und wieder eine Woche rum
Beiträge von Iunia Axilla
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Dass Bauherren immer so knauserig waren, wenn es darum ging, großes zu schaffen! Sie wollten am liebsten gewaltige Bauten mit Kuppeldächern, am liebsten noch so unrealistische Vorstellungen wie das ganze in Glas zu gießen oder in Gold, oder wie hier, redeten von Perlmutt und Edelsteinen, aber kosten sollte das alles idealerweise höchstens einen Apfel und ein Ei.
Kephalos rechnete also kurz, wie viel man dadurch einsparen könnte. Natürlich war Stein günstiger als Marmor, aber behauen und eingepasst werden musste er genauso, er wo genau dasselbe und benötigte dieselbe Zeit, um Antransportiert und verbaut zu werden. Folglich sparte man wirklich einzig und allein die Materialkosten, die zwar bei der Menge an Material nicht unerheblich waren, aber eben dennoch lediglich Materialkosten.
“Vermutlich können durch diese Veränderung zwei, vielleicht dreitausend Sesterzen eingespart werden, allerdings nicht sechs. Um so viel einzusparen, müsste das gesamte Bauvorhaben wohl kleiner ausfallen oder in mehreren, getrennten Bauschritten erfolgen. Beispielsweise könnte man lediglich den Haupttempel bauen, den Vorplatz mit Mosaiken, Porticus, Säulengang und Wasserbecken auf einen späteren Zeitpunkt aber verschieben. Allerdings fügt sich dann der Tempel nicht als gänzlich abgeschlossene, autarke Einheit in das Straßenbild ein, sondern ist bis zur endgültigen Fertigstellung weit offener gehalten und spiegelt damit nicht unbedingt die ruhige und durchaus dunkle Seite von Serapis wider.“
Kephalos war Grieche, ihm war der aus Ägypten stammende Serapis mit seinem Mischwesen aus Zeus, Apis und Hades-Osiris vermutlich besser bekannt als der halben Bürgerschaft Ostias. Er war auch im Serapeion in Alexandria schon einmal gewesen und hatte sich dort einen verwirrenden Traum deuten lassen. Daher wusste er, wie wichtig eigentlich die Verschwiegenheit des Tempels war und wie das Mysteriöse und Geheimnisvolle dem Wesen des Gottes entsprach.
“Ein Tempelbau in dieser Größe und von der Bedeutung, die er in Ostia einnehmen soll als meines Wissens nach einziger Tempel des Serapis außerhalb des griechischen Raumes, ja auf latinischem Boden, der wird, so man ihn angemessen ausstatten will, nicht günstig zu erstellen sein. Wenn du meine Einschätzung willst, entweder müsste der Tempel insgesamt kleiner angelegt werden, oder aber du musst das Budget aufstocken.“ -
Die Steuern sind Vermögenssteuern und berechnen sich aus dem Geld, was du hast, nciht aus dem, das du bekommst.
Wenn du also zum Wochenwechsel noch viel Geld auf dem Konto hast, dann zahlst du davon viele Steuern. Oder anders ausgedrückt: Viel Geld ansparen bringt nix, da zahlt man dann nur mehr Steuern. Geld ausgeben bringt mehr, weil es zum einen die Balken, zum anderen die Wirtschaft ankurbelt und im Endeffekt Steuern spart. Also brav einkaufen, dann zahlst du weniger Steuern. Wer auf einem Vermögensberg sitzen bleibt (und bei 470 Sesterzen Steuern musst du so um die 9000 Sesterzen auf dem Konto haben), tut für die Wirtschaft wenig, dafür aber für den Staatshaushalt mehr. -
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Bei den Göttern, wenn er diesen Auftrag in diesem Umfang bekam, brauchte er die nächsten Jahre nichts anderes mehr suchen. Vermutlich hatte er danach genug Geld (und Ansehen) verdient, um fortan nur noch Lehrlinge auszubilden und nicht mehr selbst zu arbeiten. Wie gewaltig sollte dieser Tempel werden?
Kephalos durchdachte alles gründlich, ehe er zu einer Antwort ansetzte. Die frage war wirklich nicht einfach zu beantworten, denn bei einem Bau solcher Ausmaße waren viele Faktoren zu berücksichtigen.
“Das hängt maßgeblich davon ab, wie schnell der Tempel gebaut werden soll, folglich wie viele Helfer der Bau benötigen wird, welche Zusatzleistungen dafür erbracht werden müssen und welche Materialien du verwenden möchtest.
Beispielsweise der Marmor. Der beste Marmor ist der aus Luna im Norden. Reinstes Weiß, feine Körnung, keine Schlieren. Ich habe diesen Marmor auch beim Tempel des Mars ultor in Roma verwendet. Allerdings hat er natürlich auch seinen Preis, allein für den Transport. Noch dazu müssen Blöcke in entsprechender Größe geschlagen werden. Der Transport ließe sich sicher über das Meer leichter bewerkstelligen, allerdings bedeutet das wiederum die Bezahlung von Schiffsmannschaften, was aber vermutlich dennoch kostengünstiger und ganz sicher schneller ist als Ochsenkarren auf dem Landweg.
Natürlich kannst du auch günstigeren Marmor verwenden, allerdings wird dieser nie so weiß sein und unter Umständen Schlieren beinhalten, die das Bild des Tempels natürlich stören.“
Kephalos holte einmal tief Luft und hoffte, dass sein Gegenüber bei all seinen Plänen nun den Widrigkeiten der Realität und den speziellen Problemstellungen folgen konnte.
“Bezüglich des Wasserbeckens ist zu klären, inwieweit Wasserleitungen verlegt werden können und müssen. Bei stehendem Wasser besteht sonst immer das Problem mit der Algenbildung und der Säuberung, was die Gläubigen in späterer Zeit stets bemängeln würden. Und wenn du einen so großen Tempel stiftest, willst du sicher nicht in wenigen Jahren als der Algenbringer des Serapis bekannt sein. Daher benötigt solch ein Becken am besten fließendes Wasser, um reines Wasser für die nächsten Generationen am Tempel zu gewährleisten.Das sind Dinge, die zu Beginn geklärt und überlegt werden müssen. Dazu kommt die Anzahl der Steinmetzen, die die Säulen behauen, dazu die Mosaikenleger, die Maurermeister und die Zimmerleute für das Dachgebälk. Dazu die Gehilfen, und darüber hinaus die Tagelöhner, die zumindest wochenweise bezahlt werden müssen.
