Beiträge von Iunia Axilla

    Als er sie bei ihrem Spitznamen nannte, musste Axilla wieder aufblicken. Sie war sich noch nicht ganz sicher, ob es ihr gefiel, dass er sie so nannte. Es erinnerte sie so sehr an ihren Vater. Und wenn sie in Timos Augen blickte, fühlte sie sich um einige Jahre in eine glückliche Vergangenheit versetzt, wenn er das sagte.
    Bei seinen folgenden Ausführungen machte sie aber dann mehrfach „Oh.“ Zu berauscht für Sicherheitsvorkehrungen. Nicht gut. Und wenn sie, wenn sie… Auch nicht gut. Gar nicht gut. Wenn man Kinder wollte, opferte man Iuno. An wen wandte man sich, wenn man keine wollte? Noch dazu, wo Axilla nicht besonders religiös war und sich da lieber auf die kleineren Zauber und Amulette verließ.


    Doch dann kam’s! Er bereute es nicht, aber das davor hatte ihm besser gefallen? Mit ihr durch Tavernen zu ziehen und zu Essen hatte ihm besser gefallen als mit ihr zu schlafen? War sie denn so schlecht gewesen?
    Ich… also, weißt du. Das war erst das zweite Mal, und… ich hab da keine Erfahrung damit… und betrunken war ich auch…
    Und was rede ich da bloß? Er hat mich verführt, und ich entschuldige mich, dass ich nicht gut im Bett war? Axilla räusperte sich und sah kurz zu Boden. In diese Richtung hatte sie eigentlich nicht geplant, dass das Gespräch verlaufen würde. Eigentlich wollte sie nur wissen, was passiert war. Und jetzt spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken…
    Nein, das konnte sie nicht. Das durfte sie nicht. Urgulania würde ihr gleich doppelt den Hals umdrehen. Zum einen war er Grieche und zum anderen ihr Scriba!
    Als Urgulanias Scriba bist du dann doch bestimmt öfter bei uns auch in der villa, oder?

    Axilla schaute dem Hund mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck hinterher. Sie fühlte sich immer noch ganz durcheinander. Oder schon wieder. Sie fragte sich, ob sie sich in den letzten 24 Stunden jemals anders gefühlt hatte als durcheinander.
    Aber… du kennst mich doch gar nicht…
    Das war der einzige Einwand, der ihr einfiel. Und nichtmal den fand sie besonders gut. Bei Silanus war es ihr ja auch egal gewesen, ob sie sich nun lange und intensiv kannten oder nicht. Überhaupt, welche Eheleute kannten sich schon groß vorher? Und wie bei Iuno kam sie jetzt genau darauf schon wieder?
    Ich meine… da müsste man doch öfter…also…
    Wenn sie sich besser kennenlernen würden, dann vielleicht. Aber, das war ja auch völlig ausgeschlossen. Immerhin war er Grieche, und sie Römerin. Wie sollten sie sich da besser kennen lernen? Und überhaupt war das Gespräch gerade in einer Richtung unterwegs, die sie beide gar nicht länger verfolgen sollten.
    Ähm, in der Nacht… also heute Nacht… wir haben… also…ich meine, hast du…? Oder hast du aufgepasst? Also, ich meine…
    Axilla wusste, dass die Frage wichtig war, aber sie konnte sie nicht so direkt stellen.

    So ganz wurde Axilla das Gefühl einfach nicht los, dass die Frau des Preafectus sie beobachtete. Hatte sie heute irgend etwas an sich? Sie sah doch ganz normal aus, wie sonst auch immer? Ein wenig unheimlich war ihr das Ganze ja schon, aber sie ließ sich nichts anmerken.
    Da kam ihr die Frage fast gelegen, um sich von diesem komischen Gefühl abzulenken.


