Axilla überlegte, ob sie diese Fische, die er sagte, schonmal gesehen hatte. In Tarraco gab es Fische aus dem Meer, und hier gab es auch Fische aus dem Meer. Einen Karpfen aus einem Teich hatte sie soweit sie wusste auch schonmal gesehen, aber wie sah der aus? Sie hatte ja nie gedacht, dass sowas mal wichtig werden würde und sie sich darüber unterhalten würde.
Aber zum Glück blieb sie vor weiteren Fischfragen verschont und musste damit nicht zugeben, absolut gar keine Ahnung zu haben. Ihr war das immer ein wenig peinlich, wenn sie so wirklich gar nichts über eine Sache wusste. Da fühlte sie sich dann immer dumm, als wäre ihr etwas wichtiges, was sie als gute Frau wissen sollte, nicht beigebracht worden. Und da gab es ja schon so einiges.
Rufus kaufte noch Obst ein und fragte sie dann, ob sie noch mehr bräuchte. Sie schüttelte nur hastig den Kopf. Wer sollte denn das alles essen? Da würden sie ja platzen, vor allem, wenn sie heute Abend ganz normal die Cena noch einnehmen sollte.
“Nein, ich brauch nichts mehr. Dann holen wir mal deinen Helios ab und reiten dann raus. Wird sicher schön, und der freut sich doch sicher auch über den Auslauf.“
Axilla auf jeden Fall freute sich schon darauf, aus der Stadt ein paar Stunden fliehen zu können.
Beiträge von Iunia Axilla
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Die Erklärung mit den Namen war doch sehr verwirrend. Wenn sie doch eigentlich lieber Germanen waren als Römer, warum waren sie dann im römischen Reich und nicht in Germania? So wirklich verstand Axilla das nicht, aber sie traute sich jetzt auch nicht, zu fragen. Vor allem nicht auf dem Markt. Sie war sich fast sicher, dass Rufus – oder Ragin – wie sollte sie ihn jetzt eigentlich dann nennen? – dann böse sein würde.
Auf der anderen Seite aber wiederum verstand sie es ein wenig. Ihr Vater hatte sie auch nie bei ihrem richtigen Namen genannt – außer, sie hatte was angestellt – sondern immer Skioura genannt, ebenso wie Iason auch. Sie hatte sogesehen auch zwei Namen, wenn den einen auch wirklich nur ganz wenige Leute wussten und der wohl nicht so offiziell war wie bei Rufus-Ragin.
Aber zum Glück fand er die Angelhaken ganz toll. Axilla hatte gar nicht gewusst, dass sie angeln gehen wollten, aber scheinbar war dem so, denn Rufus kaufte gleich ein paar Haken und auch Ruten.
“Keine Ahnung, ich hab noch nie geangelt. Aber sehen nicht alle Fische gleich aus?“
Axilla hatte absolut von Fisch keine Ahnung. Sie kannte die nur zu Garum verarbeitet oder auf dem Teller, wenn sie gebraten waren.
“Ich meine, wenn wir Helios abgeholt haben und am Nil sind, sehen wir das ja dann.“
Sofern Rufus nicht noch was anderes einkaufen wollte. -
Und jetzt war es an Axilla, erstmal dazustehen und zu gucken und zu versuchen, nicht rotzuwerden – was irgendwie nicht ganz hinhaute, aber sie versuchte es – und zu überlegen, was sie sagen sollte.
Er fand sie also wirklich hübsch? Also, nicht nur so ein bisschen nicht-häßlich, sondern sogar sehr hübsch? Gut, die Körperstellen, die er hübsch fand, die waren jetzt nicht unbedingt Ausdruck dessen, dass sie besonders feminin-hübsch war. Wohlgewachsen war ja wohl jeder, der nicht grade einen Buckel hatte. Und ihre Haare waren eigentlich wie immer und nichtmal besonders zurecht gemacht, und ihr Gesicht fand sie jetzt auch nicht so hübsch. Ihre Nase war ihrer Meinung nach zu eckig, um wirklich, wirklich hübsch zu sein. Nicht so wie Urgulania, die wirklich vornehm hübsch war. Aber trotzdem machten sie die Komplimente verlegen. Sie erhielt sonst eigentlich nie Komplimente. Eher das Gegenteil, dass sie jemand wegen irgendwas maßregelte.
Sie kratzte sich verlegen am Arm, als Rufus zum Glück noch mal fragte, was sie noch gefragt hatte. Sie musste kurz selber überlegen, hatten Rufus’ Erklärung und vor allem das griechische Wort, das sie gar nicht kannte, sie ein klein wenig aus dem Konzept gebracht.
“Ähm, ging nur um die Namen. Also, die vielen. Also, eure. Von Verus und Vera. Und ob du dann auch so einen hast. Und ob das immer so ist. Glaub ich.“
Jetzt war Axilla auch durcheinander.
“Oh, schau mal, Angelhaken“, griff sie das erstbeste als Themenwechsel auf, was ihr in den Blick kam. Und das waren die Angelhaken vom Stand nebenan. Nicht, dass sie davon auch nur die geringste Ahnung hätte, aber das war das erste, was sie gesehen hatte. -
“Dann findest du mich hübsch?“ fragte Axilla etwas zögerlich, denn so ganz war sie sich jetzt nicht sicher, was er mit seinem Satz genau hatte sagen wollen. Natürlich hatte sie nichts dagegen, für ihn hübsch zu sein, sie war ja auch nur eine Frau und hörte da auch gerne mal zur Abwechslung ein Kompliment. Aber war schon irgendwie komisch, wenn ein Freund einen hübsch fand. Wobei sie Rufus jetzt ja auch nicht nicht-gutaussehend fand.
