Beiträge von Iunia Axilla

    Was es schöneres geben konnte, als ständig umschwärmt zu werden? Axilla musste aufpassen, um nicht bitter zu lachen. Flaccus hatte sicher nicht verdient, dass sie ihn in ihrem Liebeskummer mit Bitterkeit strafte. Er war nett und hatte sie hier an diesen herrlichen Ort entführt, damit sie ein paar schöne Momente erlebte. Und sie zog ihn in den Strudel ihrer Gefühlswelt, obwohl er ihr auch mit dem Lied sicher nur gefallen wollte.
    “Diese Aufmerksamkeit ist nur allzu schnell ein goldener Käfig, wenn man nur vom anderen umgeben und nur für ihn da ist. Zu Liebe gehört mehr, als nur ständig beisammen zu sein und dieselben Dinge zu tun. Vertrauen ist Freiheit. Freiheit ist Schönheit.“ Axilla sagte es erstaunlich sachlich und ruhig. Sie wusste, wovon sie sprach. Egal, ob sie Archias nun geliebt hatte oder nicht (und angesichts der Intensität der Gefühle, die sie die letzten Tage erlebt hatte, war sie sich da nicht sicher, ob sie ihn jemals wirklich geliebt hatte, oder einfach nur starke Zuneigung verspürt hatte), sie wusste, wie ein goldener Käfig war. Und Archias hatte sie geliebt, das wusste Axilla, und seine Liebe hatte sie erdrückt und immer mehr eingeengt, bis kaum noch etwas von ihr selbst übrig geblieben war. Nein, Axilla weigerte sich, die Liebe als so etwas zu sehen und das auch noch zu verherrlichen.


    Und seine zweite Frage war noch verwirrender. Was eine Frau sonst wünschen könnte, außer einen gehorsamen Diener? Axilla hatte ein sehr klares Bild, aber sollte sie das Flaccus sagen? Sie wusste nicht, weshalb genau er sie eingeladen hatte. Vielleicht schlug sie ihm ja vor den Kopf, wenn sie ihm vor Augen führte, was sie tief in ihrem Innersten begehrte. Sie fand den Flavier sehr nett und vielleicht flirtete sie sogar ein wenig mit ihm. Vielleicht flirtete er auch mit ihr, wenngleich so subtil, dass sie es nicht richtig verstand. Aber wissen konnte man nie. Da erzählte sie ihm lieber nicht von starken Beschützern, von willensstarken Männern, die Entscheidungen treffen und auch tragen konnten, von Geborgenheit und Sicherheit. Er könnte das als Herabwürdigung seiner Person sehen, und das wollte Axilla wirklich nicht. Vor allem, da sie das ja auch gar nicht so meinte, nur unfähig war, das was sie meinte, in Worte zu fassen.
    Sie ließ die Frage also einfach im Raum stehen, und musste auch gar nicht lange warten, bis Flaccus mit einer weiteren Frage herausplatzte, die so unschuldig gestellt war, wie es sonst Axilla nur tat. Und so sehr sie auch eben überlegt hatte, den Flavier zu schonen, beim Blick in den blauen Himmel über ihr kam bei dieser Frage doch eine traurige Antwort über ihre Lippen.
    “Liebe tut weh. Sie hinterläßt Narben, sie verwundet und verheert jedes Herz, das nicht stark genug ist, sehr viel Schmerz zu ertragen. Sie ist wie eine Wolke, die eine Menge Regen in sich trägt.“ So fühlte sich die Liebe zumindest im Moment für Axilla an.
    “Ich hab ein paar Dinge über die Liebe gelernt. Es stimmt, was die Dichter sagen, sie ist eine unlöschbare Flamme in deinem Innersten, aber sie wärmt nicht, sie verbrennt dich. Liebe ist eine Lüge, die dazu geschaffen wurde, einen Menschen in tiefe Verzweiflung zu stürzen.“
    Axilla sah verletzt in das tiefe Blau über ihr. Sie wusste, dass das sicher nicht die Antwort war, die Flaccus hören wollte, und auch sicher nicht die, die er verdient hatte. Aber es war eine Wahrheit. Und doch gab es auch noch eine andere Wahrheit. Axilla atmete einmal tief durch. Die kühle Herbstluft schmeckte nach nassem Laub und trug bereits einen Hauch von Winter in sich. Sie setzte sich auf und sah Flaccus mit gemischten Gefühlen an. Ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf ihre sonst betrübten Züge.
    “Und doch, wenn sie einen berührt, sieht man es nicht und will es nicht sehen. Weil es das schönste Gefühl ist, das ein Mensch erfahren kann. Das einem wie eine Fackel erscheint, nachdem man in tiefer Dunkelheit gelebt hat, wie ein sicherer Hort in sturmgepeitschter Nacht und eine warme Decke in der Kälte. Für mich ist Liebe wie Musik, die kein Künstler je spielen könnte und vor der selbst Apoll vor Ehrfurcht erzittern würde, weil sie so rein und schön ist.“
    Das Lächeln auf Axillas Gesicht verstärkte sich, wenn auch eine gewisse Traurigkeit stets darin blieb. Dennoch war die Bitterkeit wieder verschwunden. “Du siehst, für mich ist Liebe mehr, als einen Mann zu treten.“

