Beiträge von Marcus Achilleos

    Ich sah meinen neuen Schüler streng an.


    "Du erinnerst dich an den Weg zum Brunnen? Hol sofort zwei neue Eimer Wasser!"


    Es war nicht besonders nett von mir und möglicherweise würde Leonidas es mir übel nehmen, aber das war mir egal. Schließlich wollte ich seine Entschlossenheit testen, wirklich von mir zu lernen. Und dafür war jedes Mittel recht.

    "Ja, der Fehler ist recht merkwürdig. Die Geometrie wird dir hier übrigens noch häufiger begegnen. Geographie ist zu großen Teilen Mathematik."


    Ich betrachtete mir die Aufzeichnungen.


    "Also... am besten zeige ich dir mal, wie das ganze richtig geht."


    Ich ging mit der Winkelscheibe vor das Museion, von wo aus man einen guten Blick auf den Hafen und den Leuchtturm hatte. Der Eingang war direkt hinter uns.


    "Der Abstand von hier zum Museion ist nur wenige Schritt und damit vernachlässigbar. Den Leuchtturm können wir recht gut sehen. Die Höhe des Leuchtturms ist bekannt und als Turm steht er senkrecht zum Boden. Damit haben wir schon mal den rechten Winkel. Jetzt brauchen wir von hier aus nur noch den Winkel zwischen Basis und Spitze des Leuchtturms. Wenn man die Basis auf exakt Null Grad setzt, kann man bequem den Winkel ablesen."


    Ich nahm die Winkelscheibe und peilte zuerst die Turmbasis an. Dann hielt ich die Scheibe ruhig in der Luft und las den Winkel zur Spitze ab.


    "Der Winkel beträgt 4 Grad. Damit ist der Sinus des Winkels 0,0698. Den kennt man, indem man de Sinustafeln auswendig lernt. Der Leuchtturm ist 0,8 Stadien hoch. Die Strecke von Gamma nach Beta im Dreieck verhält sich zum Sinus des Winkels Alpha, wie die Strecke von Alpha nach Gamma zum Sinus des Winkels Beta. Punkt Alpha ist unser Standort, Punkt Gamma ist die Basis des Leuchtturms, Punkt Beta die Spitze des Leuchtturms. Den Winkel Alpha haben wir gemessen, der Winkel Beta beträgt 86 Grad, weil der Winkel Gamma bereits als 90 Grad festgelegt ist. Der Sinus von 86 Grad ist 0,9976. Das Verhältnis von Sinus Beta zu Sinus Alpha ist damit 14,3. Damit multiplizieren wir die Höhe des Leuchtturms von 0,8 Stadien und erhalten einen Abstand von 11,4 Stadien. Alles klar?"


    Sim-Off:

    Die Aufgabe war, vom Museion aus zu messen. Am einfachsten war es, mit der Höhe des Leuchtturms zu arbeiten, aber man hätte auch zwei Punkte in bekanntem Abstand nehmen können und von da aus die Winkel messen.

    "Du musst in dir selbst ruhen. Sonst wirst du die Ausbildung nicht beenden. Geduld, Konzentration, Präzision. Das sind wichtige Eigenschaften eines angehenden Gelehrten. Die Balance der Stange zu halten, erfordert Konzentration. Und es wird noch viel mehr Konzentration und Geduld erfordern, wenn die Eimer erst einmal gefüllt sind. Der Brunnen, an dem wir das Wasser holen, liegt am Paneion. Das ist ein ganzes Stück von hier, aber das Schafft man. Wenn man langsam geht, wird auch nichts verschüttet gehen. Geht man schnell, verliert man das Gefühl für die Stange und die Eimer rutschen. Dann fallen sie herunter und das Wasser geht verschüttet."


    Ich ging voran zum Brunnen.

    Ich hob meine Stange auf meine Schultern, wobei beide Eimer an ihrem Platz blieben.


    "Los, nochmal! Du solltest vorsichtiger sein, denn wir werden damit Wasser holen gehen! Und ich hasse es, wenn Wasser verschüttet wird! Wasser ist hier viel zu wertvoll," sagte ich streng. Das hatte ich von meinem Meister in Han gelernt. (:D)

    "Nun, erstmal kommt an jedes Ende der Stangen ein Eimer."


    Ich packte an jedes Ende meiner Stange einen Eimer. Dabei blieb ich ganz ernst.


    "Und jetzt heben wir die Stange auf die Stange auf die Schultern, ohne dass ein Eimer herunter fällt. Eine Übung in Balance, sozusagen."