Aber ein anderes Thema war wohl besser. Sie sollte mitnehmen, was sie dachte? Gut, dann nahm sie einfach von den beliebtesten Sachen was, das musste ja schließlich auch einen Grund haben, warum die so beliebt waren. Vielleicht außer die Bleiweißschminke, wenn alle Germanen ohnehin so hell waren, brauchten die die ja nicht. Also packte sie etwas blau, grün, von dem Rot ein wenig und auch etwas goldfarbenes Puder ein (in dem kein Gramm Gold drin war, aber es ließ die Haut einfach goldener Aussehen. Manche fanden das an den Augen auch sehr schön). Und natürlich den versprochenen Kohlestift. Als sie mit aussuchen fertig war, ließ sie es von dem Ägypter einpacken und reichte Rufus das Päckchen.
Aber die Erklärung mit den Namen war schon ein wenig verwirrend, und sie flüsterte ihre frage eher verschwörerisch. Zum einen, weil sie nicht dumm klingen wollte und nicht wusste, wer sie hier alles verstehen würde, und zum anderen, weil Rufus da bislang so ein Geheimnis drum gemacht hatte und ja auch deshalb mit ihr überhaupt gestritten hatte.
“Dann habt ihr alle mehrere Namen? Ich dachte, ihr seid römische Bürger? Oder behält man dann seinen Namen?“
Das klang schon sehr doof, wenn sie sich so selber hörte. Aber Axilla hatte da wirklich keine Ahnung, wie das funktionierte. Als sie ihre Sklaven freigelassen hatte in Tarraco, hatten alle einen neuen Namen gekriegt und diesen dann auch mit Stolz getragen. Aber die germanischen Namen waren ja ganz anders als die römischen, und überhaupt war das ja auch nicht wirklich dasselbe. Kurz überlegte Axilla, ob Rufus dann eigentlich ein Peregrinus mal war, oder wie das nun funktionierte.
“Und du hast dann auch noch einen germanischen Namen?“ -
Axilla musste schmunzeln. Sie hatte Nikolaos ja auch schon oft stark geschminkt gesehen und sich dabei so manches Mal gefragt, ob ihm darunter nicht warm wurde. Aber wer schön sein wollte, musste eben leiden.
“Ja, das ist mit Bleiweiß dann gemacht. Das klebt, finde ich, aber die Griechen finden das ganz toll. Weißt du, helle Haut ist halt einfach schöner. Hier baden deswegen auch viele Leute mit Eselsmilch, um besonders schön zu sein.“
Im Gegensatz zu späteren Zeiten, wo der Esel vor allem als störrisches und oftmals fälschlicherweise dummes und einfältiges Tier galt, war die allgemeine Ansicht der Ägypter über die grauen Langohren, dass sie der Inbegriff der göttlichen Schönheit waren. In ihrer Milch zu baden hieß also, zu versuchen, etwas von ihrer Mildheit und Schönheit auf sich zu übertragen.
“Ich selber bin ja viel zu dunkel, aber ich mag das nicht überschminken. Da bräuchte ich wohl ohnehin verdammt viel Bleiweiß, wenn du mal guckst, wie dunkel allein mein Arm ist. Da bin ich dann lieber nicht hübsch für die Leute hier.“
Axilla sah sich kurz um, um sich in dem Gewirr hier zu orientieren.
“So, wo ist jetzt…? Ah, da hinten, da müssen wir hin!“
Axilla deutete auf einen kleinen Stand, wo in verschiedenen kleinen Tontöpfchen und Tiegelchen ihre Kosmetik verkauft wurde. Schon von weitem sah der Händler seine Brötchengeberin und verneigte sich tief. Er war Ägypter, aber Axilla konnte sich seinen Namen nie merken. Sie wusste noch nicht einmal so genau, ob er nun eigentlich ihr Sklave war oder nicht, er war bei dem Laden, als sie ihn gekauft hatte, einfach dabei gewesen. So wichtig war ihr die ganze Sache aber auch nicht.
“Chaire. Ich brauch ein bisschen was von meiner Kosmetik. Ist doch alles da, oder?“ Axilla plapperte schnell in Koine einfach auf den Ägypter los und dachte sich schon gar nichts mehr dabei. Selbst ihr ionischer Akzent hatte sich in dem Jahr hier stark zurückgebildet und war wohl nur für die herauszuhören, die diese Sprache täglich sprachen.
“Natürrlich, Herrrrin, alles was die Herrrin wünscht, möge sie sich aussuchen.“
Wie immer verneigte er sich völlig übertrieben vor Axilla, während die ihre Finger über die einzelnen Tiegel gleiten ließ und suchte. Ganz automatisch wechselte sie wieder auf ihre Muttersprache, als sie sich an Rufus wandte.
