Beiträge von Lucius Septimius Palaemon

    Nachdem die Probati ihre Runden hinter sich gebracht hatten, war der Optio schon wieder etwas gnädiger gestimmt. Erneut demonstrierte er also den Gebrauch des Skorpios, ließ sich diesmal jedoch viel Zeit, so dass den Männern eigentlich kein Handgriff entgehen konnte.
    "Zurück an die Geschütze! Und diesmal mit mehr Konzentration! Mittite!"

    Der Optio mochte kaum hinsehen. Während ein oder zwei Gruppen wenigstens beim zweiten Versuch einen halbwegs vernünftigen Abschuss zuwege brachten, scheiterten die übrigen komplett. Zeit für Palaemon, dazwischen zu gehen:
    "Genug damit! Wenn ihr keine Lust habt, bitte... Noch könnt ihr die Armee gerne freiwillig verlassen."
    Er überprüfte, ob alle Geschütze entladen waren, dann gab er neue Anweisungen:
    "Kehren wir also zu den Grundlagen zurück! 10 Runden um den Platz! Und zwar im Laufschritt!"

    Neue Aufgaben standen schon bereit. Und zwar in Form einiger kleinerer, armbrustähnlicher Geschütze, ihres Aussehens wegen auch Scorpiones genannt. Jeweils gegenüber, etwa im Abstand des dritten Teils eines griechischen Stadiums, hatte man Strohpuppen platziert, als Ziel für die anstehenden Versuche der Probati.
    "Es gibt in einer Legion keine spezialisierte Abteilung, die sich nur mit unserer Artillerie befassen würde. Das bedeutet, dass jeder hier auch im Umgang mit kleineren und größeren Wurfmaschinen bestens vertraut sein muss.
    Zur Theorie: Wir unterscheiden grob zwischen den ballistae für den indirekten Beschuss mit Steinen oder Ähnlichem; und den catapultae für Pfeil- und Bolzengeschosse, wie ihr sie hier vor euch seht."

    Der Optio führte deren Funktionsweise ein Mal vor, legte den Bolzen ein und spannte die Sehne mit Hilfe der für diesen Zweck montierten Haspel, bis die Vorrichtung in der gewünschten Spannstellung einrastete. Dann betätigte er den Abzug, so dass das Bolzengeschoss herausschnellte und sich nach direkter Flugbahn in das Ziel bohrte. Palaemon hatte auch genug Zeit gehabt, das Geschütz richtig einzustellen.
    "Drei Mann an ein Geschütz. Zehn Schuss pro Geschütz. Wenn es Fragen gibt, stellt sie jetzt, nicht erst auf dem Schlachtfeld! Das schlechteste Team darf anschließend aufräumen."
    "Mittite!"

    Nach kurzer Zeit hatte Palaemon überblickt, welche Rekruten ihr Reittier am besten im Griff hatten. Drei junge Männer, die vollkommen überfordert schienen, hatte er vorsorglich aus dem Verkehr gezogen und vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut. Die Verbliebenen machten ihre Sache aber recht ordentlich.
    "Gut! Jetzt will ich das Ganze aber in vernünftiger Ordnung sehen. Teilt euch auf! Die eine Gruppe folgt Fulcinius, die andere wird von Graeceius angeführt."
    Er ließ die beiden Teileinheiten noch einige Runden drehen und schickte dann erst Fulcinius' und wenig später auch die von Graeceius angeführte Gruppe zu den Stallungen: "Sattelt die Tiere ab und versorgt sie! Anschließend werdet ihr euch wieder bei mir melden."
    Der Septimier war augenscheinlich froh, dass die Pferde erst einmal wieder aus seinem Blickfeld verschwinden würden.