    Als Axilla Flaccus so von dem griechischen Sänger schwärmen hörte, musste sie kurz grinsen. Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass ihre Gedanken da kurz in eine extrem klischeehafte Richtung abdrifteten. Aber andererseits hatte sie ja vorhin auch die Griechin Penelope für ihre Kunst gelobt, ohne dabei amouröse Gefühle für jene zu hegen. Allerdings hatte sie sich auch viel unblumiger ausgedrückt... Axilla musste weiter schmunzeln, wenn auch nur solang, bis Flaccus meinte, dass DAS ein 'überwältigendes Bild einer unbeschreiblichen Liebe' sei.
    Axillas Lächeln verblasste langsam und machte einer undeutbaren Schwermut Platz, als sie einen Moment nur dalag und atmete. Ein einsamer Vogel zwitscherte in den Bäumen und machte seine weit weniger kunstvolle und nichts desto trotz perfekte Musik als Untermalung der ganzen Szenerie.
    “Lieben Männer denn so? Dass sie sich einer Frau unterordnen wollen? Dass sie von ihr getreten werden wollen?“ Axilla war da skeptisch, und das konnte man durchaus aus ihrem Tonfall heraushören. Warum sollte ein Mann das machen? Und waren da alle Männer so, dass sie sich so zu Füßen warfen und nur noch dafür atmeten, dass ihre Geliebte sie ansah? Waren Männer da wirklich so? Oder aber dachten sie nur, das wäre das, was Frauen wollen würden?
    “Ich meine, warum sollte ich jemand treten sollen. Oder ihn andauernd ansehen? Warum sollte ich jemand wollen, der sich mir so vollkommen unterwirft? Warum sollte irgendeine Frau das wollen?“ Für Axilla war das keine Liebe.
    “Ich finde, Liebe ist etwas anderes.“

    Wie sie Seneca schon angekündigt - angedroht wäre auch passend gewesen - hatte, kam Axilla ein paar Tage nach dem gemeinsamen Essen zur Castra Praetoria. Sie wusste, dass er heute Dienst hatte, sie hatte ihn ja extra danach gefragt, und so ging sie auch direkt zu ihm.


    "Salve, Seneca. Meinst du, ich kann eben zum Scriba vom PU wegen dem Termin? Musst du mich untersuchen, oder glaubst du mir, dass ich ungefährlich bin?" Immerhin war sie seine Cousine. Selbst wenn sie Waffen dabei gehabt hätte - was sie ja nicht hatte - hätte er sie als braver Cousin durchlassen sollen, ohne sie zu untersuchen. Aber nach dem Latrinendienst vor einiger Zeit wollte sie ihm nicht unnötig viel Äger machen. Also NOCH mehr als er dafür bekommen könnte, sie durchzulassen.

    Als Corona anfing, wollte Axilla eigentlich einwenden, dass sie ihre Frage ganz anders gemeint hatte. Sie wollte nicht wissen, warum er seinen Vater hasste und was dieser seiner Meinung nach hätte besser machen sollen. Ein Vater war ein Vater, der machte immer das beste. So zumindest Axillas feste Überzeugung. Da änderte auch Coronas Einwurf nichts.
    Doch dann erzählte er weiter, und Axilla verschlug es ein ganz klein wenig die Sprache. Nicht allein, in was für Kreisen Corona sich herumgetrieben hatte. Und das als Iunier! Axilla konnte es ja durchaus verstehen, wenn ein Mann mal ins Lupanar ging, das war eben seine Natur, das war vielleicht nicht unbedingt wünschenswert, aber sie verstand es. Dass man mit solch unehrbarem Gesindel – und ja, das sagte sie, obwohl sie mit Sklaven und Peregrinen sich schon angefreundet hatte – wirklich befreundet sein konnte, das überstieg ein wenig ihr Verständnis. Und dass man sich selbst zu so einer Person machte – als Iunier! - da war sie dann erst recht sprachlos. Aber das, was sie wirklich dazu brachte, erst einmal Luft zu schnappen, war die Vorstellung von Kannibalismus hier in Rom.
    Das konnte und wollte Axilla sich nicht vorstellen. Das war ein Verbrechen, so gräßlich, dass ihr Geist es nicht fassen wollte. Das ganze Geschlecht der Tantaliden war deswegen verflucht worden, sich immer und immer wieder gegenseitig zu töten, wenn man den Dichtern glauben durfte. Und auch jetzt wurde der Vorwurf von Kannibalismus immer wieder hergenommen, um Krieg gegen andere Völker zu rechtfertigen. So hatte man es den Galliern ebenso wie den Karthagern nachgesagt. Auch die Christen, die propagierten, das Fleisch und das Blut ihres Erlösers zu essen und zu trinken, galten vor allem deshalb als suspekt und gefährlich, weil es an Kannibalismus erinnerte. Und jetzt sagte Corona, er sei davon Zeuge geworden?!
    “Aber... aber du... du hast nicht... oder?“ fragte Axilla, und wurde allein bei der Frage recht bleich und rückte ein wenig von ihm ab.