“Also, ich hab hier ein wirklich schönes blau und grün für die Augen. Und ein rot, aber das ist arg kräftig, für die Lippen und die Wangen. Ich weiß nicht, kennt sie sich damit aus? Nicht dass sie nachher aussieht wie einer dieser bunten Vögel.“
Axilla selber kannte sich damit ja auch eher schlecht als recht aus. Was auch mit ein Grund war, warum sie sich eigentlich nie schminkte. Nicht, dass sie es in ihrem Alter schon nötig gehabt hätte, irgendwas zu überschminken. -
Rufus erklärte sich einverstanden und so machten sich die beiden Seite an Seite auf in Richtung Fremdenmarkt.
“Ich weiß es auch nicht so genau. Die ägyptischen Könige..ähm… Pharaos… Pharaoi? Also, die Herrscher halt, die haben sich wohl auch immer angemalt. Und Als Alexander dann nach Ägypten gekommen ist, fand er das wohl lustig. Er bekam das sogar von seinen Feldherren vorgeworfen, dass er sich auch anmalen würde und damit weibisch aussähe. Naja, seit damals hat sich wohl einiges geändert, und die Griechen jetzt machen das fast alle. Wobei ich das schon immer lustig finde, wenn sich Nikolaos ganz weiß anmalt. Ich meine, ich kenn auch einige Römerinnen, die gerne mal auch viel Schminke nehmen, aber so viel ist dann schon sehr lustig, vor allem bei einem Mann.
Aber eigentlich darf ich mich gar nicht beklagen, so verkauf ich ja schon viel mehr, als wenn nur die Frauen kaufen würden. Ich mein, ich brauch das ja eigentlich nicht machen, ich würd wohl von meiner Familie genug Geld kriegen. Aber irgendwie ist es schon ein tolles Gefühl, wenn man selber was macht und damit auch Geld verdient und so.“
Fast, als wär ich auch ein Mann und nicht nur eine Frau, die lieber einer wäre, setzte sie in Gedanken noch dazu.
Jetzt hatte sie ihre perfekte Maskerade auch wiedergefunden und die Unsicherheit war aus ihren Augen verschwunden. So war ihr nichts mehr anzumerken von ihrer Verwirrung, als sie am Tor ankamen und zum Markt gingen. -
Wie, was? Er wollte mit seinem Pferd auf den Markt gehen? Axilla, deren geistige Voraussicht meistens nur für die nächsten fünf Minuten reichte, war fast schon unheimlich logisch, als sie ihn verwirrt anschaute.
“Du kannst dein Pferd doch nicht mit auf den Markt nehmen?“
Plötzlich musste sie lachen, aber es war nicht wirklich ein auslachen, es war mehr ein Lachen über die lustige Erkenntnis. Wenn sie sich vorstellte, ein großes Pferd bei den vielen Ständen, die teilweise auch durcheinander standen und die einzelnen Händler dazwischen, die ihre Waren einfach auf einem Tuch auf dem Boden feilboten. Da ein Pferd dazwischen, das würde ja ein heilloses Durcheinander geben. Zumindest wenn sie zu dem stand wollten, wo ihre Kosmetik verkauft wurden, denn der war weitab von dem, was man am Fremdenmarkt wohl als Hauptstraße bezeichnen konnte.
“Nein, den holen wir lieber auf dem Rückweg ab. Sonst lynchen uns noch die Händler, wenn Helios was aus Versehen umschmeißt. Dann kannst du die Kosmetik schon einpacken, dann geht sie nicht verloren. Und so weit ist es ja auch nicht zum Markt, das geht zu Fuß glaub ich sogar schneller.“
Aufmunternd sah Axilla zu Rufus, immer noch über die Vorstellung von dem großen Pferd zwischen den vielen Ständen schmunzelnd, und machte ein paar zögerliche Schritte in Richtung des Tores, das nach Westen und damit am nächsten zum Xenai Agorai lag. -
Zum Glück bohrte Rufus nicht noch weiter, sondern beließ es dabei und begann wie selbstverständlich, mit ihr zu scherzen und über den Einkauf zu sprechen. Axilla fand die Maske der Fröhlichkeit, die sie so lange trainiert hatte, wieder, und lächelte ihn leicht spaßig an, auch wenn an ihren Augen wohl zu sehen war, dass sie sich noch verunsichert fühlte.
“Ich will wirklich nichts haben. Ganz ehrlich. Aber bevor du mir doch noch was schenkst, gehen wir lieber auf den Ausflug.“
Frech grinste sie ihn an. Die Idee fand sie sogar gar nicht schlecht. Das war auch wie weglaufen, nur eben überschaubarer, und weniger mit Ärger behaftet. Das war nur ein paar Stunden alles zurücklassen, was sie so bedrückte. Wobei…?
“Aber wir kommen ganz sicher vor der cena wieder heim?“ setzte sie doch wieder etwas nervöser hinzu und schaute Rufus einen Moment unsicher an. Sie wollte wirklich nicht noch mehr Ärger bekommen.
“Ähm, also für die Kosmetik können wir auch direkt zu meiner Farbmischerei gehen. Da müssen wir nicht ins Getümmel auf den Markt. Also, wenn du magst. Außer, du magst auf den Markt, weil da gibt es ja auch vieles zu sehen und vielleicht willst du ja doch noch was anderes kaufen oder dazukaufen.“ -
Oh, Rufus verstand aber auch wirklich alles falsch! Das hatte sie doch gar nicht gemeint! Und jetzt meinte er, sie könne einfach zu seiner Familie. Zu seiner Familie! Die würden sich doch sicher bedanken, wenn sie da ankam und sagte, dass sie von daheim abgehauen war. Die würden sie wahrscheinlich gleich zurückschicken, und hinterher hätte Rufus doppeltes Donnerwetter zu erwarten!
