Beiträge von Iunia Axilla

    Axilla hatte auch keine Ahnung, wer dieser Wotan war, wusste nicht, was ein Troll sein sollte und hatte auch nur eine grobe Vorstellung von Riesen. Wobei sie nach all dem Vorangegangenen nicht sicher war, ob Rufus mit Riese dasselbe meinte wie sie. Vor allem das mit dem Hammer kam ihr merkwürdig vor. Warum sollte jemand einen Hammer wegwerfen? Nungut, wenn man denn gar keine andere Waffe hatte, aber ein Gladius oder ein Pilum war doch sicher exakter als ein Hammer? Vor allem, wenn man die auch noch warf! Wer warf denn schon seine Waffe weg, wenn man nicht grade Steinschleuderer war?
    Aber da nickte ihr Rufus auch schon fast wieder weg und sie stupste ihn leicht, damit er wieder aufwachte. Als hätte er das davor vergessen, erzählte er nun von der Musik, und dass man Heldengeschichten nicht sang. Seltsame Art und Weise. Diese Skalden waren wohl sehr anders als die Rhapsoden, die sie kannte. Auch wenn selbst die Rhapsoden kaum noch in Mode waren.
    “Naja, vielleicht kannst du es ja lernen? Penelope, also, das ist die Frau von einem guten Bekannten von mir, die unterrichtet das am Museion. Ich hab ja zu klobige Hände für sowas, aber du kannst es dir ja mal überlegen?“
    Sie schaute ihn kurz an und fürchtete, dass er bei diesem Thema ihr gleich wieder wegpennte. Also fragte sie ihn weiter nach diesem komischen Helden, über den es nichtmal Lieder gab.
    doch dann wurde sie abgelenkt, als die Tür noch einmal aufging und Leander hereinkam. Der griechische Sklave schaute kurz unsicher und dann verlegen, und stellte dann nur schnell die Waschschüssel ab. Axilla sah ihn einen Moment fragend an, ehe sie bemerkte, dass sie ja fast mit Rufus kuschelte und sich schon denken konnte, was Leander nun von ihr dachte. Innerlich grummelte sie ein wenig, weil ihr Sklave ja von den beiden anderen Verfehlungen von ihr wusste und nun natürlich zu diesem Schluss kommen musste. Aber doch hatte sie gedacht, er würde sie da besser kennen. Da es dem Griechen peinlich zu sein schien, entließ sie ihn mit einem Kopfnicken und einer Handbewegung.
    “Und was sind Berserkerweiber? Und was hat dieser Donar dort gemacht?“, stupste sie Rufus noch einmal an, damit er wacher wurde und weitererzählte.

    Warum man diese Sveija wohl entführt hatte? Die Ducii mussten wohl mächtige Feinde haben, wenn man sie entführte und folterte. Das machte man ja nicht einfach so, weil es einem Spaß machte. Obwohl es auch solche Menschen gab. Doch allzu lange konnte Axilla da nicht drüber nachdenken, denn Rufus sagte gleich schon wieder was, was sie nicht verstand. Wer war Donar und was war ein Mjöllnir? Klang beides schmerzhaft.
    Rufus erzählte noch ein wenig weiter, und dann plötzlich schnarchte er! Verdammt, jetzt war er ihr doch eingeschlafen, aber das sollte er doch nicht mit dem Kopf!
    Axilla rüttelte ihn sofort wieder wach an der Schulter. “Hey, nicht schlafen jetzt, bleib wach, Rufus.“
    Als sie ihn soweit wieder wach hatte, dass er die Augen aufhatte und sie anschaute, lächelte sie ihn an und legte sich tiefer zu ihm. So hatte sie ihn besser unter Kontrolle, was das einschlafen anging, da merkte sie es schneller und konnte mit ein paar kleinen Handbewegungen ihn wieder wachrütteln. Auch wenn nun, da sie auch richtig neben ihm lag, die Chance bestand, dass sie einschlief. Immerhin war schon spät und eigentlich war sie ja selber hundemüde.
    “Du wolltest mir grade von Donar und diesem Mjöllnar erzählen. Wer sind die? Sind das Helden, über die es Lieder gibt? Kannst du mir eines vorsingen?“
    Singen fand Axilla nicht so schwer wie erzählen, und gleichzeitig hielt es wacher, weil man sich auf mehrere Sachen konzentrieren musste. Jetzt durfte nur sie nicht einschlafen.

    “Jemand hat eure Dienerin entführt?“
    Axilla war ein wenig überrascht. Natürlich gab es immer mal solche Übergriffe, allerdings hatte sie noch nie jemanden wirklich getroffen, dem sowas passiert war. Aber auf dem Landgut in Tarraco war sie auch etwas ab vom Schuss gewesen, und hier in Alexandria war sie ja auch sehr behütet. Da war es schon etwas erstaunliches, so etwas zu erfahren.
    “Germania muss aber sehr gefährlich sein.“
    Sie nahm ihm den Becher wieder ab, als er fertig war, und stellte ihn auf das Tischchen neben dem Bett, wo auch der Krug stand. Sie redete einfach in ihrer gewohnten Art weiter, vom einen Gedanken zum nächsten huschend, ohne wirklich erkennbare Logik darin. Aber sie war schon immer dem Chaos näher gewesen als der Ordnung, wie ihr Lehrer es auszudrücken gepflegt hatte.
    “Ich weiß nicht, ob alle Nubier so sind. Ich kenn ja nur ein paar. Aber vielleicht ist es in ihrem Land auch so gefährlich, dass man da einfach etwas ruppiger sein muss? Hmmm, wenn ich ein Mann wäre, würde ich glaube ich mal da hinreisen, um es mir anzuschauen und das herauszufinden. Wäre doch interessant, oder?“
    Axilla wusste eigentlich gar nichts von Nubien, nur, dass es im Süden irgendwo lag. Das war aber auch schon ihre gesamte, geballte Kenntnis über dieses Land, hatte es sie bislang auch einfach noch gar nicht interessiert.
    Bevor Rufus aber wieder einzuschlafen drohte, streichelte sie noch einmal leicht über seine nackte Schulter und fragte ihn dann etwas, damit er weiter mit ihr redete.
    “Wie ist das eigentlich in Germanien so? Wie sieht es da aus? Was macht man da so? Kannst du mir vielleicht eine Geschichte erzählen?“
    Axilla liebte Geschichten. Axilla brauchte Geschichten. Geschichten waren ein Stück Wirklichkeit, dass der eigenen Wirklichkeit doch fern genug war, um zu träumen. Und vielleicht kannte Rufus ja die eine oder andere, gute Geschichte, die sie bislang noch nicht kannte.