    Ihr war irgendwie schlecht. Die Geschichten über solche Gräuel waren eben das: Geschichten. Weit weg. Zwar sah man immer wieder den Tod auf der Straße, so dass dieser etwas alltägliches war, und auch Blut und Gewalt an sich waren nichts, das Axilla besonders schreckten. Das war man gewohnt. Aber Kannibalismus war da ein anderes Kaliber.
    Und doch wandelte sich der Ekel sehr schnell in rechtschaffene Wut. Wie konnte so jemand frei herumlaufen? Dass die Götter so etwas nicht straften, zumindest nicht in einem geologischen Zeitraum, das wusste Axilla schon lange. Aber dass auch kein Mensch etwas dagegen unternahm?
    “Lebt dieser Melec noch? Ich meine... ist der noch in der Subura? Du musst zu einem Tresvir gehen! Der muss hingerichtet werden! Am besten verbrannt oder sowas...“ Das war... nein, Axillas Verstand klammerte sich an die Aussicht auf Bestrafung. Sowas konnte nicht ungesühnt bleiben.

    Harte Prüfungen? Ihr wäre neu, dass sie den kalydonischen Eber erschlagen hätte, oder das goldene Vlies geholt hätte, oder in die Unterwelt hinab- und wieder hinaufgestiegen wäre. Und dass die Götter einen Menschen für irgendetwas belohnten, daran glaubte Axilla nicht. Schon gar nicht so verbittert, wie sie sich im Moment fühlte. Missmutig wollte sie den Kopf abwenden, als Seneca auch schon sanft, aber bestimmt diesen ergriff und anhob, um ihr in die verweinten Augen zu sehen.
    “Ich will aber nicht lachen“, meinte sie noch beleidigt und schaute stur beiseite. Sie wollte nicht fröhlich sein. Und einen Mann wollte sie auch nicht. Und wenn sie schon einen bekäme, würde sie sich ganz sicher nicht in ihn verlieben. Von der Liebe hatte sie wirklich sowas von die Nase voll.


    Aber es dauerte keine zehn Sekunden, da fing es ihr an, ihr leid zu tun. Nicht wegen den Männern an sich, denn da war Axilla der festen Überzeugung, dass sie sich lieber nie mehr verlieben wollte, als sich noch einmal so zu fühlen wie jetzt, sondern wegen Seneca. Er konnte ja nichts dafür, dass sie sich wie ein naives Kindchen in eine Phantasie gesteigert hatte und damit den Familiennamen aufs Spiel gesetzt hatte.
    Nochmal fünf Sekunden, bis sie beschämt zu Boden schaute und noch einmal ein Tränchen lief, diesmal aber nicht wegen Vala, sondern weil sie das schlechte Gewissen plagte. Sie benahm sich abscheulich. Und warum? Weil sie sich verletzt fühlte. Aber dafür konnte ihr Vetter ja nichts.
    Nach weiteren fünf Sekunden fiel Axilla Seneca einfach von jetzt auf gleich um den Hals und zog sich an ihn. Sie konnte so natürlich nicht auf ihrem Stuhl sitzen bleiben, und wie ein Kind – was passend zu ihrem Benehmen war – flüchtete sie sich ganz in seine Umarmung und bettete ihren Kopf an seiner Schulter. Sie sagte nichts, hielt sich nur fest, weinte noch ein wenig und drückte sich an ihn. Sie gab ihm auch keine Chance, irgendwie zurückzuweichen oder sie von sich zu stoßen. In diesem Moment brauchte Axilla das einfach, brauchte kurz die Gewissheit, irgendwo geborgen und beschützt zu sein, und wenn es nur eine Illusion in den Armen ihres Vetters war.