Darüber hinaus das Holz für das Gebälk des Daches, das natürlich lang genug sein muss, entsprechend abgelagert und getrocknet sein muss... je nach Verlusten bei der Flotte durch diesen Krieg könnte dies sehr schwer zu beschaffen sein, allerdings wird es auch erst spät benötigt. Dennoch sollte es frühzeitig organisiert werden, um zum passenden Zeitpunkt bereit zu stehen.Wenn wir also von einer Bauzeit von etwa zwei Jahren ausgehen, einer ausgewogenen Besetzung der Baustelle mit wenig weiteren Widrigkeiten wie schiefem Boden oder drückendem Wasser, weiterhin billigerem Marmor für die Säulen, an den anderen Stellen nur als flache Plattenverkleidung über Ziegelwerk, gutmütigen Mosaikenlegern und vorhandenen Leitungen, würde ich dennoch von nicht weniger als 8.000 Sesterzen ausgehen.
Gemessen an der Größe des Bauwerkes und im Hinblick auf Prestige und Bedeutung des Tempels, würde ich aber eher das doppelte dieser Summe für eine realistische Schätzung halten.Wenn du meinen Rat hierbei wünscht: Ich würde den feineren Marmor für die Säulen nehmen, ebenso für die Treppen, die Wände allerdings nur mit Marmor verkleiden. Auf Edelsteine und Perlmutt würde ich vorerst verzichten zugunsten einer zügigeren Errichtung des Bauwerkes und diese, sobald der Tempel betriebsbereit steht, nachbilden lassen. Dies ist einfacher, und du kannst vielleicht in einigen Jahren dein Engagement für diese Stadt neuerlich betonen, oder eventuell dein Sohn später.“ Kephalos hatte ja keine Ahnung, ob der Iulius jetzt schon einen hatte, aber Tempel verschönern konnte man immer.
“Die Frage nach den Wasserleitungen ist zu klären, sofern der Aquarius der Stadt von dir dahingehend beeinflusst werden kann, dies zügig und vielleicht auf eigene Rechnung zu veranlassen, sollten die Brunnen kein Problem darstellen.
Allerdings wird alles bis zur richtfertigen Erstellung des Bauwerkes immer noch mindestens ein Jahr, eher achtzehn Monate in Anspruch werden, je nachdem, wie streng der Winter hier in Ostia ist.“
Kephalos hoffte, den jungen Mann nun nicht zu sehr desillusioniert zu haben. Das meiste von seinem Plan konnte umgesetzt werden. Aber nicht gleich, und doch relativ teuer. Wobei Unwägbarkeiten wie gierige Zimmerleute, untergehende Schiffe mit Marmorblöcken und dergleichen noch nicht einmal ansatzweise mit einkalkuliert waren. -
Vermutlich war es nicht unbedingt clever, den Praefectus Classis zu versetzen, aber Axilla war im Moment zu beleidigt, um längergehend darüber nachzudenken. “Wir sind noch einige Zeit unterwegs. Wenn er sich mit mir unterhalten möchte, kann er dies gerne tun. Ich denke, mein Wagen wird unübersehbar sein. Nur heute Abend ist es spät“, meinte sie bemüht freundlich, aber man konnte ihren Ärger sehr wohl aus ihrer Stimme hören. So gut hatte sie sich einfach trotz langjähriger Übung als Frau eines hohen Ritters des Reiches nicht in der Hand.
Und so stapfte sie auch mehr, als dass sie graziös ging, als der Decimer aus ihrer Sicht noch einen oben drauf setzte. Ach, jetzt war SIE auch noch an dem hier schuld, oder was? Er hatte ja damit angefangen! Naja, zumindest aus ihrer Warte aus betrachtet. Egal, wie das Ende zwischen Archias und ihr auch gewesen sein mochte, die ganze schwierige Zeit davor – bei den Göttern, war sie mit sechzehn einfach jung gewesen! - sie hatte ihn geliebt. Sie hatte ihn wirklich geliebt. Und da zu hören, wie diese dummen Decimer ihn umbringen wollten, nur weil er ganz ordentlich eine Verlobung gelöst hatte, weil die Frau, mit der er sie eingegangen war, schlicht und ergreifend die schlimmste Schreckschraube des Römischen Reiches war... Nein, das war einfach nicht gerecht. Archias hatte sich nicht unehrenhaft verhalten, er hatte sich sogar verdammt ordentlich verhalten, obwohl er das nicht gemusst hatte. Und auch sie hatte sicher nichts falsches getan, sie hatte nur die Liebe erwidert, die er ihr entgegengebracht hatte. Es war vielleicht nicht vernünftig gewesen, aber nicht unrecht.
“Die Einladung war mir nicht unangenehm“, meinte sie also etwas spitzfindig im Weggehen. War sie auch nicht gewesen. Axilla war neugierig gewesen, es hatte sie abgelenkt, aber widerstrebt hatte sie ihr nicht. Das Unwohlsein hatte sich erst im Laufe des Gespräches eingeschlichen, nicht zuvor.Für den Moment waren solche Spitzfindigkeiten aber ohnehin überflüssig. Axilla ging wieder zurück zu ihrem Wagen. Jetzt kannte sie ja den Weg und konnte sich dementsprechend auch beeilen und ihrer inneren Wut durch den beschleunigten Gang auch entsprechend Luft machen. Und mit ihren Gedanken beschäftigt merkte sie dann auch nicht so sehr die Blicke, die ihr dabei folgten.
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Der Duumvir war mit seiner Aussprache zumindest näher an einem gebildeten Menschen dran als die meisten Rhomäer, die sich doch als Barbaren im ursprünglichen Sinne des Wortes zeigten, aber immer noch natürlich für das Ohr eines Griechen deutlich als Nicht-Grieche zu erkennen. Allerdings hatte Kephalos auch nichts anderes erwartet.
Er hatte sich also kaum erhoben und mit einem tiefen Nicken seinen respektvollen Gruß dem Duumvirn mitteilen können, als dieser auch schon so sehr in die Mitte der Dinge sprang, dass Kephalos Mühe hatte, ihm dorthin zu folgen. Zunächst aber folgte er ins Arbeitszimmer, was wesentlich leichter war als den Worten des Iulius, und wie ihm angetragen worden war, nahm er Platz.
