Als Nikolaos sagte, dass er wieder einen Schreiber suchte, wurde Axilla noch ein wenig nervöser. Jetzt wurde es ernst. Sie hatte noch nie eine richtige Arbeit gehabt, und jetzt bestand zum ersten Mal die kleine Chance dazu, dass sich das ändern könnte. Über ein mögliches „nein“ machte sie sich da noch gar keine Gedanken.
“Nun, wenn du so direkt fragst, ja. Würde ich gerne.“
Sie nahm die Hände kurz nach hinten, hinter ihren Rücken, da sie angefangen hatte, damit zu spielen. Und der Gymnasiarchos sollte sie ja nicht für einfältig halten.
“Ich kann lesen und schreiben, in Griechisch und Latein. Und ich kann Koine. Naja, das hörst du ja… Und ich kann gut rechnen, und ionisch.“
Und das war es im groben auch schon mit ihren Vorzügen, wie sie bekümmert feststellen musste. Und dass sie Ionisch konnte, war auch kaum an ihrem Koine zu überhören, denn wenn sie nervös war – wie jetzt – schlug der Akzent doch stärker durch.
Beiträge von Iunia Axilla
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Noch einmal tief durchgeatmet, und Axilla trat in den Raum ein.
“Chaire!“ grüßte sie ihr Gegenüber. In dem halben Jahr, das sie nun schon in Aegyptus war, hatte sie sich so sehr an das griechisch auf den Märkten und in den Straßen gewöhnt, dass ihr noch nicht einmal in den Sinn gekommen wäre, ihn in ihrer Muttersprache zu begrüßen. Irgendwann im Laufe der Zeit war diese Art des Grüßens für sie zur Selbstverständlichkeit geworden.
Sie ging also in den Raum und trat näher zum Gymnasiarchos. Ein wenig nervös war sie ja schon, aber sie überspielte es mit einem freundlichen Lächeln. Unbekümmert wirken konnte sie gut, darin hatte sie genug Übung. Und sie wollte ja nicht, dass der Mann hier dachte, sie hätte Angst vor ihm. Auch wenn ihr grade wieder siedend heiß einfiel, dass sie ihn bereits einmal gesehen hatte. Im Gymnasion, als Ánthimos sein blaues Auge erhalten hatte. Hoffentlich erinnerte er sich nicht ebenso an sie, damals hatte sie noch ein wenig mehr wie eine Sklavin und weniger wie eine Römerin gewirkt in ihrer kurzen Tunika und den nur im Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren. Bevor er darüber noch nachdenken konnte, wollte Axilla ihn lieber gleich ablenken.
“Ich hab einen Anschlag gesehen, dass du einen Scriba suchst, und wollte fragen, ob das noch so stimmt. Der Anschlag war schon ein wenig älter…“ -
Beim schlendern über den Markt war Axilla an der Anschlagtafel stehen geblieben. Ein wenig unmotiviert hatte sie einmal darüber geschaut und gelesen, was alles so gesucht wurde. Leider suchte nie jemand etwas, was sie auch machen konnte. Als Frau hatte man es aber auch schwer.
Doch dann war ihr Blick auf einen recht alten Anschlag gefallen. Da wurde ein Scriba gesucht. Schreiben konnte sie. Koine auch. Auch wenn Nikolaos schon eine Weile kein Exegetes mehr war, sondern Gymnasiarchos – wenn sie nicht mal wieder was verwechselte. Aber versuchen konnte man es ja mal.Also war sie auch gleich schnurstraks zum Gymnasion gelaufen. Sie hatte sich vorher noch nicht einmal umgezogen und trug noch ihre zwar saubere und aus feinem Stoff hergestellte Tunika, die aber doch vielleicht etwas schlicht wirkte. Aber darüber dachte sie gar nicht mal groß nach, sie war schon immer sehr spontan und kurzentschlossen gewesen und machte sich über Kleidung eher peripher Gedanken.
Sie fragte sich zu der Stege durch und als sie dann an der richtigen Türe war, klopfte sie etwas zögerlich an. Sie hatte nicht einmal nachgefragt, ob Nikolaos überhaupt da war. Aber jetzt war es schon zu spät, sie hatte geklopft und hoffte einfach, dass sie vielleicht Glück hatte. Nervös wartete sie auf ein Zeichen, eintreten zu dürfen. -
Eine Diskussion über Tyrannei und Freiheit und die Vorzüge und Nachteile eines Senats, und das ganze im Hause Iunia. Da solle noch mal einer sagen, die Götter hätten keinen Sinn für Humor. Als Axilla der Gedanke kam, musste sie grinsen und sie nahm noch einen großen Schluck Wein.