    Er erhob sich von ihrem Schoß, und Axilla war sich einen Moment nicht schlüssig, ob sie das gut oder weniger gut finden sollte. So konnte sie sich natürlich bequemer hinsetzen, allerdings merkte sie so nichtmehr, ob er ihr nicht doch einschlief. Bei seiner Erklärung zu Silko nickte sie einfach.
    “Achso. Ja, Urgulania hat auch einen Nubier als Leibwächter. Psammytichus, ein riesengroßer Kerl, aber leider nicht sehr freundlich. Und am Gymnasion sind auch ein paar als Sklaven, aber mit denen hab ich mich noch nicht unterhalten.“
    Rufus schien ihr sehr müde zu sein, und sie überlegte schon, womit sie ihn weiter wach halten konnte, als sie sein Danke hörte und sein trockenes schlucken bemerkte.
    Sie sah zu Leander hinüber, der noch zusammengeräumt hatte, um die beschmutzten Stoffstücke nun wegzubringen, und gab ihm Zeichen, er solle Wasser mitbringen und auch das Wasser in der Waschschüssel auswechseln. Der Grieche nickte stumm und entfernte sich lautlos.
    Axilla setzte sich etwas bequemer aufs Bett, den Rücken nun am Kopfende an die Wand gelehnt, die Füße ausgestreckt neben Rufus. So hatte sie ihn noch gut im Blick und konnte den nassen Lappen, der bei seinem Aufrichten heruntergerutscht war, wieder auf seinen Nacken legen. Ganz leicht streichelte sie ihm danach über die Schulter, wie man das bei kranken Verwandten gerne mal machte. Auch wenn sie gar nicht Verwandt waren, aber Axilla hatte sich bisher nur um ihre Mutter gekümmert, sonst war nie jemand wirklich krank gewesen.
    Leander kam auch schon wieder zurück mit einem Krug und einem Holzbecher, um sodann mit der Waschschüssel auch gleich wieder zu verschwinden, um diese auszukippen und auch hier mit frischem Wasser dann zurückzukehren. Axilla goss etwas Wasser in den Becher und stupste Rufus dann leicht an der Schulter an. “Komm, trink ein bisschen was.“ Sie hielt ihm den Becher hin, dass er selber trinken konnte, wenn er wollte. Vielen war es ja peinlich, wenn sie so wackelig auf den Beinen waren, dass sie selbst dabei Hilfe brauchten, und sie wollte ihn da nicht beschämen. Aber dennoch war sie bereit, ihn zu stützen, wenn er Hilfe brauchte.
    “Und dieser Silko ist bei deiner Familie in Mogontiacum?“ fragte sie einfach weiter. Nicht, dass sie wirklich so neugierig war, aber irgendwie musste sie ihn wach halten. Und ihr fiel jetzt nichts ein, was sie ihn sonst so hätte fragen können. Dafür war ihr die Situation von vorhin noch viel zu peinlich, und sie war sich nicht sicher, ob sie jetzt einfach wild das Thema wechseln sollte.

    Anfangs war die Straße noch relativ frei gewesen, aber je näher sie der Basileia gekommen waren, umso mehr Leute waren dort gewesen. Menschen, die Axilla in ihrem Leben noch nie gesehen hatte, einige mit kaum mehr als Fetzen als Kleidung, viele recht schmutzig. Bislang hatte sie eher die bunten und vornehmen Griechen gesehen, oder die wohlhabenden Händler am Fremdenmarkt, oder auch mal die Seeleute am Hafen. Aber die Menschen jetzt, die scheinbar von Rhakotis hierher gelaufen waren, die hatten etwas erschreckendes an sich.
    Axilla war halb fasziniert, halb beunruhigt über das, was sich abspielte. Die drei großen Nubier vom Gymnasion teilten für Nikolaos und sie die Menge, so dass sie schließlich zum Tor durchkamen. Im Moment war Axilla um die großen Männer gar nicht undankbar. Wenn sie daran dachte, dass sie am Abend allein hier entlang gegangen wäre, stieg ein seltsam unbekanntes Gefühl in ihr auf.
    Sie blieb bei ihren Beschützern zurück, während Nikolaos nach vorne zu Timos ging. Axillas Blick folgte ihm, heftete sich dann aber auf dem Strategos fest. Er sah so ernst aus, wie er da stand. Sonst kannte sie ihn eher lustig und gelöst, aber im Moment hatte er etwas hartes an sich, das sie so von ihm bislang noch gar nicht kannte. Etwas beinahe soldatisches. Und je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr schwand das beklemmende Gefühl. Timos mochte sie, das wusste sie. Und er hatte graue Augen. Sie war sicher, ihr würde nichts passieren.
    Mutiger nun schaute Axilla die Menge an, sah zu, wie einzelne Wächter sie zurückdrängten und einzelne Schreihälse herauszogen. Sie beobachtete genau und ruhig die Gesichter der Leute, versuchte herauszuhören, was sie alles riefen. Einige riefen Sachen auf Demotisch, was sie nicht verstand, andere in den verschiedensten griechischen Akzenten. Und plötzlich rief jemand ihren Namen dazwischen.
    Es dauerte einen Augenblick, ehe Axilla merkte, dass es Nikolaos gewesen war, der sie gerufen hatte. Sie riss sich von ihrer Betrachtung der Menge los und kam flinken Fußes zu ihm herüber. Wenn er sie jetzt und hier rief, war es wohl wichtig. Und er hätte sie ja auch nicht mitgenommen, wenn es überhaupt unwichtig gewesen wäre, sie mitzunehmen. Auch wenn Axilla keine Ahnung hatte, was sie schon tun könnte.
    “Ja, Nikolaos?“ schaute sie ihn fragend an, und dann kurz vorbei an Timos, den sie mit einem kleinen Lächeln begrüßte. “Chaire, Thimótheos.“
    Ihre gelassene Art mochte angesichts des halben Aufstandes hinter ihr merkwürdig wirken, aber im Moment fühlte sie sich so beschützt wie es nur ging. Da konnte auch die Menge im Hintergrund nichts daran ändern.