“Nein, nein, du verstehst nicht. Ich meine… das ist… süß. Ähm, ich meine, das geht nicht. Ja, genau, das geht nicht. Und ich kann hier ja auch nicht weg. Ich meine, ich hab ja auch Arbeit, und die Farbmischerei, und irgendwann soll ich ja auch dann standesgemäß heiraten, und das geht ja alles nicht, wenn ich weg gehe, und die ganzen Sachen, die hier sind, und ich bin ja auch gar nicht so unglücklich. Also, manchmal bin ich schon sehr glücklich, und du bist ja auch hier, und alle die ich kenne, und….“
Axilla hatte sogar angefangen, zu gestikulieren, weil die Worte allein ihr nicht das auszudrücken schienen, was sie meinte. Sie wusste ja selber nicht so genau, was sie meinte. Sie hatte schon so lange nicht mehr darüber nachgedacht, ob sie glücklich war. Es war ja auch absolut nicht wichtig, dass sie glücklich war. Und jetzt sagte Rufus einfach so etwas, stellte ihr so etwas in Aussicht, dass sie einfach weglaufen konnte vor ihren Problemen. Axilla lief gerne vor Problemen davon. Und diese Möglichkeit war da natürlich sehr verlockend, und es war so schön, sich unterstützt zu fühlen und auch ein wenig sicher. Aber es ging gleichzeitig nicht. Sie durfte nicht darüber nachdenken.
“Deine Cousine mag doch sicher auch so schwarzen Kohlestift für die Augen, oder? Der ist hier ganz modern, weil die Ägypterinnen den auch immer nehmen“, versuchte sie also verzweifelt das Thema zu wechseln. -
Von der plötzlichen Heftigkeit in Rufus’ Worten war Axilla ehrlich überrascht. Sie blieb stehen und sah ihn einen Moment in ganz neuem Licht an. Er wirkte so bestimmt und sicher mit einem Mal, als könne ihn davon nichts abbringen, wenn sie ihm sagen würde, dass es das wäre, was sie will. Und er schien da nicht ein bisschen Angst zu haben oder sich Gedanken darum zu machen.
Einen Moment stand Axilla einfach da und sah zu ihm hoch. Sie wusste gar nicht, was sie da jetzt sagen sollte. Sie wusste ja noch nicht einmal, was sie denken geschweige denn fühlen sollte. Das war so… merkwürdig.
“Ich….äh… ich meine… abhauen, ich meine….“
Einen Moment war sie mehr als nur versucht, einfach ja zu sagen. Einfach weg von hier, weg von allem, einfach raus und nicht darüber nachdenken. Weg von der ganzen Verantwortung, die so erdrückend war, weg von dem stolzen Namen ihrer Familie, der sie zu so vielem Zwang, was ihr gar nicht entsprach. Einfach raus und frei sein, wie ein Eichhörnchen, ein Geschöpf des Pan, ohne darüber lange nachzudenken.
Aber es ging nicht. Sie konnte das Rufus nicht antun. Er war doch jetzt Stationarius, und überhaupt würde das seine Karriere wohl kaputt machen, wenn er sie einfach so mit sich nahm, was würden die Leute dann über ihn reden? Da würde doch niemand glauben, dass sie nur Freunde waren. Da würden doch alle denken, sie sie seine Geliebte, egal, was sie sagten? Und Beweisen konnte Axilla das Gegenteil ja nicht.
Und ihre Familie wäre dann wohl wirklich sehr böse auf sie. Vielleicht würden sie sie sogar verstoßen. Und was war dann mit Vaters Andenken? Da gab es ja außer ihr niemanden, der das ehren würde, und wenn die Gens sie verstieß, was war dann?
“Ich glaube, dann würde es nur noch mehr Ärger geben. Ich meine, wenn du weg bist und ich weg bin, da würde Urgulania dann am Ende noch falsche Schlüsse ziehen. Ich meine, nicht dass sie noch sagt, dass wir… also, ich meine… also… das könnte ja geredet werden, ich meine…. Und wo du doch eben erst die Stelle beim Cursus Publicus hast, und du hast doch sicher noch eine Karriere vor dir… und… also…“
Axilla fühlte sich gerade sehr verunsichert. Was ihr Kopf sagte und was ihr Herz sagte waren mal wieder völlig verschiedene Sachen und sie wusste einfach nicht, was richtig war. Sie wusste, was sie tun sollte, aber das machte sie nicht glücklich. Das einzige mal, dass sie in den letzten Jahren glücklich gewesen war, war in kurzen Momenten gewesen, wenn sie nicht darüber nachgedacht hatte, welche Konsequenzen ihr Handeln haben würde und einfach nur sich von jemandem halten ließ, der scheinbar wusste, was er zu tun hatte. Auch wenn es im Nachhinein dumm gewesen war, aber bei Silanus im Balneum und auch bei Timos war sie kurzzeitig wirklich glücklich gewesen.