Noch war sie nicht betrunken, aber in den letzten Tagen hatte sie wenig bis gar nichts gegessen und Wein stieg ihr auch unter anderen Umständen schnell zu Kopf, so dass sie durchaus begann, dieses leichte und beschwingte Gefühl zu genießen. Bacchus war wirklich ein gnädiger Gott, denn er brachte einem wenigstens kurzzeitig das Gefühl beschwingten Glücks und ließ einen alle Sorgen vergessen. Ja, er und Faunus, die beiden waren Axilla nicht fremd vom Wesen her, sondern durchaus willkommen, im Gegensatz zu den anderen Gottheiten. Sie musste kurz bei diesen Gedanken selig grinsen.Das Gespräch klang sehr unvernünftig. Von beiden Seiten aus, soweit sie das beurteilen konnte. Warum sollte sich jemand unterordnen, sie waren doch alle Bürger? Aber warum sollte man alles immer ausdiskutieren, es gab doch eine Befehlskette? Komische Diskussion, befand Axilla. Doch dann sagte Marcus Achilleos etwas lustiger, so dass sie fragend zu ihm herüber schaute.
“Aber dafür hat der Imperator doch zwei Legionen hier postiert. Wer sollte schon so dumm sein, die anzugreifen? Und wenn die Polis angegriffen wird, dann verteidigt die sich doch auch, ohne dass man darüber abstimmen muss. Und wenn der Feind verhandeln will, dann hat man doch Zeit, darüber abzustimmen, denn der gibt einem doch eine angemessene Zeitspanne. Und zum angreifen müssen sowieso erst die Auguren befragt werden und geopfert werden und Befehle gegeben werden… das dauert doch auch alles so lange, sooo viel Zeit, um das durchzusprechen.“
Dass die zwei Legionen vor der Haustüre für die Griechen nicht besondert toll waren, daran dachte Axilla noch nicht einmal mehr. Für sie waren die hier ganz klar zum Schutz der Stadt in erster Linie, und erst in zweiter Linie dafür, den Frieden aufrecht zu erhalten. Daher verstand sie das Argument mit der fehlenden Zeit nicht so wirklich. So ein Krieg dauerte ja auch sehr lange, bis er angefangen hatte. Den musste man erst erklären, und sich sammeln, und aufmarschieren, bis es dann zur Schlacht kam. Und wem sollte das kleine Alexandria schon von sich aus den Krieg erklären? Das gab doch keinen sinn.
Sie trank noch ein bisschen mehr Wein, in der Hoffnung, dass es dann mehr Sinn geben würde. -
Philosophie verbieten? Und das sollte Harmonie fördern? Axilla fand allein schon die Vorstellung schrecklich. Da könnte man ja auch gleich Gedichte und Musik verbieten und alles andere, das Spaß machte. Irgendwie schien diesen Land, aus dem Marcus kam, sehr, sehr Ernst zu sein. Ob die Menschen da überhaupt wussten, was Freude war?
Jetzt griff Axilla doch nach ihrem Becher und ließ sich etwas Wein einschenken. Sie fühlte sich gelinde gesagt ein wenig unwohl. Das lag nicht unbedingt an der Gesellschaft, die Leute, die sie kannte, mochte sie ja. Es lag auch nicht daran, dass sie nicht verstehen würde, denn sie war entgegen dem wie sie sich oftmals gab doch sehr klug und konnte, wenn sie wollte, auch hervorragend zuhören. Aber das Gespräch brachte sie mehr und mehr zum Nachdenken.
Zunächst war da Ánthimos, der mit seinen Worten wohl in ihre Richtung zielte. Das mit dem Zuhörer hatte er schon einmal gesagt, und jetzt sagte er es wieder, und keines der beiden Male gefiel das Axilla. Sie wollte nicht über das reden, was ihr wirklich auf dem Herzen lag. Sie wollte noch nicht einmal daran denken, was ihr auf dem Herzen lag. Und sie kannte hier niemanden, der ihr eine so verwandte Seele gewesen wäre, als dass sie sich da soweit fallen lassen könnte, um darüber nachzudenken. Den Schmerz soweit zuzulassen, um daran zu zerbrechen und über ihn zu reden, weil sie wieder zusammengehalten werden würde. Da war hier einfach niemand, dem sie soweit vertraute, das zu tun.