    Sie wusste nicht, wie lang sie sich so an ihn klammerte, aber irgendwann verblasste der Drang und die Not, und nur die Peinlichkeit blieb zurück. Ganz langsam und zaghaft ließ Axilla wieder los und sah ein wenig beschämt zu Boden, ganz zaghaft nur zu Seneca. “Tut mir leid. Ich will so eigentlich gar nicht sein.“
    Ablenken. Am besten, sie lenkte einfach ab. Das funktionierte immer. I. M. M. E. R.
    “Dein Hühnchen ist jetzt sicher besser abgekühlt, so dass ich mich nicht mehr verbrenne.“ Sie probierte noch einmal, und es war wirklich nicht mehr so heiß, als dass sie sich verbrannt hätte. Auch wenn sie nach wie vor keinen Hunger hatte, es schmeckte. “Ist wirklich gut.“ Unsicher sah sie zu ihm, um herauszufinden, ob ihr Ablenkungsversuch geglückt war oder eher nicht.

    Was genau meinst du jetzt?
    In der WiSim für einen Betrieb kostet ein Sklave 500 Sesterzen.
    Bei der Versteigerung durch unseren guten Titus fängt das bei dem Preis an, ist aber auch schon bedeutend höher geboten worden.


    Wenn du dir einen NPC erstellen willst und da dann nur für dich den Kauf aussimmen magst, als reines Rollenspielelement, kannst du dich da grob dran orientieren. Da sollte dann nur beachtet werden, dass einfache Arbeitssklaven oder ältere Frauen weniger wert waren, besonders gebildete oder ausgebildete Sklaven oder junge Mädchen, die wohl noch fruchtbar waren, mehr.

    Ja, Vala hatte sie verletzt. Er hatte ihr das Herz rausgerissen und war darauf herumgetrampelt, und das so beiläufig, dass er das noch nicht einmal mitbekommen hatte. Und genau das war ja das schlimmste überhaupt! Wenn sie ihn wenigstens strafen könnte, wenn er wenigstens ein schlechtes Gewissen hätte! Aber nein, er wusste noch nicht einmal etwas davon. Wahrscheinlich würde er darüber lachen, wenn er es wüsste.
    Warum also weinte sie ihm auch nur eine Träne nach? “Du hast ja recht. Ich weiß, dass du recht hast.“ Es klang selbst für Axilla jammerig und alles andere als erwachsen. Aber alles Wissen der Welt änderte halt auch nichts daran, dass sie sich ganz furchtbar und schrecklich fühlte.


    Und das wurde auch nicht besser, als Seneca meinte, sie würde einen Mann brauchen. Der Arzt hatte auch sowas gemeint, damit sie 'entspanne'. Axilla wollte sich aber gar nicht entspannen, schon gar nicht mit einem Mann! (Auch wenn es ihr durchaus fehlte.) Und sie wollte auch niemanden lieben.
    “Ich werd nie mehr heiraten, ich bleib jetzt einfach Witwe und für mich, und die ganzen Männer können mich gern haben.“ Und damit war ihr geschätztes Alter von 10 auf 5 gesunken. Aber das war Axilla egal. Sie hatte die Nase voll von all diesem Schmerz und der Art, wie sie sich jetzt fühlte. Und ihr war auch egal, ob Seneca sie gleich auslachte. Und das war vermutlich nichtmal so unwahrscheinlich.

    Warum sollte sein Vater bei ihm irgendwas wieder gutmachen? Axilla kam nicht so wirklich mit, was der Mann da vor ihr eigentlich wollte. Offensichtlich Mitleid, wobei Axilla das noch weniger verstehen konnte. Gnade war großzügig und römisch. Mitleid war... naja, eben anders. Axilla hatte durchaus viel Mitleid in sich, nur eben nicht im Moment und nicht für den Mann hier vor ihr, der zwar sicher fünf oder zehn Jahre älter als sie war, jetzt aber weinte. Sie überlegte, ob sie schonmal einen Mann hatte Weinen sehen. Gut, er hatte auch gleich aufgehört damit, dennoch kam es Axilla komisch vor. Und sie fing wieder an, ihren Unterarm zu kratzen, wie so oft, wenn sie nicht wusste, was sie eigentlich machen sollte.
    Wie konnte man sagen, dass man den eigenen Vater hasste? Das ging in Axillas hübschen Kopf einfach nicht hinein. Sie würde sterben, wenn sie dafür ihren Vater wieder ins Reich der Lebenden zurückholen könnte. Sie würde alles dafür geben, sich noch einmal mit ihm zu unterhalten, ihn zu umarmen und sein Lächeln zu sehen. Wie konnte man seinen Vater hassen?
    Das Kratzen wurde ein wenig stärker, bis es weh tat. Ärgerlich blickte Axilla auf ihren Arm hinunter auf die rote Stelle. Sie wusste immer noch nicht so recht, was sie dazu sagen sollte.
    “Was hätte dein Vater denn tun sollen?“ fragte sie schließlich etwas naiv. Sie verstand noch immer nicht so recht, was der junge Mann hier erwartet hatte, was Iunius Zissou – vor allem Iunius Zissou – hätte tun sollen, was jetzt scheinbar unmöglich geworden war. So wie sie Araros vorhin verstanden hatte, war Corona ja vom Vater angenommen worden und damit ehelich.