    Nein, also ich noch nicht. Aber das wollte ich in den nächsten Tagen alles machen. Ich hab gehört, vom Paneion aus kann man die ganze Stadt sehen. Das muss wirklich toll sein, und ich war schon ewig nichtmehr in einem Hain für Faunus. Und dabei mag ich ihn doch so. Ich hab gehört, dort haben sie sogar wilde Tiere in Käfigen. Dahin werde ich auf jeden Fall als erstes gehen.
    Da war er wieder, der kleine Wasserfall, der ihrer Stimme entsprang und die Worte nur so dahinschießen ließ. Axilla lächelte einmal entschuldigend und widmete sich wieder ihrem Essen. Wenn sie nervös war, plapperte sie gerne. Oder wenn sie fröhlich war. Oder unaufmerksam. Diese schlechte Eigenschaft musste sie in jedem Fall noch in den Griff bekommen.



    Sim-Off:

    Entschuldigung, war der felsenfesten Überzeugung, Archias sei dran :D

    Axilla nahm den Vergleich mit Seianas Sklavin sehr gelassen und lächelte nur schulterzuckend. Sie beurteilte Menschen ohnehin viel lieber danach, ob sie sie mochte oder nicht mochte als danach, welchen stand sie hatten. Und wenn diese Elena ein netter Mensch war, warum sollte sie sich dann gekränkt fühlen, mit so jemandem verglichen zu werden?
    Oh, dann bist du ja schon fast solange hier wie ich. Ich bin vor drei Monaten hergekommen, oder waren es schon vier? Die Zeit vergeht hier manchmal so schnell und dann wieder so langsam, ich weiß es nicht genau. Eigentlich komme ich aus Tarraco. Aber… naja, meine Eltern sind jetzt beide tot und hier in Alexandria sind meine nächsten lebenden Verwandten, also bin ich hergekommen.
    Axilla merkte, wie ihre Stimmung bei diesen Worten wieder sank. Sie sprach nicht gerne über den Tod ihrer Eltern, schon gar nicht mit Leuten, die sie noch nicht so gut kannte. Sie hatte den Satz zwar schon so oft gesagt, dass sie ihn mittlerweile rückwärts sagen konnte, aber das hieß ja noch nicht, dass sie das gern tat. Deshalb ließ sie sich auch nur zu gerne von der anderen Frage ablenken.
    Ich weiß auch nicht, warum ich heute so gut drauf bin. Es ist einfach ein wundervoller Tag. In Ordnung, hier scheint immer die Sonne und die Vögel singen auch dauernd, also ist der Tag an sich nicht schöner oder weniger schön, aber… Oh, und natürlich der Schmetterling. Ich hatte schon ewig keinen Schmetterling mehr in meinem Zimmer, aber heute Morgen saß da einer. Ein großer, blauer. Ich hab noch nie so einen gesehen.
    Das klang jetzt vielleicht ein bisschen kindisch. Sich über einen bescheuerten Schmetterling so zu freuen, das konnten vielleicht kleine Kinder, aber doch nicht erwachsene Frauen! Verlegen lächelte Axilla Seiana zu.
    Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen albern, ich weiß. Aber man muss sich eben manchmal auch an den kleinen Dingen freuen.