Aber sie durfte nicht nur an ihr Glück denken, sie musste an alle Konsequenzen denken, auch an die für Rufus.
“Das geht nicht. Ich will nicht, dass du Ärger kriegst. Also… ich würde gerne ein wenig… ich meine… nein, das mein ich gar nicht… also…“
Jetzt stammelte sie sogar nur noch, weil sie wirklich nicht wusste, was sie sagen sollte. Bei Rufus hörte sich das so einfach an! Und sie konnte nicht einmal sagen, was sie eigentlich wollte. Beschämt sah sie zu Boden. -
Ach, verdammt, das hatte ja aber auch gar nicht geklappt. Jetzt wollte er ihr auch noch was schenken! Da fühlte sich Axilla gleich ganz schuldig. Als er dann auch noch erwähnte, dass mit ihrer Kosmetik seine Cousine dann vielleicht verheiratet werden würde, fühlte sie sich noch viel schlechter. Sie war ja auch noch unverheiratet, und das war ja auch ein Punkt in Urgulanias Liste der Vorhaltungen gewesen. Sie hätte vielleicht doch besser den Mund gehalten.
“Nein, bitte, ich will gar nichts. Bitte, Rufus, ich will kein Geschenk. Ich hab heut nur meinem Genius geopfert, mit Kerze und Kuchen und so, und mehr will ich auch gar nicht feiern. Ich hab… ach, weißt du, meine Cousine hat schon recht, wenn sie böse auf mich ist. Ich hab wirklich kein Geschenk verdient. Ich mach andauernd nur Blödsinn, so dass ich manchmal am liebsten weglaufen würde…“
Axilla schüttelte leicht den Kopf. Eigentlich wollte sie ja nicht, dass jemand sie so erlebte, wie sie im Moment war. Sie gab sich ja viel lieber fröhlich, als könne sie nichts bekümmern. Aber die Idee, jetzt etwas geschenkt zu bekommen, obwohl sie so furchtbar war, die fand sie ganz fürchterlich. Da erlaubte sie sich sogar, kurzzeitig ihre Maske fallen zu lassen und Rufus ganz flehentlich und bettelnd anzusehen, so dass er auch sehen konnte, dass sie nicht wirklich glücklich im Moment war. Aber sie hatte wirklich kein Geschenk verdient.
Doch dieser Einblick in Axillas Seele währte nicht lange, denn schnell hatte sie sich auch wieder gefangen und wechselte – wie immer, wenn sie über etwas nicht weiter sprechen wollte – einfach das Thema.
“Beim Cursus Publicus hast du dann sicher viel zu tun. Ist bestimmt spannend dort. Arbeitest du dann mit Aelius Archias zusammen? Ich hab dir ja schon erzählt, dass ich ihn auch kenne. Wenn ich dann demnächst mal Post haben sollte, dann treff ich dich ja sogar auf der Agora. Dann komm ich vielleicht selber vorbei und schick nicht nur Leander, dann können wir ein wenig plaudern. Wenn du das auf Arbeit darfst und Zeit hast.““ -
Als Rufus erwähnte, dass sie ja auch Ärger kriegen könnte, weil sie wieder mit ihm unterwegs war, kratzte sie sich ganz verlegen am Arm.
“Ich denke, für heute hab ich eine Entschuldigung, wenn ich erwischt werde…“, meinte sie etwas vage. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sagen sollte oder lieber doch nicht, denn sie wollte keinesfalls, dass Rufus sie deswegen heute anders behandelte als sonst. Aber andererseits wollte sie ja doch, dass wenigstens irgendwer es wusste, und er war ja auch ihr Freund. Der einzige Freund, den sie eigentlich hatte. Da sollte er es ja eigentlich schon wissen.
“Heut ist mein siebzehnter Geburtstag“, setzte sie also ganz hastig dazu, um dann gleich, als wäre nichts weiter, auf die Bemerkung mit dem Schenken einzugehen. “Nun, willst du ihr denn was typisch Ägyptisches schenken? Am Markt gibt es einen Händler, der zahme Katzen verkauft.“ Und da waren die Ägypter so ziemlich die einzigen, die solche Tiere hielten, um sie zu streicheln, soweit Axilla wusste. Aber sie hatten auch die einzigen Katzen, die sich anfassen und streicheln ließen. Sie hatte keine Ahnung, was diese Katzen anders als die wilden Katzen von Hispania machte, aber sie hatte so eine graue Katze auch schon einmal in den Händen gehabt und sich über das Schnurren sehr gefreut, als sie sie hinter den Ohren wie einen Hund gekrault hatte.