“Nur sehr flüchtig, Duumvir Iulius. Ich war mir nicht sicher, ob während der Zeit des Krieges nicht schon ein anderer Architektos sich der Sache angenommen hat und habe daher den Baugrund nur sehr oberflächlich bislang in Augenschein genommen. Noch dazu, da ich gar nicht weiß, was du dir denn genau vorstellst.“ Ein Bauherrenwunsch musste ja zumindest einmal gehört werden, ehe man ihn als Architekt in machbare Bahnen lenkte. -
Die Decimer hatten doch allesamt eine sehr seltsame Auffassung von Ehre. Es wurden jeden Tag dutzende von Verlöbnissen gelöst, da krähte kein Hahn danach. Und natürlich heirateten die Männer jemand anderen, immerhin hatte Augustus es so im Gesetz bestimmt, dass jeder römische Bürger im Laufe seines Lebens mindestens einmal verheiratet sein musste – oder eine entsprechende Strafe zu zahlen hatte. In bestimmten Ständen durfte man sogar nur eine gewisse Zeit unverheiratet sein, ehe man selbigen Stand verlor. Aber für die Decimer war dies scheinbar ein Weltuntergang, dass jemand einen der Ihren nicht heiraten wollte. Wie sie wohl erst reagiert hätten, wenn Archias später eine Scheidung eingereicht hätte? Nicht einmal der Terentier hatte es länger als ein Jahr mit Seiana ausgehalten, und der war bei weitem politischer, als Archias das jemals gewesen war. Aber das interessierte die Decimi wohl wiederum scheinbar nicht.
Axilla schnaubte einmal leicht verächtlich und sah beiseite. Ganz offensichtlich waren sich in dem Punkt alle einig, dass die perfekte Seiana natürlich keine Schuld treffen konnte und jede Schuld natürlich außerhalb zu suchen war. Also bei ihr, der bösen Verführerin... Axilla hatte nicht auch nur die geringste Lust, sich weiterhin so verächtlich behandeln zu lassen für Dinge, an denen die Decima ganz allein die Schuld trug. Sie selbst hatte Archias noch dazu angehalten, Seiana zu heiraten, aber die Frau war so kratzbürstig und kalt, dass sie als Mann ebenfalls keine Ehe hätte eingehen wollen.
“Ja, ich kenne den Mann, und bevor du fragst: Ich werde es dir nicht mitteilen. Frag deine Cousine, wenn du es wissen willst, oder frag Terentius Cyprianus, und lies deine Antwort aus deren Augen.“Axilla erhob sich etwas unwirsch und strich ihre Tunika glatt. “Nun, er hat seinen Sohn als Erben eingesetzt, gefolgt von weiteren Ulpiern. Vielleicht hatte er gedacht, noch einen Sohn zu erhalten, oder einen Enkel, und nicht, dass Vescularius sie allesamt umbringt, bevor es dazu kommt. Ich finde es da nicht ungewöhnlich, dass er als Ultima Ratio dann einen alten Weggefährten und militärerfahrenen Politiker gewählt hat. Auf aelischer Seite gab es auch nur noch Aelius Quarto, der alt und militärisch unerfahren ist. Ich hätte das Reich auch nicht so schwach zurückgelassen, wenn man vom ärgsten Fall ausgeht.“
Warum diskutierte sie überhaupt mit dem Decimer noch darüber? Ganz offensichtlich hatte er ja keinen Sinn für Politik – und das kam ausgerechnet von ihr, da musste es schon was heißen! - da würde er die Gedanken wohl auch nicht verstehen. Die Entscheidung über einen künftigen Kaiser bedurfte sicher mehr Kalkül als die über einen künftigen Ehemann. Und da war der Decimus ja schon einer sehr starren Ansicht verhaftet, die an der Realität leicht vorbeiging.
Dass er sie dann jetzt zum Flottenpräfekten bringen wollte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Gerade eben hatte er sie noch durch die Blume beleidigt, und jetzt wollte er sie abführen? Nein. Er hatte nicht so reagiert, wie Axilla sich das vorgestellt hatte, also reagierte sie jetzt nicht so, wie er sich das vorstellte. “Wenn du nichts dagegen hast: Es ist spät, und der künftige Kaiser ist mir wichtiger als der Praefectus der Classis. Ich wollte nur nicht so unhöflich sein und deine Einladung ablehnen. Jetzt allerdings ist denke ich alles gesagt, was es zu sagen gab.“ Ganz offensichtlich war seine Einladung an sie doch nur ein Weg gewesen, um sie weiter zu erniedrigen zu versuchen. Auf weitere solche Treffen hatte Axilla sicherlich keine Lust. “Von daher wünsche ich dir einen schönen Restabend, Decimus.“ Auf ein 'Vale' verzichtete sie, ebenso auf seinen Mantel. Sollten die Gemüter der Männer machen, was sie wollten. Sie wollte nur wieder zurück in den Wagen und sich in ihrem Ärger ergehen. -
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Es schmerzte immer wieder etwas in den Ohren, wie die Rhomäer seinen Namen aussprachen, aber im Laufe der Jahre hatte er sich daran wohl fast gewöhnt. Fast.
“In dem Fall wird es mir eine Ehre sein, zu warten“ entgegnete Kephalos höflich und suchte sich eine freie Sitzgelegenheit, um dort die Zeit zu verbringen, bis der Duumvir eben jene für ihn aufbringen konnte. Im Grunde war es wirklich ein Glücksfall, dass der Termin gleich heute noch zustande kommen würde. Er hatte sich eher darauf eingerichtet, eine Woche warten zu müssen, ehe überhaupt jemand die Zeit fand, ihn wieder ganz nach Hause zu schicken. So konnte er sich nach dem heutigen Tage auf die eine oder andere Weise auf die Zukunft konzentrieren. -
erledigt
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Bin von morgen bis einschließlich Sonntag höchstens via Meldereiter zu erreichen.
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Was für eine verrückte Welt! Kephalos hatte ja schon viel erlebt, aber einen Bürgerkrieg noch nie. Und er hatte auch nicht vor, diese Erfahrung unbedingt zu wiederholen. Erst die Nahrungsknappheit, dann Brände, dann Belagerung, dann Plünderung! Römer waren letzten Endes doch alles Barbaren. Nicht dass seine Landsleute im Kriegsfall unbedingt besser waren, was aber die Barbarei und Dummheit der Römer deswegen nicht unbedingt schmälerte.
