Menas quittierte die nicht erfolgte Begrüßung mit einer erhobenen Augenbraue und dem Ansatz eines Lippenschürzens, doch er sagte dazu nichts weiter und nahm sich vor, ebenfalls nur noch das Nötigste zu sagen. So folgte er dem Arzt in den Nebenraum. Hattest du irgendwelche Krankheiten, fragte der Soldat. Menas wurde es hier leicht gemacht. »Nein«, erwiderte er wahrheitsgemäß. »Nur das Übliche, Erkältungen und derlei.« Menas streifte seine Tunika über den Kopf. Ob er sich noch weiter entkleiden musste? Schurz und Schuhe behielt er erst einmal an.
Beiträge von Marcus Artorius Menas
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Das Lazarett hatte er leicht gefunden. Er hatte es sich größer vorgestellt. Eindrucksvoller. Aber das Lazarettgebäude war nur eines von vielen, ein wenig größer vielleicht als die anderen, aber keinesfalls eindrucksvoll. Ein Mann mit verbundener Hand verließ soeben das Gebäude, grüßte mit halbherzigem Lächeln und ging in Richtung der Unterkünfte davon. Menas beachtete ihn nicht weiter, sondern betrat das Gebäude.
Drinnen musste er sich nur kurz orientieren, dann fand er den entsprechenden Raum für die Musterung potentiell neuer Rekruten, klopfte und trat ein. »Salve«, grüßte er. »Ich soll mich hier zur Musterung melden. Artorius Menas, mein Name.« -
Vermutlich konnte er seinen feisten Hintern nur nicht mehr aus dem Stuhl hieven, dachte Menas zynisch. Er nickte dem Dicken noch einmal zu. »Danke. Dann bis später.« Kurz darauf befand er sich bereits auf dem Weg zum Stabsarzt, um sich untersuchen zu lassen. Mit einem mulmigen Gefühl... Ob ein geschultes Auge wohl etwas erkennen konnte? Menas drängte den Gedanken fort. Wohl kaum.
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Immerhin? Menas sah den Mann für einen Moment erstaunt und leicht verärgert an, dann bemühte er sich neuerlich um Contenance. Immerhin war er also kein Dummbeutel, wie es viele andere Soldaten waren, die meinten, außer dem Schwertschwingen müssten sie nichts können. Menas schluckte einen dicken Kloß herunter. Vermutlich war der dort auch so einer, und schrieb nichts auf, weil er außer Türmchenbauen nichts weiter konnte! Menas begann, sich nichtig zu fühlen. Und er hasste dieses Gefühl. Leise knirschte er mit den Zähnen. Die Zeit schien sich mit jedem Hölzchen weiter zu ziehen, das Porcus auf sein Türmchen legte. Innerlich focht Menas einen Kampf aus. Seine Hand wollte so dringlich dieses miserable Kunstwerk zerstören, doch der Geist warnte ihn ebenso eindringlich davor, selbiges zu tun. Er würde damit nur seine Karriere verderben. Also zwang er sich, auszuharren. Auch wenn der Dicke nichts aufschrieb. Menas war es egal. Und was das Pferd betraf, hatte er schon gar nicht mehr mit einer positiven Antwort gerechnet.
