Beiträge von Marcus Duccius Rufus

    "Ich liebe Pferde!" Ragins Augen leuchteten. "Ich kann auch gut reiten, denn wir hatten früher selber eins, aber wir mussten es zurücklassen, denn Pferdespuren sind zu leicht zu verfolgen und besonders schnell war die alte Sleipnild nicht mehr."


    Er war schon immer gerne geritten, auch wenn sie das Pferd meist für die täglichen Arbeiten eingespannt hatten. Irgendwie vermisste er den alten Gaul. Wie es ihr wohl geht? Hoffentlich wurde sie von ihren neuen Besitzern gut behandelt.

    "Wir werden das Geld auf jeden Fall zurückzahlen. Wir sind nicht gekommen um euch die Sesterzen abzuluchsen und ich hoffe wir werden möglichst schnell auf eigenen Füßen stehen und Euch nicht lange zur Last fallen."


    Er konnte es kaum erwarten, bald sein eigenes Geld zu haben.


    "Wo und wie können wir Euch denn helfen?"

    "Ah nee, es ware droi äh DREI", die alte hob ihre Hand mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger hoch, "Bonger die sich gekloppt hawwe und noch ä mol DREI Rabaucke, die des Mädel gemopst hawwe. Abber de Rest is so rischdisch." Die hohen Herren hören einem alten Marktweib einfach nicht richtig zu, dachte sich die Alte, aber sie traute es sich nicht laut zu sagen.

    Da sich Lando Ratbald zuwandte hatte Ragin endlich Zeit was zu essen, und holte sich ein ordentliches Stück Braten und eine dicke Scheibe Brot auf den Teller und begann genüsslich zu mampfen. Er hatte jetzt wirklich einen Bärenhunger und zeigte jedem, dass er nicht so dünn war weil er so wenig aß.

    Ragin und Witjon sahen die Alte an, und die begann zu erzählen:


    "Ah jo, des war heut Mosche ufm Markt, ich hobs gsehe!. Do hawwe sich droi Rabauke mitananner gepriggelt. So richtisch feschte druff. Des ware so richtisch kräftische Kerls, vielleicht ware die beim Miltär oder so ebbes. Isch hab do jo zuerscht a hingeguggt awwer dann is mir was anneres ufgfalle. Weider hinne hawwe drei Bonger am junge Mädel en Sack iwwer de Kopp gzoge un dere mim Kniwwel uf de Deetz gschlage. Isch hab gerufe, awwer die vun de Schlägerei warre so laut, da hot mich käner ghört. Ich bin dann noch hinnerher gschalppt awwer die ham des junge Mädel in a Kutsch gschmisse und sind weggfahre. Isch bin dann widder zurückgschalppt zu meim Schtand un dan ware die Priggler aach weg.

    Manchmal konnte sich Ragin über Witjon aufregen. Dieser schleppte ihn einfach mit, ohne ihm zu sagen warum. Als Antwort bekam er immer nur "es ist was geschäftliches". Natürlich reichte das schon um Ragins Neugierde zu wecken und er war mitgekommen. Nun standen sie an inem Haus das schon bessere Tage gesehen hatte, aber es gefiehl dem jungen Duccier trotzdem-es hatte Charakter.


    Witjon klopfte also an der Tür und Ragin war gespannt wer da wohl öffnen würde, und was sie hier wollten.

    "Ich wusste nur wenig über das Römische Reich. Aber ich habe in den letzten Wochen sehr viel von Magister Milarocix, Albin und Witjon gelernt. Natürlich weis ich noch nicht alles, aber ich denke es reicht für den Anfang. Außerdem habe ich in den letzten Wochen jeden Tag Latein sowie lesen und schreiben geübt. Ich denke ich kann es jetzt schon gut genug um der Familie keine Schande mehr zu machen. Ich werde aber weiter jeden Tag üben."


    Ragin war stolz auf das was er bisher geschafft hatte.


