut. Nur der leere Blick blieb. Er hatte mit allem abgeschlossen. Dann zuckten jedoch seine ausgetrockneten Lippen, als ob sie einige Worte formen wollten. Doch seine ausgetrocknete Kehle wollte keinen Laut entweichen lassen. Mehrmals versuchte er es bis schließlich mit großer Anstrengung einige krächzende Fragmente herausbekam. "Töte mich! Bitte." Eine seltsame Vorahnung beschlich ihn, der Römer wolle seiner Bitte nicht nachkommen.
Das Spiel war aus! Die letzte Hoffnung war zu Grabe getragen worden. Nur noch die Resignation umgab jene Hülle, die einmal der stolze parthische Kataphrakt war. Der Glanz in Cassims Augen war entschwunden. Sein stumpfer Blick ging ins Leere. Seit dem verhängnisvollem Abend, als die Sklavenjäger ihm und seinen Gefährten auf die Spur gekommen waren und sie gestellt hatten, hatte er kein Wort mehr von sich gegeben.
Sein Kopf hatte fürchterlich geschmerzt, nachdem er wieder zu sich gekommen war. Er fand sich und die anderen, die mit ihm auf der Flucht gewesen waren, gefesselt wieder. Aber was ihm letztlich den Rest gab, war die bittere Feststellung, verraten worden zu sein! Ausgerechnet Hannibals Tochter hatte sich als verräterische Viper entlarvt. Sie war sogar so weit gegangen und hätte beinahe ihren eigenen Vater getötet.
Vor lauter Scham brachte er es nicht über sich, Hannibal und Chimerion in die Augen zu schauen. Er war es, der sie zur Flucht überredet hatte. Er hatte sie mit seinen Visionen einer freien Zukunft in Parthien ins Verderben gestürzt und trug nun die Schuld an ihrem Schicksal. Er war über seinen eigenen Hochmut gestolpert.
Was nun folgte, war der Rücktransport der Sklaven nach Rom. Die Verletzten hatte man notdürftig versorgt, bevor es los ging. In Ketten, wie Vieh, hatte man sie voran getrieben, der verhassten Stadt entgegen. Die Tage und Nächte, in denen sie unterwegs waren, gingen an Cassim teilnahmslos vorüber. Er hatte jegliches Gespür für Zeit verloren. Sein Schicksal war besiegelt. Er war endgültig zum Sklaven geworden und hatte alles verloren, was ihm bis dahin lieb und teuer gewesen war. Freiheit würde es für ihn nicht mehr geben. Nie wieder!
Unaufhaltsam war der Tag angebrochen, an dem sie Rom und somit auch die Villa der Flavier erreichten. Ohne aufzublicken wurde er mit den anderen Gefangenen das Atrium der Villa geschoben. Cassim sah nicht auf, als der Flavier eintrat. Er hörte nur seine Stimme. Das war ausreichend genug, um sich noch schlechter zu fühlen. Bald darauf kam auch die flavische Hexe hinzu. Cassim war es zu wider, dem sich nun anbahnenden Gespräch zu folgen. Er hoffte nur, es möge alles bald vorbei sein, diese Schmach, sein Leben.
Die Jägerin lag noch unter ihm und versuchte mit allen Mitteln, sich zu befreien. Den pulsierenden Schmerz an Cassims Seite, den die Wunde verursachte, die sie ihm mit ihrem Speer zugefügt hatte, versuchte er zu unterdrücken. In seinen Augen war es schon Schande genug, sich mit diesem Weib im Staub zu balgen. Noch schien ihm der Erfolg sicher zu sein. Diesmal ließ er sich nicht von ihren Reizen ablenken. Doch dann traf ihn ein donnernder Schlag gegen seine Stirn. Halb benommen ließ er von der Wildkatze ab. Wieder einmal hatte sie es geschafft, sich aus seiner Gewalt zu befreien. Aber so einfach wollte er sich nicht geschlagen geben. Noch umfasste seine Hand fest seinen Dolch, mit dem er sie erneut zu attackieren versuchte. Natürlich bot ihr das Kurzschwert, welches sie ihm entgegenstreckte, einige Vorteile. Doch nur solange, wie sie ihn von sich weg auf Abstand halten konnte.
Cassim hatte es geschafft, sich wieder aufzurichten. Sogleich stellte er sich ihr wieder entschlossen entgegen und war darauf bedacht, ihrer Waffe auszuweichen.