»Gut«, sagte er daher nur, nachdem der Soldat das Lazarett erwähnt hatte, und zog die Schultern ein wenig hoch. Von einer Aufnahmeprüfung hatte er zwar gar nichts gewusst, aber wenn er da auch nichts schreiben musste oder nur Banalitäten abgefragt wurden, sollte das für ihn kein Problem darstellen. Er erhob sich. »Keine Fragen.« Und nach kurzer Pause: »Herr.«
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Mehrmals atmete seine Mutter ein, hielt den Atem kurz und entließ ihn dann wieder. Sie hatte etwas sagen wollen, doch entweder selbst darauf verzichtet oder zugunsten von Menas' Worten geschwiegen. Dann sah sie fort, und als ihr Blick wieder zurück schwenkte, war er so voller Trauer, dass es Menas die Eingeweide zusammenzog. Er wünschte sich, er hätte es nicht angesprochen. Es lebte sich leichter mit einer Lüge, wenn sie unausgesprochen existierte. »Sag das nicht, Mutter. Du hast nie darüber geredet. Ich kann nicht gehen, wenn ich weiß, dass du dich jede Nacht in den Schlaf weinst.« Das war zwar ein wenig übertrieben, doch Menas war sich sicher, dass seine Mutter verstand, was er damit sagen wollte. »Ein Sklave, ein Plebejer, es ist doch ganz gleich. Du könntest sogar die Geliebte eines Senators oder Patriziers sein. Aber vergeude doch nicht dein Leben an... an...« Menas verstummte und machte eine unwirsche Geste. Seinen Vater meinte er, doch es wollte gerade kein abfälliges Wort über seine Lippen kommen. Verärgert und verwundert darüber, ballte er die Faust und ließ sie auf der Sessellehne locker auf und nieder hüpfen. Plötzlich sah er auf. »Dann wird es Zeit. Geh auf den Markt und lasse etwas fallen. Oder...oder frag jemanden nach dem Weg. Oder ob du dich im Kaltwasserbecken dazusetzen darfst. Es gibt doich so viele Möglichkeiten, Mutter. Lass sie doch nicht ungenutzt verstreichen.«
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Menas sah Avitus zweifelnd an. »Nein. Sie bleibt hier. Du weißt doch, wie sie zur Legion steht.« Er machte eine kurze Pause. »Und zu Vater.« Und das war wirklich kein Geheimnis, denn wenn man die beiden nur flüchtig betrachtete, würde man es schon merken. Menas erinnerte sich an das kurze Gespräch, das er am gestrigen Abend mit seiner Mutter geführt hatte. Vielleicht würde sie seine Worte ja doch noch berücksichtigen. Er seufzte.
»Danke jedenfalls. Ich bin mir sicher, dass sie sich freut. Sie schätzt dich«, fuhr er fort. Casca hatte nie schlecht von Avitus geredet. Allerdings kannte sie ihn wohl auch nicht so gut wie Menas, der jede Gelegenheit nutzte, mit Avitus zu reden, ob es nun das Kriegshandwerk war oder nicht, worüber sie sprachen. Das Militär... Erneut kreisten Menas' Gedanken darum. Er sah schräg hoch zu Avitus. »Meinst du, ich muss lang ein Rekrut sein?« fragte er. »Hast du vielleicht ein paar Tipps für mich?«
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Was hatte er gesagt, dass der Soldat ihn nun so ansah? Menas war sich keiner Schuld bewusst. »Nein«, entgegnete er also. »Ich habe nie eine Straftat begangen.« Sowas hatte er gar nicht nötig. Aber der Mann schien ohnehin ein wenig schwer von Begriff zu sein. Statt einer klärenden Antwort zog Menas nur die Brauen ein wenig in die Höhe und blinzelte Porcus ausdruckslos an. Was man sich bei einer Hure holte? Ja sah er denn so aus, als ob er in dreckigen Absteigen hausieren ging? Irgendwie musste er seinen Ärger unterdrücken. Er war hier nicht zu Hause, und er hatte auch keinen dummen Sklaven vor sich, den er zurechtweisen konnte. Außerdem war er froh, dass die Sache mit den Krankheiten gegessen war, ohne dass Menas hatte lügen müssen.
»Nein, Herr, ich habe nichts erlernt.« Wann auch, er war schließlich erst neunzehn. Menas argwöhnte, dass der Mann einfach sein Standardrepartoire an Fragen durchging. Jede Abweichung bereitete ihm wohl Mühe. »Ich kann lesen, schreiben und rechnen auf Latein und Griechisch. Über Wasser halten kann ich mich ebenfalls. Was die Waffe angeht, habe ich sicher Nachholbedarf.« Sein Vater wieder! Er hatte ihm nie sein Schwert gegeben, damit er damit üben konnte. Und was konnte man mit Holzschwertern schon groß anfangen? »Was das Reiten betrifft, habe ich gleich eine Frage. Ich besitze ein Pferd. Wird es möglich sein, es hier unterzustellen, oder werde ich es nicht benötigen?« Hoffentlich hatte er den Porcus damit nicht wieder aus dem Konzept gebracht.
