Beiträge von Sergia Calvina

    Das Culter hatte ich bereits schon einmal gesehen. Bei Opferungen, die ich besucht hatte. Aber noch nie hatte ich eines in der Hand gehalten und noch nie war es mir so nah gewesen. Die Klinge war wirklich groß und ein wenig angsteinflößend.


    Papiria Occia fragte mich ob ich musiziere. Aber ich hatte noch nie ein Instrument in der Hand gehabt, obwohl ich Musik doch recht schön fand.


    "Nein ich spiele kein Instrument, auch nicht die Tibia. Aber vielleicht kann ich es ja lernen?"


    Das war mehr eine Aussage als eine Frage, aber ich ließ sie einfach offen im Raum stehen.

    Meine Hausaufgabe war also nicht korrekt. Ich hatte Pomponia Pia tatsächlich missverstanden. Nun musste ich nachdenken, denn auf Anhieb alle Hauptgötter und deren Opfertiere aufzusagen, war durchaus viel.
    Ich fing erst einmal mit der Trias an.


    "Iupiter opfert man üblicherweise weiße Tiere. Vornehmlich Ochsen. Iuno opfert man bevorzugt Kühe, auch diese sollten weiß sein. Für Minerva gilt dasselbe."


    Nun kam ich zu den anderen Hauptgöttern. Ich atmete einmal ein und aus. Meine Antwort kam langsam und ich machte einige Pausen.


    "Der Vesta werden zumeist Kühe geopfert, aber auch Schafe oder Ziegen sind möglich. Selbiges gilt für Ceres, Venus und Diana, die Opfertiere sind bei ihnen üblicherweise weiß.
    Mars und Neptun werden normalerweise Stiere geopfert. Mars rote und Neptun weiße.
    Apollo werden weiße Ochsen geopfert, ebenso Mercurius. Schließlich fehlt noch Vulcanus, ihm werden üblicherweise rote Ochsen geopfert."

    Natürlich, die Hausaufgabe. Die hatte ich ganz vergessen.


    Ich nahm eine Rolle Papyrus die vor mir lag und las daraus vor:



    Mögliche Opfergaben für die Götter


    Opfergaben können unblutig und blutig sein. Vor jeder Opferung gibt es eine Weihrauchgabe, die den Kontakt mit dem Götterreich herstellt.


    Mögliche unblutige Opfer sind:


    - Feldfrüchte und Baumfrüchte
    - Dinkelkuchen oder Dinkelplätzchen
    - Blumen
    - Geld


    Zu den unblutigen Opfern gehören auch die Trankopfer, die sehr wichtig sind und eigentlich bei keiner Opferung fehlen sollten.


    Beispiele für Trankopfer sind besonders:


    - Wein
    - Bier
    - Honig


    Blutige Opfer, die als größte Opfergabe gelten, können sein:


    - Rinder, diese sind am teuersten und somit die größte Opfergabe
    - Schweine
    - Schafe


    - Ziegen, Hunde, Esel und Vögel werden ebenso genutzt, allerdings sind diese besonderen Gottheiten, Gegebenheiten oder Wesenheiten vorenthalten


    Wie mir Occia es gezeigt hatte, legte ich das Malluium latum über den Arm und nahm die Schale in die Linke und den Krug in die rechte Hand.
    Die Schale hielt ich unter die Hände der Vestalin und kippte vorsichtig das Wasser aus dem Krug darüber. Das Wasser benetzte ihre Hände und tropfte von da direkt in die Schale. Ich konzentrierte mich ganz auf das Waschen, bemerkte aber irgendwann eine Druckstelle am linken Ringfinger von Occia. Sie hatte keinen Schmuck an, wie es sich gehörte, aber vermutlich trug sie einmal einen Ring. Ob sie einst verlobt war? Aber das war doch eigentlich nicht möglich.


    Bevor ich den Gedanken weiter denken konnte, war der Krug mit dem Wasser auch schon leer und ich stellte ihn beiseite. Dann nahm ich das Tuch von meinem Arm und trocknete vorsichtig die Hände der Vestalin.