    Aurelia! Daher also kannte Axilla die Dunkelhaarige! Bestimmt hatte sie sie auf der Hochzeit von Aurelius Ursus und Tiberia Septima gesehen. Oder auf dieser unsäglichen Doppelhochzeit in ihrer Casa. Auf jeden Fall wusste Axilla, dass sie sich nicht eingebildet hatte, die andere schonmal gesehen zu haben, und so lächelte sie noch einmal etwas strahlender, als die Damen ihr vorgestellt wurden.
    “Ja, Seiana und ich kennen uns schon länger.“ Und ihr Verhältnis war irgendwie seltsam. Anfangs hätte Axilla geschworen, dass Seiana sie am liebsten hätte töten wollen, weil Archias die Verlobung gelöst und statt Seiana dann Axilla geheiratet hatte. Und Axilla konnte es ihr nicht einmal verdenken. Auch wenn sie das nicht absichtlich gemacht hatte und sie sich auch mehrfach entschuldigen wollte, es war ja trotzdem so, dass Axilla ihr den Mann irgendwie ausgespannt hatte. Auch wenn Axilla nichtmal wusste, wie das eigentlich passiert war.
    Doch seit der Arbeit bei der Acta hatte sich da irgendwas geändert. Axilla würde nicht sagen, dass sie Freundinnen wären, das würden sie wohl auch nie sein. Aber sie hatte zumindest nicht mehr das Gefühl, in akuter Lebensgefahr zu schweben. Vielleicht glaubte die Decima ihr ja sogar, dass ihr die Sache von damals wirklich leid tat? Axilla wusste es nicht, sie vermied das Thema und erfreute sich stattdessen lieber an der Ruhe des Status Quo.


    “Aurelia Prisca, es ist mir auch eine Freude, dich einmal näher kennen zu lernen. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob wir schon einmal das Vergnügen hatten, uns zu unterhalten. Aber das wird sich heute bestimmt ändern. Ich freu mich schon sehr.“ Auch das meinte Axilla ehrlich. Auch wenn sie mit 99,99% aller Frauen Probleme hatte, weil die meisten Frauen ihr schlichtweg zu langweilig waren, freute sie sich darauf, die Damen hier kennenzulernen und vielleicht ein paar Freundschaften zu schließen. Sie hatte so lang schon niemanden mehr kennengelernt. Viel zu lange. Und dabei war Axilla eigentlich ein sehr kommunikativer Mensch.


    Doch dann tauchte jemand auf, der kurz das aufkeimende Gefühl von Lockerheit ins Wanken brachte. Was machte Sirius denn hier? Axillas Lächeln stockte kurz, als sie sich nicht unauffällig umdrehte und umschaute. Sie konnte einfach nicht anders und musste sehen, ob Vala auch hier war. Auch wenn sie sich direkt danach selbst verwünschte, denn selbst wenn er dagewesen wäre, sie hätte ihm ja eigentlich zeigen wollen, dass sie ihn ignorierte. Und da war ein nach-ihm-umsehen sicher kontraproduktiv.
    Doch Vala war nicht hier, Sirius war allein da. Und servierte. Früchte. Warum servierte er Früchte? Axilla lächelte den anderen Damen noch einmal zu, ehe sie sich dem Sklaven etwas mehr zuwandte. Sie überließ die anderen drei damit kurz dem Gespräch, während sie sich scheinbar interessiert das Früchteangebot anschaute. So unauffällig wie möglich wandte sie sich an den Sklaven. Immerhin gehörte das nicht unbedingt zum guten Ton, sich mit dem Hauspersonal zu unterhalten. Er war ja kein Gast.
    “Sirius? Warum servierst du Früchte? Wo ist Vala? Hast du was ausgefressen?“ Sie nahm eine Brombeere und wand sich wieder lächelnd den anderen Damen zu. Und hoffte nur inständig, dass Sirius ihr ebenso leise und unauffällig antworten würde. Und nicht wieder mit Vorschlägen ankam wie an dem Tag, als sie ihn gekauft hatte.