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Menas betrachtete seine Mutter, wie sie sich brüskierte. Er hatte sie nicht aufregen wollen, aber das war gründlich fehlgeschlagen. Was mochten sie wohl in diesem Moment für Gedanken beschäftigen? Er konnte es nicht erahnen. Menas lehnte sich zurück. Was brachte es schon, zu lügen, nur um sie nicht zu beunruhigen? »Ich höre dich nachts, manchmal. Und du hast oft diesen Zug um die Lippen, wenn du denkst, es schaut niemand hin. Und wenn du ehrlich mit dir bist, dann wünscht du dir auch nicht, dass Vater dich besuchen kommt. Warum nimmst du dir nicht jemanden, einen Sklaven? Hipponax zum Beispiel. Du bist eine gut aussehende Frau. Warum solltest du darauf verzichten? Vater hat diese Blondine, und wir beide wissen, dass sie nicht nur zum Getränke servieren bei ihm in Mantua ist, Mutter.« Menas sagte das mit beinahe kühler Berechnung. Doch das anschließende Lächeln strafte seinen Tonfall Lügen. Er zuckte mit den Schultern und begann, mit dem leeren Becher auf dem Tisch zu spielen. »Oder geh öfter in die Thermen, da lernt man doch oft Leute kennen, mit denen man auch etwas anfangen kann.«
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»Dir jemanden suchen. Freundinnen, einen Liebhaber.« Menas machte eine undeutliche Bewegung mit der Hand. »Irgendwen eben. Damit du nicht ständig hier allein bist. Das wird dich sonst zugrunde richten.« Menas zwang sich, seinen Becher zu leeren, und stellte ihn mit einem hohlen Geräusch auf den Tisch zurück. Wenn er seine Mutter richtig einschätzte, würde sie nun entweder alles weit von sich schieben und empört sein, oder aber, sie würde es still hinnehmen, einen flachen Kommentar dazu abgeben und sich nicht weiter gedanklich damit aufhalten. Menas seufzte leicht und kratzte sich hinterm Ohr.
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Aha. Und weiter? Menas' Augenbraue rutschte ein wenig nach oben. Als der Soldat sich dann anschickte, fortzufahren, sah Menas ihn ein wenig skeptisch an. Nicht, weil er nicht glaubte, dass die Griechen zu guter Kriegsmaschinerie fähig waren, sondern weil er sich fragte, warum der Zenturio dort überhaupt ein Türmchen aus dünnen Hölzern baute. Hang zum Poeten? Nun, Menas hatte durchaus auch sowas gelernt, aber als Poet würde er sich nicht bezeichnen. So schweig er, und nickte ob der Zusammenfassung schlicht.
Die weiteren Fragen waren da schon ein wenig brenzliger. Schon wollte Menas darauf antworten, da streckte sich vor ihm ein Finger empor, und Porcus ermahnte ihn, ehrlich zu sein. Menas schloss den Mund wieder. War es bereits jetzt deutlich? Das konnte nicht sein, er spürte gar nichts... Nein, die Gedanken kamen flüssig, nicht stockend, die Muskeln waren entspannt und er selbst ebenfalls. Mit der Zungenspitze benetzte er die Lippen. Dann sagte er: »Ich habe mich keiner solchen Tat schuldig gemacht. Ich bin unverheiratet und ich.. bin frei von ansteckenden Krankheiten, Herr.« Und das war nicht mal gelogen.
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Menas ging um den Mann herum. Wie man sich so gehen lassen konnte, war ihm ein Rätsel, über das er jedoch nicht länger nachzudenken gedachte. Den Wehrturm en miniature streifte er nur mit einem flüchtigen Blick, dann ließ er sich auf den Stuhl gleiten. »Meine Eltern sind Valeria Casca und Tiberius Imperiosus, Herr. Ich bin römischer Bürger wie es auch meine Eltern sind. Geboren würde ich vor nenzehn Sommern in der Ewigen Stadt.« Menas hatte den Blick auf den Dicken gerichtet und sprach ohne Scheu. Ob man den wohl von den alltäglichen Exerzierübungen befreit hatte? So wie der aussah, konnte der doch unmöglich mehr als ein halbes Rund auf dem Platz schaffen. Menas schürzte ein wenig die Lippen und sah sich kurz in dem Raum um. Auf einem kleinen Tischchan lag fettig aussehendes Butterstullenpapier. Menas verwunderte das nicht im Geringsten. Er wappnete sich für tiefergehende Fragen und dachte nicht groß daran, wie seine Mutter sich wohl fühlen mochte, jetzt, da er gegangen war.