    Sie sollte mitkommen? Axilla sah einen Moment unsicher auf Nikolaos, der ganz hektisch war, und dann auf ihre Hände. Da klebte überall noch Tinte. So war sie bestimmt keine allzu große Hilfe. Aber sie konnte ja schlecht sagen, dass sie nicht wollte. Vor allem nicht aus so einem kindischen Grund wie Tinte an den Fingern. Also nickte sie nur und sah Nikolaos zu, wie er versuchte, sich die Schuhe auszuziehen, es aber nicht hinbekam.
    Hatte er Angst? Axilla schaute den Gymnasiarchos einen Moment lang fragend an. Sie war nur etwas aufgeregt. Rufus war ja auch erst überfallen worden, und nun noch ein toter Römer, das war nicht gut. Wenn es einen richtigen Aufstand geben würde und das erst die ersten Vorboten waren, könnte es gefährlich werden. Aber wirklich Angst hatte sie nicht. Ihr würde schon nichts passieren, ihr war noch nie etwas passiert.
    Aber Nikolaos schien richtig Angst zu haben. Er wirkte fahrig und hektisch, und beließ die Schuhe schließlich, wie sie waren. Flink eilte er an ihr vorbei und durch die Tür. Sie hatte noch nie erlebt, dass er Angst hatte. Sonst war er immer so selbstsicher und souverän, so charmant und weltgewandt. Ein typischer Redner eben. Axilla mochte das an ihm ja besonders, da fühlte sie sich gleich sicherer. Und das brauchte sie sehr, denn im Grunde genommen hatte sie sonst nichts, was ihr wirklich Sicherheit gab. Natürlich wusste Nikolaos das nicht, und sie würde auch nie ein Wort darüber verlieren. Aber doch brachte es ihre kleine Welt ein wenig ins Wanken, was sie so gar nicht brauchen konnte. Ein sehr unschönes Gefühl, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. Am Ende musste sie noch darüber reden, wenn sie nun auch unsicher wirkte.


    So eilte sie einfach hinter Nikolaos und dem Stadtwächter hinterher zum Tor der Basileia.

    Und plötzlich war Cleonymus weg und sie war mit Timos allein. Axilla drehte unsicher ihren Becher ein wenig in der Hand. Seit dem Fest, auf dem sie sich getrennt hatten, hatten sie beide nicht mehr miteinander gesprochen. Und jetzt waren sie allein miteinander, auch auf einem Fest. Wenn dieses Fest hier auch weniger Gefahr lief, zu einer Orgie zu werden. Sie folgte Timos zu den Clinen und setzte sich darauf. Wie sie den Hinweis mit Urgulania zu verstehen hatte, wusste sie nicht so genau. Aber da dachte sie auch gar nicht so lange darüber nach.
    “Öhm, mir geht es ganz gut, denk ich. Also, nein, nicht denke ich, mir geht es ganz gut. Ich hab jetzt eine kleine Farbmischerei, die läuft ganz gut, und dann noch die Arbeit bei Nikolaos. Ich hab jetzt viel mehr zu tun als früher, also was richtiges zu tun.“
    Timos hatte sie zu einer Zeit kennengelernt, wo ihr hauptsächlich eines war: langweilig. Das hatte sich zum Glück ein wenig gebessert, und sie musste nicht mehr so sehr nach Dingen suchen, die sie ablenkten.
    Allerdings war sich Axilla nicht ganz sicher, ob Timos die Frage so gemeint hatte. Man konnte sie auch durchaus anders auffassen. War das ein Versuch, herauszufinden, ob sie ihn vermisst hatte? Darauf wäre ihr die antwort schon viel schwerer gefallen. Sie war auch nur ein Mensch, und nun schien es ihr wie eine Ewigkeit her zu sein, seine süßen Verführungen genossen zu haben und die Zärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten. Natürlich vermisste Axilla die, das konnte – und vor allem wollte – sie nicht von ihren Sklaven bekommen oder von sonstigen Leuten, die sie umgaben. Und da war sie auch nur ein junger Mensch. Allerdings konnte sie ihm das keinesfalls auf die Nase binden. Zumal sie ja auch gar nicht wusste, ob er das so gemeint hatte.
    “Und du bist jetzt Strategos und hast ein neues Haus“, lächelte sie ihn an und schloss mit einer kleinen Handbewegung die ganze Umgebung ein. “Dir geht es also auch gut?“