Also trank sie stattdessen lieber Wein. [size=5]“Glück kann man nicht erzwingen“[/size] murmelte sie unhörbar leise in ihren Becher, ehe sie ein paar kleine Schlucke nahm und ihn auf dem Tisch abstellte. Sie überlegte, wie lange das Essen hier wohl dauern mochte. Vielleicht konnte sie sich ja frühzeitig verabschieden, wenn sie sagte, sie habe Kopfweh oder so was. Ja, das wäre ein guter Plan. -
Bei dem Redeschwall, der nach ihrer kleinen Frage aus Marcus Achilleos herausbrach, musste sie aufpassen, dass sie alles verstand. Sie war ja nicht dumm, aber er drückte sich schon ein wenig komplizierter aus und forderte von ihr, dass sie mitdachte und darüber nachdachte, was er sagte. Und sie war heute doch schon so durcheinander und hatte noch nichts gegessen – sie hatte zwar keinen Hunger, aber das wusste ihr Hirn offenbar nicht – und überhaupt war ihr zur Zeit nicht nach allzu viel nachdenken. Das letzte Mal, als sie nachgedacht hatte, lag sie hinterher heulend auf ihrem Bett, weil sie Silanus wohl nun für immer vertrieben hatte, obwohl sie das eigentlich gar nicht so wollte. Nachdenken war also fast noch schmerzlicher als nicht nachzudenken, und dabei gleichzeitig noch anstrengender. Da plapperte sie lieber vor sich hin und ließ zu, dass man sie für dümmer hielt, als sie war.
Aber Ànthimos fasste das ganze dann keine zehn Sekunden später richtig schön kompakt und handlich zusammen, so dass es jeder verstehen konnte. Auch wenn man nichts gegessen hatte und nicht so viel selber nachgrübeln wollte, sondern nur eine einfache Antwort auf eine einfache Frage. So lobte sie sich das, so sollte das sein.
“Wenn du Plato auch so kurz und knackig zusammenfassen kannst, bin ich beeindruckt. Vielleicht solltest du mal zum Museion gehen, Ánthimos. Die haben bestimmt noch mehr Schüler, die das ganz erfrischend so finden würden. Also, ich würde zu dir kommen und dir zuhören, wenn du Philosoph wärst.“
Beinahe hätte sie „soldatisch“ gesagt, denn so hatte ihr Vater es immer genannt. Sie sei zu soldatisch, um lange um eine Sache drumherum zu reden, sondern würde immer drauf los, wie auf einen Feind. Ihr Blick wurde ganz kurz traurig, als sie daran dachte, aber sie hatte sich fast sofort wieder gefangen. -
Zu gerne hätte Axilla gefragt, ob sie es auch mal mit den Stäbchen probieren durfte. Aber einerseits wusste sie nicht, ob Marcus die Stäbchen hergeben würde. Wenn er schon nicht mit den Fingern essen wollte, was würde er dann sagen, wenn jemand anderes seine Stäbchen benutzte? Und auf der anderen Seite hatte sie ja so wirklich absolut gar keinen Appetit heute, und dann hätte sie ja wohl oder übel etwas essen müssen. Aber das wollte sie nicht.
Also lauschte sie stattdessen lieber dem Gespräch zwischen Ánthimos und Achilleos und konnte nur zustimmend leicht nicken. Ja, der Grieche hatte wirklich eine Begabung dafür, Fragen zu stellen, so dass man darüber nachdenken musste. Aber ob das reichte, damit man Lehrer war?
So wirklich beigebracht hatte er ihr nichts. Zumindest wüsste Axilla nicht, was. Nungut, sie wusste nun, wie man so ein zuschwellendes Auge kurierte, aber das hatte sie ja auch nur gesehen und nicht selber gemacht. Und seine fragen hatten sie auch mehr geärgert, und taten es auch irgendwie noch. Denn sie wollte darüber ja auch gar nicht nachdenken.
“Wenn man die richtigen Fragen stellt, ist man dann also Philosoph? Und wenn man nicht die richtigen Fragen stellt?“
Axilla dachte gar nicht lange über ihre eigene Frage nach. So hatte sie es früher im Unterricht mit Iason immer gehalten, dass sie den Lehrer einfach mit allem, was ihr durch ihren chaotischen kleinen Kopf schoss, löcherte. Und eigentlich hatte sie dabei wohl mehr gelernt, als sie es mit sturem büffeln wohl je gekonnt hätte. Ja, sie vermisste ihren alten Lehrer. Diese Diskussionen fehlten ihr schon ein wenig. Aber vielleicht war das Essen ihrer Cousine nicht der richtige Zeitpunkt, so etwas wieder aufleben zu lassen. Also lächelte sie gleich entschuldigend und winkte auch leicht ab. Es war ja auch nicht so wichtig. -
Axilla hatte überhaupt gar keinen Hunger. Immer, wenn sie aufgeregt war, war ihr Appetit wie weggeblasen und sie bekam keinen Bissen herunter. Wenn es so war wie bei ihr in den letzten Wochen, wo sie deprimiert in ihrem Zimmer gesessen hatte, musste sie schon aufpassen, dass sie überhaupt etwas aß. Zum Glück hatte sie Leander, der sie dann immer wieder drängte, hier und da einen Happen zu sich zu nehmen, sonst hätte sie bestimmt einiges an Gewicht verloren. Und dabei war sie schon schlank. Aber heute war sie so aufgeregt, wegen den Bantotakis-Brüdern, wegen Silanus und auch wegen Marcus, dem sie noch immer eine Antwort schuldete wegen seiner Lehre, dass sie einfach absolut gar keinen Hunger hatte. Also nahm sie sich auch nichts von den Eiern, in der Hoffnung, dass es nicht weiter auffallen würde, und wandte sich statt dessen lieber an Marcus Achilleos, der ja neben ihr saß.