Nachdem also der neue Kaiser in Rom Einzug gehalten hatte und er selbst nur einen kurzen Blick bei dessen Einzug auf diesen erhaschen konnte, hatte Kephalos beschlossen, erst einmal die neu gewonnene Reisefreiheit zu nutzen und zuzusehen, dass er aus Rom hinauskam. Zumindest für eine Weile. Er musste schließlich Geld verdienen. Im Grunde genommen hatte er selbiges auch verdienen wollen, als die Tore Roms ihm faktisch vor der eigenen Nase zugeschlagen worden waren, weil ein feindliches Heer herangezogen war und man alles abriegelte und sich mit ein paar verlorenen Hanseln der verbliebenen Stadtwache zu schützen versuchte. Oder besser, die Stadtwache beschützte die Mauer, und innerhalb der Mauern beschützten die Einwohner sich selbst, denn Räuber und Diebe freuten sich über den Zustand scheinbar besonders und brachten Leute gleich insulaweise um, um an deren Vorräte und Geldtruhen zu kommen. Zum Glück waren Kephalos' Söhne schon alt genug, um bei der Bewachung der eigenen Wohnung zu helfen, so dass sie die beiden ernsthafteren Konflikte, die aufgekommen waren, auch mithilfe von seinen ebenfalls im Haus wohnenden Gesellen abwenden konnten.Jetzt aber musste die sehr leere Haushaltskasse aufgebessert werden. Im Grunde hatte Kephalos wenig Hoffnung, dass der Auftrag, den er schon so gut wie sicher gehabt hatte, noch zu vergeben war. Als er aber an der künftigen Baustelle des Tempels vorbeigegangen war, hatte er festgestellt, dass noch mit keinerlei Maßnahmen zum Errichten des Tempels begonnen worden war. Also war die Chance zumindest nicht vollkommen hinfällig.
Von daher ging er zur Curia der Stadt, da er ansonsten auch kaum Anhaltspunkte hatte, wo genau er denn nachfragen sollte, und suchte sich dort die nächstbeste ansprechbare Person.
“Chaire. Vor einiger Zeit hatte ich einen Termin mit dem Duumvirn Iulius, den ich leider nicht wahrnehmen konnte. Ist es wohl möglich, einen Termin bei ihm zu erhalten? Es geht um den Bau des Serapion-Tempels. Mein Name ist Kephalos, und ich bin Architekt. Im Moment wohne ich in dem Gasthaus in der Nähe des Vulcanus-Tempels, und ich werde dort die ganze Woche sein. Wenn er in dieser Zeitspanne einen Termin finden würde, wäre ich sehr dankbar.“
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Er hatte ihren Sohn also in Ostia getroffen? Und sie wusste nichts davon? Gut, Atticus und seine Freunde durften natürlich auch alleine draußen spielen ohne beständige Überwachung von einem Erwachsenen. Axilla hatte da doch genug Einsehen und Erinnerungen an ihre eigene Kindheit, um ihrem Sohn diese Freiheit nicht nur zu gestatten, sondern von Herzen zu gönnen. Er sollte nicht mit all der Bedrückung aufwachsen, die sie selbst seit der Machtergreifung des Vesculariers verspürte. Und bisweilen auch schon zuvor.
Aber ihr Sohn wusste ganz genau, wie wichtig es war, dass niemand seinen Namen erfuhr. Er wusste ganz genau, dass er niemals sagen durfte, wer er war und wo er wohnte. Wenn ihn jemals jemand fragen sollte, wusste er ganz genau, dass er sagen sollte, dass er der Sohn von Salvia Pulchra wäre. Und dass er unter gar keinen Umständen mit irgendwelchen Soldaten reden sollte, wusste der junge Herr ebenso. Oh, Axilla würde ein ernstes Wörtchen mit ihrem Sohn reden müssen. Ein sehr ernstes Wörtchen.Jetzt und hier aber versuchte sie, sich zu beherrschen und sich nichts anmerken zu lassen. Wie konnte Atticus nur so leichtsinnig sein? Es gelang wohl nicht allzu gut, und Axilla kaute beim Zuhören ganz leicht auf ihrer Unterlippe herum, wenn sie wieder überlegen musste, was sie ihrem lieben Sohnemann alles sagen würde.
Zum Glück ging Massa auf ihre Frage ein, auch wenn er es abwinken wollte. Aber zumindest lenkte das ihre Angst und die daraus resultierende Wut in eine andere Bahn, bei welcher Axilla dem Ganzen Luft machen konnte. Zumindest ein wenig.
“Oh, ich will dich aber nicht im Unklaren darüber lassen, nachdem dein Vetter dich darüber wohl nicht aufgeklärt hat. Natürlich kannst du deine Verwandten dann auch noch einmal fragen, um ihre Seite des ganzen zu hören, aber nur, damit du im Bilde bist:
Aelius Archias war sehr lange Zeit mit Decima Seiana verlobt. Allerdings wollte er sie nicht heiraten, fand sie zu steif, zu alt... zu sehr Decima Seiana. Also hat er sie sitzen lassen und statt dessen mich geheiratet.“ Axilla nahm ihren Becher und prostete dem Decimus einmal kurz zu, ehe sie einen Schluck nahm. Es hatte gut getan, ein wenig Ärger ablassen zu können, aber irgendwie befriedigte es nicht. “Natürlich war das alles eine große Blamage für die Decima, noch dazu wo Archias sie auf der Hochzeit von Aurelius Ursus und Tiberia Septima, als halb Rom anwesend war, zuerst beschämt und dann verlassen hatte. Also konnte man die Angelegenheit nicht unter den Tisch kehren.
Nachdem die Decimer an die Aelier aber so nicht herankamen und mein damaliger Mann dann gestorben war, meinte dein Vetter, dass es doch viel einfacher wäre, den Iunii die Schuld dafür zu geben, dass seine Schwester nach Außen hin eben nicht mehr perfekt ist.
Ich frage mich nur, wem er als nächstes die Schuld geben wird, nachdem Decima Seiana von ihrem Mann Terentius Cyprianus auch schon wieder geschieden ist. Auch, wenn es nach außen natürlich friedvoll ablief, weiß ich, dass es war, weil sie untreu war.“
Ja, Axilla konnte an dieser Unperson wirklich kein gutes Haar mehr lassen. Die Frau hatte ihre Familie bedroht! Es gab einige Dinge, die konnte Axilla hinnehmen und über sich ergehen lassen. Aber das war etwas, dass sie nicht vergeben konnte. Und worauf sie natürlich entsprechend reagierte. “Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass sie das zugeben wird. Axilla zuckte leichtfertig die Schultern und ging dann doch auf seine Frage nach Palma und ihrem Mann ein.“Nein, mein Mann ist... oder besser war der Procurator a libellis. Ich hoffe ja, dass er bei meiner Rückkehr wohlauf sein wird und Palma in ihm den fähigen Mann erkennt, der er ist. Aber ich weiß nicht, ob das Retten des Testamentes genug hierfür ist, denn ich habe das Testament nur dank ihm.
