Beiträge von Marcus Achilleos

    Irgend etwas in meinem Inneren sträubte sich dagegen, es zu versuchen. Mir wurde recht schnell klar, was es war: Der Legalist, der ich in Han war, wollte, dass alles exakt nach Gesetzen und Voraussetzungen ging. Diesen inneren Kampf führte ich schon seit Jahren, weil ein anderer Teil von mir nicht auf Vorschriften sah, sondern auf Fähigkeiten. Andererseits, was hatte der Mann gerade gesagt? "Der Epistates, der kein Epistates ist, aber den Epistates vertritt..." - ahja. Wenn es nicht klappen würde, könnte ich ja zumindest nachfragen, ob ich als Gast lehren könnte. Das Zauberwort war vermutlich "unentgeltlich".


    "Also, wo finde ich dann den Estitates, der keiner ist, doch diesen vertritt?"

    Ich sah mir die Waffen an. Ich nahm kurz ein Pilum und wog es in der Hand, bevor ich es zurück zu den anderen Pila stellte. Die Gladii sahen auch gut aus und die Bögen und Pfeile ebanso.


    "Durch diese Tür geht es in das Quartier des Kommandeurs? Das würde ich mir dann mal gerne ansehen. Schließlich werde ich dort wohl einige Zeit verbringen."

    Ich nickte anerkennend. Axilla hatte das absolut richtig erkannt, woher ich die Inspiration für das Manöver hatte.


    "Ganz genau. Auch Alexander war in Unterzahl und hatte die Stärke der Perser im Zentrum der Schlachtordnung gegen sie genutzt."


    Ich dachte einen Moment lang nach, bevor ich wieder zu meiner Erzählung zurückkehrte.


    "Nach der Schlacht gegen die Barbaren führte ich ein paar Änderungen ein. Zunächst erneuerte ich die Lanzenträger nicht. Statt dessen stockte ich die Zahl der Bogenschützen von 50 auf 120 auf und die Kavallerie von 30 auf 80 Mann. Außerdem ließ ich eine Stadtmauer aus Lehm errichten, etwa so hoch wie zwei Männer. Weil es an Arbeitern fehlte, befahl ich, dass jeder männliche Einwohner der Stadt zwei Stunden täglich beim Bau helfen musste. Selbst meine Beamten nahm ich von dieser Pflicht nicht aus und auch ich selbst arbeitete jeden Tag zwei Stunden an der Mauer. Sie war erstmal nur aus Lehm, weil die Bearbeitung der Steine zu lange gedauert hätte. Dadurch, dass ich selbst auch an der Mauer gearbeitet habe, konnte niemand etwas gegen die Zwangsverpflichtung sagen. Ich ließ nur zwei Gründe gelten, nicht beim Bau mitzuhelfen: Entweder man war krank oder man pflegte einen Kranken. Beides musste von Beamten bestätigt werden. Die Beamten wussten nicht, dass ich sie persönlich überprüfte, und so konnte ich etliche bestechliche Beamte der Korruption überführen.


    Ich hielt es für nötig, die Korruption möglichst schnell in den Griff zu kriegen, so dass ich immer die Höchststrafe verhängt habe. Das bedeutet Hinrichtung. Überhaupt verhängte ich ab da für alle Verbrechen die jeweilige Höchststrafe. Dadurch sank die Kriminalität sehr schnell, aber ich machte mir auch einige sehr mächtige Feinde. Gleichzeitig stieg dadurch aber der Wohlstand der Stadt, wodurch ich wiederum Freunde gewinnen konnte. Meine Strafen wendete ich unabhängig von der gesellschaftlichen Position des Delinquenten an. Das gab mir den Ruf der Rechtschaffenheit, weil ich niemanden bevorzugte. Außerdem ließ ich den Barbaren verkünden, dass jeder, der das Schwert gegen mich erheben würde, des Todes sei. Wer sich jedoch mir unterwerfen würde, dem würde ich Unterstützung in der Not zukommen lassen.