    Auf die Druckstelle wollte ich sie vorerst nicht ansprechen, aber vielleicht hatte sie schon gemerkt dass ich eine ganze Zeit darauf geschaut hatte.

    Ich hatte am nächsten Morgen etwas auf die Virgo Vestalis Maxima warten müssen. Als sie schließlich kam, begrüßte sie mich gleich und fing den Unterricht sofort an.


    "Guten Morgen!"


    Ich hörte Pomponia Pia aufmerksam zu, als sie vom Fest der Bona Dea sprach. Was sie mir erzählte war mir neu und irgendwie klang es spannend und mysteriös. Aber bei einem geheimen Ritus war das wohl üblich.
    Nachdem sie mir alles nötige, wie sie sagte, erzählt hatte nickte ich nur.


    "Ich habe verstanden."

    Nun hatte ich die Frage verstanden. Natürlich wollte Occia auf die Opfergefäße ansprechen und mein Wissen darüber testen.


    "Neben der accera kenne ich noch den gutus, die Kanne mit dem gewölbtem Henkel und dem dünnen Hals mit dem beispielsweise den Göttern Wein dargeboten wird. Dann gibt es noch die Kanne mit dem weiten Hals, die oft zum Waschen der Hände benutzt wird, der urceus."


    Jetzt musste ich etwas überlegen und mich an weitere Opfergeräte erinnern. Es dauerte einen kleinen Moment, bis mir weitere einfielen.


    "Mir fällt noch die meist goldene oder silberne patera ein. Sie wird sehr vielseitig verwendet, beispielsweise zur Darbietung von Weinopfern oder um dem Opfertier Wein und Salz zwischen die Hörner zu kippen. Hier bei den Vestalinen habe ich noch den Culullus, einen tönernen Becher für Trankopfer, kennengelernt, sowie die futis, mit der wir bereits das Wasser aus der Quelle geholt haben. Dieses Gefäß darf nicht den Boden berühren, aber es ist auch zu rund um hingestellt zu werden."


    Weitere waren mir entweder nicht bekannt, oder sie fielen mir gerade nicht ein. Aber Papiria Occia würde bestimmt weitere ergänzen.

    Ich nickte.


    "Ja das habe ich."


    Dann schaute ich mich kurz um.


    "Nun habt ihr den Weihrauch schon oder soll ich mich um ihn kümmern? Ansonsten werde ich am Lararium stehen und euch helfen, wenn ihr den Wein aus der Kanne benötigt und werde die Schale mit dem Puls bereithalten."


    Hoffentlich hatte ich alles richtig erwähnt. Nun selbst zu assistieren war zwar nicht neu für mich, aber als Amata Prior fühlte ich mich schon etwas weiter und somit verantwortungsvoller.

    An diesem Morgen waren die Amata in ihrer üblichen Tracht auf den Straßen Roms unterwegs. Alle Arbeiten waren am frühen Morgen bereits verrichtet worden, die übrigen Vestalinen blieben im Tempel und Pomponia Pia im Haus der Vestalinen. Die Sergierin war beauftragt gemeinsam mit einem ihr noch nicht bekannten Priester das Blut des Schwanzes zum Tempel zu bringen.


    Schweigend ging die Vestalin, leichtfüßig zum Marsfeld. Bald schon erreichte sie das Feld, hielt sich aber bedeckt um nicht gleich aufzufallen. Wichtig war heute Mars und die Jungfrau waren nur ein kleiner Part des Equus October. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass einige neugierige Augenpaare die jung Frau entdeckte und beobachtete.

    Ich war schon sehr gespannt und alles was die Pomponia erzählte machte es für mich nur noch spannender.


    "Bestimmt werde ich vieles neues sehen und ich bin schon sehr gespannt."


    Sicher würde ich viel lernen und dies war letztendlich ja auch das Ziel. Ich wollte so viel wie möglich sehen, lernen und so schnell wie möglich selbst umsetzen können.