Aber du hast recht, das Testament alleine macht Cornelius zwar zum rechtmäßigen Kaiser, aber nicht zwangsläufig zu einem guten. Allerdings hat Valerianus ihm vertraut, und ich habe Valerianus vertraut. Von daher vertraue ich darauf, dass der Kaiser einen Mann damals gewählt hat, als er diese Zeilen schrieb, der diesen Vertrauens würdig ist.“ -
gemacht
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Es war größer hier drin, als Axilla es sich vorgestellt hatte. Der blanke Marmor, die hohen Sitzreihen, die noch höheren Säulen... das Alles war doch mindestens so beeindruckend, wie Axilla es sich vorgestellt haben mochte. Und doch konnte sie es nicht im Entferntesten genießen, dass sie hier, als Frau, in der Curia sein konnte. Überhaupt war dieser ganze Tag nichts, an das sie jemals mit einem positiven Gefühl zurückdenken würde.
Erst gab es Auspizien und Opfer, dann Reden. Viele lange Reden. Axilla hörte gar nicht erst richtig zu. Zu viel ging in ihrem Kopf herum. Die Sorgen waren auf einmal wieder da, die sie so sehr zu unterdrücken versuchte. Was war mit ihrem Mann? Was war mit ihren Söhnen? Wenn ihr schon so ein Hass entgegengeschlagen war, was war dann erst mit ihnen? Wo waren sie? Es war äußerst schmerzlich, nicht zu wissen, wie es den eigenen Kindern ging. Axilla hätte das nie für möglich gehalten, dass ein Mensch sich so fühlen konnte, aber die Ungewissheit über deren Verbleib zerriss sie mehr als sie es von den Zeiten in Erinnerung behalten hatte, als sie als Kind auf ihren Vater gewartet hatte.
Und dazu gesellte sich neue Ungewissheit, neue Gedanken. An Vala. Wieso musste er jetzt hier sein? Warum? Ausgerechnet jetzt? Axilla hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht, an seine Umarmung, seinen Geruch, den leichten Geschmack von Süßholz auf seinen Lippen. Und jetzt? Sie erinnerte sich schmerzlich an diese eine gemeinsame Nacht, die sie gehabt hatten, an all das, was sie gefühlt hatte. An die dinge, die sie gehofft, geträumt, gewollt hatte. Und die nie in Erfüllung gegangen waren. Nicht mit ihm. An die Zeit nach Atticus' Geburt, der ihm so ähnlich sah, an die Angst und die Sorgen. Warum war er jetzt hier? Und warum war er jetzt nicht hier?Dass sich etwas änderte, merkte Axilla erst, als der aurelische Senator, auf dessen Hochzeit sie gewesen war, zu ihr herübertrat und die Hand ausstreckte. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie alles realisiert hatte, und vorsichtig öffnete sie wieder den Tornister, um das Testament herauszuholen. Diese kurze Pause nutzte dann gleich der Mann ihrer Cousine für einen Einwurf, bei dem Axilla doch kurz aufblicken musste. “Vescularius hat meinen Mann Aelius Archias für weit weniger umbringen lassen, da wird er wohl kaum Quarto verschont haben.“ Sie sagte es leise, aber die Akustik des Baus war dafür nicht gerade von Vorteil, so dass der ein oder andere Senator ihre leise Stimme vermutlich doch gehört hatte.
Leicht beschämt holte sie das Testament schließlich hervor und überreichte es dem Aurelius und versuchte, möglichst unsichtbar zu sein, wenn im Boden versinken schon nicht so recht funktionieren wollte.
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Im ersten Moment wusste Axilla nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte sich hierzu überhaupt nichts vorgestellt, sie hatte nicht gedacht, in diese Situation überhaupt zu kommen. Geschweige denn, dass man ihr solchen Hass entgegenbrachte, dass man sie sogar mit Gemüse bewarf. War 'nichts' reibungsloser als das hier? Vermutlich.
Wenigstens fand der Imperator nun ein paar mehr Worte des Dankes, aber immer noch nicht die Worte, die Axilla gerne von ihm gehört hätte. Seinen Dank konnte er behalten. Was sie wollte, war seine Hilfe für ihre Familie.
“Mein Vater hat mich gelehrt, dass ein Soldat niemals zurückweicht. Und ich kämpfe für meine Söhne. Also möchte ich dich bitten, die Dankbarkeit, die du mir entgegenbringst, vielmehr ihnen und ihrer Zukunft zu zeigen.
Aber wenn deine Frage war, ob ich ernstlich verletzt bin: Nein. Nichts, was nicht rasch heilen wird. Selbst mein Stolz.“
Auch wenn Axilla im Moment sehr klar und aufrecht war und redete, sie fühlte sich nicht wirklich so. Sie fühlte sich verletzt und angreifbar. Und sie hatte Angst. Angst vor den Menschen, Angst vor dem, was noch kommen könnte, Angst davor, über ihre Gefühle nachzudenken. Über Vala. Auch nur zu ihm hinzusehen.
Daher war sie nicht undankbar, als Palma sie mit sich in den Senat einlud. Auch wenn das bedeutete, dass sie vermutlich noch mehr würde sagen müssen, mehr würde erklären müssen, sich mehr würde verletzbar machen müssen. Aber das war definitiv besser als die Alternative, die nicht weniger Verletzbarkeit beinhaltete, nur andere.Axilla folgte also Palma. Direkt an der Bühne stand ein Mann, der zu ihr hochschaute. Nicht voller Zorn oder Ekel oder Abscheu. Eher hilfsbereit, vielleicht auch mitleidig. Auch darüber versuchte Axilla nicht zu sehr nachzudenken und reichte ihm nur wortlos eine Hand nobel hin, damit er ihr half, auf den Stufen der Rostra das Gleichgewicht zu halten, während sie mit ihrem langen Kleid und dem Testament in ihrer Rechten hinabstieg. Sie wollte nicht am Ende noch dem schaulustigen Pöbel den gefallen tun, und auf die Nase in den Dreck des Forums zu stürzen.