“Und warum benutzt du die? Deine Finger sind doch sauber, und wir haben doch auch Waschschälchen am Tisch?“
Die Frage war in keiner Weise vorwurfsvoll, sondern zeugte nur von aufrechter Verwunderung und kindlicher Neugier. Sie hatte noch nie gesehen, dass jemand etwas zwischen zwei Stäbchen klemmte, um es zu essen. Sie erkannte auch den Sinn dahinter nicht ganz, schließlich hatte der Mensch doch Finger. Warum also sollte er die nicht auch einfach nehmen, um etwas zu essen? Die Eier waren ja nicht so heiß, dass man sie nicht anfassen könnte, und auch nicht irgendwie schleimig oder ölig, dass man sich davor ekeln könnte. -
Schwieriges Gelände? Zähmen?! Und Silanus hatte geplant, sie an einen Decimer zu verheiraten? Und da traute sich ihr Vetter auch noch, sie böse anzuschauen?! Axilla musste schon schwer an sich halten, um hier nun keine Szene zu machen. Sie war sui iuris, verdammt noch eins, und sie ließ sich sicher nicht einfach so an jemanden verheiraten, den sie noch nie im Leben gesehen hatte, nur weil der mit irgendeinem Soldaten verwandt war! Ihre Augen blitzten, als sie zu Silanus hinüber sah, aber sie sagte nichts. Zumindest jetzt nicht.
Sie nach wenigen Tagen zurückbringen… Gerade er! Er war nun wirklich niemand, der so Sprüche reißen durfte. Auch wenn sie als Scherz gemeint waren, aber das kränkte Axilla nun doch sehr. Wenn er sie nicht mochte, konnte er ihr das auch anders sagen, das musste nicht so öffentlich geschehen. Und ganz abgesehen davon würde sie niemand zurückbringen müssen, weil sie bei jemandem, der nicht mit ihr umgehen konnte, auch gar nicht bleiben würde, so! Da würde sie von ganz allein zurückkommen, da würde sie niemand bringen müssen.
Axilla war wütend und schaute einmal kurz missmutig auch zu Corvus hinüber. Der hatte als einziger Mann noch keinen Vorschlag gebracht, mit wem sie am besten verheiratet werden sollte. Sie wartete ja fast schon darauf, dass er mit noch jemandem kam, den sie nicht kannte und den sie dann schon aus Prinzip auch ablehnen würde. Denn soviel war klar: Jeder Vorschlag, der im Rahmen dieses Gespräches fallen würde, war für sie jetzt schon rein aus Trotz ein ganz klares „nein“, und sie würde sich da auch nicht reinreden lassen. Auch nicht für die Politik der gens oder von sonst wem.Zum Glück war ja Urgulania da und unterhielt sich mit Amatia über etwas normales, also gesellte sich Axilla mehr zu den beiden. Sie wollte sich nicht ärgern und aufregen, dafür würde sie später noch genug Zeit haben. Also stellte sie sich einfach neben Urgulania, nahm den ganzen Frust aus ihrem Blick und lauschte, was sie so erzählte. Axilla bewunderte sie ja, auch weil sie sich mit den Griechen in der Stadt so gut verstand und von allen angesehen wurde.
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Cyprianus hatte Glück, dass er bei Axilla schon mal den „Soldaten-Bonus“ hatte. Sie konnte einfach nicht ernsthaft wütend auf jemanden sein, der die Rüstung eines römischen Soldaten trug. Dafür war ihr Vater viel zu oft in seiner Rüstung durchs Haus gelaufen und hatte sie umarmt, sie konnte da nicht wirklich negative Gefühle entwickeln. So hatte er Glück, denn sonst hätte Axilla ihn jetzt wohl trotzig belehrt. Sie war loyal zu ihren Freunden, soweit man das als sechzehnjähriges Mädchen beweisen konnte, und es war ihr nicht recht, wie er über Marcus Achilleos sprach. Sie warf auch Urgulania kurz einen „Sag doch auch mal was“-Blick zu. Immerhin war sie auch mit ihm befreundet. Und ein wenig Schützenhilfe wäre jetzt nicht schlecht.