    Um rechtzeitig vor allem gewarnt zu sein, baute ich ein kleines netz aus Spionen auf, die mich vor allem vor herannahenden barbaren warnen sollten. es war gut, dass ich das gemacht hatte, denn wenige Monate später griffen die Barbaren wieder an. Ich hatte genügend Vorwarnzeit, um die Reiterei in einem nahe gelegenen Tal zu verstecken. Als die Barbaren in Reichweite der Bogenschützen kamen und von einem Pfeilhagel übersät wurden, wussten sie nicht, dass ich mit meiner Kavallerie in ihrem Rücken war. Noch bevor sie die Stadt erreichten, hatten die Pfeile meiner Bogenschützen so viele Tote und Verletzte gefordert, dass die Barbaren den Rückzug antraten. Doch da stand ich ihnen mit meiner Kavallerie gegenüber. Und auf einmal gerieten sie in Panik. Da hatte ich dann leichtes Spiel. Ich konnte sie besiegen und ließ alle gefangenen und verwundeten Barbaren hinrichten. Danach war fast ein Jahr lang Ruhe. Und dieses Jahr sollte das bislang glücklichste in meinem Leben werden."


    Ich nahm einen Schluck Posca, weil mein Mund vom vielen Reden recht trocken war.

    Ich hatte von einem der Sklaven des Museions gehört, dass die Erde eine Kugel sein sollte. Irgendwie erschien mir das seltsam, also ließ ich mir ein paar Werke darüber bringen.


    Zunächst las ich ein paar Bemerkungen des Pythagoras von Samos. Es kam nach einer Reihe von Überlegungen über die Symmetrie zu dem Schluss, dass die Erde nur ein Gebilde höchster Symmetrie, also eine Kugel sein könne. Das erschien mir wenig praktisch und auch nicht wirklich aussagekräftig. So sehr ich Pythagoras verehrte, hier konnte er mich nicht überzeugen.


    Das nächste Werk war interessanter. Es stammte von Aristoteles. Wieder ein großer Philosoph, den ich verehrte. Wenn ein Schiff von Land wegfährt, so stellte er fest, verschwindet zuerst der Rumpf aus dem Sichtfeld und dann die Segel. Das Phänomen kannte ich, doch genügte es mir nicht als Beweis für eine Kugelgestalt.


    Ich dachte nach. Wäre einfach nur die Ebene schief, so würde man dennoch das ganze Schiff sehen können und es müsste einfach nur immer kleiner werden. Deshalb konnte ich das ausschließen. Wenn ich an Land einen ähnlichen Effekt erhalten wollte, musste ich jemanden über einen Hügel schicken. Andererseits war der Effekt auch in einer Ebene sichtbar. Wasser hatte, wenn man den leichten Seegang vernachlässigte, keine Hügel. In der Tat sammelte sich Wasser immer am tiefsten Punkt, das wusste ich aus eigener Anschauung und auch aus einigen Schriften aus China und Indien. Somit musste die Erde zumindest eine gekrümmte Oberfläche haben. Das war allerdings noch kein Beweis für eine Kugelgestalt. Außerdem musste dann die Frage beantwortet werden, warum das Wasser nicht vom höchsten Punkt der Krümmung zu den Seiten floss. Damit verbunden war die Frage, warum es sich krümmen sollte. Mir wurde schnell bewusst, dass beide Fragen ein und dieselbe Frage waren.


    Ich las weiter in den Schriften des Aristoteles und stieß auf einen weiteren Punkt. Je weiter man nach Süden kommt, umso höher stehen die südlichen Sternenbilder über dem Horizont. Auch dies war kein Beweis für eine Kugelgestalt der Erde. Vielmehr erschien es mir eine logische Folge der sphärischen Anordnung des Firmaments zu sein. In einer weiteren Schrift fand ich allerdings die Hypothese, dass alle Körper des Universums zum Zentrum desselben streben. Dieser Punkt war logisch. Unter der Annahme, dass die Erde das Zentrum des Universums war - und wieso sollte irgendwer daran zweifeln? - bedeutete dies, dass alles zur Erde streben würde.