Sie tauschte nur einen kurzen, fast traurigen Blick mit dem fremden, ehe sie sich Palma wieder anschloss, weiter auf ihrem eigenen, kleinen Feldzug zur Rettung ihrer Familie. -
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Natürlich hörte Axilla, was ein Teil der Leute rief. Hure Salinators. Natürlich schmerzte es, das zu hören. Dennoch blieb sie aufrecht stehen. Selbst dann, als Gemüse geflogen kam. Sie wich nicht aus oder versuchte sich davor zu schützen. Lediglich das Testament des Valerianus, das diesem Beschuss ja ebenso ausgesetzt war und von dem die Menschen da unten anscheinend keine Angst hatten, zu beschädigen, was sie mühevoll so lange vor Beschädigung bewahrt hatte, wurde von ihr hinter den Rücken gehalten, damit es nicht getroffen wurde. Das meiste der Wurfgeschosse landete sowieso auf den Menschen direkt vor der Rostra oder flog links und rechts an ihr vorbei. Eine gammelige Möhre traf sie etwa auf Hüfthöhe und hinterließ einen unschönen Fleck. Kurz fragte sich Axilla, wie bei all dem Hunger, der geherrscht hatte, noch etwas in dieser großen Stadt hatte vergammeln können. Noch etwas zweites traf sie, was sie nicht sah, und eine Pastinake, die doch etwas schmerzhaft war. Kurz verzog sie das Gesicht, gab aber keinen Laut von sich.
Dann war es auch schon vorbei, und Palma ging an ihr vorbei. Sein Dank kam ihr ein wenig wie Hohn vor. Er hatte sie den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Sie hatte dem Ruf ihres Mannes Schaden zugefügt. Sie hatte sich zur Zielscheibe für Spott und Hohn für ihn gemacht und war dafür beworfen worden. Auch wenn das dort unten Feiglinge waren, eine Frau, noch dazu eine von Stand, zu bewerfen, dennoch hatte sie sich verletzen lassen. Und alles nur für ein Versprechen, das im Grunde nichts wert war. Palma hatte ihr nichts gegeben, außer einem kleinen Danke, und dafür so viel schon verlangt.Aber das Schlimme war eigentlich: Axilla würde noch viel mehr tun, wenn sie damit ihre Söhne schützen könnte. Wenn sie wüsste, dass es ihren Kindern ein standesgemäßes Leben in Wohlstand ermöglichen würde, sie würde auch nackt Volkstänze aufführen und sich anschließend mit Messern und Steinen bewerfen lassen. Und sie hoffte nur, dass diese Situation jetzt den Kaiser vielleicht zu mehr als einem müden Danke wohl hinreißen ließ.
Wieder in der hinteren Reihe angekommen verstaute Axilla das Testament des Kaisers erst einmal wieder sorgfältig in seiner Lederhülle, ehe doch noch irgendjemand es traf. Die ganze Zeit dabei versuchte Axilla, nicht darüber nachzudenken, was passiert war, und erst recht nicht darüber, wie sie sich fühlte. Auch zwang sie sich, ihren Blick auf ihre Hände gerichtet zu halten und nicht aufzublicken, da sie wusste, wen unter all den Gesichtern sie suchen würde. Und dann würde sich anderer Schmerz in den jetzigen mischen, andere Gedanken sie von dem ablenken, was noch bevorstand, noch mehr Sorgen, noch mehr Schuld, noch mehr Zweifel. Und sie konnte sich nichts davon im Moment leisten.
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Der Lärm der Menge war beängstigend. Axilla sah aus dem Dunkel des Wagens immer wieder vorsichtig nach draußen, auf die geballten Massen, die ihrem Kaiser zujubelten. Zu sagen, ihr war schlecht, wäre wohl die größtmögliche Untertreibung gewesen, aber dennoch fiel Axilla keine passendere Umschreibung ihrer Gefühle angesichts des Ganzen ein. Ihr Herz klopfte vor Aufregung vor dem, was noch folgen mochte, und Axilla hatte furchtbare Angst, es zu tun. Sie war nur froh, in der Sicherheit des Wagens noch etwas außerhalb der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein, einen sicheren Rückzugsort so zu haben, in dem sie sich der ganzen Situation noch nicht stellen musste. Aber ewig würde sie nicht in dem Gefährt bleiben dürfen. Sie hatte Palma ihr Wort gegeben, das Testament dem Senat vorzutragen und seine Legitimität der Welt damit kundzutun. Für ihre Söhne, die hoffentlich noch am Leben und in bester Gesundheit waren. Für deren Zukunft. Und vielleicht, sollte ihr Mann noch leben, um den Kaiser bezüglich ihm etwas milde zu stimmen.
Sie stoppten an der Rostra, und Axilla hörte durch den Wagen gedämpft die Rede des Kaisers. Doch ab dem Zeitpunkt, an dem der Kaiser anfing, seine rhetorischen Fragen an die Menge zu richten, steigerte sich ihre Übelkeit so sehr, dass sie stark an sich halten musste, vor lauter Nervosität nicht Galle ins Wageninnere zu erbrechen. Sie hatte sich darauf vorbereitet, vor der doch noch überschaubaren Anzahl von Senatoren zu reden, so es denn sein musste. Aber auch, wenn sie durchaus befürchtet hatte, dass dies dem Cornelier nicht öffentlich genug sein könnte, hatte sie sehr gehofft, einer Situation wie eben jener jetzt doch entgehen zu können. Was sollte sie den Leuten da unten denn sagen? Die werden mich umbringen!
Allerdings kannte der Kaiser da keine Gnade, und auch die Götter wohl nicht, denn die Tür zu dem Wagen wurde geöffnet und blendendes Licht fiel herein. Axilla konnte sich nicht verstecken. Sie konnte dem nicht entgehen. Sie durfte nicht fliehen. “Ein Soldat weicht nicht zurück...“ Ein Satz, geflüstert. Das einzige, was ihr einfiel, um sich selbst genug zu zwingen, weiterzumachen. Sie konnte und durfte nicht zurückweichen.
Axilla stand auf. In ihrer rechten Hand hielt sie den schweren, mit Messing beschlagenen Rundtornister, in dem das Papyrus mit dem Testament bewahrt wurde. Eine Hand wurde ihr angereicht. Geblendet von der Sonne sah Axilla nicht einmal, zu wem die Hand gehörte, als sie ihre Linke darauf legte und sich so beim Ausstieg helfen ließ.