“Das weiß ich nicht, Wichtigtuer erkenne ich eigentlich recht gut und halte mich fern von ihnen.“
Dass ihr Satz negativ aufgefasst werden könnte, war Axilla gar nicht bewusst. Sie dachte mal wieder nicht nach und plapperte einfach leichthin, wie ihr der Mund gewachsen war. Es war ihr nicht so recht, hier plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Daher war sie auch froh, als Silanus wieder etwas sagte und die Frau des Terentiers beruhigen wollte. Bei seinen Worten konnte sie ihm nur zustimmen und nickte daher bekräftigend. -
Wo waren plötzliche Unruhen oder Naturkatastrophen, wenn man sie brauchte? Natürlich hatte der Terentier sie gehört und ging auch gleich auf sie ein. Sie und ihr vorlautes Mundwerk aber auch. Unsicher blickte sie kurz zu Silanus, sie wollte ihn ja schließlich nicht völlig blamieren, aber sie war so eine miserable Lügnerin, und sie konnte den Prafectus Legionis ja auch nicht auf seine Antwort warten lassen, sonst dachte er noch, sie sei dumm.
“Ich bin nicht in der Stadtverwaltung. Ich bin ja auch erst sechzehn. Ich glaube nicht, dass die Griechen ein so junges Mädchen wählen würden. Aber ich habe ein paar griechische Freunde hier in der Stadt.“
Naja, es waren nicht wirklich dicke Freunde von ihr, die meisten kannte sie ja kaum. Aber sie konnte wohl schlecht sagen, dass sie eine Affäre mit einem Griechen gehabt hatte und dessen Bruder nun wegen ihr mit einem blauen Auge rumlief und sie noch einen weiteren Griechen kannte, der in Rhakotis wohnte und eine neue Philosophie lehrte. Das wäre alles wohl wenig gesellschaftstauglich gewesen, und noch weniger gesprächstauglich. -
Ein Krokodil an die Wand? Waren die dafür nicht ein wenig groß? Axilla beherrschte sich, nicht einfach drauf los zu fragen, was ihr in den Sinn kam, immerhin wollte sie, dass Silanus gut dastand und sie nicht alles mit ihrer Flatterhaftigkeit ruinierte.
Als Urgulania kam, trat Axilla schnell ein wenig näher zu ihr. In der Nähe ihrer Cousine hoffte sie, nicht so aufzufallen, und außerdem bewunderte sie Urgulania und war gerne in ihrer Nähe. Auch wenn sie meistens nichts sagte und sie sich aufgrund ihrer Streifzüge eher weniger sahen und noch weniger unterhielten. Aber Axilla wünschte sich manchmal, sie wäre auch so vornehm, edel und bestimmt wie sie, und nicht so gedankenlos, flatterhaft und chaotisch.
Die Frau des Kommandanten meinte, dass sie Angst hier in dieser Stadt hatte, und dann war Axillas Mund doch wieder etwas schneller als der Verstand, der lieber hatte schweigen wollen.
“Aber du kannst ganz beruhigt sein. Aelius Archias beispielsweise wohnt nichtmal in der Basilea, sondern im Brucheion. Das würde er wohl nicht, wenn es da so gefährlich wäre. Und wenn man ein wenig griechisch spricht, kann man sich auch sehr nett und freundlich mit allen unterhalten.“
Als sie geendet hatte und die Blicke bemerkte, die sie unweigerlich trafen, fiel Axilla auch wieder ein, warum sie eigentlich den Abend über nichts hatte sagen wollen. Sie fühlte sich gleich wieder beobachtet und rieb sich etwas nervös mit der rechten Hand den linken Unterarm. Hoffentlich war das Essen gleich soweit, damit von ihr abgelenkt würde. -
Auch, wenn Ánthimos perfekt antwortete und sich nichts anmerken ließ, war Axillas Maske da nicht ganz so makellos. Sie war doch ein wenig nervös und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Sie mühte sich, nicht direkt zu Ánthimos zu schauen, konnte aber auch nicht ganz wegschauen. Als sie Urgulanias mahnenden Blick dann noch bemerkte, war sie vollständig durcheinander. Hatte sie sich vielleicht verraten? War sie zu auffällig unauffällig?