    Axilla hörte dem Mann zu, der hier vor ihr in sich zusammensank, und wusste nicht so wirklich, was sie tun sollte. Ihr Gefühl sagte ihr, sie sollte ihn einfach umarmen, aber sie konnte ja keine wildfremden Leute kuscheln. Wie sähe das denn aus? Und sie verstand auch nicht wirklich, wovon er redete. Wo war er denn dann die letzten 9 Jahre, was hatte er da gemacht? Und Axilla glaubte nicht, dass Liebe mit der Zeit weniger wurde. Ihr Vater war schon so lange tot, und sie liebte ihn noch immer so wie vom ersten Tag ihres Lebens an. Das wurde nicht weniger, es wurde nur schmerzvoller. Aber es endete nicht.
    Dafür aber endete ihr Vetter, denn er wollte jetzt doch einen Wein. Axilla machte einen kleinen Wink, und einer der Sklaven brachte einen Becher verdünnten Wien herbei, reichte ihn stumm dem Gast.


    Axilla saß einen Moment einfach nur schweigend da und überlegte. Sie wollte nicht aufdringlich sein, oder sich einmischen. Und noch immer steckte ihr die Geschichte mit Lucullus in den Knochen, der einfach nur Geld gewollt hatte und sich damit abgesetzt hatte. Aber sie konnte hier auch nicht sitzen und gar nichts sagen.
    “Wieso meinst du, dass ein normales Leben unmöglich für dich ist? Was hast du denn die letzten 9 Jahre gemacht, das so schrecklich wäre? Ich meine... dein Vater ist tot, aber... ich bin es ja nicht. Und du ja auch nicht.“

    Heute war kein Tag, der für den Publikumsverkehr eigentlich geöffnet war. Und so schickte die Wache am Tor einen Burschen zur Verwaltung, um sich zu erkundigen, ob der Direktor der Schule denn überhaupt Zeit hatte. So dauerte es eine Weile, bevor Hadrianus Iustus überhaupt vorgelassen und zu den Officii geleitet wurde.


    Spurius Iuventius Murcus schließlich empfing den Procurator dann mit gewohnt stoischer Zurückhaltung in seinen Räumlichkeiten und bot ihm auch gleich Platz an.
    “Procurator Hadrianus, sei gegrüßt. Möchtest du etwas trinken? Ich habe einen sehr guten Falerner gerade hier, falls du einen Schluck möchtest?“ Das Gehalt eines Direktors gab es durchaus her, sich auch einmal solchen Luxus leisten zu können.

    Der Scriba kratzte alles in seine Wachstafel. “Fünfundzwanzig... Parthia... naja, deine Herrin erwartet ja keinen Champion.“
    Die beiden Jungen waren wirklich weitaus schmächtiger als Shayan, und sie hätten auch das richtige Alter gehabt, um mit der Ausbildung anzufangen. Fünfzehn war geradezu perfekt, da man einen jungen Körper da noch formen konnte, wie man es brauchte, und nicht die Alterserscheinungen das Training einschränkten. Oder festgesetzte Gewohnheiten die Brauchbarkeit einschränkten. Aber: Sie wurden trotzdem nicht Gladiatoren, sondern waren nur die helfenden Hände im Hintergrund, die die Kleidung des Parthers verstauten und ihm gleich darauf mit Wollbinden und Lederbändern zu Leibe rückten. Geschickt wickelte der eine dem Parther eine Manica, und der andere band immer wieder die Lederbänder fest daran, damit das Konstrukt nicht rutschte, aber auch nicht zu fest saß.
    “Streck und beuge den Arm“, meinte einer von beiden und unterstützte seine Worte mit passenden Bewegungen.
    Nachdem die Manica also richtig saß und somit das Verletzungsrisiko für das folgende Training shconmal eingeschränkt war, winkte der Scriba nochmal kurz.
    “Du wirst nun in die Arena gehen. Diese beiden werden dich zum Doctor Dimachaeri bringen, und du wirst machen, was er dir sagt. Und beachte das Sprechverbot.“
    Und damit war der gute Mann mit seinem Text auch schon fertig und machte sich wieder auf in die Verwaltung des Ludus.

    Seneca hatte ja recht. Mit allem. Axilla sollte sich eigentlich freuen, dass Vala ohnehin kein Interesse hatte und sie so nicht in Verlegenheit kam, der Versuchung nachzugeben. Sie hatte in die Gens des Kaisers eingeheiratet, da wäre ein Duccius jetzt gesellschaftspolitisch gesehen ein Rückschritt. Damals in Alexandria hatte sie auch eben das Duccius Rufus erklärt, der sie wohl geheiratet hätte, hätte sie sich einverstanden erklärt. Was also war der Unterschied zwischen Rufus und Vala, wegen dem sie jetzt so litt und weinte?
    Axillas Kopf wusste diese Dinge sehr wohl, und er versuchte jetzt seit Tagen auch, ihrem Herz genau das zu erklären. Ihren Trotz zu wecken und ihr einzureden, dass es so weitaus besser war, dass Vala gar nicht verdient hatte, dass sie ihm auch nur eine Träne nachweinte. Bei allen Göttern, es war ja auch nur ein einziger Kuss gewesen, nichts weiter! Wieso also konnte sie ihn nicht einfach vergessen?