“Wobei, die kann man wohl eher weniger mit der Post verschicken. Hmmm… würde sie denn einen Chiton anziehen? Ich würd immer gern mal einen tragen, aber ich trau mich nicht. Weißt ja, so von wegen und Römer und Griechen und den Spannungen und so. Aber die sehen wirklich sehr schön aus, finde ich, und sind nicht so schwitzig wie eine Tunika, viel luftiger. Oh, oder… naja, wir könnten auch zu meiner Farbmischerei gehen, und ich schenk dir ein paar Kosmetika für sie. Die ist wirklich gut. Guuuut, das sagt wohl jeder von seinen eigenen Waren, aber meine ist wirklich nicht schlecht. Viele Griechen kaufen bei mir immer mal wieder ein, und mein Verwalter schwört, dass er immer wieder mal ein Päckchen nach Rom schickt. Aber das glaub ich ihm nicht so ganz.“ -
“Also, mir war schon fast wieder kalt, und ich bin froh, dass es wieder wärmer wird. Aber ich bin jetzt auch schon ein ganzes Jahr hier, da gewöhnt man sich wohl an das Wetter.“
Axilla zuckte nur leicht mit den Schultern und war froh, dass Rufus aus ihrem Zögern geschlossen hatte, sie hätte keinen Ärger bekommen. Sie hätte ihm zwar die Wahrheit nun auch sagen können, denn von Urgulania angedroht zu bekommen, zu Silanus geschickt zu werden oder gleich zu den Vestalinnen gesteckt zu werden fiel bestimmt unter mindestens mittelschweren Ärger. Aber sie wollte das Rufus auch gar nicht erzählen, dann hätte sie ihm womöglich noch die ganze Wahrheit erzählen müssen, und das wollte sie noch viel weniger. So ließ sie ihn einfach in seiner wenn auch falschen Annahme und ging nicht weiter darauf ein.
“Ich wollt nur ein wenig spazieren gehen. Einfach so, ich hab kein Ziel. Ein bisschen aus dem Haus raus. Heute wollt ich da nicht den ganzen tag nur rumsitzen und Löcher in die Luft schauen.
Ich hatte überlegt, zum Markt zu gehen, aber… naja, du hast sicher von der Sache am Tor schon gehört. Und allein wollt ich deshalb lieber nicht gehen, wo du auch erst überfallen worden bist. Nicht, dass ich noch überfallen werde und Ärger kriege.“
Die anderen Konsequenzen eines Überfalls waren für Axilla nicht einmal annähernd so abschreckend wie die vage Möglichkeit, Urgulania könnte deswegen wütend sein. Ob sie niedergeschlagen oder verletzt werden würde, die Idee kam ihr noch nicht einmal.
“Aber zusammen können wir wohl hingehen. Vielleicht finden wir ja was schönes. Was mag deine Cousine denn so?“
Axilla hatte noch nie für jemanden wirklich selber ein Geschenk ausgesucht. Noch gar nicht für jemand unbekannten. -
Ganz plötzlich riss sie eine vertraute Stimme aus ihren Gedanken. Nicht, dass sie an irgendwas wirklich gedacht hätte, es war eher ein aktives Nicht-denken gewesen, aber dennoch schreckte sie hoch, als Rufus sie so unvermittelt von hinten ansprach. Ihr Herz hämmerte vor Schreck wie wild, aber eigentlich war es ein schönes Gefühl, Axilla fühlte sich gern ganz aufgeregt. Trotzdem war sie wohl deutlich zusammengezuckt und sah Rufus erst einen Moment mit erschreckten Augen an, ehe sie leicht und entschuldigend lächelte.
“Oh, Rufus, Chai… ähm, salve. Ärger? Ähm…” Axillas Blick wandte sich zum Boden. Sie wollte ihm jetzt nicht so auf die Nase binden, was sie an Ärger bekommen hatte und was Urgulania ihr alles gesagt hatte. Nicht, dass er deswegen noch ein schlechtes gewissen bekommen würde. Immerhin war das ja ganz allein ihre Schuld und nicht seine. Aber anlügen wollte sie ihn auch nicht direkt, also besah sie sich den Boden.
Zum Glück wuschelte da Amala durch ihr Blickfeld und lenkte sie von dieser schwierigen Entscheidung ganz gekonnt ab.
“Oh, du hast Amala rasiert? Die sieht ja jetzt lustig aus! Chaire, Amala.“
Axilla beugte sich leicht zu dem Hund, immer darauf achtend, ihm nicht direkt in die Augen zu schauen. Axilla mochte Tiere, sie kam mit den meisten Tieren besser klar als mit den meisten Menschen und wusste meist instinktiv, was sie machen musste, um nicht angefeindet zu werden. Und so streichelte sie schnell Amala, und hatte über diese Begrüßung die Frage nach dem Ärger ganz verdrängt. -
Die Sonne wurde langsam wieder wärmer. Sofern man das in diesen Gefilden überhaupt irgendwie spürbar ausmachen konnte, denn warm war es immer, und selbst in der Regenzeit schien immermal wieder die Sonne. Doch heute war es mal wieder besonders schön und besonders warm. Zumindest erschien Axilla dieser Tag so. Der Himmel war von einem unendlichen blau und es sah nicht so aus, als würde es die nächste Stunde zu regnen anfangen. Perfektes Wetter für einen Geburtstagsspaziergang also.
Axilla schlenderte gedankenverloren einfach durch Basileia. Sie überlegte noch, hinaus zu gehen, zum Markt vielleicht, aber das ließ sie lieber bleiben. Wie immer hatte sie niemanden dabei, und zur Zeit war es wohl nicht so sicher für einzelne Römer, herumzustromern und dabei verträumt in der Gegend rumzuschauen. Da blieb sie besser in den schützenden Mauern des Königsviertels, bevor sie noch mehr Ärger bekam, weil sie überfallen wurde. Bestimmt bekäme sie dann noch viel mehr Ärger, als sie ohnehin schon gehabt hatte.