    Alles Denken war vergessen, alle Bedenken, jeder Einwand. Sie stand da mit geschlossenen Augen und genoss seinen Kuss. Als sich ihre Lippen wieder trennten, stand sie noch einige Herzschläge mit geschlossenen Augen da, unfähig, sich zu bewegen. Ganz langsam öffnete sie ihre Lider und sah wieder in seine grauen Augen.
    Sie konnte seiner Frage nicht antworten. Alle Worte waren wie aus ihrem Gedächtnis getilgt. Stattdessen ging ein wohliger Schauer deutlich spürbar durch ihren Körper und blieb als sanftes Zittern fortbestehen, während sie ihm einfach nur in die Augen schaute.
    Axilla wusste nicht, wie lange sie einfach nur dastand und ihn anschaute. Als es ihr bewusst wurde, atmete sie einmal tief durch und löste ihren Blick von seinen Augen. Zitternd sah sie nach unten und trat einen Schritt von ihm zurück, raus aus seinen sanften Händen, die ihr Gänsehaut bescherten.
    Ihre Gedanken flogen wild durcheinander. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte doch gewusst, dass er sie küssen würde. Warum war sie überhaupt mit ihm stehen geblieben? Sie hätten schon längst wieder bei ihr zuhause sein sollen, damit sie Leander befragen konnte.
    Sie sah auf, und als sich ihre Blicke noch einmal trafen, waren die Bedenken wieder weg. Sie bereute es nicht, ihn geküsst zu haben, im Gegenteil, sie fand es sehr schön. Aber das durfte sie in keinem Fall sagen. Ausgeschlossen, er würde es bestimmt nur so auffassen, dass sie vielleicht mehr wollte. Auch wenn ihr Körper das im Moment ganz eindeutig auch wollte. Aber das durfte sie nicht.
    Es war sehr…” Axilla rettete sich in ein Räuspern, als es ihr beinahe doch herausgerutscht wäre. „Wir sollten… also… gehen, ja, gehen….
    Verflixte Worte. Sie sah noch einmal zu ihm auf und ihr Kopf zuckte kurz noch einmal in seine Richtung, als der Impuls, ihn noch mal zu küssen, sich ihrer eine Sekunde bemächtigte. Sie räusperte sich noch einmal und senkte ihren Blick wieder auf den Boden. Das war sicherer.

    Als er sie berührte, fing Axillas Herz an wie wild zu pochen. Ihr Mund fühlte sich mit einem Mal so trocken an. Und dann kam er noch einen Schritt näher und sie sah in seine Augen…
    Ihr Kopf bewegte sich langsam und zögerlich. Sie legte ihn ganz leicht schief, damit sie nicht mit den Nasen zusammenstoßen würden. Irgendwie hatten ihre Hände zu seinen Seiten gefunden, so dass sie sanft links und rechts auf seinem Brustkorb lagen. Sie ertrank fast in seinen Augen, ehe sie sich ganz leicht auf die Fußballen erhob, um ihm näher zu kommen.
    Ich darf das nicht…“ Der Einwand war kaum mehr als ein Flüstern, kaum einen digitus von seinen Lippen entfernt. Aber sie zog sich nicht zurück, sondern schloss nur die Augen und öffnete ganz leicht ihre Lippen.

    Ja, schade.
    Axilla betrachtete immernoch ausgiebig ihre Füße. Zögerlich hob sie den Blick, blieb aber bei seinen Lippen wieder hängen. Bevor er es noch bemerkte, senkte sie ihn lieber rasch. Es war ein peinlicher Moment, und Axilla hasste sich dafür, sich nicht mehr erinnern zu können. Sie konnte ihn ja wohl kaum bitten, ihr Gedächtnis aufzufrischen. Nicht nach dem, was sie vorhin in der Wohnung beschlossen hatten. Sie steckten beide doch schon tief genug in Schwierigkeiten, da mussten sie nicht noch neue heraufbeschwören. Und vor allem wollte sie ihm doch noch ein klein wenig böse sein!
    Sie schaute wieder hoch, in seine schönen, grauen Augen. Ihr Blick glitt aber immer wieder tiefer, zu seinen Lippen. Sie versuchte, ihm nur in die Augen zu schauen, aber es gelang einfach nicht. Als sie das merkte, räusperte sie sich kurz.
    Tut mir leid.
    Was genau sie damit meinte, ließ sie offen.

    Bei seinem Blick lief Axilla ein warmer Schauer über den Rücken. Es war verrucht, es war unanständig, es war anzüglich! Es war Verführung pur. Beschämt durch ihre Gedanken ließ sie den Blick sinken und überlegte schon eine angemessene, sittliche Antwort, als er behauptete, sie habe ihn dauernd küssen wollen.
    Sie sah zu ihm auf – und blieb dabei einen nicht unwesentlichen Sekundenbruchteil mit ihren Augen bei seinen Lippen hängen – und sah ihm in die Augen.
    Ich habe dich geküsst? Wirklich? Und wie war es so?
    Was? Das wollte sie doch gar nicht sagen. Schüchtern ließ sie die Augen wieder sinken und schaute ganz interessiert auf ihre Füße.
    Ähm, ich meine, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Also, dass ich dich geküsst haben soll.