    Aber sie konnte es einfach nicht.


    “Vala...“, antwortete sie schließlich niedergeschlagen. “Und er ist nicht so. Er ist anders. Ich meine... er ist... er hat mich gerettet, am Hafen, und heimgebracht, und er hat mir geholfen, als es mir wegen Archias schlecht ging, und er war immer absolut tugendhaft und nett, und... ich weiß doch, dass er ein homo novus ist, es ist nur... ich weiß doch auch nicht.“

    Gut, trinken wollte er nichts, aber er setzte sich. So konnte Axilla wenigstens ein ganz klein wenig Zeit schinden. Auch wenn ihr das nicht wirklich was nützte, stand sie doch noch immer vor demselben Problem.
    Allerdings löste sich das irgendwie von selbst, als Corona ihr die Worte vorwegnahm. Axilla hätte es ihm gerne schonender gesagt, auch wenn er meinte, dass ihn das nicht besonders tangieren würde. Wobei 20 Jahre eine sehr lange Zeit waren, und auch trotz Araros Erklärungen, warum Corona nicht hier im Haus aufgewachsen war, fragte sich Axilla, wie man den eigenen Vater so lang nicht sehen konnte. Wenn sie sich vorstellte, wie sie sich in 14 Jahren fühlen würde, wenn sie ihren Vater dann 20 Jahre nicht gesehen hatte, schnürte es ihr ja jetzt shcon die Kehle zu. Nein, sie wollte da nicht einmal daran denken, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr selbst das jemals würde egal sein können.
    “Ja, er ist gestorben. Das ist sicher schon fünf Jahre her, oder noch länger. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau, wann es war...“ So dezidiert hatte sie sich da nie erkundigt. “Es tut mir sehr leid“, fügte sie noch an, und meinte es sogar ehrlich. Auch wenn es Corona nichts ausmachen sollte, ihr machte es sehr wohl etwas aus.


    Sim-Off:

    Es gibt im Römischen nur das "Du" und kein "Sie" oder "Ihr" ;)

    Die Frage war knifflig und stellte Axilla schon einmal vor ein ernstes Problem. Sie wollte ungern diejenige sein, die ihm sagte, dass sein Vater tot war. Sie wusste noch, wie sie damals die Nachricht vom Tod ihres Vaters bekommen hatte. Auch wenn Zissous Tod beinahe so lange her war wie der Tod ihres Vaters und Axilla sich schon ein wenig fragte, wieso Corona davon nichts wusste.
    “Ähm... nicht so direkt.“ Sie druckste ein wenig herum. Lucius Iunius Zissou war ja schon irgendwie hier, seine Totenmaske war da. Aber er selber war wohl im Elysium. Zählte das als 'da sein'? “Willst du dich vielleicht erstmal setzen? Und vielleicht etwas trinken?“ Axilla wies auf ein paar Sitzbänke am Rand des Atriums. Vielleicht wäre ganz gut, wenn der Mann vor ihr saß. Sie kannte ihn nicht und hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde. Vielleicht reagierte er gar nicht. Vielleicht aber kippte er auch kopfüber ins Impluvium, und Axilla war sich nicht sicher, ob sie ihn da wieder rausziehen könnte.

    Es dauerte nicht lange, bis Axilla ins Atrium kam. Araros hatte sie wie so häufig in der Bibliothek gefunden, wo sie in einer Schriftrolle ganz vertieft gelesen hatte. Und er hatte ihr gesagt, dass ein weiterer Iunier im Haus angekommen war. Ein Sohn von Zissou.
    Axilla war skeptisch, als sie erst nur unbemerkt ins Atrium hineinschaute und den Neuankömmling betrachtete. Er sah ein wenig ärmlich aus so auf den ersten Blick. Und Axilla kannte ihn nicht. Was aber auch nichts weiter bedeuten musste, denn Axilla kannte die meisten ihrer Verwandten nicht. Doch nach dem letzten, der sich hier als Iunier gemeldet hatte und mit einem guten Teil ihres Vermögens abgezogen war, war Axilla da deutlich misstrauischer. Diesen Fehler würde sie nicht zweimal begehen.
    Nur diesmal sagte Araros, dass er dem Burschen glaubte. Der Ianitor hatte wohl dessen Mutter noch gekannt und er hatte Axilla grob über das wie und wann aufgeklärt, als diese gegangen war mit ihrem Sohn, der nun im Atrium wartete.
    Nachdem Axilla also kurz ihren Mut gesammelt hatte, betrat sie schließlich das Atrium, so dass Corona sie sehen konnte. Der betrachtete gerade das Mosaik an der Wand, das Axillas Meinung nach dringend einmal ausgebessert werden müsste. Wie das meiste in der Casa einmal hergerichtet werden müsste, um dem Glanz des Namens gerecht zu werden.