    Jetzt musste ich nachdenken. Ich nahm an, dass alle Elemente gleichmäßig im Universum verteilt waren. Des weiteren nahm ich an, dass die Erde zunächst nur ein Punkt war. Dann würde, wenn alles zum Zentrum strebte, sich alles gleichmäßig sammeln. Die erde würde sich dann zu einer Kugel erweitern und alles auf der Erde würde versuchen, dem Zentrum der Erde so nahe wie möglich zu sein. Das war aber nur bei einer Kugel möglich. Das würde auch bedeuten, dass in diesem Fall das Wasser versuchen würde, sich so anzuordnen, dass es dem Zentrum möglichst nah wäre. Dann würde das ebenfalls aus Symmetriegründen zu einer sphärischen Anordnung führen. Dann wiederum wären alle Wasserflächen gekrümmt. Das Wasser würde nicht tiefer fließen können, weil das Wasser bereits am nächsten am Zentrum der Erde wäre. Womit die Hypothese, dass alles zum Zentrum strebe, automatisch zur Kugelgestalt führen würde.


    Als nächstes fragte ich mich, ob etwas anderes als diese Hypothese des Aristoteles dazu führen könnte, ob Wassr gekrümmt sein könnte. Prinzipiell fiel mir dazu eine Quelle auf einem Hügel ein. Würde eine solche Quelle existieren, würde das Wasser von dort auf die Küsten zu fließen. Es gab aber Strömungen, die von der Küste wegführten. Außerdem gab es laut Berichten der Seefahrer keinen Punkt des Mare Internum, von dem aus alle Strömungen zumindest lokal wegführten. Somit war die Hypothese der Quelle nicht haltbar, so dass als einzige Erklärung der Beobachtung die Hypothese der Kugelgestalt dienen konnte.


    Dann fand ich noch einen weiteren Punkt: Bei einer Mondfinsternis warf die Erde ihren Schatten auf den Mond. Dabei war der Schatten stets rund, unabhängig von der Lage des Beobachters. Auch das war eine Beobachtung, die sich nur mit der Kugelgestalt der Erde vereinbaren ließ. Somit hatte Aristoteles also recht. Da ich mich hier zum ersten Mal mit der gestalt der Erde befasste, war ich recht unvoreingenommen und deshalb Willens, die Kugelgestalt zu akzeptieren. Jetzt musste ich mir überlegen, was das für Konsequenzen hatte.

    Ich war mir nicht sicher, ob ich mehr über meine Tätigkeit als Statthalter berichten sollte oder mehr über Liu Jiao oder über etwas ganz anderes. Meine Herrschaft über die Stadt war eher hart und ich befürchtete, dass Axilla und Urgulania mich für einen grausamen Despoten hielten. Und Jiao... es würde mich unweigerlich dazu führen, mir wieder ihren Tod und den meines Sohnes bewusst zu machen. Doch wovon sollte ich sonst erzählen? Hatten Axilla und Urgulania es nicht verdient, auch von diesen Seiten von mir zu erfahren?


    Während mir diese gedanken durch den Kopf gingen, aß ich erstmal ein Stückchen Brot. Nachdenklich kaute ich darauf herum, während ich versuchte, eine Entscheidung zu treffen.

    Ich verstehe Düsseldorfer Platt (dat is fast wie Kölsch, äwwer soch dat bloss kinnem) ganz gut und außerdem Fränkisch (da wo des R g'rollt wird! Und wo die Hasen Hosen hasen und die Hosen Husen hasen :D ). Wobei ich beides quasi nicht spreche. Ich habe zwar auch Verwandtschaft im Allgäu, aber den Dialekt verstehe ich nicht.