    Die Wangen von Axilla nahmen eine tiefrote Färbung an, ähnlich eines reifen Apfels. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie das getan hatte. Und Timos hatte sie wieder angezogen?
    Und du bist nicht in Versuchung gekommen? Also, als ich nackt war… zwei Mal…
    Fand er sie hässlich? Ein bisschen verunsicherte das Axilla ja schon. Aber er hatte ja dann schließlich doch mit ihr geschlafen, also ganz abstoßend konnte er sie nicht finden.
    Und was dachte sie da eigentlich? Sie sollte sofort aufhören, in diese Richtung auch nur einen weiteren Gedanken zu denken und sich stattdessen offen und aufrichtig schämen! Ja, genau das sollte sie!


    Tat sie aber nicht.

    Meine Mutter ist auch vor wenigen Monaten gestorben…
    Das sagte Axilla gerade noch, ehe Timos ihr erzählte, sie habe sich auf offener Straße ausgezogen.
    WAS? Nein, nicht wirklich, oder? Ich habe mich einfach so ausgezogen, mitten auf der Straße und am helllichten Tag?
    Bona dea, wie viel hatte sie getrunken? Und was hatte sie getrunken? Sie konnte sich doch nicht einfach so mitten auf der Straße ausgezogen haben! Wer sie da alles gesehen hatte? Oh nein, wie peinlich. Dass Timos sie wohl nackt gesehen hatte, damit hatte sie sich ja abgefunden und das war irgendwie auch nicht mehr so schlimm wie noch heute morgen, aber… mitten auf der Straße?

    Oh.
    Damit wäre zumindest geklärt, bei welcher Gelegenheit sie ihm das gesagt hatte. Axilla wusste erst nicht, was sie dazu sagen wollte, aber Timos war anscheinend ebenso verwirrt wie sie selbst. Und dann sagte sie es einfach. Sie wollte schon lange mit jemandem darüber sprechen, aber bisher hatte sie immer Hemmungen gehabt. Und jetzt sprudelte es einfach so aus ihr heraus, als hätte es schon seit Ewigkeiten darauf gewartet.
    Mein Lehrer hat mir den Namen verpasst. Ich bin als Kind immer auf Bäume geklettert, wie die Eichhörnchen. In unserem Garten in der Villa in Tarraco stand ein großer Baum auf den ich am liebsten geklettert bin.
    Und es ist wohl irgendwie hängen geblieben. Mein Vater hat mich dann auch immer so genannt. „Nur Mut, kleines Eichhörnchen“ hat er immer gesagt, wenn ich vor etwas Angst hatte oder mich nicht getraut habe. Er … er ist gestorben, vor über zwei Jahren.

    Ihre Stimme wurde brüchig und sie schluckte und räusperte sich dann einmal.
    Tut mir leid, ich… ist ja nicht so wichtig. Wir sind dann zu dir gegangen?

    Sein Blick war so eindringlich. Axilla stand einen Moment nur da und schaute in seine Augen zurück, unfähig, etwas zu sagen. Sie stand einfach nur da und schaute zurück. Erst nach einigen Herzschlägen senkte sie den Blick und musste erstmal schlucken, bevor sie sprechen konnte.
    Ich hab wirklich Opium probiert? Das erklärt wohl, warum ich mich nicht mehr erinnern kann.
    Verlegen kratzte sie sich am Arm. „Du hast mich ja nicht gezwungen, dahin mit dir zu gehen. Es war meine eigene Schuld.“ Zumindest glaubte Axilla das. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sie dazu bekommen hätte, wenn sie sich gewehrt hätte. Da kannte sie sich zu gut und wusste, wie kratzbürstig sie sein konnte, wenn sie etwas nicht wollte. Dann würde Timos hübsches Gesicht sicher von Kratzern durchzogen sein, wenn sie sich hätte wehren wollen.
    Und dann bin ich danach mit zu dir gegangen? War das wirklich meine Idee?
    Sie konnte sich das gar nicht vorstellen. Wobei, ein Teil von ihr konnte es sich wohl doch sehr gut vorstellen. Aber dass sie wirklich ihre Erziehung so vergessen hatte?