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Ein feister Mann stieg ins Becken. Mit ihm stieg auch der Wasserstand um gute drei Zentimeter an. Vermutlich war der Mann Senator, dachte sich Menas. Wer sonst konnte so gut im Futter stehen? Er schloss die Augen wieder und gab sich der Geräuschkulisse hin, die er wie zuvor ab und an mit kleinen Bewegungen anschwellen ließ.
Sim-Off: Vielleicht hat ja jemand anderer Lust?
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»Wozu etwas wissen, was ohnehin nicht von Belang ist?« konterte Menas und kaute auf einem neuen Stückchen kandiertem Obst. Ihn interessierten die Finanzverhältnisse der vermeintlichen Oberschicht nicht im Geringsten. Die Patrizier klammerten sich ohnehin nur an das Geld, was ihnen schwand, denn etwas anderes hatten sie nicht. Ansehen und Ruhm waren eine Frage des Engagements, und wenn man jenes nicht vorweisen konnte, so blieb man ein unbedeutender Name im grauen Sumpf des Einerlei. Wenn man sich nicht einmal ohne weiteres eine Tüte Naschwerk kaufen konnte, wie desolat mochten dann wohl die familiären Verhältnisse aussehen? Menas dachte nicht weiter darüber nach, es war ohne Belang für ihn.
»Mein Vater ist einer von Vielen Zenturionen der Prima, nichts Herausragendes. Wenn dir der Name meines Onkels allerdings kein Begriff ist, so stellt sich mir die Frage, ob du bis vor kurzem in einer Provinz gelebt hast«, erwiderte Menas und legte den Kopf ein wenig schräg. Wem sagte der Tribun der Prätorianer nichts? Jeder hier in Rom kannte die Namen der bedeutendsten Schwarzröcke, und der Tribun war einer von ihnen. Menas fischte mit spitzen Fingern ein Stück herber Orange aus der Tüte und lutschte genüsslich daran. Er begann, diesen Schlagabtausch interessant zu finden. »Dein Verwandter schuldet mir noch Geld«, erwähnte er nebensächlich.
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Zitat
Original von Siv
Irritiert blinzelte Menas das Sklavenweib an, das sich plötzlich so brüskierte. Es war lediglich seinem Strafbewusstsein zu verdanken, dass er ihr nicht Einhalt gebot. Sie langweilte ihn. Sklaven wie sie gab es einfach zu viele. Aufmüpfig, undankbar, verlogen und widerspenstig. Demonstrativ verdrehte er die Augen, erwiderte anschließend ihren Blitze versprühenden Blick gewohnt lässig und desinteressiert. »Bist du endlich fertig?« fragte er sie. »Wenn ich deine Meinung wissen will, dann frage ich. Habe ich gefragt? Nein. Warum also langweilst du mich mit deinen unzivilisierten Erklärungen, die ohnehin kein Schwein versteht?« Menas machte eine misslaunige Geste mit der Hand. »Cynaegeirus wird dich begleiten.« Sein Ton ließ keine Widerrede zu. »Und es wäre vermutlich von Vorteil, wenn du dich besser auszudrücken lerntest.« Ein verachtender Blick streifte Siv, dann wandte Menas sich um, sah jedoch in der halben Bewegung noch einmal spöttisch zu Siv. »Wenn du mich nun entschuldigst, ich vertrage deinen Geruch nicht.« Kurz darauf nutzte er eine Lücke zwischen den Menschen und war in der Menge untergetaucht. Vor Siv standlediglich besagter Cynaegeirus, der ein wenig teilnahmslos wirkte, weder mit Siv sprechen noch ihr von der Seite weichen würde.