Die Ereignisse, die sich inzwischen um ihn herum zugetragen hatten, hatte er kaum Beachtung schenken können. Die Sklavenjägerin hatte ihm dazu kaum Zeit gelassen. Ein Zurufen ihres Begleiters jedoch ließ ihn kurz unachtsam werden und auf sehen. Dadurch bekam er eine Ahnung davon, wie der Kampf sich entwickelt hatte. Seine Gefährten waren nacheinander zu Boden gegangen. Ob sie noch am Leben waren oder nicht konnte er nicht abschätzen. Selbst wenn sie tot sein sollten, wollte er bis zum Äußersten gehen und sich nicht ergeben, auch wenn nun seine Chancen, jemals wieder die Freiheit zu erlangen, auf ein Minimum schrumpften.
Der Parther hatte keine Gelegenheit mehr, sich wieder auf den Kampf zu konzentrieren. Ein dumpfer Schlag ging auf ihn nieder, der ihn straucheln ließ. Seine Füße gaben nach. Er brach in sich zusammen. Um ihn herum wurde es dunkle Nacht.
Diesmal wollte er sich nicht von diesem Weib in die Irre führen lassen und ihrem Anblick erliegen. Es ging jetzt um alles! Wenn sie die Sklavenjäger besiegen konnten, dann stand ihrem Leben in Freiheit nichts mehr im Wege. Dabei stand gerade für Cassim am meisten auf dem Spiel, denn zu der wiedererlangten Freiheit kam auch noch die Rückkehr in sein altes Leben dazu. Dabei war es für ihn unerheblich, welche Konsequenzen seine lange Abwesenheit bisher auf seinem Gut und innerhalb seiner Familie, hatte. Er war schon immer eine Kämpfernatur gewesen und das würde sich auch bis zum Ende seiner Tage nicht ändern.
Allerdings war diese Situation, der er nun gegenüberstand, mehr als kritisch. Hatte er selbst doch noch nach der Begegnung mit der Sklavenjägerin gehofft, ihr und ihren Mitstreitern entgehen zu können. Sie waren viel besser bewaffnet, als er und seine Gefährten und hatten wohl eine bessere Ausbildung an der Waffe und im Kampf genossen, als seine Freunde.
Die Frau reagierte schnell auf Cassims Angriff. Während er sich auf sie stürzen wollte, schleuderte sie einen Speer in seine Richtung ab. Auch wenn nun die Lichtverhältnisse besser geworden waren, tat er sich immer noch schwer damit, zu erkennen, was die Jägerin vor hatte. Er hörte noch das leichte Surren des fliegenden Speers und spürte dann einen brennenden Schmerz neben in seiner Seite, der ihm den Atem rauben wollte. Im letzten Augenblick hatte er noch versucht, dem Speer auszuweichen. Ganz hatte er es nicht geschafft. Glücklicherweise hatte die Speerspitze ihn nur gestreift und ihm unterhalb des Brustkorbes die Seite aufgerissen. Cassim strauchelte und fiel zu Boden. Er wusste, wenn er jetzt aufgab, dann war alles verloren. Seine Wunde war erst einmalunwichtig.
Trotz der wahnsinnigen Schmerzen, richtete er sich wieder auf und warf sich mit letzter Kraft auf die Kämpferin und riss sie mit seinem Gewicht zu Boden.
Die Wolken, die den Mond verdeckt hatten, schoben sich beiseite und somit erlangte auch Cassim eine genauere Einschätzung der Lage. Er konnte nun vier Angreifer ausmachen. Zwei von ihnen kannte er sogar. Es handelte sich um zwei flavische Sklaven.
Vier gegen vier. Das hörte sich doch gut an. Eines jedoch durfte er nicht außer Acht lassen. Wer von seinen Gefährten konnte es gegen ausgebildete Kämpfer aufnehmen? Dieser Schwätzer hatte durchaus recht, mit dem, was er sagte, denn eigentlich blieben da nur Chimerion und er übrig. Hannibal verfügte zwar über einige Kenntnisse und Fertigkeiten, aber wie stand es mit ihm im Kampfe? Bei Menelaos war der Parther sich ganz sicher, dass er über keinerlei Erfahrungen verfügte. Ihre Chancen, erfolgreich aus dieser Begegnung zu gehen, waren sehr gering. Selbst die Frau war nicht zu unterschätzen. Das hatte er ja bereits am eigenen Leibe gespürt.