    Abgehetzt kam ein Mann von der Stadtwache fast in die Stege hineingefallen. Axilla schaute verwirrt von den Listen, die sie grade bearbeitete auf. Normalerweise kamen die Leute hier eher gesittet und langsam rein, aber der Mann hier brach ja fast zusammen und stützte sich auf dem Schreibtisch ab. Natürlich in ihren gerade frisch geschriebenen Listen, die sie dort zum austrocknen hingelegt hatte. Sie wollte grade schon grummelig etwas sagen, als der Sinn seiner Worte plötzlich zu ihr durchdrang.
    Sie schaute ihn einen Augenblick noch an wie ein Reh und wurde dann plötzlich ganz hektisch.
    “Oh, ähm, ja, natürlich, warte hier.“
    Flink und selbst etwas überhastet stand sie von ihrem Schreibtisch auf und ging die paar schritte zu der Tür zu Nikolaos Büro. Sie atmete einmal kurz durch und trat dann ohne anzuklopfen ein. Sofort schloss sie hinter sich die Türe und ging hastig bis zu ihrem Arbeitgeber hinüber.
    “Nikolaos, da draußen steht ein Stadtwächter. Irgendjemand hat wohl einen Römer getötet und es gibt Ärger am Tor der Basileia. Es sind wohl auch schon Offiziere von der Legion unterwegs und Timos möchte, dass du auch dazukommst.“
    Hatte sie gerade die vertrauliche Anrede für den Strategos gewählt? Verdammt, hatte sie. Aber vielleicht bemerkte Nikolaos es ja gar nicht oder dachte sich nichts weiter dabei. Immerhin war die andere Nachricht viel interessanter als die Frage, wie gut sie und Thimótheos Bantotakis sich kannten.

    Offenbar hatte der Schlag auf den Kopf seine Gedanken ganz schön durcheinandergebracht. Er verwechselte die Hälfte, oder er hatte ihr nicht richtig zugehört. Und wer oder was ein Silko war, hatte sie auch keine Ahnung.
    “Nein, das war die Stadtwache. Die haben dich gefunden und hierher getragen“, wiederholte sie noch einmal, was sie auch eben schon gesagt hatte.


    Axilla fühlte sich ein wenig hin und hergerissen wegen seinen Worten. Einerseits natürlich war sie froh, dass er das sagte. Sie wollte ja wirklich gerne einen Freund haben, und wenn es ihm leid tat, dass er ihr gesagt hatte, dass sie keine Freundin war, hieß das ja, dass sie doch eine war. Zumindest könnte es das heißen. Das wäre sehr wünschenswert für sie.
    Aber andererseits hatte sie Schuldgefühle, weil sie ihn wirklich nicht sehr gastlich behandelt hatte, hinausgeschmissen hatte und er dann auch noch überfallen und niedergeschlagen worden war. In einer Gasse irgendwo, so wie es sich anhörte. Sofern er das nicht auch grade vollkommen verwechselte.
    Hin und her gerissen zwischen dem, was sie nun aus dieser Aussage machen sollte, beschloss Axilla, die einfachste Lösung zu nehmen: Auf morgen verschieben. Vielleicht fiel ihr dann ja was besseres ein.


    Sie konzentrierte sich lieber auf das näherliegende. Rufus lag noch immer den Kopf auf ihren Schoß gebettet, und sie saß so mit untergeschlagenen Beinen auf dem Bett. Für ihn war es sicher bequem, für sie im Moment auch noch, aber sie konnte so nicht die ganze Zeit sitzen bleiben. Aber Rufus einfach runterschieben oder auch nur darauf aufmerksam zu machen brachte sie auch nicht übers Herz. Nicht, nachdem er ihretwegen so einen Schlag abbekommen hatte.
    Also musste sie sich davon ein wenig ablenken. Und außerdem musste sie Rufus am Einschlafen hindern. Warum genau war ihr zwar immer noch entfallen, aber das war ja auch nicht so wichtig.
    “Und was ist ein Silko?“ fragte sie also einfach und bewegte sich dabei leicht, so dass Rufus ganz sanft ein wenig bewegt wurde und so wacher werden musste, wenn er am Einschlafen gewesen wäre. So genau konnte sie das nicht sehen, wenn sie sich nicht komplett über ihn beugen wollte.

    Scheinbar kam er zu sich. Zumindest hatte er aufgehört, sich zu übergeben und lag nun schon einige Momente mehr oder weniger ruhig auf ihrem Schoß, bis er schließlich auch anfing, zu reden. Auch wenn es eine Weile dauerte und sie erst glaubte, er wollte seine Waffe haben oder Wasser oder etwas vergleichbares. Doch dann kam schließlich doch noch ein Satz träge über seine Lippen.
    Sie wischte weiter mit dem Lappen vorsichtig über seinen Körper, während Leander das letzte bisschen Erbrochenes beseitigte und noch einmal ein frisches Tuch vor Rufus ausbreitete.
    “Ich weiß es nicht genau. Dich haben wohl zwei Stadtwächter hergebracht, mehr weiß ich auch nicht. Du hast einen Schlag auf den Kopf gekriegt. Da bekommst du eine Beule. Und an der Stirn hast du eine kleine Platzwunde. Die hat aber schon aufgehört, zu bluten.“
    Was konnte sie noch sagen? Axilla war absolut nicht gut in sowas. Sie kam sich so hilflos vor und alles, was sie sagte, klang so doof.
    “Aber jetzt bist du in Sicherheit. Ich hab dich in ein Gästezimmer bringen lassen, damit wir deine Wunde auswaschen können und so. Es ist ja schon sehr spät, da wollt ich niemanden in der Regia mehr wecken.“
    Axilla tauchte den Lappen noch mal in das kühle Wasser, wrang ihn mit einer Hand leicht aus und legte ihn dann kühlend in Rufus’ Nacken vorsichtig ab. Das hatte sie bei ihrer Mutter immer gemacht, und die hatte gemeint, das täte gut. Wenn es Rufus unangenehm war, würde er sich hoffentlich melden.
    “Weißt du denn nicht mehr, was passiert ist?“