Sie schaute fragend und entschuldigend zu ihrer Cousine und versuchte herauszubekommen, was sie mit ihrem Blick nun meinte. Erst nach einigen Momenten fiel ihr auf, dass es wohl war, weil sie als einzige Frau auf einer Cline lag. Oder besser gesagt, weil sie auf einer Cline fläzte. Aber umsetzen wollte sie sich jetzt nicht, das wäre wohl noch auffälliger und noch peinlicher geworden. Aber sie nahm ihre Beine runter und gab ihre bequeme Bauchlage auf. Sie setzte sich einmal kurz auf, um sich dann vernünftig und leicht seitlich hinzulegen, wie die Männer im Raum es auch machten. Das war hoffentlich nicht mehr ganz so schlimm. Aber sie traute sich nicht, zu Urgulania herüberzuschauen, ob ihre Cousine das auch so sah, sondern schaute statt dessen pflichtschuldig beschämt auf den Tisch. -
Tatsächlich hatte Axilla es geschafft, sich irgendwie zwischen Timos und Marcus Achilleos zu schummeln. Da letzterer einen einfachen Holzstuhl wollte, war ja eine Cline frei, und Axilla legte sich lässig darauf, den Oberkörper an der Lehne aufgestützt und die Beine leicht angewinkelt, wie sie es auch gerne tat, wenn sie auf dem Bauch im Bett lag und ein Buch las. Sie dachte da gar nicht darüber nach und reckte nur den Hals leicht, um zu sehen, wo nun wer saß und mit wem sie also mehr oder weniger heimlich sich würde unterhalten können.
Urgulania fragte Penelope nach der Arbeit im Museion, und diese antwortete nach kurzer Bedenkzeit. In gutem Latein, jedenfalls besserem als ihr Griechisch. Axilla hörte sich alles interessiert an, aber sie wusste selbst zu gut, dass sie dafür nicht geeignet war. Ihr Blick fiel auf ihre Hände, und kurz konnte sie den traurigen Gesichtsausdruck nicht unterdrücken.
Sie hätte ein Junge werden sollen, dann wäre alles perfekt gewesen. Ihr Vater hatte ihre Hände mit den kurzen Fingern immer gegen seine gehalten, denn sie waren einander sehr ähnlich. Schwerthände, hatte er gesagt. Zu grob für den Umgang mit einer Nadel, aber genau richtig für den Griff eines Gladius, oder für die Zügel eines Pferdes. Perfekt, um damit zu klettern wie ein Eichhörnchen. Aber sie war kein Junge, kein Soldat und erst recht kein Eichhörnchen, auch wenn sie manchmal gerne eines wäre.
Aber sie wollte Urgulania ihr Essen hier nicht durch ihren Blick vermiesen, und bestimmt hatte es auch niemand bemerkt. Zumindest hoffte Axilla das inständig. Denn ihr wäre nichts peinlicher, jetzt darauf noch angesprochen zu werden, wie neulich von Marcus Achilleos bei einem anderen Abendessen. In solchen Gelegenheiten konnte sie dann so schlecht einfach das Thema wechseln und so tun, als wäre sie fröhlich. Aber wie es wirklich in ihr aussah, wollte sie niemandem zeigen. Erst recht nicht in so viel Gesellschaft. Sie fühlte sich sowieso nicht wirklich wohl, wie sie hier so auf dem Präsentierteller sitzen musste. Aber für Urgulania wollte sie es gerne machen, und auch für ihre Griechischen Freunde.
Also hob Axilla wieder den Blick, lächelte kurz, als hätte sie eben nur geträumt. Junge Mädchen machten das ja öfter, und tat dann wieder unbekümmert und leichthin. Sie ließ sich einen Fruchtsaft einschenken von einem Sklaven, auf Wein wollte sie lieber verzichten. Der stieg ihr immer zu schnell zu Kopf, schon zweimal war sie danach mit einem Mann zusammen gewesen, mit dem sie besser nicht hätte zusammen sein sollen. Das wollte sie heute unbedingt vermeiden, auch schon im Ansatz. -
Owei, zu spät, sie kam zu spät. Aber es war heute auch wie verflixt gewesen. Axilla war ohnehin nicht so begierig darauf gewesen, an diesem Abendessen teilzunehmen, aber der Familie zuliebe tat sie es natürlich. Ein klein wenig Angst hatte sie schon vor Silanus’ Vorgesetzen, obwohl sie Soldaten ja im Allgemeinen sehr gerne mochte. Aber sie hatte noch nie so ein hohes Tier getroffen, und sie wollte ihren Cousin mit ihrer Flatterhaftigkeit nicht in Probleme stürzen. Und als vorhin die Sänfte des Praefectus am Haus hielt, hatte sie erst recht Bammel, sich gleich zu blamieren. Gleich zwei so hohe Herren im Haus, gleich doppelte Chance, einen vor den Kopf zu stoßen! Owei.