Hannibals Rede jedoch wischte jeden Zweifel hinfort oder vertrieb jeglichen Gedanken daran, sich ergeben zu wollen. In Rom wartete nur der Tod auf sie, ganz gleich, ob sie sich nun ergaben oder kämpften. Die Rückkehr nach Rom war gleichbedeutend mit dem Gang zur Schlachtbank. Dass die Römer kurzen Prozess mit ihren Sklaven machten und welch grausame Art zu sterben ihnen drohte, war dem Parther auch wohl bekannt.
Cassim flüsterte den Gefährten leise etwas zu, wie sie weiter vorgehen sollten. "Chimerion und ich, wir kümmern uns um dieses Plappermaul und das Weib. Die Frau solltet ihr unter keinen Umständen unterschätzen! Menelaos und Hannibal ihr nehmt euch die custodes vor und haltet sie in Schach. Wenn wir ihre Anführer erledigt haben, dann kümmern wir uns um die anderen beiden. Vielleicht schließen sich die Sklaven uns auch an, wenn ihre beiden Anführer tot sind. Auf mein Zeichen geht es los!"
Er nickte ihnen alle noch einmal aufmunternd zu, obwohl seine Zuversicht, heil aus der Geschichte zu kommen, stetig sank.
"Behalte deine Weisheiten für dich, Sklavenjäger! Auch wenn wir hier und jetzt sterben sollten, was ich nicht glaube, ist dies allemal besser, als das, was uns bevorsteht, würden wir uns wie Feiglinge ergeben.", rief er seinem Gegner zu.
Schnell erhob er seine Hand, sah sich noch einmal nach seinen Freunden um und schrie dann: "Tod oder Freiheit, Freunde! Auf sie!" Daraufhin zog er seinen Dolch und stürzte sich auf die Frau, mit der er sowieso noch eine Rechnung offen hatte.
Cassim kam allmählich zu der Überzeugung, dass es der göttliche Wille war, der ihn vor dem Zugriff der Sklavenjägerin gerettet hatte. Anders konnte er es sich nicht erklären. Sie hätte genügend Zeit gehabt, ihn zu fesseln und Verstärkung zu holen.
Nun war er glücklich, seine Gefährten wieder zu sehen, auch wenn der Thraker noch fehlte. Doch der würde auch noch kommen. Er war nun wieder guter Dinge und hoffte fest auf das Gelingen ihrer Flucht. In ihm kam ein wonniges Gefühl der Vorfreude auf. Heute Nacht noch würden sie endlich von dieser vermaledeiten Küste fort kommen und in einigen Wochen, wenn dieser Alptraum endlich ein Ende hatte, konnte er dann seine Lieben wieder in die Arme schließen.
Als er schließlich die vertraute Stimme des thrakischen Freundes vernahm, war er sich gewiss, ihr Plan würde auf gehen. Nichts konnte ihre Flucht nun noch ins Wanken bringen. Nichts außer…
…einer Stimme, die in der Dunkelheit erschallte und deren Aufforderung eindeutig ihnen gegolten hatte. Verdammt! Der Parther versuchte in die Dunkelheit zu spähen und ihre Gegner auszumachen. Er erkannte nicht genau, wie viele Angreifer sich ihnen entgegen gestellt hatten. Mit Sicherheit war aber auch die Jägerin darunter, die sich jetzt ihre Beute doch noch holen wollte. Eine Vermutung beschlich Cassim, dies könne alles nur eine Falle gewesen sein, damit er die Jäger auf die Fährte seiner Freunde brachte.
Hastig griff er nach seinem Dolch, der sich unter seiner Tunika befand. Alles in ihm sträubte sich dagegen, sich freiwillig in die Hände der Sklavenjäger zu begeben. Er wusste, was es für ihn bedeutete, wenn man ihn wieder zurück brachte. Der Flavier würde ihm keine Gnade gewähren, ihm der seine Frau entführt hatte und der sein erklärter Feind war.
Menelaos, der fremde Sklave, versuchte die Situation auf seine Weise zu retten. Die Sklavenjäger gingen aber nicht darauf ein. Sie wollten ihre Beute und würden auch nicht eher locker lassen.
"Kämpft Freunde! Ihr wisst, was uns droht! Kämpft für unserer Freiheit!", schrie er seinen Gefährten zu und stellte sich kampfesmutig seinen Gegnern entgegen.