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Menas' Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Und das nur wegen eines Apfels. Er knirschte leise mit den Zähnen und musste sich beherrschen, weder die Sklavin anzufahren, noch Avitus den Apfelrest aus der Hand zu reißen und ihn in die Büsche zu werfen. Diese Szene mit der Sklavin schien sich um Ewigkeiten in die Länge zu ziehen, bis endlich Avitus weitersprach und Menas wie gebannt an seinen Lippen hing. »Schlafen kann man, wenn man tot ist«, bemerkte er nebenbei. Was hätte er dafür gegeben, jetzt an Avitus' Stelle zu sein!
Menas hatte schon so oft Geschichten über die Schlacht am Chaboras gehört, dass er gar nicht mehr zählte. Nur seinen Vater hatte er niemals danach gefragt, und er hatte nie von selbst zu erzählen begonnen. Daran war das Eis schuld, in das sich Menas hüllte, wann immer er auf Imperiosus traf. Angefangen hatte das damals, als er alt genug gewesen war, um zu verstehen, was es bedeutete, einen Bruder mit Namen Didianus in zu haben. Damals hatte er begonnen, seinen Vater zu verachten. Der Hass hatte sich erst viel später dazugesellt. Als Imperiosus ihm verweigert hatte, an seiner Seite in den Krieg zu ziehen. Seitdem hatte sich an ihrer Situation nichts verändert. Im Gegenteil, es wurde stets schlimmer. Menas hatte begonnen, alles Missgeschick und jedwedes Negatives auf seinen Vater zu schieben, der bald ein recht formidabler Sündenbock geworden war. So trug er inzwischen auch Schuld am Unglück seiner Mutter, und daran, dass sie so oft weinte, wenn sie sich allein wähnte.
Während Avitus erzählte, schloss Menas die Augen. Er konnte parthischen Schweiß riechen, die Pfeile sirren hören, das Prasseln der Pferdehufe auf trockenem Grund spüren. In diesem Augenblick war er wahrhaftig dort. Er sah die parthischen Schweine mit den Fackeln, die das Feuer legen wollten, schrie und brüllte aus Leibeskräften, um die anderen zu warnen, doch niemand hörte auf ihn... Und als Avitus verstummte, verblasste der Tagtraum und Menas blinzelte in den vertrauten Garten. Er hätte alles dafür gegeben, dort gewesen zu sein.
Menas stellte nun seine Frage, sah Avitus ernst an. »Wenn ich fort bin, wirst du ein Auge auf Mutter haben? Sie ist allein, das war sie immer schon. Aber sie wird noch einsamer sein, wenn ich gegangen bin, und ich werde wohl kaum Ausgang bekommen in der ersten Zeit.« Es war selten, dass Menas jemanden um etwas bat. Aber noch seltener war es, dass er nicht für sich, sondern für einen anderen bat.
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Menas war sich da auch sicher, aber es würde nichts schaden, seinen Onkel noch einmal explizit darum zu bitten, dass er ein Auge auf Casca hatte. Ein feines Kräuseln überzog seine Lippen, die eine Braue wölbte sich um eine Nuance, doch sagte Menas nichts zu ihrer Bemerkung mit der Bootsfahrt auf dem Tiber. Er kannte sie gut genug, um törichte Dummheiten bei ihr auszuschließen. Andererseits hörte er sie so manche Nacht weinen, wenn sie dachte, sie sei allein. Allein die Götter wussten, wie sie sich erst fühlen musste, wenn er zu den Kohorten ging und das Haus noch einmal etwas leerer geworden war. Schon jetzt hielt sich kaum einmal jemand hier auf. Seine Mutter mochte auf diese Weise ohne weiteres an Einsamkeit krepieren. Doch das wollte er verhindern.
»Auf das Militär und all jene Tapferen, die ihr Leben für den Kaiser zu geben bereit sind«, erwiderte er im Gegenzug, als er seinen Becher um eine Winzigkeit empor gehoben hatte. Der Wein kratzte im Hals, doch Menas zwang sich, den Becher bis mindestens zur Hälfte zu leeren, ehe er ihn absetzte. Nach all den Jahren konnte er sich immer noch nicht recht für Wein begeistern, was jedoch nicht hieß, dass er ihn nicht trank. Das gehörte nun einmal zum Leben dazu, und wenn er von seinen späteren Kameraden akzeptiert werden wollte, musste er auch in saure Äpfel beißen können. Menas stellte den Becher fort und warf erneut ein Auge auf seine Mutter. »Du musst dir endlich jemanden suchen, Mutter«, konstatierte Menas dann vollkommen ernst und ließ Casca im Unklaren darüber, was genau er mit jemandem meinte.