Einen Augenblick blieb sie vor dem Wagen stehen, atmete tief ein, richtete sich gerade auf. Urgulania hatte viel Zeit darauf verwendet, ihr Begriffe wie dignitas, prudentia und pietas beizubringen – wobei Axilla selten Probleme mit fehlendem Mut gehabt hatte. Nur jetzt klammerte sich Angst mit eisigen Fingern um ihr Herz. Dennoch wäre ihre Cousine wohl stolz auf das Bild, das Axilla in diesem Moment abgab. Und vielleicht auch ihr Vater. Ein Soldat weicht nicht zurück. Niemals.Langsam nahm Axilla den Aufstieg zur Rostra, ignorierte dabei die versammelte Menschenmenge unten, hielt den Blick gerade, Palma zugerichtet. Sie wagte nicht, in der Menge nach vertrauten Gesichtern zu suchen. Was sollte sie diesen auch sagen? Was sollte sie überhaupt sagen? Nicht darüber nachdenken. Handeln... Ihr Blick schweifte kurz über die Kommandanten der Legionen, die in Palmas Nähe waren. Die meisten kannte sie nicht, aber Axilla erkannte den Mann – oder Exmann – ihrer Freundin Flavia Nigrina wieder. Und... Vala.
In ihrem Innersten schien der Moment, in dem sie ihn sah, ewig zu dauern. Ihr Herz schlug noch immer wild, aber anders. Für einen Moment war es, als wäre er nie weg gewesen, als gäbe es die Jahre nicht, die sie getrennt hatte. Er war da. Er lebte. Er war bei ihr. Er lebte! Dass er wohl Befehlshaber einer Armee war, war da fast nebensächlich. Auch wenn es Axilla berührte, ihn in einer Rüstung zu sehen, zu ihm aufzuschauen, in seine grauen Augen. Sie blinzelte gegen das Licht, und seine Gestalt verschwamm dabei, mischte sich mit der eines anderen, auch eines Tribunen mit grauen Augen, und es gab ihr so viel Frieden, dass sie trotz all dem hier kurz lächelte.
Außerhalb ihres Innersten war dieser Moment aber wohl kaum mehr als der Flügelschlag eines Vogels, in dem sie Vala kurz sah und ihm den Anflug eines traurigen Lächelns zeigte, ehe sie die Stufen hinauf zum Rednerpult stieg, langsam und würdevoll, um dort hinzustehen, wo soeben noch der Kaiser stand.Die Menschen unter ihr kamen ihr vor wie nur ein einziges, gewaltiges, lebendiges Wesen, unheilvoll und lauernd. Und Axilla wusste nicht, was sie sagen sollte, sie davon abzuhalten, sie nicht zu zerfleischen und zu zerfetzen. Sie hatte keine Rednerausbildung, hatte nie vor so vielen Menschen sprechen müssen oder gedacht, es jemals zu tun. Und doch stand sie jetzt hier und hoffte, die richtigen Worte irgendwie zu finden.
“Bürger Roms!“ Das war zumindest einmal ein Anfang. Fehlte nur noch der ganze Rest, den man auch hoffentlich weit genug hören würde. Ein Soldat weicht nicht zurück.
“Mein Name ist Iunia Axilla, Tochter des Atticus Iunius Cassiodor, Witwe des Caius Aelius Archias, Ehefrau von Gaius Pompeius Imperiosus.“ Eine Vorstellung konnte nicht schaden. Abgesehen davon, dass Axilla ab jetzt beständig hoffte, dass niemand etwas nach ihr werfen würde. “Und es stimmt, was Imperator Cornelius Palma euch soeben verkündet hat.“
Im Zweifelsfall war es vielleicht einfach das beste, wenn Axilla die Wahrheit sagte. Auch wenn die gefährlich war, für sie, für ihre Familie. Sie blickte noch einmal kurz zu Palma zurück und hoffte, dieser würde sich später daran erinnern, was sie für ihn jetzt in diesem Moment tat und wieviel sie dabei riskierte.
“Mein Ehemann war Klient von Vescularius Salinator. Als dieser entgegen aller Sitten und Gebräuche das Testament des verstorbenen Gaius Ulpius Aelianus Valerianus selbst aus dem Tempel der Vesta holte, anstatt es von der Virgo Maxima in den Senat bringen zu lassen, war mein Mann der Zeuge als Procurator a libellis. Nachdem der Usurpator den letzten Willen von Kaiser Valerianus gelesen hatte, gab er es meinem Ehemann, um es zu vernichten, damit die Welt nie davon erfährt, wen der Kaiser zu seinem rechtmäßigen Nachfolger bestimmt hatte, und ließ das Testament fälschen, um dem Senat diese Fälschung vorzulegen und so die Macht wider allen Rechtes an sich zu reißen! Und er ließ all jene verleumden, verbannen und töten, die ihn daran hätten hindern können.
Mein Mann aber zerstörte das Testament des Valerianus nicht, sondern brachte es mit nach Hause, wo ich es in meine Obhut bekam, um es zu bewahren für den Tag, an dem der Usurpator tot und Rom wieder frei sein würde, damit der letzte Wille von Kaiser Valerianus vollstreckt werden könnte.Ich schwöre dies alles im Angesicht der Götter und beim heiligen Stein des Iuppiter, dass jedes meiner Worte die Wahrheit ist. Ich schwöre, dass dies hier in meiner Hand das Testament ist, das der Usurpator Vescularius widerrechtlich aus dem Tempel der Vestalinnen geholt hat und welches er fälschen ließ, um so die Macht an sich zu reißen. Die Götter mögen mich und meine Kinder strafen, wenn ich falsches Zeugnis abgeben sollte, denn dies ist die reine Wahrheit!“
Axilla hatte versucht, laut zu reden, aber sie war sich nicht sicher, wie weit ihre Stimme wirklich zu hören wäre. Sie zitterte am ganzen Körper, aber wirklich sehen würde dies vermutlich nur der Kaiser, ebenso wie ihre bis zum Bersten angespannten Muskeln, damit sie nicht wankte. Aber als Mutter durfte sie sich Zweifel im Moment nicht leisten, sie musste es vollenden. Ein Soldat weicht nicht zurück.Axilla öffnete den kunstvollen Tornister und reichte ihn an einen der Männer weiter. Mit beiden Händen rollte sie das Pergament gut sichtbar auf und begann.
“Und dies ist der letzte Wille eures geliebten Kaiser Valerianus':
Testamentum des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, Imperator Caesar Augustus, Divi Iuliani Filius Pontifex Maximus, Tribuniciae Potestatis Imperii Proconsulare Censor!Pars Prima. Meine Betriebe, Grundstücke und Immobilien, mein Privatvermögen, Lagerbestände und aller beweglicher Besitz sollen meinem Sohn und Thronerben Publius Ulpius Maioranus zufallen.