Dann natürlich war ihr Kleid nicht da. Sie hatte sich extra eine grüne Stola zurechtgelegt, und jetzt fand sie das dumme Ding nicht. Also trug Axilla doch nur eine Tunika. Diese war zwar in genauso schönem grün, und ihrer Meinung nach auch praktischer. Es war sehr warm, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie nur einen der griechischen Chitons getragen. Diese waren viel luftiger, und Axilla war ohnehin ziemlich wild und frei und hatte daher keine Probleme damit, auch mal unkonventionelle Mode zu tragen. Aber es war eben nicht die traditionelle und korrekte, römische Mode. Und jetzt mit den beiden mächtigsten Römern der Provinz in einem Haus, das war nicht gut. Owei.Und so kam Axilla nun im Garten an. Ihre grüne Tunika war mit Seide durchsetzt und schillerte daher ganz leicht. Ihr Haar war fein säuberlich hochgesteckt, ohne viel Schnickschnack. Lediglich eine Spange in Form eines Schmetterlings, schön geschnitzt aus Horn und verziert mit ein paar grünen Steinen, hielt ihr dunkles Haar noch etwas besser zusammen.
“Salvete“, grüßte sie schüchtern die Anwesenden. Neben natürlich Silanus kannte sie nur die Frau des Statthalters. Und wenn sie sich an ihr Gefühl vom Essen vor Monaten richtig erinnerte, konnte die sie nicht leiden. Hoffentlich war das Gefühl von damals nur Einbildung gewesen und das Essen heute würde harmonischer.
Sie blieb schüchtern einen Schritt von der Tür nur entfernt stehen und gab so allen Gelegenheit, sie zu bemerken. Ein wenig verwundert bemerkte sie nun wiederum, dass sie offenbar doch nicht soviel zu spät war, denn Urgulania fehlte auch noch. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie das nun beruhigen sollte oder eher nicht. -
Axilla machte Blut nichts aus. Seltsam eigentlich, hatte sie sonst doch den schwachen Magen ihrer Mutter geerbt, beispielsweise bei Seefahrten. Aber Blut war bei ihr nicht so wild, solange es nicht unbedingt das eigene war. Als sie damals vom Baum gefallen war – das einzige Mal, dass sie gefallen war, verdammter, morscher Ast aber auch – hatte sie auch fasziniert beobachtet, wie das Blut aus den Löchern an ihrem Bauch hervorsickerte, als sie den Ast, auf den sie gefallen war, weggezogen hatte. Das war nicht so tief gewesen, und das Blut kam da mit weit weniger Druck hervor als bei Ánthimos’ Auge.
“Iiiih“, machte Axilla fasziniert, als sie sah, wie es leicht spritzte und dann runterfloss. Ganz gebannt beobachtete sie das Ganze und rückte dem Heiler dabei fast schon auf die Pelle, um auch ja nichts zu verpassen. Wissbegierig war sie ja schon immer gewesen, und wann bekam ein Mädchen schon einmal so eine Vorführung angewandter Ärztekunst angeboten? Das musste sie ja im Namen der Wissenschaft schon beinahe anschauen.
Sie sah Anthis Gesicht beim Schnitt. Als das Blut abfloss und die Schwellung zurückging, fragte sie wenig feinfühlig: “Tut das eigentlich weh?“
Erst danach erinnerte sie sich wieder an ihre Manieren und an das, was sie sich vorgenommen hatte, und fügte mit zu Boden gesenktem Blick und einem nervös im Sand herumkratzenden Fuß ein “Entschuldige, bin wieder vorschnell“ an. -
Bitte meine Farbmischerei "Varietas Iuniae" freischalten.
Merci
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Lange hatte Axilla überlegt, ob sie hinuntergehen sollte oder Leander zu Urgulania schicken sollte, um zu sagen, sie fühle sich krank. Sie wusste, dass Silanus unten sein würde, und sie hatte ihn von ihrem Fenster aus auch das Haus betreten sehen in seiner Rüstung. Dass er auch noch ausgerechnet die heute tragen musste. Bestimmt war er noch böse auf sie. Dass er nach ihrem „nein“ abgereist war und sich seitdem in seinem Castellum verkrochen hatte, nur um sie nicht zu sehen, sprach für Axilla Bände.