    “Salve“, begrüßte Axilla ihr Gegenüber leise und schlicht. Im Grunde hatte sie keine Ahnung, was sie sagen sollte. “Ich bin Iunia Axilla“, setzte sie dann noch etwas hastiger nach, sich ein paar rudimentärer Höflichkeitsformen erinnernd.

    Es war nur ein kleiner Weg von der Prota zum Atrium, und Araros hatte sich über den Verbleib von Coronas Vater erst einmal ausgeschwiegen. Das sollte vielleicht nicht unbedingt ein Sklave machen. Außerdem musste er so oder so der Herrin bescheid geben.
    “Warte hier, Domina Axilla wird dich sicher gleich empfangen.“ Und mit diesen Worten ließ er Corona erst einmal allein.

    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Er hätte wetten sollen. Er trat ein wenig von der Tür zurück und machte damit Platz, so dass der junge Bursche da vor ihm eintreten konnte.
    “Komm erstmal rein, das sollten wir nicht zwischen Tür und Angel besprechen. Domina Iunia Axilla ist gerade im Haus.“


    Es tat Araros ein wenig leid, zu hören, dass die Aulia gestorben war. Als sie gegangen war, war Araros nicht viel älter gewesen als der Bursche nun vor ihm. Und die Aulia war eine hübsche Frau gewesen. Auch wenn es sich nicht schickte, die Entscheidungen seines Herrn anzuzweifeln, Araros hatte die Scheidung nicht verstanden. Und es tat ihm leid, zu hören, dass sie nun tot war.


    “Folge mir bitte“ meinte er noch und führte Corona ins Atrium.

    Ja, sie gehörten in den Senat. Mehr als das. Der Trotz, der sich in Axilla so langsam aber sicher aufbaute, hatte viel höhere Ziele. Sie sollten wieder Patrizier sein, wie sie es waren, bevor der edlere Teil der Gens beschlossen hatte, ein Mordkomplott durchzuführen. Sie sollten wieder Consuln stellen. Sie sollten so verdammt viel Einfluss haben, dass niemand es wagen würde, sie als unwichtig und niemand zu betiteln. Erst recht kein homo novus.
    Aber auch der Trotz half nicht über den Schmerz, den sie gerade wieder fühlte, und der schlimmer wurde, als Seneca sie trösten wollte und fragte, was los sei. Sie versuchte, ihre Tränen in den Griff zu kriegen, und zwang sich, ruhig weiter zu atmen, obwohl hier und da mal ein kleines Schniefen dazwischen war.
    “Wenn das alles so eine Ehre ist, und ich hübsch bin, warum will er mich dann nicht?“ Axilla sah bei den Worten nicht zu Seneca auf. Sie schaute beschämt nach unten, und versuchte weiter, sich zurückzuhalten. Sie wollte ja gar nicht heulen. Erst recht nicht wegen ihm. Das hatte er gar nicht verdient, dass sie seinetwegen weinte, so wie er ihr weh getan hatte! Und vermutlich wusste er noch nicht einmal, dass er ihr weh getan hatte. Und ganz sicher wusste er nicht, dass sie nun deshalb hier in der Küche saß und ihre Tränen mit aller Macht niederkämpfen musste.

    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Einen Moment lang stutzte Araros, als er den Namen hörte. Er erinnerte sich an den Namen, so wie er sich – wie es ja auch seine Aufgabe war – an die Namen aller Iunier erinnerte und auch der Gäste, die diese empfingen. Wobei das mit dem Gedächtnis so nach und nach schlechter wurde. Aber dieser Name, der war schon wirklich lange nicht mehr aufgetaucht.
    Der Bursche redete auch gleich weiter und bestätigte, dass es tatsächlich schon 20 Jahre her war. Damals war Lucius Corona noch ein Kind gewesen. Araros wusste nicht mehr, wie alt, aber noch keine zehn Jahre alt. Er betrachtete den jungen Mann hier vor sich etwas genauer. Könnte hinkommen mit dem alter, und wenn man ihn ins Balneum stecken und ordentlich anziehen würde, hatte er sogar ein wenig Ähnlichkeit mit seinem Vater.
    “Ich erinnere mich an Aulia Hadriana. Und was möchtest du jetzt? Braucht deine Mutter Geld?“ Einem inneren Instinkt folgend öffnete Araros die Porta nun richtig. Er hatte schon so im Gefühl, dass er den jungen Mann wohl gleich reinbitten würde.