Ich nahm einen kleinen Schluck Posca.
"In dem Jahr, das ich in Seleucia verbrachte, konnte ich einige Kontakte knüpfen und so erfuhr ich auch von einer Karawane, die nach Samarkand aufbrechen sollte, um dort Seide zu holen. Ich fragte den Karawanenführer, ob er noch einen Buchhalter gebrauchen könnte. Da er noch keinen hatte, bekam ich meine Möglichkeit, weiter in Richtung Ursprung der Seide zu reisen. Und verdiente mir noch etwas Geld dabei. Finanziell ging es mir zu dem Zeitpunkt gar nicht mal schlecht. Der weg von seleucia nach Samarkand ist recht vielseitig. Es geht durch Wüste, dann ein recht trockenes Gebirge, wieder Wüste, eine fruchtbare Ebene und wieder Wüste. Bis man schließlich in Samarkand ankommt. Das liegt übrigens nicht mehr in Parthien, sondern Baktrien. Und auch dort traf ich auf Spuren des großen Alexanders.
Samarkand ist... wie soll ich sagen... einmalig! Da stehen Tempel aller möglichen Kulturen. Griechische, parthische, ja selbst indische Tempel! Die Stadt ist gut befestigt, wirklich gut, und sehr reich. Als Oasenstadt müssen die Karawanen da durch, das bringt gute Geschäfte. Aber auch die Häuser und Paläste... reich verzierte Fassaden, edle Einrichtung... so was hatte ich noch nie zuvor gesehen."
Es verschlug mir immer noch die Sprache, wenn ich an Samarkand dachte. Ich merkte gar nicht, wie ich ein verträumtes Funkeln in den Augen bekam und meine Stimme von Begeisterung erfüllt war.
"Und erst die Märkte! Da gab es Gold, Silber und Glas aus Rom, Seide und Jade aus Han, Smaragde und Gewürze aus Indien und noch viele andere edle Güter! Dieser unglaubliche Reichtum! Aber für mich war dort noch nicht Schluss. Ich suchte und fand eine weitere Karawane, eine, die mich noch weiter nach Osten bringen sollte. Dort sah ich auch zum ersten Mal die Menschen des Reiches Han. Bronzefarbene Haut und schwarze Haare, wie Inder. So gekleidet, wie ich es jetzt bin. Ihre Augen stehen leicht schräg, aber nicht so, dass es hässlich wäre. Auf deren Rat hin kaufte ich mir warme Kleidung und ich bin froh, dass ich es getan habe."
Ich nahm wieder einen Schluck Posca.
"Es ging von Samarkand aus zunächst nach osten, bis wir an den Fuß eines mächtigen, schneebedeckten Gebirgsmassivs kamen. Schnee, im Sommer! Dann folgten wir den Bergen nach Norden, bis wir einen Pass fanden. Der Aufstieg zum Pass war mühsam. Die Höhe raubt einem die Kraft. Mir wurde übel und ich hatte Kopfschmerzen und die Glieder taten mir weh, aber es ging weiter, immer weiter. Der eisige Wind peitschte erbarmungslos um uns herum und die Nächte konnte man nur am Lagerfeuer ertragen. Auch den Tieren setzte das Wetter zu und wir verloren gut ein Viertel der Packtiere. Nach einer Woche, die es die Berge hinauf ging, hatten wir den Pass hinter uns. Ich sah zurück und von einem der hohen Gipfel wehte der Schnee einer Fahne gleich weg, ganz so, als winkte mir der Berg zum Abschied."
Die Erinnerung an die Strapazen ließ meine Stimme auch angesrengt erscheinen. Ganz so, als würde ich diesen Weg noch einmal durchmachen. Dann wurde meine Stimme plötzlich wieder ganz ruhig.
"Es ging dann wieder bergab, bis wir in Kashgar waren. Es gehört zwar nicht zum Reich Han, aber es wird von diesem beherrscht. Kashgar ist kein Vergleich zu Samarkand. Es ist zwar auch eine Oasenstadt, aber kein solches Zentrum des Handels. Die Gegend ist viel zu dünn besiedelt. Auf der einen Seite sind die Berge, deren Name ich dort erfahren hatte. Tian Shan. Die Himmlischen Berge. Auf der anderen Seite ist eine Wüste. Durch diese Wüste ging es nun. Richtung Nordosten zuerst, von Oase zu Oase, bis wir an einen großen Fluss kamen. Der hört mitten in der Wüste auf, schon seltsam. Entlang dem Flusslauf ist wieder alles grün und dort wachsen sogar Bäume, vor allem Pappeln. Während wir durch die Wüste zogen und dem Fluss folgten, lernte ich die Sprache, die man in Han spricht. Chinesisch. Die heißt deshalb so, weil Han eigentlich Ch'in heißt. Nur mögen die Chinesen den Namen Ch'in nicht, weil damit Erinnerungen an eine grausame Herrschaft verbunden sind, die 300 Jahre zurück liegt. Deshalb bevorzugen sie Han, weil die jetzige Herrscherdynastie aus der Provinz Han stammt."
Ich sah die beiden Damen an, ob sie irgendetwas fragen wollten oder einen Kommentar hatten, während ich wieder einen Schluck Posca nahm.