    Ganz vorsichtig tupfte Axilla die Wunde sauber, während Rufus irgendwas vor sich hinmurmelte. Sie verstand nicht, was es war, zum einen war es genuschelt und zum anderen in einer Sprache, die sie nicht kannte – oder so extrem genuschelt, dass es sich wie eine andere Sprache anhörte, das konnte man nicht ausschließen. Doch ganz plötzlich schreckte er hoch, sah Axilla einen Moment mit glasigen Augen an und drehte sich dann auch schon zur Seite, um sich zu übergeben. Mitten aufs Bett.
    “Leander, hilf mir!“ konnte die Iunia grade noch rufen, während sie nun flink aufs Bett krabbelte, um Rufus zu stützen. Vorsichtig hielt sie ihn am Kopf, während er sich übergab, und bettete ihn danach vorsichtig auf ihrem Schoß, so dass er seitlich liegen konnte, ohne in seinem Erbrochenen liegen zu müssen.
    Axilla zitterte ein wenig. Ihre Mutter hatte sich immer übergeben müssen, wenn sie die Medizin genommen hatte, die der Arzt ihr gegeben hatte. Wenn sie sie überhaupt genommen hatte. Axilla war sich dann immer so hilflos und nutzlos vorgekommen. Sie hatte dann auch nur den Kopf der Mutter gehalten und ihr den kalten Schweiß von der Stirn getupft, während vor allem Iason und die anderen Sklaven herumgewirbelt waren, um alles sauber zu machen und ihrer Mutter so gut es ging zu helfen. Danach hatte sie sich meistens zurückgezogen, war auf ihren Baum oder in den nahen Wald geflüchtet, um sich zu sammeln und Kraft zu gewinnen. Ohne ihren Vater musste sie so stark sein, ihrer Mutter durch die Krankheit zu helfen.
    Und auch jetzt fühlte sie diese eisige Hand, die sich um ihr Herz schloss und sie zittern ließ. Sie fühlte sich so nutzlos und wusste nicht, was sie tun sollte. Das hilft jetzt nicht , schalt sie sich in Gedanken. Ein Feldherr kümmert sich zunächst um die naheliegenden Probleme und bewältigt die, so gut er kann. Das hier war zwar keine Schlacht, aber dennoch versuchte sie diese Lektion, die sie vor langer Zeit gelernt hatte, umzusetzen.
    Und so atmete sie durch – nicht zu tief, um den Gallegeruch nicht zu sehr in die Nase zu bekommen – und tupfte Rufus den Schweiß vom Körper, der sich beim Übergeben wie von selbst gebildet hatte. Leander unterdessen kümmerte sich darum, das Erbrochene so gut es ging zu entfernen und legte noch frische Laken darüber, falls noch etwas nachkam. Das Stroh in der Matratze würde man wohl am nächsten Tag wechseln müssen.
    “Es ist alles in Ordnung. Es wird alles wieder gut…“ versuchte Axilla beruhigend auf Rufus einzureden. Sie hatte keine Ahnung, was die richtigen Worte waren. Sie erinnerte sich nur dunkel daran, dass man nach einem kräftigen Schlag auf den Kopf nicht schlafen sollte. Allerdings wusste sie nicht, warum das so war, aber sicherheitshalber hielt sie Rufus ein wenig wach, indem sie mit ihm redete und immer wieder den Lappen in das Kühle Wasser tauchte und ihn damit vorsichtig im Gesicht und an den Schultern wusch.

    Nachdem Leucos einen anderen Sklaven zu Axilla geschickt hatte, hatte er die Stadtwächter noch zum Gästezimmer geführt. Die beiden luden den Duccier ab wie einen Sack Mehl und verabschiedeten sich dann auch schon recht mürrisch. Da Leucos auch noch müde und sowieso immer schlecht drauf war, brummelte er nur etwas unverständliches und winkte die beiden dann auch schon nach draußen. Wenn sie verschwanden war es ihm nur recht.
    Kaum waren die beiden weg, kam auch schon Axilla angestürzt. Auch sie hatte sich nach dem Baden schon hingelegt und sah ein wenig verzupft aus. “Jemand von uns ist überfallen worden?“ fragte sie, denn sie hatte nicht so ganz verstanden, was der Sklave, der sie geweckt hatte, ihr sagen hatte wollen. Leucos klärte sie kurz auf und bat dann um Erlaubnis, sich wieder schlafen zu legen, die Axilla ihm natürlich gab.
    Leander, den sie im Schlepptau hatte, hatte da nicht so viel Glück. Der wurde nach einer kurzen Inspektion von Rufus’ Wunde am Kopf losgeschickt, eine Schüssel mit Wasser und einen Lappen und alles, was irgendwie nach Heilerutensilien aussah, zu bringen. Wäre es nicht schon so spät gewesen, hätte Axilla auch nach einem arzt schicken lassen und einen Boten zur Regia geschickt. Aber sie wollte niemanden mehr wecken.
    Hätte sie gewusst, dass Anthimos auch Arzt war, hätte sie bei ihm vielleicht weniger Skrupel gehabt, aber das wusste sie ja nicht. So also beschloss sie kurzerhand, dass sie das übernehmen würde, so gut sie konnte.
    Ganz vorsichtig setzte sie sich zu Rufus aufs Bett und beugte sich leicht über ihn. An seiner Stirn klebte ein bisschen Blut. Sie traute sich nicht wirklich es, anzufassen. Nicht,w eil sie sich ekelte, eigentlich fand sie das ja faszinierend. Aber sie hatte Angst, sie würde ihm weh tun.
    Und nachdem er sich vorhin mit ihr so gestritten hatte und gemeint hatte, sie sei gar keine Gastgeberin und nicht seine Freundin, wollte sie jetzt nicht, dass er ihr auch noch unterstellte, sie würde ihn foltern. Aber so liegen lassen konnte sie ihn auch nicht. Also saß sie da und zuckte mit der Hand einfach ein paar Mal in seine Richtung, ohne ihn zu berühren, bis Leander mit der Schüssel und dem Lappen wieder kam.
    “Danke“ flüsterte sie ihm leise zu, als er beides auf das Tischchen neben dem Bett stellte. “Kannst du ihn vielleicht ausziehen und schauen, ob er noch woanders verletzt ist?“