Chimerion und Cassim gingen wieder getrennte Wege. Der Thraker hielt Ausschau nach den übrigen Gefährten und Cassim nach neuen Kleidern.
Ausgerechnet jetzt! Er mochte nicht gern Kleider kaufen und im Hinblick auf ihre Flucht schon gar nicht. Jedoch der Fetzen, den er am Leibe trug, schien nicht sehr vertrauenserweckend zu sein. Letztlich sollte es an seinem Äußeren auch nicht scheitern.
Da es bereits zu dämmern begann und viele Händler sich bereits anschickten, ihre Läden zu schließen, kam noch ein weiterer Faktor hinzu, den Cassim nicht ausstehen konnte: Zeitmangel. Unter Hektik zu agieren, hatte oftmals zur Folge, dass er unaufmerksam wurde, gerade dann, wenn er sein Augenmerk auf noch eine weitere Dinge lenken musste. In diesem Fall waren das die neuen Kleider.
Der Parther nahm sich vor, das Erstbeste zu nehmen und weder auf den Preis noch auf die Qualität zu achten. Sein Geldeutel bot dafür auch noch genügend Spielraum. Er verschwendete auch keinen einzigen Gedanken daran, er könne vielleicht durch seine wilde Erscheinung eine gewisse Panik bei dem Händler auslösen, den er zu beehren gedachte.
Er betrat einen Laden der noch offen hatte und der augenscheinlich mit Herrnbekleidung handelte. Cassims grimmiges Gesicht musterte das Sortiment an unzähligen Tuniken und Stoffen, in allen möglichen Farben und Mustern. Dabei fiel sein Blick auch auf den Inhaber des Ladens, der kurz zuvor noch bei guter Laune gewesen war, da er geglaubt hatte, einen erfolgreichen Geschäftstag hinter sich bringen zu können, wenn er nun schloss. Dies änderte sich aber schlagartig mit dem Erscheinen seines letzten Kunden. Auf Cassims Erscheinungsbild schloss er daraus, dass diese Begegnung mit diversen Unannehmlichkeiten einher gehen könnte. Er hatte es gerade noch geschafft, seinen Gehilfen, einem jungen Sklaven mit schwarzen Löckchen, loszuschicken, um Hilfe zu holen.
Glaucus, ein ehemaliger Gladiator, der vor etlichen Jahren nach einem grandiosen Sieg in der Arena seine Freiheit erhielt, verdingte sich nun bei den Händlern als Aufpasser und Rausschmeißer. Alleine seine körperliche Erscheinung imponierte so manchem Unruhestifter, auf das er dann doch lieber friedlich von dannen zog, um nicht dem Kollos in die Hände zu fallen.
Noch ahnte Cassim von alldem nichts. Schließlich gedachte er ja auch, die Ware käuflich zu erwerben, die er haben wollte. Der Händler setzte ängstliches Grinsen auf und trat näher. "Äh, wir schließen gleich." Cassim zeigte sich jedoch völlig unbeeindruckt von dieser Aussage. "Ich brauche eine neue Tunika und einen Gürtel!" Er sah sich weiter um und griff dann nach einer hellbraunen, die ihm in Größe und Aussehen passend erschien. "Die da! Was kostet die?"In dem Moment erschien Glaucus auf der Bildfläche und baute sich mit seiner üppig-muskulösen Gestalt neben dem Händler auf. "Hast du nicht gehört? Wir schließen gleich!" Der Parther blickte von der Tunika auf. Er hatte schon geglaubt, diese Einkaufstour zu einem schnellen glücklichen Ende bringen zu können. Jetzt sah er sich diesem Monstrum ausgesetzt, der ihn mit herausfordernden Blicken anherrschte. Cassim verrollte seine Augen. Womit hatte er das alles verdient! Erst dieses Weib und jetzt dieser Muskelprotz! "Bei Ahuhra Mazda, ich will doch nur diese verdammte Tunika kaufen! Ich bezahle auch dafür!"
