Es war einer dieser positiv oder negativ denkwürdigen Tage, an denen sich der junge Aurelier hier einfand. Zum ersten Mal sollte er das Senatsgebäude, die heiligen Hallen der Curia Iulia von innen erblicken dürfen. Er sollte vor dem Senat sprechen, triftige Gründe dafür liefern, dass er der Richtige war, den Cursus Honorum zu beschreiten. Keine einfache Aufgabe hatte sich der Aurelier hier aus eigenen Stücken gewählt. Doch er war motiviert, zuversichtlich, hier in diesen Räumen eine Rede zu halten, die den Senat von ihm überzeugen sollte. Lange hatte sich Avianus vorbereitet, schon allein aus dem einzigen Grund, weil er sich seine eigene Rede, gut unter Kopfzerbrechen durchdachte Worte, so lange durchlas, bis er sie in- und auswendig konnte. Er hoffte inständig, diese Worte gut in die Menge der Senatoren weitertragen zu können, war es doch als junger, aufstreben wollender Patrizier nicht leicht, die zum Teil erfahrenen, alten Männer von sich zu überzeugen.
Unvorbereitet war junge Kandidat ganz und gar nicht – für diesen Anlass am heutigen Tage verbrachte er mehrere Stunden, sich seine beste Tunika und Toga anziehen zu lassen. Sorgsam hatten die Sklaven gehandelt, weshalb Avianus nun mit einem makellosen Äußeren vor den Senat erstrahlen konnte. Dieses gut vorbereitete Äußere mochte davon kommen, dass der junge Aurelier die Sklaven schon pingelig auf die geringsten Kleinigkeiten hingewiesen hatte, obwohl er wirklich nie von der pingeligen Sorte war. Nein, es konnte nur an dem Drang liegen, jetzt erfolgreich zu sein. Anders hätte er sich vielleicht selbst nicht erklären können.
Ruhigen Schrittes trat Avianus vor den Senat, stellte sich an den für Redner vorgesehenen Platz und fühlte zahlreiche Blicke nur auf sich selbst lasten, welche ihn zu erdrücken versuchten. Im Gefühl hatte er auch den ein oder anderen Zweifel an sich selbst. Er atmete tief ein und aus, sammelte seine Gedanken. Er hätte es gerne so schnell hinter sich gebracht, wie er nur konnte und seinen Text einfach nur runter gerattert. Was wäre er auch Schuld gewesen, wenn ihn niemand verstanden hätte?
Aber nein, er wusste, dass dies nur einen schlechten Eindruck machen konnte. Anschließend kam der Kandidat für das Amt des Vigintivirs zu Wort. Er versuchte dabei, möglichst ausgeglichen zu wirken, als ihm nun das Wort erteilt wurde.
„Hochverehrte Senatoren Roms!“, schallte es hinaus, sodass Avianus selbst in den hintersten Ecken der Senatshallen hörbar wurde, „Lange habe ich auf den Tag gewartet, hier stehen zu dürfen! Lange habe ich gewartet, um hier und jetzt als Kandidat für das Amt des Vigintivirs zu kandidieren! Lange habe ich gehofft, für unser Imperium im Cursus Honorum dienen zu können, was mein patrizisches Vermächtnis ist!“. Während die Worte im Raume verhallten, legte der Aurelier eine künstlerische Pause ein. In der Hoffnung, seine Worte würden gut ankommen.
„Mein Vater hat mir zu Lebzeiten beigebracht, was das Privileg mit sich bringt, von hoher Abstammung zu sein! Der gemeine Bürger denkt: Steuerfreiheit, Reichtum, eine große Villa irgendwo in der Stadt! Viele vergessen die Pflichten, die ein Patrizier hat! Mit dem eigenen Namen für das Imperium und die eigene Familie einzustehen ist nur eine von diesen Pflichten, die ich habe und welche auf ihre Erfüllung warten! All jener Reichtum: Er ist überhaupt nichts, wenn man nichts zurück geben kann, ihn dafür einsetzt, selbst nützlich zu sein! Etwas zurück geben möchte ich euch allen, euch Senatoren, die ihr hier sitzt, dem römischen Volke außerhalb dieser Hallen und dem ehrwürdigen Imperator unseres großen Imperiums! Dies in Form meiner Dienste und nicht weniger, nichts Anderes beabsichtigt meine Kandidatur! Dies ist der Grund, weshalb ich hier stehe, hier rede und euch, verehrte Senatoren, um eure Zustimmung bitte! Noch mag ich auf offizieller Ebene nicht viel geleistet haben! Dies möchte ich ändern! Ich erbitte die Möglichkeit dazu, etwas bezwecken zu können und euer Vertrauen zu ernten! Es ist mir durchaus klar, dass es nicht einfach ist, jemandem ohne Weiteres zu vertrauen! Nicht einmal Worte sprechen besser als Taten, welche ich glücklicherweise jedoch vorzuweisen habe!“.
Erneut ließ Avianus seine Worte verhallen, sah in die Menge. Die Pause war seiner Meinung nach gut gesetzt. Tief nahm der Aurelier Luft, feuchtete seine Kehle an und setzte fort. Mit seinen Taten, derer er anstrebte als offiziell gewählter Vigintivir noch zahlreiche zu vollbringen.
„Als Assistent habe ich den Decemviri litibus iucandis geholfen, Erbschaftsfälle zu bearbeiten. Ich habe dem Quaestor Aurelius Ursus bei der Inspektion zum Bau des Ulpianums geholfen, und dem Senator Aurelius Corvinus stand ich als persönlicher Schreiber zur Seite! Ich bringe den nötigen Ordo für dieses Amt mit, ich habe die Erfahrung gesammelt! Mein Vater hat mich noch etwas gelehrt: Beschreite den nächsten Schritt erst dann, wenn du wirklich so weit bist! Der nächste Schritt ist das Amt des Vigintivirs, und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich für dieses Amt nicht bereit wäre! Eure Zustimmung, mehr möchte und brauche ich nicht!“.
Die Worte waren gesprochen und Avianus kam zum Ende seiner Vorstellungsrede. Seine eben gesprochenen Worte schossen ihm durch den Kopf…
„Väter Roms, ich danke euch für euer Gehör und die große Ehre, hier stehen zu dürfen!“.
Jetzt lag es an den Senatoren, zu urteilen und ihre Fragen zu stellen.