    "Ich weis was mich erwartet. Die Römische Welt ist nicht einfach und man kann den Römern nicht einfach so vertrauen. Sie haben ein anderes Ehrgefühl als wir und daher schwer einzuschätzen. Hier kann auch ein schwacher Mann mit den richtigen Beziehungen und Handgriffen nach ganz oben kommen. Das ist auch eine Chance für mich."


    Er warf seinem mampfenden Bruder einen Seitenblick zu.


    "Man muss Leute kennen, und Sachen wissen. Daher wollte ich auch gleich lesen und schreiben lernen. Ich hoffe ich kann bald Geld verdienen und der Familie helfen. Ich möchte euch auf keinen Fall auf der Tasche liegen!"

    "Ich hatte den Eindruck, dass viele Menschen dort Hunger leiden. Das hat es auch für uns schwer gemacht etwas zu essen zu bekommen. Ber ich würde sagen, es ist nicht mehr ganz so schlimm wie letztes Jahr. Auch bei den Winnilern waren die Ernten alles andere als gut. Das mag auch ein Grund gewesen sein, uns das Land zu nehmen."


    Er ließ ihre Reise nochmal vor seinem geistigen Auge ablaufen.


    "Auf große organisierte Einheiten sind wir auf unserem Weg nicht getroffen. Lose mobil...ja, ich denke das trifft es sehr passend. Wir haben immer mal wieder einzelne kleine Stammesverbände gesehen, aber uns natürlich von ihnen ferngehalten. Daher kann ich dir auch leider keine näheren Informationen liefern."

    "Ich glaube nicht, dass sie es wissen. Nur Ratbald, Egmont und ich wussten davon. Daher bin ich mir fast sicher, dass sie nichts davon wissen. Allerdings könnten sie natürlich ihre eigenen Schlüsse ziehen und Vermutungen anstellen. Wieso fragst du? Denkst du, sie suchen immer noch nach uns?"


    Sowas hatte er noch gar nicht in Betracht gezogen. Aber er hielt es für unwahrscheinlich, dass eine Horde Winniler den Limes überqueren würde. Allerdings wäre es durchaus möglich, dass ein einzelner oder auch zwei...darüber wollte er gar nicht weiter nachdenken. Also schaufelter er sich jetzt doch mal einen ordentlichen Löffel Hirsebrei in den Mund.

    Witjon war mit der Alten im Schlepptau losgestürmt und Ragin natürlich hinterher. Als sie an der Curia ankamen wurde Witjon aber mitnichten langsamer sondern stürmte durch das Eingangsportal, diverse Gänge und durch ein Schreibzimmer um dort an eine Türe zu klopfen-schade, denn Ragin hätte sich zu gerne dieses imposante Bauwerk näher angeschaut. Nachdem sie hineingebeten wurde betraten sie das Zimmer des Duumvirs. Dieser sah ganz und gar nicht wie ein Römer aus. Er schien ein "Volksmann" zu sein, denn er war groß, blond und von überaus stattlicher Statur. Dieser Eindruck verfestigte sich vollends, als Witjon ihn mit "Heilsa" begrüßte und ihn "Harlif" nannte.


    Als Ragin dann den Duumvir vorstellt wurde, nickt er diesem freundlich zu. Anscheinend schienen sich Witjon und Harlif schon länger zu kennen...