Besonders Cassims letzte Bemerkung schien eine Wirkung bei dem Händler ausgelöst zu haben. Er witterte doch noch ein letztes Geschäft für diesen Tag. "Ist schon gut Glaucus! Der Herr sucht nur eine Tunika und wie mir scheint, hat er bereits mit seinem geübten Auge auch schon etwas Hervorragendes entdeckt, was sich an Qualität kaum überbieten lässt! Äh, das macht dann sechzig Sesterzen! Ach ja, und ein passender Gürtel kommt natürlich auch noch dazu. Da hätten wir diesen hier!" Er griff nach einem breiten, schwarzen Ledergürtel, mit einer breiten, aus Bronze gegossenen Schnalle. "So, dann wären wir bei hundert Sesterzen."
Selbst Cassim erschien dieser Preis übertrieben hoch und so stutzte er erst, als er das hörte. "Hundert Sesterzen? Für das da?" Wäre er jetzt auf einem Markt in seiner Heimat gewesen, hätte er versucht, diesen Preis auf ein gesundes Maß hinunter zu feilschen. Dafür hatte er aber jetzt weder die Zeit noch die Nerven. "Na gut! Hier hast du das Geld. Ich möchte die Tunika gleich anziehen."
Die Augen des Händlers weiteten sich und die begannen gierig zu strahlen, als er die Summe erhielt. Dem Klimpern im Geldbeutel des Parthers nach zu urteilen, befanden sich noch mehr Sesterzen darin. Zustimmend nickte er. "Äh, ja, ja!"
Cassim störte sich nicht weiter an der Anwesenheit des Händlers und des Kolosses. Er streifte einfach das, was seine Tunika war, ab und zog die neue über und vervollkommnete seine Erscheinung mit dem Gürtel. Die Tunika passte und Cassim war, trotz des immensen Preises, ganz zufrieden. Er wollte schon an die Rückkehr zum Hafen denken, da erklang noch einmal die piepsige Stimme des Händlers. Er ahnte wohl bereits, dass dieser Herr in Wirklichkeit ein Mann war,der sich in Schwierigkeiten befand. Dies wollte er nun ausnutzen, um an das restliche Geld des Parthers zu kommen.
"Dafür muss ich aber eine extra Gebühr verlangen! Für deine alten Kleider da! Das macht dann noch weitere zwanzig Sesterzen!"
Cassim sah sich noch einmal um und traute kaum seinen Ohren. "Was?" Dem Parther war sofort klar, dass er an einen Halsabschneider geraten war, der nicht zögerte, den Ex-Gladiator auf ihn zu hetzen. Da hieß es entweder zahlen, oder das Weite suche. Cassim entschied sich für das Letztere, denn das Geld, das er noch besaß, brauchte er noch. Deshalb rannte er so schnell er konnte, aus dem Laden, die Straße hinunter zum Hafen und versteckte sich irgendwo.
Glaucus war zwar stark wie zwei Ochsen, allerdings auch nicht viel intelligenter als dieselben und auch nicht besonders schnell. Sein Verstand brauchte erst eine Weile, bis er nachvollziehen konnte, was soeben geschehen war. Die Versuche des Kolosses, dem Parther zu folgen, scheiterten einfach an dem zeitlichen Vorsprung, dender Parther besaß und auch an seiner Schnelligkeit.
Cassim verharrte noch eine Weile in seinem Versteck, bis die Luft rein war. Dann trat er heraus und lief zu dem Pier wo das Schiff lag, welches sie aus diesem furchtbaren Land der Diebe, Betrüger und wilden Furien hinfort tragen sollte, in ihre Freiheit. Zu seiner Freude erblickte er dort Hannibal und seine Tochter. Auch der andere Sklave, der zu ihnen gestoßen war, hatte sich eingefunden. Nur Chimerion fehlte noch.
"Salvete, Freunde! Wie schön, euch zu sehen! Wo ist Chimerion?" Von seiner Begegnung mit der dunklen Schönheit, berichtete er vorerst nichts. So kurz vor der Abreise, wollte er die Gefährten nicht mehr mit der drohenden Gefahr durch die Sklavenjäger behelligen. Sobald auch der Thraker zurück war, konnten sie endlich das Schiff besteigen.
Der Parther hatte seinem Äußeren wenig Beachtung geschenkt. Er war einfach losgeeilt, um die Flucht nicht doch noch scheitern zu lassen. Auch wenn die Sklavenjäger ihnen so dicht auf den Fersen waren, gab es immer noch eine Chance. Dieses Luder hatte ihn übel zugerichtet. Die Schnittwunde an seiner Wange hatte aufgehört zu bluten. Seine Tunika, die schon weitausbessere Tage gesehen hatte, war am Rücken zerrissen und blutverschmiert. Und dann war da noch der fehlende Gürtel!