    Sie hatte darauf bestanden? Axilla konnte es schlecht abstreiten, da ihr die Erinnerung fehlte. War sie gestern wirklich so übermütig gewesen? Sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie manchmal mehr als nur ein wenig unkonventionell war. Also nahm sie es mal als wahr hin.
    Die Menschen auf der Straße störten sie auch, vor allem, da sie eigentlich in Ruhe mit Timos reden wollte. Ihretwegen hätte sie sich auch in eine stille Ecke verziehen können und erstmal reden und dann zur Basilea gehen können. Aber so direkt wollte sie das jetzt nicht sagen. Also nickte sie ihm erst einmal zu und verließ mit ihm die Hauptstraßen. Er kannte sich in dieser Gegend von Brucheion wohl besser aus als sie, und sie folgte ihm bereitwillig, bis sie schließlich auf menschenleeren Pfaden unterwegs waren.
    Du sagtest, ich würde andere Dinge nicht so gut vertragen. Was meinst du damit? Wir haben doch nicht schon in der anderen taberna… oder?

    Mit dem getrockneten Frosch, ja. Und dann sind wir in eine… Taberna gegangen, wo Hähne gekämpft haben, und danach etwas Essen. Und wir haben mir ein Kleid gekauft. Für ein Fest, glaube ich.
    Ja, soweit erinnerte sich Axilla noch. Aber danach wurde es sehr schwammig. Und eigentlich interessierte sie sich mehr für das, was später passiert war und wann und in welchem Zusammenhang sie ihm das mit dem Eichhörnchen gesagt hatte. Nichtmal Silanus wusste von ihrem Spitznamen. Sie musste Timos schon wirklich sehr vertraut haben, ihm das zu sagen.

    Merkwürdige Geräusche? Axilla stutzte einen Augenblick und schaute dann fragend zu ihrem Zimmer hoch.
    Dann sollte ich wohl wirklich mal nachschauen. Nicht, dass noch war zu Bruch geht.
    Axilla machte sich daran, das Atrium zu verlassen. Kurz vor dem Ausgang drehte sie sich noch einmal auf den Hacken zu ihrer Cousine um.
    Ach Urgulania? Danke.
    Und damit war sie wieder verschwunden, um nachzuschauen, was Leander da so trieb.

    Oh. Das tut mir leid, das wusste ich nicht.
    Mehr sagte Axilla dazu nicht. Wann immer sie hörte, dass jemand bei seinem Dienst in der Legion gestorben war, musste sie an ihren Vater denken. Auch er war im Dienst für Rom gestorben. Und diese Erinnerung legte sich so schwer auf ihr Gemüt, dass jegliche Neugierde oder jeder Bedarf an weiterführenden Gesprächen in diese Richtung erloschen war. Sie hatte ihren Vater wirklich sehr geliebt, und auch noch nach über zwei Jahren tat es weh, daran erinnert zu werden.
    Ähm, ich glaube, ich sollte mal wieder nach dem Rechten in meinem Zimmer schauen. Ich habe vorhin Leander angewiesen, ein bisschen was umzuräumen, und sollte wohl mal schauen, was er so treibt."

    Axilla setzte sich neben Urgulania, als Marcus mit seiner Erzählung anfing. Dass ihre Cousine gerade nicht ebenso fröhlich war wie sie selbst, bemerkte sie gar nicht. Viel zu gebannt war sie von der Geschichte, die der Grieche da erzählte.
    Sie saß da und hing an seinen Lippen, wie es sonst wohl nur kleine Kinder zu tun pflegen. Aber sie liebte Geschichten, und sie hatte ja schon die ganze Zeit spannend darauf gewartet. Wie könnte sie da jetzt anders als so zu lauschen?