    "Also, ich werde ganz sicher nicht mit dir Ringen trainieren," sagte ich grinsend, "Sonst kann ich mich vermutlich die nächsten drei Tage nicht mehr bewegen. Außerdem denke ich, dass es an der Zeit ist, dass ich mein persönliches Training durchführe."


    Ich ging zu den Stufen, wo mein Hemd lag und zog es wieder an.


    "Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg hier in Alexandria. Wir werden uns bestimmt noch häufiger über den Weg laufen."

    Sim-Off:

    Man lernt doch immer wieder dazu.


    "Einen guten Leumund habe ich, eine Empfehlung allerdings nicht. Die Ephebia habe ich zwar vor Jahren in Athen bestanden, aber die Daten sind im Moment verschollen, also kann ich es nicht belegen. Insofern sollte ich dann besser zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorbei schauen, oder? Es macht ja keinen Sinn, für etwas vorzusprechen, wozu einem die Belege fehlen."

    Ich lachte und schüttelte den Kopf.


    "Nein, nicht bei den Phöniziern. Jenseits von Indien, also etwa..."


    Ich sah kurz auf den Stand der Sonne und zeigte dann Richtung Osten.


    "5000 Meilen in dieser Richtung. Da kommt übrigens unter anderem die Seide her. Und Jade. Wobei ich Seidengewänder für wenig alltagstauglich halte, deshalb habe ich auch keins an."


    Dass ein Seidengewand für besondere Anlässe in meinem Zimmer war, verschwieg ich. Erstens wäre das protzig gewesen und zweitens würde es einen Eindruck von Reichtum vermitteln, den ich nicht hatte. Dass mich die Rückreise quasi pleite gemacht hatte, verschwieg ich auch.


    "Wenn ich fragen darf, was hat dich nach Alexandria geführt?"

    Ich nahm einen Schluck Posca, während Urgulania einem Sklaven ein Zeichen gab, dass Essen gebracht werden sollte. Ein kurzer Blick zu Axilla zeigte mir, dass ich das mit ihrem Vater besser nicht erwähnt hätte. Das war seit langem die erste unbedachte Äußerung von mir und jetzt wusste ich wieder, warum ich besser zweimal nachdenken sollte, bevor ich etwas sagte.


    Schließlich fuhr ich mit meiner Erzählung fort.


    "Der Ort, dessen Statthalter ich wurde, heißt An'Chù. Das bedeutet so viel wie "Ort des Friedens". Das hörte sich erstmal ganz nett an und so war ich frohen Mutes, als ich dort ankam. Der Empfang war so, wie es üblich ist. Die Beamten waren alle im Statthalterpalast und verbeugten sich vor mir bei meiner Ankunft. Das war der zeitpunkt, wo mir klar wurde, dass ich jetzt die Verantwortung für diese Stadt hatte. Ich ganz allein. Ich traf mich erstmal mit den führenden Beamten der Stadt und besprach die allgemeine Situation. Es gab ein Problem mit Korruption und es gab so etwa zwei- bis dreimal im Jahr Überfälle von Barbaren. Die 200 Soldaten, die dort stationiert waren, konnten auch nicht viel dagegen machen, weil die Barbaren fast immer mit drei- bis vierfacher Übermacht angriffen. So viel also zum Namen "Ort des Friedens"." Ich lachte kurz sarkastisch. "Stadtmauern gab es übrigens keine. Ich beschloss, erstmal das Problem mit der Korruption zu lösen und befahl dem Kommandant der Garnison, das Training der Soldaten zu verbessern.