    Leander nickte, und Axilla stand noch einmal auf und ging so lange nach draußen. Sie wollte ihm seine Privatsphäre lassen. Sie hatte zwar schon nackte Männer gesehen, sogar mehr als das, aber sie wollte wenigstens zeigen, dass sie ein bisschen Anstand hatte und sehr wohl wusste, was Gastlichkeit bedeutete. Auch wenn sie keine Freunde waren und Rufus das wohl gar nicht mitbekam.
    Irgendwann war Leander dann wohl fertig und kam nach draußen. “Er hat nur zwei kleinere Wunden am Kopf, sonst habe ich nichts gesehen. Soll ich die Wunden auswaschen Herrin, damit du schlafen kannst?“
    Axilla schaute ihn an, als verstehe sie nicht ganz richtig, dann schüttelte sie den Kopf. “Nein, das mach ich selbst.“
    Sie hatte keine Ahnung, wie Rufus sich so verletzt hatte, aber eines war sicher: Sie war schuld. Hätte sie ihn vorhin nicht so gemein behandelt, wär er sicher nicht gegangen und hätte sich damit auch nicht verletzt. Da war sie es ihm schuldig, ihn jetzt selber zu verarzten.
    Auch wenn Leander davon wohl mehr Ahnung gehabt hätte…


    Sie tauchte den Lappen in das kühle Wasser und fing ganz vorsichtig an, das Blut von der Stirn zu wischen. Rufus war bis zur Brust mit der dünnen Decke des Gästebettes zugedeckt, so dass Axilla auch gar nicht in Versuchung kam, abgelenkt zu sein, und so tat sie ihr Möglichstes, ganz vorsichtig zu sein. Sie summte ein Stück der Ilias, während sie das machte. Ihr Vater hatte es immer gemacht, wenn er ihre aufgeschürften Knie verarztet hatte, und sie merkte noch nicht einmal, wie sie leise vor sich hinsummte.

    Wer klopfte denn noch um die Uhrzeit an die Tür? Leucos war schon angehalten, liegen zu bleiben und es zu ignorieren. In seinem Alter konnte das doch mal passieren, oder nicht? Wer wollte es ihm schon verübeln?
    Nunja, vielleicht seine Herrinnen. Er stand doch lieber noch einmal auf, wischte sich den schlaf aus den Augen und schlurfte von seinem Zimmer neben der Türe zu eben jener. Er versuchte, nicht gar zu verschlafen zu wirken, und öffnete die Porta ein wenig.
    “Wer stört so spä…t?“
    Um die Uhrzeit durfte man auch als Ianitor einen harscheren Ton anschlagen. Doch die Worte blieben Leucos fast im Hals stecken, als er den jungen Herrn vom Nachmittag sah. Den freund seiner Herrin. Da er ihn schon zweimal eingelassen hatte, kannte er den Duccier nun natürlich.
    “Ich werde die Herrin rufen. Bringt den jungen Herrn doch bitte solange ins Gästezimmer. Hier entlang, bitte.“

    Kurz überlegte Axilla, ob das mit dem Wein ein Vorwurf war. Immerhin gehörte es sich eigentlich, dass man bei einem fest auch Wein trank, auch als Frau. Aber ihr stieg der immer so schnell zu Kopf, und Timos wusste das auch! Bestimmt hatte er es nicht als Vorwurf gemeint, beschloss Axilla. Wobei, vielleicht war er ja auch böse auf sie? Eigentlich hatte er sich ja von ihr getrennt, aber das hieß ja noch lange nichts? Kurz schaute sie fragend hoch, als Timos auch just in diesem Moment ihr auch schon eine frage zu Nikolaos stellte. Sie fühlte sich ertappt und schaute kurz zu Boden. Warum musste er auch schauen, wenn sie ihn grade so fragend anschaute?
    “Bei Nikolaos? Ähm, gut, denke ich. Ich hab ja noch nie für jemanden gearbeitet, von daher habe ich ja keinen Vergleich. Aber es gefällt mir sehr, und ich bin Nikolaos dankbar, dass ich für ihn arbeiten darf, obwohl ich eine Frau bin und eine Römerin und auch gar kein Demotisch kann. Ich hoffe, er ist auch froh, dass ich für ihn arbeite. Bisher hat er zumindest nichts anderes gesagt.“
    Sie schaute sich kurz nach ihrem Vorgesetzten um, ob sie ihn noch irgendwo entdecken konnte. Heute hatte er sich besonders herausgeputzt, noch mehr als Timos oder Anthi, daher müsste sie ihn eigentlich leicht entdecken können. Doch im Moment sah sie ihn nicht. Eigentlich sollte sie sich ja freuen, dass sich die griechischen Männer so schminkten, immerhin verkaufte ihre Farbmischerei auch Kosmetik. Aber andererseits sah es schon sehr albern teilweise aus.
    Sie wandte sich wieder Timos zu und musste kurz breit lächeln, als sie in sein geschminktes Gesicht sah. Als sie es merkte, sah sie wieder kurz zu Boden. Sie wollte ihn schließlich nicht so anlächeln, auch wenn der Grund nichts mit flirten zu tun hatte. Aber nicht, dass Cleonymus noch auf falsche Gedanken kam. Oder noch schlimmer, auf richtige.