    Die Antwort der Vestalis Maxima war sehr ausführlich und ich nickte einige Male. Einiges wußte ich natürlich, hatte es nur nicht erwähnt, andere Dinge waren in diesem Zusammenhang relativ neu.
    Aber es war besser manche Dinge zweimal zu hören, statt sie beim ersten Mal zu vergessen.


    Ich war schon gespannt auf meinen Einsatz beim Fest, war aber etwas enttäuscht dass ich nur den Zug begleiten durfte und ein Weihrauch-Gefäß tragen dürfte. Etwas mehr hatte ich mir schon versprochen. Aber die Maxima würde ihre Gründe haben und so erwiederte ich nichts.


    Da ich keine Fragen hatte, schwieg ich.

    Sofort nachdem ich mich auf meinen Platz gesetzt hatte, begann Pomponia mir bereits Fragen zu stellen. Jetzt gab es also wieder normalen Unterricht. Da ich bereits gehört hatte dass ich beim Fest teilnehmen soll, hatte ich mich bereits ein wenig mit dem Feiertag beschäftigt.


    "Equus October wird zu Ehren des Mars gefeiert. Es findet ein Rennen statt und nach dem Rennen wird eines der Pferde des Siegerwagens dem Mars geopfert.
    Wir Vestalinen sammeln das Blut aus dem geopferten Pferd in Schalen und bringen diese in die Regia."

    "Ja, bis bald hoffentlich. Ich muss nun auch langsam wieder gehen bevor es zu spät wird. Grüße bitte alle von mir."


    Ich nahm noch einen Schluck Wasser, lächelte und ordnete meine Tracht. Dann ging ich von einem Sklaven begleitet nach draußen und in Richtung Vesta-Tempel.

    Nun wurde dieser Matthias scheinbar ungehalten. Jedenfalls wirkten seine Worte auf mich aggressiv und drohend. Ich war aber, nun da er sich als Jude und womöglich als Christ zu erkennen gegeben hat, entschlossen diese Person aus dem Tempel zu werfen.


    "Ihr traut euch einen heiligen Ort der römischen Götter zu besuchen? Ihr wagt es im Beisein einer Vestalin offen zuzugeben einer sogenannten Religion anzugehören, die das römische Reich bedrohen könnte? Ihr und eure Brüder seid Feinde Roms und der friedlichen Bürger dieser Stadt. Ihr Juden und diese Christen verachten die Götter Roms und damit Rom selbst. Ich werde euch nicht sagen wo ihr die Casa der Sergier findet. Und ich hoffe ihr werdet meine Familie nie finden und Unheil über sie bringen."


    Nun machte ich eine Pause. Ich war wütend. Sichtlich wütend. Immer hatte ich Angst vor dem ersten Tag gehabt, an dem ein Christ oder Jude mir begegnen würde. Aber ich hätte nie geglaubt dass einer von ihnen an einen so heiligen Ort kommen würde. Diese Leute waren Feinde Roms und das musste so manchem Bürger offen ins Gesicht geschrien werden. Niemals durfte zugelassen werden, dass diese Menschen ins römische Reich kommen und ihre Sekte wie eine Seuche verbreiten.


    "Meinen Namen wollt ihr wissen? Ich bin Sergia Calvina. Und ich fordere euch auf diesen Ort zu verlassen. Sofort!"


    In diesem Moment überlegte ich, ob ich nicht gleich nach Hilfe rufen sollte. Vielleicht waren Prätorianer in der Nähe oder Senatoren mit ihren kräftigen Sklaven.

    Ich nickte lächelnd.


    "Ja ich denke ihr werdet mich finden. Es wäre wirklich sehr schön euch dort zu sehen. Ich könnte euch einiges zeigen...natürlich nicht alles. Aber doch den Tempel zum Beispiel. Es ist wirklich beeindruckend dort. Im Moment bin ich täglich dort."

