Massa stimmte zu, und Axilla entlockte es ein freudiges Lächeln. Und mehr noch, im Gegensatz zu seinem Vetter, der ihr einen bitterbösen Blick zuwarf und damit Axillas Maske der Freundlichkeit kurz ein wenig ins Wanken brachte, als sich leise Zweifel einschlichen, fing er sogar ein kleines, nettes Gespräch an.
Axilla versuchte weiterhin, den plötzlichen Stimmungsumschwung des Tribuns nicht zu bemerken, und widmete sich daher ganz dem Marinesoldaten. “Ja, ich bin sogar die Lectrix, wenn man es genau nimmt. Den Bericht aus Ägypten habe ich Korrektur gelesen. Es klang wirklich sehr bedrohlich und äußerst tapfer, wie ihr dort unsere südlichen Grenzen verteidigt habt. Wenn ich Columnus glauben kann“, was man bei der extravaganten Art des rasenden Reporters nicht immer konnte, “muss es ein martialisches Gemetzel gewesen sein.“ Der Kriegsgott hatte sicher seine Freude an diesem Tag gehabt. Die Soldaten vermutlich weniger.
Doch weiter zum Vertiefen kamen sie nicht. Gerade, als Axilla eine Dattel von Massa nahm und ihm dafür mit charmantem Lächeln eine von ihren gab, denn sie hatte immerhin auch eine Handvoll, und somit Symbolisch mit ihm das Brot brach, genau diesen Moment wählte der Tribun, um nicht nur seinem hinzugekommenen Verwandten klar zu machen, dass er sich nicht neben Axilla zu setzen hatte, sondern auch zu verbalisieren, was seine miese Laune verursacht hatte. Das Lächeln auf Axillas Gesicht erstarb, ebenso wie die Bewegung, mit der sie die Dattel gerade essen wollte, um so die Freundlichkeit Massas wirklich anzunehmen.
Die Hoffnung, die trügerische Ruhe zwischen ihr und Seiana könnte wirklich eine Form der Vergebung der ganzen Sache sein, verflüchtigte sich mit einem einzigen Schlag – der scheinbar wohlplatziert in Axillas Magengrube landete. Axilla war vielleicht naiv, aber sicher nicht dumm. Die Worte des Decimus konnte man nicht wirklich falsch verstehen. Es war nicht so, dass dies eine Sache zwischen ihr und Seiana war, die inzwischen ausgeräumt werden konnte, spätestens nachdem Axilla ihr Katander überbracht hatte. Nein, das hier war ein Groll der Gens Decima gegen die Gens Iunia, und der ließ sich scheinbar nicht so einfach wieder ausräumen. Und nun musste Axilla sich überlegen, welche Konsequenzen sie daraus zog.
Der junge Decimus Flavus war anscheinend so verwirrt über die Neuigkeit, dass er sich erstmal neben Serapio setzte und sich prompt nochmal vorstellte, obwohl er das ja eben schon getan hatte, und auch die Frage seines Verwandten Massa nach dem nächsten Kampf wiederholte.
Axilla hingegen widmete sich erst einmal ihrem neuen Feind. Alles in ihr wollte den Rückzug antreten und einfach gehen, aber sie konnte sich nicht gänzlich kampflos zurückziehen. Auch wenn ihr wohl anzusehen war, dass Serapio sie getroffen hatte – waren doch alles Lächeln und jedes Funkeln aus ihren Augen gewichen – sie wollte das nicht unkommentiert lassen.
“Es ist sehr freundlich, Decimus, dass du einige Teile der Geschichte ausgespart hast. Aber ich denke, deine Verwandten sollten sie auch hören, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben.“
Ohne auf seine Reaktion zu warten, wandte sie sich Massa zu, einfach weil es ihr bei ihm am einfachsten fiel. Er war freundlich gewesen, vielleicht hörte er ihr wenigstens zu. “Denn es stimmt, ich habe eben jenen Aelier geheiratet. Was dein Verwandter aber vergessen hat, zu erzählen, war, dass er ein verrückter Irrer war, der vollkommen von mir besessen war. Der nicht auf mich hören wollte, als ich ihn mehrfach gebeten habe, die Verlobung mit deiner Base nicht zu lösen und seine Verträge einzuhalten. Und der meinen Leibsklaven hat meucheln lassen, um mir alle Vertrauten außer ihm zu nehmen. Und der meine Freunde und sogar meine Geschäftspartner bedroht hat, um mich zu isolieren und zu ihm in den Palast zu sperren, und der sich auch aktiv darum bemüht hat, dass ich keine Arbeit mehr annehmen kann.“ Axilla erzählte es so ruhig wie irgend möglich, obwohl ihr die Inhalte mehr als weh taten. Axilla erinnerte sich nicht gern an die ganzen Vorkommnisse. An keinen Teil davon.
“Und der dann noch kurz vor seinem entehrenden Tod den Praefectus Urbi“ und Axilla deutete bei diesen Worten in Richtung der Ehrenloge, “...dermaßen beleidigt hat, dass dieser seine sämtlichen Besitztümer erst einmal eingezogen hat, so dass Decima Seiana den ihr vermachten Sklaven nur aus dem einzigen Grund erhalten hat, weil ich zu Vescularius gegangen bin und ihn persönlich darum gebeten habe, und anschließend die mir überlassenen Sklaven dennoch nach Aelius' Willen verteilt oder freigelassen habe.“
So, die Schlacht war geschlagen, auch wenn Axilla nicht glaubte, gewonnen zu haben. Dennoch war es jetzt Zeit für den geordneten Rückzug. Nachdem nun alle Decimer wie Hühner auf der Stange beieinandersaßen und der Sklave stand, wandte sie sich Theseus zu. “Wenn dein Herr es erlaubt, kannst du dich hier hin setzen, Theseus. Mir ist für heute der Spaß an Schlagabtäuschen verloren gegangen, ich muss dabei kein Blut sehen.“
Sie erhob sich, und Malachi tat es ihr gleich. “Ich denke, unsere Wette müssen wir verschieben, Decimus Massa. Im nächsten Kampf treten Secutor und Retiarius an... und ich hätte den Secutor gewählt. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, dass du mir mitteilst, ob ich gewonnen hätte.
Decimus Flavus, es war mir eine Freude, dich kennenzulernen.“
Sie deutete Malachi an, er solle schon zur Treppe gehen, sie würde gleich folgen. Erst noch hieß es, sich von Serapio zu verabschieden. “Ich hoffe, du genießt deinen Sieg, Tribun, und er ist so süß, wie die Dichter sagen und nicht so bitter, wie dein Blick es vermuten lässt. Mein Sklave wird dir noch heute Abend deinen Gewinn vorbeibringen. Du sollst nicht sagen, ich würde meine Schulden nicht begleichen. Valete.“ Und so aufrecht, dass Urgulania wohl stolz auf sie gewesen wäre, verließ Axilla die Decimer. Für sie war das kein Rückzug. Es war nur ein Vormarsch in eine andere Richtung. Eine, über die Axilla sich erst noch klar werden musste. Aber es war einfacher, als einzugestehen, dass die Worte des Decimers sie getroffen hatten.