    Freudig grinsend schüttelte Axilla den Kopf, als Archias ihr von diesem Hortus erzählte. Sie war zwar schon fast überall in dieser Stadt gewesen, aber dass es sowas gab, hörte sie zum ersten Mal. Das musste sie sich unbedingt merken, das klang spaßig. Vielleicht konnte sie dort ja auch einmal hin, vielleicht fand sie sogar jemanden, der mitkam? Auf jeden Fall musste sie es sich ansehen.
    Doch dann überraschte sie Archias vollkommen, als er sie zu seiner Hochzeit einlud. Nach Rom. Sie schaute einen Augenblick lang nur völlig perplex. Sie sollte zu einer Hochzeit nach Rom kommen? Zu den Aeliern? Sie? Das brauchte einen kurzen Moment, ehe sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
    Und auch Seiana lud sie gleich ein, sagte sogar das magische Wort: Freunde. Sie war wirklich eine Freundin? Ganz ehrlich? Da bekam Axilla ja sogar ganz leicht rote Wangen, denn damit hatte sie gar nicht gerechnet.
    “Äh, gerne. Also, ich meine, es wäre mir eine große Freude, zu kommen. Wirklich. Ich… danke!“
    Sie war noch immer ganz durcheinander. Aber sichtlich freudig durcheinander, denn sie grinste wie ein Honigkuchenpferd und schaute dabei immer zwischen Archias und Seiana hin und her. Wenn sie Urgulania davon erzählen würde! Bestimmt wäre ihre Cousine da dann stolz auf sie, immerhin bekam nicht jeder eine Einladung nach Rom, wenn ein Mitglied der kaiserlichen Familie heiratete. Nungut, Archias war wohl weit genug von der Thronfolge weg, dass es nicht sooo überwältigend war, aber immerhin. Und sie, Iunia Axilla, hatte das trotz ihrer chaotischen Art geschafft, obwohl sie sonst ein Talent dafür hatte, alles, aber auch wirklich alles falsch zu machen. Sie war immer noch ganz aus dem Häuschen.
    “Wisst ihr schon, wann ihr dann heiraten wollt? Wenn wir von den Pyramiden wieder zurück sind, oder später, oder…? Also, ich meine, ich muss ja Urgulania dann noch fragen. Also, eigentlich muss ich sie ja nicht fragen, aber ich will sie dann gerne fragen. Also, dass ich nach Rom reisen kann, meine ich.“
    Sie plapperte schon wieder, merkte sie, und lächelnd senkte sie etwas verschämt darüber den Kopf. Das war aber auch so wahnsinnig aufregend! Und ihre freudige Erregung übertrug sich auch sogleich auf ihr Pferd, das anfing zu tänzeln und kleine, sanfte Galoppsprünge in seinen Gang einfließen zu lassen. Ach, am liebsten würde sie richtig galoppieren. Heute war ein herrlicher Tag!
    So herrlich, dass sie überhaupt nichts von Katander mitbekam, und auch nichts von ihrem Sklaven, der sich fast schon sehnsüchtig nach der Stadtmauer umdrehte, während die langsam immer kleiner wurde.


    Erst jetzt fiel Axilla auf, was Seiana noch gesagt hatte. Sie hatte solche Röhren? Ein wenig peinlich war es Axilla ja schon, sie war hier ganz blauäugig und wie immer unorganisiert hergekommen. An sowas hatte sie nicht einmal gedacht. Da war ihr das schon etwas unangenehm. Aber vermutlich wäre es wohl wirklich das beste.
    “Also, wenn es keine Umstände macht, würd ich vielleicht so eine Röhre mir borgen. Sonst krieg ich wirklich noch Sonnenbrand. Das ist wirklich sehr nett von dir, danke.“
    Dass die nicht passen könnte hatte Axilla keine bedenken. Seiana war zwar auch rank und schlank, aber eben etwas älter als sie selbst und daher auch ein wenig größer insgesamt. Axilla, die immer wenn sie aufgeregt war, nichts aß und noch ein wenig in ihrem Leben wohl wachsen würde, auch wenn sie schon fast 17 war, war da doch ein wenig kleiner, so dass ihr alles passen müsste, was Seiana auch passte.