Aber auf der anderen Seite waren da unten diejenigen, die Freunden am nächsten kamen. Axilla hatte ja keine richtigen Freunde, nicht so wirklich. Dafür ließ sie auch niemanden nahe genug an sich heran, weil dieser jemand würde dann unweigerlich erkennen, dass ihre Fröhlichkeit nur gespielt war und wie traurig und verletzlich sie eigentlich doch war. Und das wollte sie niemandem gegenüber zugeben. Aber die Griechen dort unten, Marcus Archilleos, Timos und auch Anthi, die waren ihr doch schon näher als die meisten. Und auch Ánthimos Frau Penelope war nett zu ihr gewesen, und sie hatte graue Augen.
Also bekämpfte Axilla ihre Angst vor Silanus und hatte sich fertig gemacht. Sie trug eine lange, weiße Tunika, die mit blauem Faden bestickt war. Das Muster zeigte Seepferdchen, passend zu den Seepferdchen aus Elfenbein, die als Spangen ihr Haar zusammenhielten. Sie hoffte, das war angemessen genug, denn sie wollte ja ihre Cousine Urgulania auf keinen Fall beschämen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch einen einfachen, luftigen Chiton getragen, wie ihn die Arbeiterinnen am Hafen trugen. Jetzt kühlte es zwar schon ab im Vergleich zum Sommer, als sie in Alexandria angekommen war. Aber dennoch war es sehr warm, und Axilla hatte ihre Vorliebe für kurze Kleidung entdeckt. Aber heute wollte sie einmal gesittet auftreten.Als sie das Triclinum betrat, schienen alle bereits da zu sein. Auch Urgulania war schon da, und entschuldigend lächelte Axilla ihrer Cousine zu. Hoffentlich gab das keine Rüge, denn sie mochte Urgulania doch. Die zwei römischen Pärchen wurden mit einem schüchternen “Salve“ begrüßt, ehe sich Axilla an die griechischen Gäste wandte. In ihrem von ionischem Akzent durchdrungenen Koine, versteht sich. Zwar wusste, sie, dass sie alle Latein sprachen, aber das war für Axilla mit ein Teil der Höflichkeit, dass sie es zumindest versuchte.
“Chaire. Ich freu mich ja so, euch zu sehen.“
Dem Lächeln und ihrer Stimmlage konnte man deutlich anmerken, dass sie das aufrichtig so meinte, wie sie es gesagt hatte. Sie war wirklich aus mehr als einem Grund glücklich, sie alle zu sehen. Und so begrüßte sie jeden einzelnen mit ihrem Lächeln, nur bei Timos bekam sie kurz einen traurigen, fast um Verzeihung heischenden Ausdruck in ihren Augen. Sie hoffte, sie würde sich nicht verraten. Und sie hoffte, er ebenso wenig. Und bei Ánthimos kaute sie ebenfalls einmal verlegen auf ihrer Lippe herum. An dem blauen Auge war sie immerhin nicht ganz unschuldig.Als es darum ging, sich einen Platz zu suchen, versuchte sie, möglichst weit weg von Silanus und möglichst nahe bei den Griechen zu sitzen. Da fühlte sie sich einfach sicherer und Streit war unwahrscheinlicher. Denn den wollte sie nicht heraufbeschwören.
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CH= Cursus Honorum. Also die Beamtenlaufbahn
guckst du hier: http://www.imperiumromanum.net/cms.php?a=115#txt700CD = Cultus Deorum, also das ganze Priesterwesen
http://www.imperiumromanum.net/cms.php?a=115#txt700Edit: Keine Sorge, ich habs auch nicht als Angriff aufgefasst
Ich wollt nur die Sinnhaftigkeit der Regel angesichts der blanken Statistik nochmal untermauern
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Zitat
Sim-Off: Insgesamt gibt es im IR momentan 325 aktive IDs, davon sind 238 männlich, 76 weiblich und 11 ohne Geschlechtsangabe im Charakterblatt.
Frisch aus den Lectiones. Ich glaub, das sagt schon das meiste.
Und unter den 76 weiblichen sind auch noch ein ganzer Haufen Sklavinnen.Natürlich ist es historisch wohl nicht ganz korrekt, aber auf der anderen Seite muss man auch ein paar Zugeständnisse denke ich machen, sonst spielt niemand eine Frau. Weil irgendwann sind sämtliche Heiraten/Einkaufen/Kinderkriegen-Posts dann doch geschrieben. Da sollte man es zumindest in kleinem Rahmen möglich machen, dass das Spiel für weibliche Chars auch noch ein bisschen was bietet und die ein wenig mehr machen können, als es vielleicht historisch war.