    Für beides hatte ich recht wenig Zeit. Nur einen Monat, nachdem ich dort war, griffen die Barbaren an. Es waren zum Glück nur etwa 500. Ich ließ die 120 Lanzenträger zwischen den Barbaren und der Stadt Aufstellung nehmen, während die 50 Bogenschützen alles beschossen, was nach Barbar aussah. Ich selbst wartete mit den 30 berittenen Soldaten dahinter und übernahm persönlich das Kommando. Die Barbaren waren wohl anderes gewohnt und waren deshalb etwas verwirrt darüber, aber schließlich griffen sie an. Übrigens waren sie fast alle beritten. Ich gab den Lanzenträgern den Befehl, die Reihen zu halten, schickte die Bogenschützen in die Häuser und ritt mit der Kavallerie einen Bogen um den Feind herum, um ihnen in die Flanke zu fallen. Als ich sah, dass die Barbaren mit den Lanzenträgern im Nahkampf waren, bemerkte ich eine Gruppe von zehn Reitern, die hinter dem ganzen Geschehen wartete - der Anführer und sein Gefolge! Ich stürmte mit der Kavallerie darauf zu und es gab eine ziemliche Verfolgungsjagd, aber schließlich erwischte ich die Gruppe und nach kurzem Kampf, bei dem ich nur zwei Soldaten verloren hatte, waren Anführer und Gefolge der Barbaren tot. Ich ließ allen die Köpfe abschlagen und wir ritten zurück und warfen die Köpfe in die Barbarenhorde. Dann gab es ein großes Geschrei und sie zogen sich zurück. Das war auch gut so, denn von meinen Lanzenträgern waren nur noch 8 am Leben. Das war also meine erste Schlacht. Die Stadt war gerettet und die halbe Garnison tot. Kein besonders gutes Ergebnis, aber da ich gegen eine Übermacht gesiegt hatte gab mir das ein gewisses Ansehen in der Provinz. Genügend Ansehen, um von General Liu Meng die Erlaubnis zu erhalten, seine Tochter zu heiraten. Ich hatte bereits ein Jahr zuvor um ihre Hand angehalten... sie war hübsch, gebildet und von ruhigem Gemüt. Und irgendwie war es Liebe auf den ersten Blick. Meine Liu Jiao..."


    Ich lächelte verträumt. Das war vermutlich die schönste Zeit meines Lebens, trotz aller Schwierigkeiten.

    Ich lächelte höflich.


    "Dann solltest du aber unbedingt etwas essen. Es ist nicht gut für den Körper, wenn man hungrig bleibt. Ich für meinen Teil benötige übrigens nicht viel. Etwas Brot genügt mir als abendliches Mahl. Und während dem Essen kann ich ja ein wenig von meiner Stadt sprechen und was ich dort erlebt habe. Von Indien werde ich dann ein anderes Mal berichten. Das ist, denke ich, ebenso abendfüllend."

    Ich war beeindruckt, auch wenn iche s nicht zeigte. Die Disziplin war vorbildlich, ebenso die Haltung. Sie würden gut in Formation bleiben und ich würde sie führen können, ohne gegen Widerstände zu kämpfen. Gute Soldaten, mit denen ich ohne weiteres in den Krieg ziehen würde. Zumindest nach dem ersten Eindruck. Selbstverständlich würde ich noch ihren Ausbildungsstand überprüfen müssen, auch wenn ich mir da nur wenig Sorgen machte. Zu verbessern gab es aber sicher immer etwas.


    Ich nickte dem Offizier kurz zu, ohne irgendwelche Emotionen zu zeigen. Dann sprach ich mit ruhiger Stimme.


    "Nicomedes, ich danke dir für die Begrüßung. Sobald mir der Startegos Cleonymus alles gezeigt hat, wirst du mir kurz über die individuellen Stärken und Schwächen der Männer berichten. Bei einem Gespräch unter vier Augen. Außerdem wirst du mir einen taktischen und strategischen Lagebericht geben."


    Natürlich hätte ich präzise sagen könne, was ich von den Lageberichten erwartete, aber ich hatte diesen Auftrag vor allem als Prüfung gedacht.


    "Kommandant Achilleos"... hört sich gut an. Mir wäre zwar nach Lächeln zumute gewesen, aber ich blieb emotionslos. Das war eines Kommandanten würdiger.