    Stratocles wusste natürlich, was jetzt auf Leonidas zukam, und grinste. Schließlich hatte er da auch durchgemusst. Nach einem finsteren Blick von mir wandte er sich aber wieder dem Unterricht der Kinder zu.

    "Eine Einführung in die Kultur ist unnötig," erwiderte ich, "denn die Philosophie, die du lernen wirst, ist so sehr Teil der Kultur wie die Kultur Teil der Philosophie ist, dass du mit der Philosophie bereits genug über die Kultur lernst. Nur ein paar Regeln musst du zuvor kennen. Als dein Lehrer ist mein Titel Shifu, das heißt Lehrer. Damit wirst du mich hier ansprechen. Du wirst mir gegenüber absolut loyal sein und meinen Anweisungen als Lehrer folgen. Und vor allem dieses: Du wirst nicht lügen, weder mir gegenüber noch sonst wem gegenüber. Das ist das Wichtigste. Und jetzt beginnen wir mit dem Training. Geh mal in das Vorratsgebäude," ich zeigte auf das Gebäude, das ich meinte, "und hole zwei der langen Stangen und vier Eimer hierher."

    "Du musst nur reingehen. Die Tür ist immer auf."


    Nefirtiri ging voran und öffnete die Tür. Durch den Gang zwischen den Unterkünften der Akademie-Schüler - die fast alle leerstanden - und der Mauer zum äußeren Hof rannte sie bis zum Tor zum Hof, nur um dann laut zu rufen "Maaarcus, da ist ein neuer Schüler! So wie Stratocles! Guck maal!", wobei sie hinter sich zeigte, wo Leonidas den Hof betrat.

    Zitat

    Original von Thimótheos Bantotakis
    Timos trat ebenfalls an Achilleos heran, allerdings in gebührendem Abstand zu dem anderen Mitschüler, der sich noch mit dem Dozenten unterhielt. Timos hatte sein Messinggerät und seine Aufzeichnungen in der Hand und wartete darauf, dass der andere Schüler bald fertig war. Er wollte diesen Fehler so schnell wie möglich berichtigen und die richtige Anwendung erlernen.


    Ich wendete mich schließlich Thimótheos zu.


    "Du arbeitest für Iunia Urgulania und dein Name ist Thimótheos Bantotakis, wenn ich mich richtig entsinne? Und jetzt möchtest du gerne wissen, was zu deinem Fehler führte, richtig? es ist recht interessant, dass du ziemlich genau einen Faktor 2 zu hoch lagst. Das schließt einen Messfehler fast schon aus. Kann ich mal deine Aufzeichnungen sehen?"

    "Jetzt schmeichelst du mir."


    Ich lächelte kurz, dann verschwand das Lächeln langsam von meinem Gesicht.


    "Zu meinem großen Bedauern muss ich aber noch gewissen Pflichten folgen. Deshalb kann ich, so gerne ich es auch tun würde, unser Gespräch jetzt nicht weiterführen. Vielleicht sieht man sich ja noch mal wieder."


    Ich stand auf und nahm sanft Alba's Hand.


    "Auf Wiedersehen, Caecilia Alba. Es war mir eine Freude, etwas Zeit mit dir verbracht zu haben."

    "Einen Ball!" rief sofort ein Junge, wobei er etwas Essen ausspuckte.


    Ich zeigte mit meinen Essstäbchen in der Hand auf ihn, während ich mein Essen herunter schluckte.


    "Merenophis, ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Man redet nicht mit vollem Mund!"


    Meine Stimme war außergewöhnlich streng und der Jung senkte sofort den Blick und wagte es nicht mehr, noch etwas zu sagen. Zu Cleonymus sagte ich allerdings leise:


    "Der Ball geht sicher in Ordnung. Der Hof ist ja groß genug und das Lernen kann ruhig ab und zu mit Spielen unterbrochen werden."


    Ich nahm wieder einen Bissen mit den Stäbchen und stopfte ihn mir in den Mund.

    "Als würdest du Schmuck benötigen," sagte ich mit einem freundlichen Lächeln. "Deine Schönheit allein würde schon zur Zierde genügen. Wobei ich zugeben muss, dass du mit dem Schmuck aussiehst wie eine Königin."


    Um Himmels Willen! Jetzt machte ich ihr Komplimente! Verlegen lächelte ich sie an, während ich meinen Blick leicht senkte. Kurz darauf sah ich sie aber wieder an, wobei mein Lächeln so verlegen blieb wie es war.