    Nachdem ihr eben schon nichts eingefallen war, fragte sie Cleonymus auch gleich noch mal zustimmend nach dem Fest. Axilla wünschte sich wieder Urgulania her, die war in sowas weitaus besser. Und vor allem musste die nicht grade an ganz andere Sachen denken, wenn sie mit Timos redete. Fast schon erschrocken schaute Axilla also kurz auf und zwischen den beiden Männern hin und her.
    “Äh, ja, es war wirklich schön. Ein bisschen anders als die römischen Hochzeiten, aber sehr schön. Das Opfer war ein wenig anders, nicht? Aber war sehr interessant, und die Musik hat mir besonders gefallen. Gut, dass ich keinen schweren Wein getrunken habe, sonst hätte ich vielleicht noch zu tanzen angefangen.“
    Nun, der letzte Teil fiel wohl wieder unter die weniger geistreichen Kommentare, aber Cleonymus hatte sie mit seinem Scherz, das Timos heiraten sollte, ein wenig aus dem Konzept gebracht. Und insgesamt war Axilla eher gut darin, irgendwelche Schlachtpläne nachzustellen oder zu analysieren, so feine Gespräche und damenhaftes Benehmen eher weniger.

    Für Axilla war es ein wenig komisch, dass das Fest erst abgebrochen, dann einmal um den Block geführt und dann wieder weitergeführt wurde. Sie kannte zwar auch den Brautumzug vom Festort zum Haus der Frischvermählten, aber das hier war doch ein wenig komisch und ihr Gespräch über Sport mit Cleonymus wurde leicht unterbrochen. Penelope und Ánthimos waren dann nun schon weg, und so genau wusste Axilla nicht, wie lange sie jetzt noch bleiben sollte. Aber erstmal wollte sie das Gespräch mit dem Kosmetes noch vernünftig zuende führen.
    Sie wollte eigentlich gerade anmerken, dass sie ja emanzipiert war und niemand für sie Entscheidungen treffen musste, sie aber Urgulania da gerne um rat fragen wolle, als Timos ganz plötzlich neben ihnen beiden auftauchte. Wie einem alten freund schlug er Cleonymus kurz auf die Schulter und lächelte Axilla an. Sie merkte, dass sie leicht rot wurde, und schaute deshalb sich schnell nach etwas zu Essen um. Von einer nahen Platte schnappte sie sich etwas Brot und Käse, obwohl sie eigentlich eher weniger Hunger hatte und vorhin auch schon viel nebenbei gegessen hatte. Aber so fiel ihre Reaktion hoffentlich nicht auf.
    Den ganzen Abend hatte sie sehr darauf geachtet, dass man ihr absolut nichts anmerkte. Ihre Affäre mit Timos war nicht aufgeflogen, und sie wollte auch, dass es so blieb. Und andererseits hatte sie sich bewusst aus seiner Gegenwart herausgehalten, weil sie eigentlich keine Ahnung hatte, wie sie mit ihm umgehen sollte. Sie hatten sich getrennt, ehe es für sie beide wirklich gefährlich geworden wäre, und sie hatten sich auch nicht wirklich geliebt, so dass es mit großem Herzschmerz verbunden gewesen wäre. Aber dennoch war es ein sehr seltsames Gefühl für Axilla, jetzt wieder in seiner Nähe zu sein. Vor allem sein Lächeln hatte es ihr im ersten Moment sehr schwer gemacht, sich nicht an den einen Tag – oder besser die eine Hälfte vom einen Tag und die andere Hälfte vom nächsten Tag, an die sie sich erinnern konnte, mit dem gewaltigen Loch dazwischen, an das sie sich nicht erinnern konnte – zu erinnern und ein wenig sehnsüchtig zu werden. Es war ja nicht so, als ob es ihr nicht gefallen hätte, sie war auch nur ein Mensch, und Timos sah gut aus und hatte gewusst, was er tun musste, damit es ihr auch gefiel. Doch diese Gedanken waren gerade sehr wenig hilfreich und daher besser hinter etwas zu Essen versteckt.
    “Oh, ihr habt ein sehr schönes Haus, Timos. So… groß.“
    Eigentlich hatte sie etwas Originelleres sagen wollen, aber ihr war nichts eingefallen. Außerdem hatte sie keine Ahnung von griechischer Architektur, und auch wenn dieses Haus hier groß war, ihre Casa in der Basileia war größer. Aber immerhin war es viel, viel größer als die alte Wohnung, die Axilla ja auch kennengelernt hatte, und um einiges vornehmer.

    Ich hab jetzt keine Ahnung, inwieweit die Römer Geldfälscher bestraft haben. Im Mittelalter stand da weniger Gefängnis, mehr Todesstrafe drauf, auch noch besonders leckere wie "lebendig kochen".
    In Rom selber, wo es hauptsächlich römisches Geld gibt, könnte man das noch logisch erklären, aber wie machst das in den Provinzen, wo es sich teiweise mit anderem Geld vermischt und das daher auch beim Händler nicht unüblicherweise mal gewogen wird, um es umrechnen zu können? Immerhin gabs damals die Erfindung von Prägegeld noch nicht so wirklich, und es gab auch noch sehr viel Tauschgeschäfte gegen Rohstoffe aller Art.
    Dann natürlich braucht man Rohmaterial, um das herstellen zu können. Aus irgendwas müssen die die Münzen ja hergestellt haben, auch wenns dann billigeres Metall ist als das, was eigentlich in der Münze sein sollte.


    Insgesamt finde ich die Idee sehr gut, denn sicher hat es damals Münzfälscherei gegeben, trotz aller Risiken. Das wär ein Stück Realismus, und ich persönlich steh sehr auf Realismus.
    Allerdings seh ich oben genannte Punkte eben als Schwierigkeit, das müsste man dann doch etwas sehr viel genauer planen. Vor allem weil es ja nicht nur Einfluss auf die WiSim dann nehmen sollte, sondern sich auch im Spiel wiederfinden sollte.


    Aber abgesehen davon hab ich eh nichts zu sagen :D