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Das Verwaltungsgebäude hatte Menas schnell und sicher gefunden, auch wenn er auf em Weg ein wenig getrödelt hatte, um rechts und links des Weges zu schauen. Entfernt hörte man das rhythmische Stapfen von Soldatenfüßen, ein Geräusch, das vermutlich vom Exerzierplatz herübergeweht kam. Er betrat das Gebäude, folgte dem beschriebenen Weg und langte bald vor einer Tür an, die die Aufschrift Rekrutierungsbüro trug. Erneut ergriff die Aufregung Besitz von ihm. Er befeuchtete seine Lippen und klopfte an.
Nach der entsprechenden Aufforderung trat er ein und musterte den Mann, der dort saß. Menas schloss die Tür und ging auf den Schreibtisch zu. »Salve. Artorius Menas ist mein Name, und ich möchte mich gern freiwillig melden.«
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Menas nickte. Wie ein Lager aufgebaut war, wusste er bereits. Nicht nur durch die zahlreichen Erzählungen, sondern auch durch Selbststudium. Und nicht zuletzt blieb ein solches Wissen nicht unentdeckt, wenn man der Sohn eines Soldaten war. »Hab Dank«, erwiderte er, tippte sich mit Zeige- und Mittelfinger grüßend an die Schläfe und schritt durch das breite Tor auf besagtes Gebäude zu.
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Der erste Satz hätte Menas durchaus schon genügt, doch dass der Soldat nun weiter ausholte, war vermutlich die kleine Strafe und erste Sanktion dafür, dass er überhaupt gefragt hatte. Vielleicht konnte er es mit Avitus' Hilfe schneller zum Zenturio bringen... Menas nickte kurz. »Verzeih meine Frage. Sacadas? Du hast es gehört.« Der Sklave nickte und verließ seinen Herren gemeinsam mit den anderen. Menas war, als fehlte ihm nun etwas, und er hoffte inständig, dass so bald kein Anfall kommen würde. Er konnte ja dem Soldaten schlecht ofenbaren, was für Notfälle er meinte. Um das Thema zu wechseln, denn es war ihm unangenehm, deutete er auf eine beliebige Stelle hinter dem Tor. »Wo muss ich hin?« Ein schiefes Lächeln begleitete seine Frage.
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Cascas Miene, die zuerst mehr schmerzlich als erfreut war, wandelte sich allmählich in wirkliche Freude, auch wenn sie die Trauer nicht ganz verbergen konnte. Dazu kannte Menas sie schlichtweg zu gut. Die Bestätigung aus ihrem Munde, dass es wahrhaftig gute Neuigkeiten waren, ließ Menas sich über ihr Zögern hinwegsetzen, und er nahm seine Mutter fest in die Arme, wenn auch nur kurz. Es war Balsam für sein Ego, dass sie ihrem Stolz so Ausdruck verlieh. Menas konnte ein zufriedenes Grinsen nur deswegen verbergen, weil er in ihr Haar grinste. »Das sollten wir wirklich«, sagte er und ließ sie wieder los, um sich in einen Sessel fallen zu lassen.
»Hast du schon mit Avitus gesprochen? Er ist jetzt in Rom stationiert, bei den Prätorianern«, erzählte Menas und überließ es seiner Mutter, für Getränke zu sorgen. »Er wird auf dich aufpassen, wenn ich nicht da bin. Vater wird vermutlich so schnell nicht nach Rom kommen.« Menas verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. Dann griff er nach dem Becher, den seine Mutter ihm hin hielt. »Aber versprich mir, dass du nichts Gefährliches unternimmst. Und dass du mich auf dem Laufenden hältst. In der ersten zeit hab ich wahrscheinlich keinen Ausgang. Aber dann... Dann komme ich dich besuchen, so oft es geht«, sagte er mit vom Becher abgespreiztem Zeigefinger.