    Ohne den Offizier weiter zu beachten, wendete ich mich wieder an Cleonymus.


    "Über zwei Gefangene weiß ich ja schon Bescheid, wer sind die anderen?"


    Während dessen gingen wir in das Gebäude.

    Ich musste bei Axilla's Vorschlag innerlich schmunzeln, auch wenn ich mir äußerlich nichts anmerken ließ. Urgulania's tadelnden Blick, den sie Axilla zuwarf, bemerkte ich zwar, ignorierte ihn aber. Auf ihre Antwort hin lächelte ich allerdings erfreut.


    "Ich danke dir, Urgulania."


    Dann wanderte mein Blick zu Axilla.


    "Du vermisst deinen Vater sehr, oder?" fragte ich verständnisvoll und irgendwie wissend. "Sonst würdest du dich nicht um seine Rüstung kümmern, sondern einen Sklaven die Arbeit machen lassen," fügte ich als Erklärung hinzu. Ich hoffte, dass ich damit keine seelischen Wunden aufriss. Vielleicht hätte ich das für mich behalten sollen? Es war mir irgendwie herausgerutscht. "Tut mir Leid, ich hätte das nicht sagen sollen."


    Um die Stimmung nicht kippen zu lassen, wandte ich mich wieder an Urgulania - Themenwechsel!


    "Wenn ich noch etwas länger bleibe... ähm... ich falle euch dabei nicht zur Last, oder?"

    Ich nickte.


    "Der Platz davor ist zwar recht übersichtlich, aber die Gebäude hier um uns, vor allem die mir Blick auf das Gefängnis, was sind das für Gebäude? Wem gehören sie? Wenn ich einen Angriff auf das Gefängnis planen würde, dann würde ich Bogenschützen in den Gebäuden postieren, um meinen Leuten Rückendeckung zu geben. Wenn erstmal genug Leute es bis zum Eingang geschafft habe, kann man versuchen, das Gefängnis zu stürmen. Andererseits... noch eher würde ich das Gefängnis in Brand schießen. Wie steht es um Wasservorräte im Gefängnis? Ich muss mir das Ganze mal von innen ansehen."

    Da es keinen Widerspruch gab, machte ich einen kleinen Exkuurs bezüglich der Hauptstadt.


    "Das Reich Han wird von der Stadt Luoyang aus regiert. Die Stadt hat etwa eine halbe Million Einwohner, ist also erheblich kleiner als Rom. Ähnlich wie Rom ist es aber von mächtigen Stadtmauern geschützt. Die Garnison für die Stadtmauern liegt bei etwa 2000 Soldaten. Weitere 5000 Soldaten sorgen für die Sicherheit der Straßen. Zu bieten hat die Stadt einiges. Breite Hauptstraßen sorgen für einen guten Verkehrsfluss und die Märkte bieten Nahrungsmittel und Gewürze aus allen Teilen des Reiches. Außerdem findet man dort alle möglichen Rohstoffe, bis hin zu Jade und Juwelen. Auch Seide wird hier in großen Mengen gehandelt, schließlich ist Luoyang der Ausgangspunkt der Karawanenwege nach Westen.
    Glanzpunkt ist der Kaiserpalast. Er ist wirklich groß. Mindestens 3000 Soldaten sorgen für die Sicherheit des Palastes und insgesamt leben da um die 10000 Menschen, wenn man alle Diener und hohen Beamten mitrechnet. Das gelände des Palastes ist sehr weitläufig und von außen kann man zwar einige der hohen Gebäude erkennen, aber nicht genug, um wirklich einen Plan erstellen zu können. Mit eigenen Augen sah ich den äußeren Hof. Er bietet genug Platz, damit alle Bewohner des Palastes dort antreten können. Wenn man den Platz vom äußeren Tor aus überschreitet, geht man direkt auf die große Halle zu. Sie liegt etwa 50 Fuß höher als der Hof und man muss über eine große Treppe hinauf gehen. Die Halle selbst hat eine sehr hohe Decke und reich verzierte Säulen. Am hinteren Ende der Halle ist der Thron des Kaisers, der auf einem Podest ist, das nochmal etwa mannshoch über dem Raumboden endet. Man ist also gezwungen, zum Kaiser aufzusehen. Das wäre man aber auch so, weil man sich sehr tief vor dem Kaiser verbeugen muss.
    Der Kaiser, ich sah ihn selbst, ist ein recht junger Mann, mit edlem Gesicht und einem gepflegten Bart. Er ist von ruhiger, aufmerksamer Art. Er ist in Gewänder aus mit Gold bestickter Seide gekleidet und trägt ein goldenes Schwert. Seine Stimme ist rein und klar, ebenso wie seine Gedanken. Er scheint ein guter Herrscher zu sein und ich hoffe, dass ihm ein langes Leben beschieden ist."