    "Ich weis sehr genau, was so ein Sax wert ist. Das eine Sax ist die Waffe meines Großvaters. Ratbald bekam sie von meiner Mutter kurz vor ihrem Tode. Du musst wissen, dass meine Mutter unsere letzte lebende Verwandte dort war. Wir wurden dort nie akzeptiert und man nannte uns nur die Amisvarier-Bastarde. Zwar nicht offen, aber hinter unserem Rücken. Es war uns auch klar, dass nur meine Mutter die anderen davon abhielt sich unseren Hof mit Gewalt zu nehmen. Die meisten kannten sie noch von früher und hatten daher Skrupel sich an ihrem Gut zu vergreifen. Aber bei uns hatten sie sowas leider nicht. Ich hatte dort auch nur einen Freund. Sein Name war Egmont, er war des Sohn des Rich. Wir hatten unsere Freundschaft geheim gehalten, denn er bekam schon als kleines Kind den Umgang mit uns Bastarden verboten. Er warnte mich davor, was passieren würde, als meine Mutter krank wurde, denn er hatte es bei einer Besprechung seines Vaters mit den anderen Dorfältesten gehört. Außerdem brachte er mir dann an dem Tag als Mutter starb die Waffe seines Vaters, denn er meinte es sei die Entschädigung dafür, dass uns unser Hof genommen würde."


    Ragin stocherte mit dem Löffel im Brei rum. Die Erinnerungen hatten seinen großen Appetit irgendwie verschwinden lassen.


    "Er wusste von unserem Fluchtplan und dachte die Waffe würde uns helfen. Da ich nicht wollte, dass er in Gefahr geriet verpasst ich ihm ein blaues Auge und ließ ihn einen Fetzen meiner Kleidung im Haus des Jarls hinterlassen um es so darzustellen, als sei ich dort eingebrochen um die Waffe zu stehlen. Dann stellte er sich ohnmächtig und wir flohen. Zum Glück konnten wir uns genug Vorsprung verschaffen, so dass sie uns nicht bekamen. Aber sie blieben uns auf den Fersen, obwohl wir einige falsche Spuren legten. Kurz vor dem Gebiet der Chauken hatten sie uns fast eingeholt, aber sie brachen dann die Verfolgung ab, als sie auf einige bewaffnete Chauken trafen. Ja, du hast Recht, wir hatten viel Glück. Aber das Glück der Götter ist mit den tapferen. Unsere Reise war beileibe nicht unbehelligt. Hätten wir nicht so gut aufgepasst, wären wir sicher mehrere Tode gestorben, denn gerade auch der Weg durch das Gebiet der Chauken war sehr gefählich und wir entgingen einige Male nur um Haaresbreite einer Entdeckung. Im nachhinein hätte ich das Schwert nicht annehmen dürfen, denn dann hätten uns die Winniler sicher nicht so verbissen verfolgt. Aber nun halte ich das Sax in Ehren: Es ist zwar die Waffe eines Feindes, aber auch das Geschenk eines Freundes."


    So endete er und blickte Lando ernst an. Seine Augen zeigten ein Härte, die gar nicht zu Ragins jungendlichem Gesicht passte.

    Also begangen sie sich umzuhören. Schon nach kurzer Zeit hatte Ragin eine germanische Händlerin ausfindig gemacht, die offenbar etwas gesehen hatte. Auf Sveija angesprochen berichtete sie:


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    "Do hawwe sich droi Rabauke mitananner gepriggelt. So richtisch feschte druff. Isch hab do jo zuerscht a hingeguggt awer dann is mir was anneres unfgfalle. Weider hinne hawwe drei Bonger am junge Mädel en Sack üwwer de Kopp gzoge un dere min Kniwwel uf de Deetz gschlage. Isch hab gerufe, awwer die vun de Schlägerei warre so laut, da hot mich käner ghört. Ich bin dann noch hinnerher gschalppt awe die ham des junge Mädel in a Kutsch gschmisse und sind weggefahre. Hätt ich gwusst, dass die zu euch ghört, wär ich gloich zu euch kumme und hätt euch bscheid gsaagt. Do, des hat se falle losse." meinte die alte und drückte Ragin einen Korb in die Hand.

    Ragin Hatte es kurz nach ihm gehen: Da lag etwas weißes in der Schlammpfütze! Er zog es heraus und man konnte sehen, dass es eine ehemals weiße Haube war. "Es ist eine weiße Haube." bemerkte er überflüssigerweise. Als er in sie hineinschaute, sah er dort auch noch einige blonde Haare. "Und dort sind blonde Haare drin. Meinst du es ist die Haube von Sveija?" Langsam wurde das ganze spannend, aber auch sehr negativ, denn entführten Frauen erging es meist sehr schlecht...