Pars Secunda.Sollte das Erbe aus Gründen der Unvolljährigkeit oder des Todes meines Erben nicht auszahlbar sein, so wird mein nächster agnatischer Verwandter aus der Gens Ulpia als Verwalter bis zur Vollstreckung des Erbes bzw. selber als Gesamterbe eingesetzt.
Pars Tertia. Sollte die Gens Ulpia zum Zeitpunkt meines Todes erloschen sein, setze ich den Consular Appius Cornelius Palma ein, der meinem Vater und Großvater in Krieg und Frieden tapfer und treu gedient hat, als meinen Gesamterben und Thronfolger ein.
Dies verfüge ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, niedergeschrieben und gesiegelt mit eigener Hand.
Unterschrieben und gesiegelt vom Kaiser am sechsten Tag vor den Iden des Mai im Jahr Achthundertachtundfünfzig.“Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig rollte Axilla das Schriftstück wieder auf und harrte der Dinge, die jetzt folgen mochten. Zum Guten oder zum Schlechten, aber ihr Wort hatte sie gehalten.
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Sim-Off: Wollte auf Timoleon warten, aber nach 3 Tagen nimmt er es mir hoffentlich nicht krumm
Im Grunde hatte Axilla immer noch keinen Hunger, und es stand auch noch die Möglichkeit im Raum, dass der Kaiser sie vielleicht nach diesem äußerst ereignisreichen Tag noch zum Essen einladen mochte, weshalb sie hier auch nicht zu lange verweilen wollte. Aber sie konnte dem Decimer das auch schlecht so auf den Kopf zusagen und musste zumindest die nötigsten Höflichkeitsformen beachten. Und ob sie nun jetzt ein paar Bissen ohne Hunger aß, bevor sie nachher ebenfalls ein paar Bissen ohne Hunger essen würde, oder ob sie nur später ein paar kleine Happen nahm, machte wirklich keinen Unterschied.
Also wartete sie, bis ihr Stuhl bereit stand, und nahm dann darauf Platz, sich der Kürze ihrer Tunika nur allzu schmerzlich bewusst. Sie versuchte, auffällig nicht zu bemerken, dass ihre Knie so freilagen, ebenso ihre glatten Unterschenkel, und hielt die Beine sittsam geschlossen. Sie nahm den ebenfalls angebotenen Becher entgegen und vergoss einen etwas großzügigeren Schluck auf den Boden, in der Hoffnung, Bacchus würde sie heute von einem Rausch verschonen. Hätte sie geahnt, dass der Centurio sie einlud, hätte sie selbstverständlich ihren Löffel mitgebracht, so aber musste sie sich wohl oder übel den seinen leihen.Der Inhalt des Topfes roch wirklich gut, und unter anderen Umständen hätte es wohl Axillas Appetit gefördert. So aber bedauerte sie eher, dass sie das gute Essen dank mangelndem Hunger wohl nicht wirklich würde würdigen können.
Sie nahm also gerade ein kleines Löffelchen anstandshalber, als ihr Gastgeber sie zu ihrer Familie beglückwünschte. Sie stockte kurz in der Bewegung, zu sehr, um es wirklich zu kaschieren. “Ja, mein Ältester ist so blond wie Apollo selbst, und mindestens genauso schön.“ Aber woher wusste Massa das? Sie hatte es nicht gesagt, und ihr Sohn war zu klein gewesen, um in Rom wirklich aufzufallen. Sie hatte ihn nie offiziell irgendwo hin mitgenommen wegen seines Alters, und so interessant, dass die halbe Welt über ihr Kind sprechen konnte, war ihre Familie sicher auch nicht. “Mir war nicht bewusst, dass du ihn kennst...?“ stellte sie dann doch zaghaft ihre Frage, die sie dann hinter einem bissen Puls versteckte. Es war gut gekocht. Nur hatte Axilla jetzt noch weniger Hunger als vorher.Und die Ausführungen zur Schlacht waren weniger als gar nichts. Die Etrusker hatten also eine entscheidende Rolle gespielt, aber wie genau? Und warum war die Classis jetzt auf Seiten von Palma? Was mussten das für Verhandlungen gewesen sein?
Das einzig beruhigende an der ganzen Sache war, dass Massa ihr bestätigte, dass diese Entscheidung wohl wirklich erst nach der Schlacht getroffen worden war und sie wohl keine direkten Auswirkungen auf Rom hatte. Damit war zumindest die Theorie vom Tisch, dass die Cohortes in Rom einen langgeplanten Putsch durchgezogen hätten. Ihr Mann war damit zwar noch nicht außerhalb der Gefahr, aber zumindest in kleinerer.
“Cornelius war von Anfang an der rechtmäßige Kaiser, er muss es nicht erst werden. Dies war der Wille von Valerianus. Aber es ist gut, wenn die Soldaten ihn auch jetzt schon als solchen ansehen, und gewiss wird er sich dieser Liebe als würdig erweisen.“ Ein Teil davon entsprach auch wirklich dem, was Axilla dachte. Cornelius Palma war der Kaiser, und Valerianus wollte, dass er Kaiser werde. Axilla erinnerte sich an ihr Opfer am Hausaltar, und ihre Bitte an den Genius des verstorbenen, ihr den richtigen weg zu weisen. Auch wenn sie damals dachte, dass sie keine Antwort erhalten hätte, glaubte sie inzwischen doch, dass der Geist des Valerianus ihr einen Weg gewiesen hatte – den, Cornelius Palma das Testament zu bringen und damit ihre Familie zu beschützen. Aber ob der Mann wirklich auch würdig war, der Nachfolger von Valerianus zu werden, das wusste sie nicht. Allerdings wusste sie, dass von ihr erwartet wurde, genau das der ganzen Welt zu sagen.Axilla nahm noch einen kleinen Löffel ohne rechten Hunger und fragte sich erneut, warum sie die Einladung überhaupt angenommen hatte. Sie selber wusste es nämlich nicht einmal ansatzweise. “Ich muss zugeben, Decimus, dass mich deine Einladung heute vormittag doch recht überrascht hat“, lenkte sie daher das Gespräch auch sogleich auf das Thema. Nachdem der Decimus nicht gewillt war, ihr genauere Informationen über die Schlacht zu geben, gab er ihr vielleicht eher ein paar über seine Beweggründe, sie einzuladen. “Unsere letzte Unterhaltung endete ja doch etwas abrupt dank deines Vetters.“ Ja, Axilla erinnerte sich sehr genau daran. Und war nach wie vor nicht besonders erfreut über den ganzen verlauf des damaligen Gespräches.