    Ja, ich war wirklich beeindruckt von dem Kaiser - von meinem Kaiser, denn das war er für mich nach wie vor.


    "Hinter dem Thronsaal folgt wohl ein weiterer Hof und dahinter die Privatgemächer des Kaisers, obwohl ich das nicht mit Sicherheit sagen kann.


    Ganz wichtig ist natürlich die kaiserliche Akademie in Luoyang, eine Einrichtung, die sich durchaus mit dem Museion messen kann. Dort habe ich auch meine Prüfung zum Jínshí abgelegt. Das ist dann wohl auch der wichtigste Unterschied zum Museion: Während hier vor allem auch geforscht wird, wird dort vor allem geprüft. Was das anbetrifft, sind sie ziemlich gut ausgestattet. Diverse Prüfungsräume sorgen dafür, dass niemand schummeln kann. Und die Prüfungen sind dort wirklich hart. Es gibt auch noch einige private Akademien und Schulen, die einen auf die Prüfungen vorbereiten. Und ein paar philosophische Schulen gibt es auch. Ein gutes Theater gibt es hingegen nicht."


    Ich musste kurz schmunzeln, als ich mich selbst fragte, wie ich es so lange ohne Theaterbesuche ausgehalten hatte.


    "Dann gibt es auch noch den großen Ahnentempel der Kaiser, den Tempel des Himmels und andere wichtige Tempel des Reiches. Außerdem habe ich dort einen Tempel der Buddhisten gesehen. Die kommen eigentlich aus Indien.
    Neben den Hauptstraßen gibt es noch viele kleine Nebenstraßen. Doch dieses dichte Gewirr von Nebenstraßen ist nicht das Einzige, was dazu führt, dass man sich leicht verlaufen kann. Es gibt auch noch jede Menge Höfe und Hinterhöfe, die zu weiteren Häusern führen. Und die einzelnen Stadtviertel sind voneinander durch Mauern getrennt, um Brände einzudämmen und natürlich auch, um sich nicht mit den Bewohnern des Nachbarviertels beschäftigen zu müssen. Mauern und Höfe, vor allem Innenhöfe, sind sicher eines der wichtigsten Merkmale chinesischer Architektur. So hat man selbst in der hektischsten Stadt immer einen abgschiedenen Rückzugsort. Außerdem wird im Hof gekocht, da kann der Rauch am besten abziehen."


    Beim Blick durch ein Fenster bemerkte ich, dass es Abend wurde und die Sonne den Himmel rot färbte. Ich hätte vielleicht besser etwas früher kommen sollen. Jetzt hatte ich ein Problem.


    "Ähm... wenn ich die Basileia verlassen will, dann sollte ich das entweder jetzt machen oder... Urgulania, würdest du mich später zum Tor begleiten? Für Besucher ist es, wie du sicher weißt, verboten, sich nach Einbruch der Dunkelheit ohne Begleitung in der Basileia aufzuhalten."


    Ich sah Urgulania fragend an.