So schlenderte sie über die hellen Pflastersteine ohne Ziel einfach dahin und vertrat sich ein wenig die Beine an der warmen Luft. -
Axilla unterdrückte den Drang, Urgulania aufzuklären. Ob sie bei Silanus in sittsamerer Gesellschaft wäre und sich keuscher verhalten würde war zu bezweifeln. Und das mit den Vestalinnen ging aufgrund der ein oder anderen „Kleinigkeit“ wie fehlender Jungfräulichkeit auch nicht mehr. Aber das sagte sie besser auch nicht, sonst glaubte Urgulania am Ende noch, sie und Rufus hätten miteinander geschlafen. Und der war ja wirklich der einzige in dieser ganzen Sache, der unschuldig an dem Schlamassel jetzt war. Der war nur auf der Straße falsch abgebogen und hatte sich ausrauben lassen.
Also nickte sie nur ganz kleinlaut und sah dabei beständig und beschämt zu Boden. Sie würde Urgulania nicht mehr enttäuschen, nahm sie sich ganz fest vor.
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Es war soweit. Der Tag war gekommen. Natürlich war es unabwendbar gewesen, denn niemand konnte die Zeit aufhalten. Selbst die Götter waren an die Zeit gebunden und erlebten sie wie alle Sterblichen auch. Und sie verflog manchmal wie im Nu.
Axilla hatte Geburtstag.Sie fühlte sich gar nicht nach Geburtstag. Sie fühlte sich auch nicht nach Feiern. In letzter Zeit war so einiges schief gelaufen, weswegen sie auch ihrer Ansicht nach keine Geschenke verdient hatte. Daher hatte sie es auch keinem gesagt. Nur Leander wusste davon – wie er eigentlich von allem wusste, was Axilla so sagte, dachte und tat – aber der hatte ihr hoch und heilig schwören müssen, es niemandem zu sagen. Axilla wollte schließlich nicht feiern.
Doch einer Sache konnte sie sich nicht ganz verwehren. Ihr Genius, ihr guter Geist, der seit ihrer Geburt über sie wachte, der musste natürlich an diesem Tag geehrt werden. Auch wenn Axilla es nicht so mit der Religion hatte und die Götter gerne mal Götter sein ließ, gab es so ein paar kleine Dinge, die sie doch nicht außer Acht lassen konnte. Und dazu gehörten die Laren, die Manen und eben ihr Genius. An die guten Geister, die sie umgaben, glaubte sie trotz allem und daher gehörte es sich ja auch, ihrer zu gedenken. Vor allem, wenn es nur einmal im Jahr wirklich wichtig war.
Sie hatte sich also von Leander einen kleinen Opferkuchen besorgen lassen und dazu eine kleine, dünne Kerze. Dazu hatte sie ein paar hübsche Blumen ausgesucht, und nun brachte sie alles zum Hausaltar und baute es auf. Sie sah sich noch mal um, ob auch außer ihrem Sklaven niemand sonst in der Nähe war, der sie am Ende noch verpetzte, ehe sie anfing und die Kerze anzündete.
“Genius, mein guter Geist. Ein weiteres Jahr ist vergangen, ich bin älter geworden. Ich möchte dir danken, dass du seit meiner Geburt über mich wachst, mein guter Dämon, und mir ein weiteres Jahr mit Glück beigestanden hast. Für dich habe ich Kuchen, eine Kerze und Blumen gebracht. Ich hoffe, du verzeihst, wenn ich dich nicht mit meinem Freunden feiere. Aber ich fühle mich nicht so sehr nach feiern. Du weißt ja, was alles passiert ist, du bist ja stets bei mir. Ich möchte da jetzt nicht noch Geschenke bekommen, daher hab ich nur deine Geschenke hier für dich.“
Axilla blieb noch ein Weilchen auf ihren Knien einfach sitzen und sah zu, wie die dünne Kerze schnell herunterbrannte und ihr Wachs auf den Kuchen tropfte. Als es zu viel wurde, blies sie die Kerze vorsichtig und sacht aus und sah dem dünnen rauchfaden zu, wie er sich emporschlängelte. Hoffentlich war ihr Genius mit diesem doch recht kleinen Opfer zufrieden. Aber andererseits, es gab auch viele, die diesen Ehrentag gar nicht feierten, und die lebten auch noch.Axilla überlegte, was sie nun mit ihrem Geburtstag noch vollends anfangen sollte. Ihr letzter Geburtstag war von den Vorbereitungen für ihre Reise nach Alexandria und den restlichen Verkäufen des elterlichen Anwesens überschattet gewesen. Heute hatte sie nicht zu tun.
Aber der Himmel war heute wieder klar, die Regenzeit war größtenteils vorüber. Nur ab und an regnete es noch. Axilla beschloss, einfach einmal raus zu gehen und ein wenig zu spazieren. Das machte sie gern, dabei gab es immer etwas zu entdecken und es schien ihr, als könne sie ihre Probleme einfach zurücklassen für eine Weile. -
Die Hoffnung, dass ihre Entschuldigung der Standpauke die Heftigkeit nehmen würde, war wohl etwas verfrüht. Urgulania machte ihr sehr deutlich, wie falsch ihr Verhalten gewesen war. Am liebsten wäre Axilla im Boden versunken, doch leider hatte Pluto wohl nicht soviel Gnade, ihn für sie aufzutun und sie hinabsinken zu lassen.
