Beiträge von Sergia Calvina

    Ich hatte mit vielem gerechnet. Mit einem kleinen Kalb, obwohl es wahrscheinlich viel zu groß für den Anfang war, mit einem jungen Schwein vielleicht. Aber ein Lamm? Und dann jammerte es noch so wild, als wüßte es genau dass sein Tod nahe war. Ich musste schlucken. Erst der Mann mit den wirklich riesigen Armen, den Occia scheinbar bereits länger kannte, dann dieses wehleidige Klagen des Lammes.


    Einmal schaute ich noch das Lamm an, dann Occia und den Mann den sie als Marsus vorgestellt hatte.


    "Ich bin soweit." sagte ich nur.

    Nachdem auch ich mich fertig gemacht hatte, meinen Schleier angezogen hatte und gehbereit war, trafen wir uns an der Porta und gingen los. Nach einiger Zeit, als wir das Forum Pacis erreicht hatten, begann Papiria Occia ein Gespräch.


    "Sie ist in etwa so wie ich sie mir vorgestellt habe. Ehrwürdig wie die höchste Vestalin sein sollte. Ein wenig gebieterisch, aber sie scheint gerecht zu sein."


    Ich wußte nicht was ich noch sagen sollte. Die Vestalis Maxima war eine Respektsperson und so trat sie meiner Meinung auch auf. Vielleicht war sie kein Vorbild für mich wie es meine Mutter ist, aber auch von ihr konnte ich bestimmt noch viel lernen.


    "Und wie findest du sie? Hast du immer schon unter ihr gedient oder gab es noch andere die du kennengelernt hast?"


    Ich spielte auf etwas an, dass ich gehört hatte als ich nach Rom kam.
    Vor einiger Zeit soll die alte Vestalis Maxima auf den Stufen zum Heiligtum umgekommen sein.

    Das komische Stück Bronze fühlte sich kalt an, nur langsam nahm es die Wärme meiner Hand an. Ich hatte so etwas noch nie gesehen oder irgendwo wahrgenommen.
    Die bronzene Leber war nicht sehr schwer, aber wirkte unhandlich wegen der herausstechenden Ecken und der interessanten Form. Ich versuchte mir Details einzuprägen, aber die Zeichen waren mir fremd wie es Milicha angedeutet hatte.


    Ich nickte der Vestalin als Zeichen dass ich verstanden hatte zu.

    Eigentlich wollte ich sagen dass ich die Amata Prior Sergia Calvina bin, aber ich ließ es dabei. Schließlich wusste sie genau wer ich war.


    Die Vestalin vor mir machte mich darauf aufmerksam dass sie die Erfahrenste wäre und ich glaubte ihr sofort. Sie war wahrscheinlich viel älter als die Vestalis Maxima. Jedenfalls wirkte sie so.


    "Die haruspicin sind die Kunst der Weissagung aus Eingeweiden der Opfertiere." antwortete ich nachdem ich Platz genommen hatte.

    Nickend erwiderte ich nur "Ja",dann schluckte ich. Die Art und Weise wie Papiria es vorbrachte war natürlich ein Spaß gewesen, aber ich wußte nicht wie man ein Tier tötet und ich war etwas nervös. Mir machte es nichts aus ein Tier sterben zu sehen, aber eines selbst zu töten war doch etwas anderes. Aber ich machte mir Mut und glaubte fest daran dass ich das schaffen würde.

    Nachdem mir Occia geantwortet hatte, öffnete ich die Tür und trat in ihr Zimmer. Ein Buch lag neben der Vestalin und sie hatte ihren Schleier nicht auf. Das war nicht ungewöhnlich, schließlich war sie in ihrem Raum im Haus der Vestalinen. Ich lächelte und schloß die Tür hinter mir.


    "Hier bin ich, wie versprochen."

    Ein neues Gesicht erwartete mich in Unterrichtsraum. Es war kein ganz neues Gesicht, da ich die Vestalin bereits einige Male gesehen hatte. Aber ich hatte nie mit ihr gesprochen. Sie hatte etwas von einer alten Weisen. Als ich als junges Mädchen auf einen Hof zog und mit meiner Mutter dort lebte, gab es auch eine alte Bäuerin, die den ganzen Tag im oder vor dem Haus saß und die Landschaft beobachtete. Sie sprach wenig, aber sie hatte tiefe, wissende Augen. Die Augen der Vestalin die nun auf mich wartete waren ähnlich. Sie sahen nicht so alt wie sie selbst aus.


    "Vale. Ich bin Amata Calvina" sagte ich und nahm Platz.

    Als ich die Zuschauerreihen nach bekannten Gesichtern absuchte, erkannte ich niemanden. Ich sah aber eine Gruppe Männer, einer von ihnen war ein Priester, die anderen beiden schienen ebenfalls dem Cultur Deorum anzugehören. Vielleicht war einer der Männer derjenige mit dem ich nach dem Rennen zu meinen Schwestern gehen sollte.