    "Gut, ich bin gleich wieder da." Meinte er zu Lando. Zu Ratbald sagte er:"Bleib sitzen, ich bring deins auch gleich mit."


    So stürmte er davon, um wenige Minuten später wieder zu kommen. Er hatte die beiden Schwerter, jedes in einer Hand, und gab sie Lando mit einem "Hier!" Die Lederscheiden wirkten alt und abgegriffen. Auch die Schwerter schienen alt, aber gut geplegt zu sein. Die eine oder andere Scharte hatten sie schon, aber sie waren doch von guter Qualität.

    "Ich hab mein Schwert jetzt nicht hier. Soll ich es schnell holen gehen?" fragte er eifrig.


    Er fragte sich zwar, was Lando daran ablesen wollte, aber letztlich war es ihm egal.

    Witjon schien an Sveija zu hängen. "Gut. Wir werden sie schon finden." Versuchte er ihn aufzumuntern. "Blonde Mädchen mit weißen Hauben, wird es hier ja nicht viele geben."


    Also machten sie sich auf die Suche.

    "Aber unser Vater ist im Kampf gestorben, und das ist ein guter Tod, denn er war ein starker Mann."


    Dann begann er die Reise zu beschreiben:


    "Wir haben gut dreißig Tage gebraucht. Wir haben uns dabei von Römern und Soldaten ferngehalten und haben geschaut, dass wir uns bei Leuten erkundigen die germanisch aussahen. Daher sind wir auch fast nie offen auf den Römerpfaden gelaufen, sondern haben uns abseits gehalten. Wir waren früher oft jagen und sind ganz gut darin nicht gesehen zu werden. Zum Schutz hatten wir nur unsere Schwerter. Daher haben wir die ja auch über den Limes geworfen und uns später geholt. Ich bin mir sicher, dass wir die nicht über die Grenze hätten mitnehmen dürfen. Aber wir haben sie zum Glück auch gar nicht gebraucht. Vielleicht hat uns da auch Ratbalds breites Kreuz einen guten Dienst erwiesen."


    Dann zuckte er mit den Schultern


    "Ich weis gar nicht welche Route wir genommen haben. Wir haben keine Karte oder sowas und sind einfach losgelaufen. Ich weis nur, dass wir wohl in der Nähe von Borbetomagus waren, denn dort haben wir den Bataven getroffen."


    Er nahm einen Schluck Met, denn das Reden hatte seine Kehle ausgetrocknet.

    Ragin verstand Witjon, allerdings gab es da noch ein paar offene Fragen:


    "He Witjon warte doch! Ich weis doch gar nicht wie Sveija aussieht, und was sie für Kleidung trägt! Ich könnte direkt vor ihr stehen und würde sie nicht erkennen. Soll ich nach was besoderem Ausschau halten?"

    Ragin erzählte alles was er wusste:


    "Ja, Raginhild und wir haben überlebt. Meine Mutter dachte bis zu ihrem Tode, dass unser Vater bei einem Überfall auf unser Dorf ums Leben gekommen ist. Daher sind wir zu ihrem Stamm, den Langobarden gegangen. Ich weis nicht, wie lange sie es schon wusste, dass Verwandte meines Vaters hier wohnen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es lange war. Ich weis auch nicht woher sie es erfahren hat. Als sie dann starb, haben wir beide uns entschlossen nach euch zu suchen, da uns nichts mehr dort gehalten hat."


    Dann stopfte auch er sich ein Stück Brot in den Mund und begann zu kauen.


    "Hmpf...wir waren dann sehr überrascht, als Albin uns dann erzählte, dass unser Vater noch gelebt hatte, hierher gekommen war und sogar einen römischen Namen angenommen hatte. Leider ist er aber trotzdem tot..." er schluckte herunter.