    Axilla wusste nicht, in welchem Abstand sie zu Thimótheos laufen sollte, dass es richtig wäre. Sich bei ihm einhaken kam schon mal erstmal nicht in Frage. Aber allzu weit durfte sie von ihm auch nicht weg sein, sonst konnten sie sich nicht gut unterhalten.
    Nachdem sie die Wohnung der drei Brüder verlassen hatten, beschäftigte Axilla unter anderem auch diese Frage. Aber viel dringender wollte sie eigentlich wissen, was zwischen ihnen beiden nun genau passiert war. Das konnte sie aber kaum besprechen, wenn man sie auf der Straße hören konnte.
    Sie schritt daher nahe neben Timos her und überlegte, wie sie es am besten anfangen sollte. So wirklich wollte ihr kein Anfang einfallen, zumindest keiner, der irgendwie klug geklungen hätte. Schließlich seufzte sie und wandte sich an Timos.
    Also, gestern, oder heute nacht... was genau…?
    Sie brach wieder ab und schaute kurz zu Boden. So konnte sie es nicht anfangen.
    Ich kann mich an nicht mehr so viel erinnern. Als ich heute morgen aufgewacht bin, hatte ich nur ein leichtes Hämmern im Kopf."

    So ganz konnte Axilla den Einwandt von Ánthimos nicht verstehen. Timos war Urgulanias Scriba, selbst wenn sie zusammen durch das Tor der Basilea schritten war daran noch absolut gar nichts Verwerfliches. Wenn Axilla heute zu Urgulania in die Stege gekommen wäre und dort nur ihren Scriba getroffen hätte, hätte er sie doch bestimmt auch so nach Hause begleiten können? Aber vielleicht dachte sie einfach – mal wieder – nicht genug darüber nach, also nickte sie nur und zog sich ihre Schuhe an.
    Schließlich war sie fertig und abreisebereit. In ihrer Schale war immer noch viel von dem Gemüse, und eigentlich wollte sie nicht unhöflich sein. Aber sie hatte auch absolut keinen Hunger. Und sie konnte es kaum erwarten, mit Timos unter vier Augen reden zu können.
    Ähm, ich weiß ja nicht, ob ich nachher wieder komme. Aber… danke für das Frühstück und… das andere auch.
    Sie kam sich ein bisschen doof vor, hier so zu stehen und nicht zu wissen, was sie sagen sollte. Sie schaute zu Timos, ob er fertig war und sie gehen konnten.

    Axilla konnte ein erleichtertes Ausatmen nicht unterdrücken. Wenn Urgulania wirklich weg war und sie „sturmfreie Bude“ hatte, konnte sie wirklich einfach daheim vorbeispazieren und Leander ausquetschen, was gestern Abend zuhause los war. Und falls Urgulania mit ihren Reisevorbereitungen beschäftigt gewesen sein sollte, dann war sie wohl aus dem Schneider. Dann bliebe es zwar eine Dummheit, aber eine konsequenzenfreie. Und Axilla wäre dieser Ausgang der ganzen Geschichte natürlich sehr recht. Auf Streit mit Urgulania hatte sie keine Lust. Vor allem, da sie die einzige Verwandte war, die sie noch in ihrer Umgebung hatte.
    Gut, dann… hat jemand meine Schuhe gesehen? Die hab ich vorhin nicht gefunden.
    Das klang irgendwie bescheuert. Axilla blickte nach ihren Worten in ihr Gemüse, als wäre da etwas hochinteressantes zu sehen. Sie stocherte ein wenig darin herum und blickte nicht auf, als sie den nächsten Satz sprach.
    Timos? Würdest du mich begleiten? Ich meine, du bist ja Urgulanias Scriba, da kannst du ja sicher mitgehen. Und ich möchte nicht ganz allein durch die Stadt laufen.