    "Ähm... ich habe dich hoffentlich nicht aufgehalten?"

    Ich setzte einen großen Topf mit leicht gesalzenem Wasser auf. Bis es kochte, schnitt ich ebenfalls Gemüse klein. Immerhin musste es ja auch für die Kinder reichen. Als Schließlich das Wasser kochte, beförderte ich die langen Weizennudeln in den Topf und kochte sie kurz. Dabei ließ ich sie über Holzsstäbe gelegt, um sie so heraus fischen zu können. Auf der Unterlage schnitt ich den nicht gekochten Teil ab und zerteilte sie noch etwas weiter. Dann holte ich Holzteller, auf denen ich das Essen ausgeben würde. Schließlich kam die Pfanne, die eher halb Wok und halb Pfanne war, zum Vorschein und ich setzte sie auf den Herd und gab etwas Öl hinein. Danach wurden die Nudeln angebraten und auf die Teller verteilt und schließlich das Gemüse. Die Kinder standen schon mit hungrigen Blicken vor uns, als ich die Portionen ausgab. Die letzten beiden Teller gingen an Cleonymus und mich, die davor an Stratocles. Ich holte dann noch Essstäbchen für mich.


    "Dann wünsche ich mal einen guten Appetit."


    Das war das Zeichen für alle, dass sie anfangen konnten.

    Ich bemerkte die leichte Änderung in Nikolaos' Verhalten. Ein leichtes Misstrauen eventuell? Er war schwer zu deuten, doch wurde ich vorsichtig.


    "Eine Akademie für diejenigen, die in den Lehren des Ostens unterwiesen werden wollen. Und eine Schule für die Kinder von Rhakotis, auf dass sie lernen zu lesen, zu schreiben und zu rechnen. So erhalten diejenigen eine Chance und Hoffnung, die sonst keine haben. und diejenigen, die mehr wissen wollen als das, was in den Grenzen des Imperiums der Rhomäer bekannt ist, können das lernen. Du magst nun zu Recht sagen, dass ich zumindest die akademische Ausbildung auch im Museion durchführen könnte. Doch ist meine Ausbildung nicht nur geistig, sondern auch körperlich."


    Ich lehnte mich vor.


    "Und um eins gleich klarzustellen: Ich bin nicht im Exil, weil es der Herr von Ch'in so wollte, sondern weil ich es so wollte. Das ist eben das Problem, wenn man zwar nicht seinen Beamtenstatus verlieren will, aber dennoch das Land verlassen möchte, ohne als Hochverräter zu gelten."


    Ich lehnte mich wieder zurück.


    "Ich würde ja wirklich gerne Strategos werden, aber es sprechen nun einmal zwei Dinge dagegen: Erstens, wie gesagt, bin ich mir nicht sicher, ob es im Sinne meiner Verpflichtung wäre, die Harmonie auf Erden zu mehren. Und zweitens, bin ich kein Bürger dieser Polis, sondern Bürger der ungleich älteren und ebenso ehrwürdigen und stolzen Polis Athenai. Und, ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, ob ich gleichzeitig zwei Poleis gegenüber loyal sein kann. Worin ich mir hingegen sehr sicher bin, ist die Tatsache, dass ich gleichzeitig Ch'in und einer Polis gegenüber loyal sein kann. Ch'in liegt noch jenseits von Parthien und Indien. Und Ch'in hat kein Interesse an diesen Gefilden, bis auf Handelsinteressen. Aus Ch'in kommt die Seide, und hier wird sie stark nachgefragt. Wobei es mir rätselhaft ist, wie man solch horrende Preise für Seide zahlen kann." Ich schüttelte den Kopf. "Allerdings bin ich jetzt wohl vom Thema abgekommen. Deshalb fasse ich meine Bedenken kurz zusammen: Kann ich gleichzeitig zwei Poleis gegenüber loyal sein? Und, wenn ja, kann ich mich überhaupt auf ein Amt einlassen, ohne damit meine Beamtenpflicht zu verletzen? Zu guter Letzt wäre auch noch eine Frage: Kann ich mich üerhaupt in der Politik halten, ohne zu lügen? Nehmt das bitte nicht persönlich, doch es ist ja meistens so, dass die Wahrheit nicht immer angenehm ist. Deshalb erzählt man dem Volk manchmal besser eine Lüge, um es nicht zu erzürnen, obwohl der Volkszorn wohl zu Unrecht wäre. Ich habe geschworen, niemals zu lügen. An diesen Eid bin ich gebunden."