Er hatte Chimerion mit der Schreckensnachricht tief ins Mark getroffen. Das sah man ihm an, auch wenn er sich zwang, seine Bestürzung vor ihm zu verbergen. Es war nur verständlich, dass der Thraker ihn mit Fragen löcherte. Teils auch unangenehme Fragen, die er lieber nicht beantworten wollte, weil sie zu peinlich für ihn waren. Zugeben zu müssen, dass es eine Frau war, die ihm die Wunden zugefügt hatte und schlimmer noch, dass er sich ausgerechnet mit der Sklavenjägerin eingelassen hatte, war nun wirklich nichts Ruhmreiches in den Augen des Parthers. Bevor er jedoch wenigstens einen Teil der Fragen beantworten wollte, berichtete ihm der Thraker, was er am Hafen herausgefunden hatte. Tatsächlich hatte er ein Schiff gefunden, welches schon in wenigen Stunden auslaufen sollte. Wenigstens eine gute Nachricht, dachte er verächtlich, noch über sich selbst ärgernd. Er war Chimerion dankbar gewesen, dass er ihm die Möglichkeit geboten hatte, ihm nicht von seiner schmachvollen Begegnung mit der schönen Sklavenjägerin berichten zu müssen. Jedoch durchfuhr es ihn bei dem Gedanken, Hannibal und den andern Sklaven zurücklassen zu müssen, falls sie sie nicht fanden.
"Ich würde sie nur ungern zurücklassen, aber wenn es sich nicht vermeiden lässt… Komm, lass uns sie suchen! Neue Kleider? Oh ja, das sollte ich vielleicht." Er sah an sich herab und begann, in sich hinein zu schmunzeln. Aber es gab keine Zeit, um sich lange aufzuhalten. Sie mussten jetzt handeln und die Augen aufhalten, nicht nur um die beiden Sklaven zu finden, auch um Ausschau nach den Sklavenjägern zu halten.
"Ach ja, wenn du eine dunkle Schönheit erblickst, die in einer Lederrüstung steckt, dann sei vorsichtig! Dieses Luder ist eine von den Sklavenjägern! Es ist nicht zu fassen! Die haben uns doch allen Ernstes ein Weib hinterhergeschickt!"
Cassim erachtete es als sehr wichtig, Chimerion vor diesem Weib zu warnen. Nicht dass es ihm ähnlich erging, wie dem Parther.
Nach Minuten der Ohnmacht, erwachte der Parther stöhnend. Sein Kopf schmerzte höllisch. Schnell war ihm klar geworden, er war hier zurückgelassen worden. Was die Jägerin damit bezweckt hatte, konnte er nur mutmaßen. Er rechnete fest damit, dass sie schon bald mit Verstärkung anrücken würde. Es gab also keine Zeit zu verlieren, wollte er nicht das ganze Unternehmen zum Scheitern bringen. Er musste die Unachtsamkeit der Jägerin nutzen und die anderen warnen, solange er dazu noch in der Lage war. Aber wer konnte ihm versichern, dass es tatsächlich eine Unachtsamkeit war? Was, wenn sie ihm eine Falle stellte? Cassim musste auf der Hut sein.
Mühselig versuchte er aufzustehen. Glücklicherweise war er weitgehend unverletzt geblieben. Lediglich einige Beulen und Blessuren trug er von dem Kampf davon und sie hatte ihm seinen Gürtel genommen.
Vorsichtig trat er aus den Schuppen heraus und sah sich um. Nur einige gackernde Hühnern fanden sich dort. Wenige Schritte trennten ihn von der Straße.
Der Abend war nicht mehr fern. Die goldenen Strahlen der Abendsonne blendeten Cassim, als er die Straße betrat. Seine Gefährten machten sich bestimmt schon Sorgen. Die Zeit drängte! Zurück zum Hafen! Zur Sicherheit sah er sich noch einmal um. Die Luft schien rein zu sein. Dann eilte er los, die engen Straßen entlang hinunter zum Hafen. Endlich gelang er zu einem Platz, auf dem nur noch wenige Passanten unterwegs waren. Die Geschäfte desTages waren längst erledigt. Er hielt Ausschau nach einem bekannten Gesicht. Cassim schritt suchend den Platz ab, bis er schließlich vor dem Thraker stand.