Es kam nur immer wieder ein sehr zerknirschtes “Ich weiß“ von Axilla, während sie immer kleiner und kleiner wurde. Natürlich wusste sie um die Familiengeschichte, natürlich wusste sie, dass sie auf ihren Ruf zu achten hatte und natürlich wusste sie auch, dass sie standesgemäß heiraten sollte, auch wenn sie daran am liebsten gar nicht dachte. Dafür genoss sie ihre Freiheit eigentlich viel zu sehr. Dennoch fühlte sie sich ganz schrecklich, weil Urgulania, auf die sie ja so große stücke hielt, ihr das alles so vor Augen führte.
“Es tut mir ganz furchtbar leid. Es kommt ganz bestimmt nicht wieder vor.“
Sie erwähnte jetzt besser nicht zu ihrer Verteidigung, dass sie aus eben jenen Gründen auch abgelehnt hatte, mit Silanus nach Rom zu gehen und ihn zu heiraten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass das die Cousine nur noch ärgerlicher machen würde, und vor allem die Frage aufwerfen würde, warum sie überhaupt ihren Cousin hätte ehelichen sollen. Nein, dazu schwieg sie lieber. -
Einen kurzen Moment war Axilla versucht, zurückzugiften und als Antwort, wie sie hier hereingekommen war, einfach „Zu Fuß“ oder „Erster Gang links und dann dritte Tür“ zu sagen, aber für sowas war die Situation hier viel zu ernst und außerdem hatte der Magister ja nicht ganz unrecht. Sie war ja ohne Anzuklopfen oder irgendwelche Höflichkeitsformeln hereingeplatzt und hatte den Mann überrascht. Trotzdem hätte er ihr zuhören können, vor allem,d a es ja auch so wichtig war.
Versöhnlich und sichtlich verwirrt und außer Atem begann sie also auf ein neues in der Hoffnung, er würde ihr diesmal zuhören.
“Ich weiß, dass er in einer Besprechung ist. Da muss ich ja auch hin. Wegen dem toten Römer in Rhakotis gibt es fast einen Aufstand am Tor zu Basileia. Ich muss wirklich ganz dringend jetzt deswegen mit ihm sprechen. Ich weiß, dass er deswegen jetzt schon eine Besprechung hat. Aber es ist wirklich wichtig, bevor es noch Tote gibt.“
Nikolaos und Timos wollte sie aus der ganzen Sache lieber vorerst raushalten. Sie wusste ja, dass einige Römer da merkwürdig reagierten, weil die Griechen noch ihren eigenen Mini-Senat hier in der Stadt hatten. Axilla fand das zwar auch mitunter verwirrend und seltsam, aber nicht wirklich schlimm. Vor allem mochte sie ja alle Pyrtanen, die sie bislang kennengelernt hatte, sehr gerne, und sie war schon immer ein Mensch gewesen, bei dem Sympathie mehr zählte als alles andere.
Die Frage, wer sie geschickt hatte, ließ sie kurz zögern. “Niemand hat mich geschickt?“ antwortete sie wahrheitsgemäß und verwirrt. Doch gleich darauf verstand sie die Frage. Natürlich, sie war ein Mädchen! Eine Frau ging nicht mal so eben zum Praefectus, schon gar nicht auf eigene Faust, und erst recht nicht wegen Aufständen. Der Magister hier konnte ja nicht wissen, dass sie nicht lange darüber nachgedacht hatte, wie das aussehen würde und so etwas spontan entschlossen hatte. Das nächste Mal würde sie sich dafür wohl was ausdenken müssen, aber jetzt war es dafür zu spät und auch zu wichtig, jetzt weiterzukommen. Wäre Nikolaos doch mitgekommen, der konnte sowas viel, viel besser als sie! -
“Warte, ich begleite dich noch raus“, rief Axilla noch schnell und hüpfte halb von der Cline, Rufus hinterher, um ihn zur Tür schnell zu begleiten. Sie hoffte, er war nicht böse, dass er so schnell hinauskomplimentiert worden war. Er musste ja wirklich einen schlechten Eindruck von den Iuniern jetzt haben.
Als Rufus dann schließlich gegangen war, kam Axilla fast schleichend wieder zurück ins Triclinum und zu Urgulania. Sie konnte den Vortrag, der sicher folgen würde, fast schon wittern. Vielleicht war Angriff ja die beste Verteidigung?
“Ich weiß, was du gleich sagen wirst, Urgulania. Aber ich konnte ihn ja auch nicht einfach mit den Stadtwachen wieder zurückschicken, nachdem sie ihn schon abgeladen hatten und am gehen waren. Ich meine, wir sind befreundet, und Freunden muss man doch beistehen, wenn sie Hilfe brauchen, nicht?
Ich weiß, ich hätte dich fragen sollen, damit du vorbereitet bist. Ich meine, wenn ein junger Mann morgens aus unserer Casa spaziert, das sieht natürlich für neugierige Nachbarn dann doof aus. Aber, es war ja wirklich alles ganz harmlos. Ich schwör’s dir!
Aber es wird auch nicht wieder vorkommen. Das war wirklich eine einmalige Ausnahme.“
Unsicher schaute Axilla zu Urgulania auf und hoffte, dass ihr kleines Eingeständnis die erwartete Schelte verhindern oder zumindest abmildern würde.