    Wie mir Papira Occia aufgetragen hatte, stand ich am nächsten Morgen vor ihrem Raum. Ich hörte leise Geräusche hinter der Tür und räusperte mich leise. Dann klopfte ich an.
    "Ich bin es Calvina. Darf ich eintreten?"

    Ich hörte aufmerksam zu und dachte eine Weile nach. Bei den Vestalia selbst war ich noch nicht gewesen und deshalb waren mir nicht alle Einzelheiten bewußt. Aber ich erinnerte mich dunkel etwas in der Bibliothek gelesen zu haben.


    "Wenn ich mich richtig erinnere, sind es Früchte und Obst, die man überall in Italia finden kann und die an diesen Tagen der Vesta geopfert dargeboten werden."

    Auf einem ländlichen Hof ist es üblich dass auch ein Tier geschlachtet wird, aber dafür waren meist Bedienstete zuständig gewesen oder die Männer auf dem Hof.


    "Ich war bei einigen Schlachtungen auf dem Hof in dem ich aufwuchs dabei. Und bei einigen Opferungen. Aber selbst habe ich noch kein Tier getötet."

    Nun kam Pomponia Pia auf die Vestalia zu sprechen. Bei diesem Thema wollte und musste ich genau aufpassen, schließlich war es für eine Vestalin mit die wichtigste Feierlichkeit.


    "Das mola salsa besteht aus Getreideschrot und Salz" antwortete ich rasch. In meiner Ausbildung war ich schon oft auf mola salsa gestoßen und ich hatte früh gelesen was dahinter steckt.

    Üben wäre sicher eine gute Gelegenheit das Lesen, besonders das Vorlesen, zu verbessern. Die Bibliothek wird wahrscheinlich der Ort werden, der mich in den nächsten Wochen am meisten beschäftigt, dachte ich mir.


    "Ja ich habe Zugang zur Bibliothek und ich werde sie bestimmt oft nutzen."


    Ich räusperte mich.


    "Weitere Opferdienste beim blutigen Opfer sind das Ausnehmen und töten eines ausgewachsenen Schweines oder Ochsen, das übernimmt meist der victimarius. Die Musiker hast du bereits erwähnt. Neben der tibiae kann auch auf Lauten gespielt werden. Neben dem Tragen des Weihrauchs übernehmen die ministri auch die einfach Begleitung des Priesters, dienen auch als einfache Handlanger. Fester Bestandteil ist der Opferstecher, der cultrarius, der die Kehle des Opfers durchschneidet. Das Blut kann ebenfalls von den Opferhelfern gesammelt werden."


    Mögliche Dienste der Spezialpriester, wie die Eingeweideschau ließ ich weg. Da sie wahrscheinlich nicht hierher gehörten.

    Den Verweis auf die strengen Regeln merkte ich mir. Mittlerweile hatte ich sehr wohl gespürt wie streng die Regeln hier waren. Aber es störte mich eigentlich nicht. Ich fand es sogar angenehm. Klare und strikte Regeln bedeuteten einen klaren Ablauf der Dinge, einen Rahmen an dem man sich festhalten kann, einen Rahmen der schützt und Halt geben kann. Diesen Rahmen nicht zu verlassen war ein Gebot, eine Regel wie ein Gesetz. Und so war es für mich eigentlich durchaus logisch sich vor solch enorm wichtigen Riten, wie der Matronalia und dem Neu-Entfachen des Feuers, genau zu erkundigen und sich in Erinnerung zu rufen welche Regeln bestehen.


    Nun sprach die Vestalis Maxima von den Iden des Maius und der Ernte des Speltweizens. Eine Frage kam mir in den Kopf.


    "Verzeiht. Ernten nur wir Vestalinen den Speltweizen an diesem Tag oder helfen auch andere?"


    Ich fragte weil Pomponia Pia von vielen helfenden Händen sprach, die benötigt werden.

    Lesen und Schreiben hatte ich von Mutter gelernt. Auch mein Vater konnte schreiben, allerdings bewiesen seine Briefe dass er nicht immer das sehr wortgewand war. Aber vielleicht lag das daran, dass er Soldat war.


    "Ich kann gut lesen, ein Gebet fehlerfrei vorzutragen wäre kein Problem."


    Ich überlegte etwas. Meine Worte klangen sehr sicher, aber ich wußte dass die Gebete manchmal keine klaren Worte benutzten, sondern sehr schmückend waren. Eher wie ein Gedicht oder ein Lied. Jedenfalls komplizierter als ein Brief von meinem Vater.


    "Jedenfalls denke ich das" fügte ich also noch schnell an.

    Ich nickte. Das war wirklich knapp. Zum Glück war mir alles eingefallen.


    "Die Matronalia werden am 1. März gefeiert. Es ist ein Festtag zu Ehren Iunos.
    In unserem Tempel wird das Feuer der Vesta neu entfacht. Am Tag nach den Matronalia beginnt die Fastenzeit bis zur Cerialia."