"Chimerion! Sie sind da! Die Sklavenjäger! Wir müssen vorsichtig sein!"
Ihrem Schrei nach zu urteilen hatte ihr der Sturz zu Boden auch Schmerzen bereitet. Das Schicksal war dem Parther noch einmal gewogen, denn die Frau hatte ihr Messer verloren. Es lag nun schwer erreichbar zwischen den Bruchstücken des Tisches. Cassim wollte schon dafür sorgen, dass es nicht noch einmal in ihren Besitz kam. Doch zuerst musste er wieder die Gewalt über sich erlangen. Er rappelte sich auf und wollte sich auf sie stürzen. Vielleicht war es ja auch ausreichend, wenn er sie statt zu töten nur bewusstlos zurück ließ und dann, so schnell er konnte, zu seinen Gefährten zurückkehrte, um sie zu warnen.
"Was hat dir der verdammte Römer versprochen, wenn du mich wieder zurück bringst? Du Närrin! Ich hätte dir ein Leben in Freiheit bieten können!" Er sah sie verächtlich an. Ihre Schönheit verblasste zusehends, zurück blieb der Anblick seiner Feindin, die er ausser Gefecht setzen musste. Eine Feindin! Eine Frau Ausgerechnet er war an eine Sklavenjägerin geraten. Dieser verdammte Römer! Ein Weib hatte er ihm hinterhergeschickt! Das war eine Blamage ohne gleichen! Seine Wut über den Flavier und nicht zuletzt über sich selbst, stieg kolossal. Er hasste es, gegen Frauen kämpfen zu müssen. Römer mochten dies vielleicht und konnten sich daran vergnügen, einer Frau Leid zuzufügen. Er aber verabscheute dies zu tiefst. Aber sie ließ ihm keine Chance.
Seine Gegnerin verstand aber ihr Handwerk. Cassim war zu langsam gewesen. Noch bevor er sie endgültig überwältigen konnte, spürte er fast gleichzeitig ihre Faust in seinem Gesicht und ihren Fuß in seinem Unterleib. Der daraus resultierende Schmerz durchzog seinen ganzen Körper. Er schrie laut auf. Der Faustschlag, der ihn am Kinn traf, ließ ihn nach hinten fallen. Sein Kopf schlug unglücklich auf der Wand auf und er verlor das Bewusstsein. Leblos sackte er in sich zusammen.
Die vertrauten Gesichter in Cassims Kopf verblassten und bewegten sich von ihm fort. Bis sie schließlich hinter einen Vorhang aus undurchdringlichem Nebel im Nichts verschwanden. Um den Parther herum herrschte eine kalte dunkle Leere.
Der Realität entrückt, genoss er noch die letzten Atemzüge in der Umarmung mit ihr. Er war sich nun sicher, sie fragen zu wollen, ob sie ihn nicht begleiten wollte, auf seine Reise nach Parthia. Diese Frau war anders, als jede, die er vorher hatte. Sie würde im stets eine Herausforderung sein.
Langsam begann sie sich zu rühren. Sie löste sich von ihm. Er hob seinen Kopf an und warf ihr einen schmunzelnden Blick zu. Ihre Entschuldigung verwunderte ihn gar nicht, wie sie es vielleicht hätte sollen. Spätestens als sie seinen Namen nannte, hätte er Aufmerksam werden müssen, dass hier etwas faul war, dass er soeben in die Falle gegangen war.
"Schhhhh, sag nichts! Möchtest du mit mir kommen? Ich werde.." Sanft drängte sie ihn an die Wand, was für ihn lediglich eine Bestätigung war, wie begehrenswert er für sie sein musste. Er glaubte, sie sei eine von denen, die nie genug bekommen konnten. Da er aber nun auch ein Genussmensch war, setzte er sich nicht zur Wehr, als er noch die Möglichkeit dazu hatte.
"Ich werde mit einigen Gefährten in meine Heimat zurückkehren. Wenn du willst…" Wieder kam sie ihm näher. Er rechnete mit einer weiteren Kaskade von Küssen, die sogleich auf ihn nieder gehen würde. Er spürte bereits die kühle Wand an seinem erhitzten Rücken. Was hätte er jetzt für ein Bad gegeben? Bald hatte er wieder all den Luxus, der sein eigenes Haus bot, mit allem, was dazu gehörte. Das fröhliche Gelächter seiner Kinder, der Anblick seiner Lieben, die sehnsüchtig seine Rückkehr erwarteten. Endlich wieder Mensch sein und keines anderen Eigentum sein. Das alles war ihm in diesem Augenblick so nah. Er musste nur seine Hand danach ausstrecken.