    Die Geschichte des Fremden beeindruckte mich nicht, aber sie wirkte echt. Plotina war öfter in Rom unterwegs, auf dem Forum oder dem Markt. Und bei all dem Gedränge auf den Straßen war es üblich dass jemand angerempelt wurde. Das Plotina aus Alexandria war, wußte ich zwar nicht, aber unsere Familie war weit verzweigt. Mein eigener Vater war ja selbst als Soldat dort gewesen.


    Der Name Matthias zeigte zumindest dass ich Recht in der Annahme hatte, dass kein Römer vor mir stand. Ein Jude, wie er sagte.


    Und plötzlich fiel mir ein wo ich überhaupt war. Und wer vor mir stand. Und erschrack förmlich.


    "Ihr seid Jude? Glaubt an diese alten Schriften eures Volkes und was darin steht?"


    Ich wollte weiterreden, aber gerade in diesem Moment musste ich an meinen Vater denken und an einen Brief den er meiner Mutter geschrieben hatte. Und an die Gespräche die sie danach mit mir führte. Es waren ebenfalls Gespräche über Juden...und eine weitere Gemeinschaft, dessen Name mir gerade nicht einfiel. Ich dachte nach, blickte durch diesen Matthias hindurch, jedenfalls musste es für ihn so aussehen. Und so blieb meine Frage im Raum stehen, während ich darüber nachdachte. Über den Namen dieser Gemeinschaft.


    Christen. Genau Christen.

    Beim ersten Regal mit den Rollen über die Geschichte des Tempels und des Vesta-Kults nickte ich nur.
    Bei dem verschlossenen Schrank mit den Testamenten blickte mich die Pomponia eindringlich an und wählte ihre Worte bedacht, aber streng.


    "Ich habe verstanden. Das Vertrauen der Bürger darf natürlich nicht erschüttert werden und nur wenn ich ein Testament hineinlege oder mich ein Decemviri litibus iudicandis um ein bestimmtes Testament eines Verstorbenen bittet, darf ich den Schrank öffnen."


    Ich wiederholte ihre Worte, um ihr zu zeigen dass ich es wirklich verstanden hatte und befolgen werde.


    Auch bei den letzten Regalen nickte ich nur. Bei den letzten mahnenden Worten der Vestalis Maxima blickte ich zu den kleinen Tischen die im Raum standen. "Die Rollen werden hier gelesen und ich werde mir Notizen wenn nötig machen müssen. Auch das habe ich verstanden. Fragen habe ich vorerst keine."


    Meine Worten klangen vielleicht etwas unnahbar, aber Pomponia Pia war wahrscheinlich gewöhnt dass man so mit ihr sprach. Und als Respektperson war es bestimmt auch gewollt. Ich jedenfalls hatte großen Respekt vor ihr.

    Eine solche Geschichte konnte nun wirklich jeder erzählen. Vielleicht hatte der Mann den Namen Plotinas irgendwo an einem Marktstand aufgeschnappt und wollte sie ausrauben. Oder sonst irgendetwas schlimmes tun.


    "Ihr kommt an einen heiligen Ort um nach einer Adresse zu fragen? Ich kenne euch nicht und ich kann nicht sicher sein ob ihr Plotina wirklich kennt und Gutes im Schilde führt. Ihr seid kein Römer oder? Wie ist euer Name?"


    Irgendetwas war komisch an diesem Mann. Er war kein Römer, aber dass war nichts Außergewöhnliches in dieser großen Stadt. Hier gab es Sklaven, Freigelassene und Peregrini an allen Ecken. Der Mann vor ihr wirkte nachdenklich, als ob er etwas verheimliche oder überlege welche Worte er benutzt.

    Pomponia Pia begann die Führung durch die Bibliothek. Die Luft im Raum war staubig und alt. Papyrus-Rollen waren sauber in Regalen geordnet und an jeder Rolle hing ein kleines Zettelchen mit dem Titel und dem Verfasser des Textes.


    Die Vestalis Maxima erklärte alles und ich schaute mich um. Hier würde ich also alles finden, was ich benötigte um mein Wissen noch zu erweitern.


    Ich nickte Pia bei jedem Satz zu, den sie sagte und wartete gespannt auf meine kommenden Aufgaben.