Beiträge von Marcus Achilleos

    "Also gut, machen wir es einfacher. Geld ist nicht das Wichtigste. Ändern wir das Ganze in Unterkunft, Verpflegung und ein wenig Unterricht. Die Sprache meiner attischen Heimat ist bei mir etwas eingerostet, aber das mag darn liegen, dass ich so lange in der Fremde war. Unterrichte mich in Rhetorik und ich verzichte auf das Geld." Ich sah den Gelehrten fragend an und holte einige Stapel Papier aus meinem Reisebeutel. Das Papier war komplett mit chinesischen Schriftzeichen in Tusche beschrieben. Ich rezitierte den ersten Absatz vom obersten Blatt zunächst auf chinesisch, um ihn dann ins Attische zu übersetzen.
    "Jede... Kriegshandlung ist für den Staat von... Bedeutung... größter Bedeutung. Ist... Sie ist der Grund von Leben und Tod, der Pfad, er das Überleben... sichert... oder... in den Untergang führt. Daher ist es... nicht... nein, falsch... ähm... unumgänglich, sie eingehend zu prüfen."
    Ich sah den Gelerten wieder an. "Der erste Stapel ist die Bingfa, die Kunst des Krieges des meister Sun. Aber man kann daraus durchaus auch Lehren für andere Bereiche des Lebens ziehen. Diesen Text gibt es schon seit einigen Jahrhunderten. Der andere Text ist noch länger... er heißt Daodejing und den Namen kann man eigentlich nicht übersetzen. Es ist ein rein philosophischer Text, der sich mit der Erleuchtung des Geistes beschäftigt."
    Ich holte nun ein paar zusammengebundene Bambusbretter, auf denen etwas in Sanskrit geschrieben stand, heraus. "Das sind noch ein paar Sutren, heilige Texte aus Indien. Wen es hier jemanden gibt, der Indisch spricht, können die ja von dem übersetzt werden. Die Texte aus Han sind schwer genug zu übersetzen, ohne dass deren Sinn verloren geht. Kommentare werden nötig sein. Letztlich ist auch die Bingfa ein philosophischer Text. Wenn du mich als deinen persönlichen Gast aufnimmst, dann kann ich dir auch ein paar zusätzliche Kommentare und auch ein paar Gesichtspunkte der Staatsphilosophie aus Han mitteilen."

    "Ich habe nicht vor, in die Priesterschaft der Musen aufgenommen zu werden," erwiderte ich lapidar. "Vielmehr wünsche ich, für die Zeit, die ich mit der Übersetzung verbringe, Unterkunft, Verpflegung und etwas Geld zu erhalten. Das Geld ist noch am wenigsten von Bedeutung."


    Ich musterte mein Gegenüber einen Moment lang.


    "Was meine Geschichte angeht, ich werde mich kurz fassen. Ich bin in Athen geboren und aufgewachsen. Dort erhielt ich bis zu meinem 15. Lebensjahreine Ausbildung in Lesen, Schreiben und Rechnen. Danach wollte ich mehr von der Welt sehen. Also schloss ich mich Karawanen an und zog mit ihnen immer weiter nach Osten. Zwei Jahre später war ich im Reich Han angekommen. Ein Provinzfürst nahm sich meiner an und sorgte dafür, dass ich die Sprache, Staatsphilosophie, Verwaltung und Kriegskunst lernte. Nach sieben Jahre des Lernens war ich so weit, dass man mir einen Posten anvertrauen konnte. Drei Jahre lang war ich für eine kleine Grenzstadt mit etwa 4000 Einwohnern verantwortlich. Danach wurde ich durch eine Intrige entlassen. Ich zog über ein großes Gebirge, genannt Himalaya, nach Indien und verbrachte dort weitere dreieinhalb Jahre, in denen ich vor allem Philosophie und Religion der Inder studierte. Das letzte halbe Jahr verbrachte ich mit der Reise zurück in die Zivilisation. Und jetzt bin ich hier. Und nun kommen wir auf mein Angebot zurück. Unterkunft, Verpflegung und etwas Geld für die Übersetzung der Texte, die ich mitgebracht habe. Dann habe ich auch genug Zeit, die Details meiner Geschichte zu erzählen. Nun?"


    Ich wusste, dass er neugierig war.

    Marcus trat ein und stellte seinen Beutel auf den Boden.


    "Chaire. Ich bin Marcus Achilleos, aber das wird dir wahrscheinlich nichts sagen." Er sprach in ziemlich gutem Griechisch. Er konnte das zwar mal besser, aber er hatte die Sprache schon lange nicht mehr benutzt. "Ich habe ein paar Schriften aus Indien und von noch weiter östlich dabei, die ich gerne als Übersetzung dem Museion vermachen würde. Falls du dich fragst, wo ich die her habe, das ist eine lange Geschichte. Die Kleidung, die ich trage, stammt aus dem Reich Han, ist aber die gleiche Geschichte. Prinzipiell habe ich zwei Fragen. Erstens, hat das Museion Interesse an den Schriften? Zweitens, besteht die Möglichkeit, mich zur Übersetzung der Schriften einzustellen?"


    Sim-Off:

    Die andere Zeitebene ist okay. Macht es in der Tat einfacher.

    Trotz der merkwürdigen Gewandung bekam ich Auskunft, an wen ich mich in meinem Anliegen wenden könnte. Den Staub hatte ich am Eingang des Museions von meiner Kleidung abgeklopft, so dass das Material meines Seidenmantels auch wieder erkennbar war. Das Schwert hatte ich in meinen Reisebeutel, de facto ein einfacher Wollsack, gepackt.


    Mit drei sachten Schlägen meiner Fingerknöchel klopfte ich an die Tür und wartete.

    Da war diese Stadt nun schon prinzipiell recht übersichtlich aufgebaut, und ich habe mich tatsächlich verlaufen. Hier muss doch das Museion sein... so was Blödes aber auch! Die Leute an der Porta Solis hatten mir doch den Weg beschrieben. Naja, egal, muss ich halt wen fragen. Die Blicke bezüglich meines fremdländischen Aussehens kümmerten mich nicht weiter. Gewiß, es tauchte hier nur höhst selten jemand in weißen, wenn auch verstaubten, Hosen und Hemd auf, der dazu noch ein Seidenmantel trug, auch wenn dieser momentan so verstaubt war, dass das Material kaum zu erkennen war. Und die Stoffschuhe waren hier wohl auch einmalig. Dazu kam noch, dass diese Kleidung überhaupt nicht zu dem Schwert, das ich in dessen Scheide in der linken Hand trug und dem Stoffsack über meiner rechten Schulter passen wollte. Dafür amüsierte mich die überraschte Reaktion, wenn ich in guten Griechisch sprach. Das erwartete wohl niemand. Anmerken ließ ich mir allerdings nichts.


    Egal wie, irgendwie musste ich ja zum Museion finden. Also sprach ich die nächstbeste Person auf griechisch an. "Entschuldige, aber ich suche den Weg zum Museion. Wo finde ich das?" fragte ich mit einer leichten Verbeugung.