Die erwarteten Küsse blieben aus und auch sonstige Liebesbezeugungen ließen auf sich warten. Er spürte stattdessen die kühle Klinge eines scharfen Messers an seiner Kehle, bereit diese zu durchtrennen. Schlagartig wich das Lächeln aus Cassims Gesicht. Endlich begriff er, was gespielt wurde. Seine Gespielin stellte sich als falsche Schlange heraus!
"Zurück zu den Flaviern? Niemals! Dann musst du mich wohl töten, oder ich dich!" Seine Hände packten sie. Die Rechte umklammerte ihre Hand, in der sie das Messer hielt. Die Linke schob sie von ihm weg. Er versuchte sie, zurück zu dem Tisch zu treiben, der vor wenigen Minuten noch ihrem Liebesspiel gedient hatte. Allerdings gelang es ihm nicht, ihr das Messer entgleiten zu lassen. Er drückte sie hinunter auf die Tischplatte und versuchte stattdessen, ihr das Messer an ihre eigene Kehle zu schieben. Der Tisch hielt vorerst noch der Rangelei stand, gab aber schon besorgniserregende Geräusche von sich. Schließlich brach er mit einem lauten Krachen zusammen. Die beiden Kontrahenten fielen übereinander zu Boden. Die Klinge hatte Cassims Wage getroffen aber auch eines der zerschmetterten Tischbeine hatte seine Tunika am Rücken erwischt. Er spürte, wie das warme Blut hervor trat und wie sein Rücken schmerzte. Das Gesicht des Parthers war schmerzverzerrt, doch noch war nichts entschieden. Wollte er den Rest seines Lebens in Freiheit verbringen, musste er sie jetzt töten. Welch eine Verschwendung!
ZitatOriginal von Penthesilea
Dem Parther gefiel es, wie sie sich von ihm mitreißen ließ. Ihr gefiel es auch, das spürte er und genau das war es, was ihn umso mehr erregte. Er mochte es einfach, wenn die Frauen, mit denen er es zu tun hatte, sich nicht brav dem ergaben, was auf sie zu kam. Diese hier wusste, wie sie ihre Reize gekonnt einzusetzen hatte und wie sie damit den Genuss der Zweisamkeit um ein Vielfaches steigern konnte.
Als sie ihre Schenkel um seinen Körper schmiegte und ihn so gefangen nahm, war dies für Cassim ein Zeichen für ihre Bereitschaft. Doch wollte er den Höhepunkt noch hinauszögern, nicht etwa um mit ihr zu spielen. Das Verlangen nach Erfüllung war es, welches den Reiz des Prologs ins unermessliche steigerte. So kostete er jede Sekunde aus, in der sie sich ihm wieder näherte und ihn verlangend küsste. Dabei krallte sie ihre Hand in sein Haar. Auch das liebte er, was dazu führte, dass er seinem Körper nun nicht länger Einhalt gebieten konnte.
Er machte sich auf, sie zu erobern, vergaß dabei aber nicht, ihre wilden Küsse zu erwidern. Trotz seines gierigen Strebens, ließ er hierbei Vorsicht walten, damit er ihr keinen Schmerz zufügte. Langsam, ganz langsam begann er. das Ziel lag vor ihm. Er wollte sie und sich selbst zum Gipfel der Lust führen. Worte waren dabei nur störend.
Sein Atem ging schneller. In ihm entbrannte ein Feuer, welches bei jeder Bewegung stärker wurde. Dieses Feuer sollte auf sie überspringen. In gewisser Weise war dies für ihn eine Frage der Ehre. Noch hatte er genügend Kraft, sich zurückzuhalten. Der Gipfel jedoch rückte in greifbare Nähe und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sich voll dem Rausch ergeben musste.
Schließlich war es vollbracht. Ein lauter lustvoller Seufzer entwich seinem Mund und er hielt ein in seinem Tun.
Mit seinen Armen umschlang er sie leicht und vergrub sein Gesicht in ihr Haar. Nach langem war er wieder glücklich. Mehr als glücklich! Er war beschwingt und er hätte einiges dafür gegeben, dass dies für immer so bliebe.