    Der Optio verteilte die Männer je nach genannten Befähigungen auf die vorhandenen Tiere. Nicht jeder bekam ein eigenes Pferd zugewiesen, einige mussten sich abwechseln, doch es würden alle genug Zeit haben, die grundlegenden Dinge zu erlernen.
    Den erfahrenen Reitern wies der Septimier dabei die 'komplizierteren' Pferde zu: "Also gut, Graeceius. Probier du es doch einmal mit ihm hier!" deutete er auf ein dunkles Jungtier, das etwas abseits der anderen nervös herumtänzelte. "Steigt auf und reitet ein wenig auf dem Campus herum!"
    Während Palaemon bei den Anfängern jede Aktion kommentierte und kluge Ratschläge erteilte, ließ er die fortgeschrittenen Reiter erst einmal machen.
    Er, der in seinem bisherigen Leben viel mehr Zeit auf Schiffen als auf Pferden verbracht hatte, bezweifelte, dass er den zuletzt genannten in diese Hinsicht noch etwas beibringen konnte.

    "Natürlich, Centurio!"
    Und wieder an die Truppe gewandt: "Männer, ihr habt euch ganz ordentlich geschlagen. Nicht übermäßig gut, aber ich bin zufrieden. Ich erwarte euch morgen früh wieder hier. Ihr dürft wegtreten!"


    Tag 5/Reiten


    Am nächsten Tag wurden die Probati erneut vom Optio erwartet. Nur dass Septimius Palaemon dafür gesorgt hatte, dass dieses Mal zusätzlich ein gutes Dutzend Pferde auf den Campus geführt worden waren, unter deren Mitwirkung den jungen Männern die nächste Lektion vermittelt werden sollte.
    "Freut euch! Heute gönnen wir euren Füßen eine kleine Verschnaufpause. Dafür bekommt ihr das Reiten beigebracht. Zwar wird kaum einer von euch später mal in einer unserer Turma seinen Dienst verrichten, doch gehört auch dieser Teil zur umfassenden Ausbildung eines Legionärs. Und vielleicht habt ihr auch schon die Geschichte der Legio X. Equestris gehört, die im großen gallischen Krieg von Caius Caesar kurzerhand in eine berittene Einheit umfunktioniert wurde."
    Der Optio musterte die Männer und versuchte deren Fähigkeiten im Umgang mit Pferden einzuschätzen.
    "Wer von euch kann reiten? Und wer ist noch nie auf einem Pferd gesessen?"

    Palaemon verfolgte die Bewegungen der Rekruten aufmerksam, wobei er es sich nicht nehmen ließ, lautstark auf größere Lücken hinzuweisen, wenn diese sich im Schilderwall auftaten. Als sie schließlich auch diese Aufgabe zu seiner Zufriedenheit bewältigt hatten, ließ er sie wieder in 'normaler Formation' antreten und wandte sich an seinen Vorgesetzten: "Gibt es weitere Anweisungen, Centurio?"

    Der Septimier war eigentlich recht zufrieden mit dem, was die Probati zeigten, auch wenn seine Mimik selbstverständlich etwas anderes ausdrückte.
    "Wo ihr doch gerade einigermaßen anständig Position bezogen habt: Nehmen wir noch eine letzte Sache in Angriff, dann habt ihr zumindest von meiner Seite für heute genug umgesetzt.
    Stehen wir unter Beschuss, so kann es für den Befehlshaber erforderlich sein, die sogenannte Testudo-Formation zu bilden. Dabei strecken die innen stehenden Soldaten ihren Scutum nach oben, während die äußeren Männer den Schild nach vorne bzw. zur Seite halten. Rückt eng zusammen, so dass Geschütze von dem Schilderwall abgeblockt werden.
    Das probieren wir gleich mal aus. Milites, ad testudinem!"

    Als die Probati die Runde hinter sich gebracht hatten, ließ sie Palaemon mit einem lauten "State" im Marschverbund anhalten, um zur nächsten Lektion zu schreiten. Dass ein weiterer Optio zu ihnen gestoßen war, ließ ihn nicht innehalten.
    "Bevor wir weitermachen, erst einmal einige grundlegende Dinge zur Gefechtsformation. Hört aufmerksam zu, ich möchte nichts zwei mal erklären müssen.
    Eine Legion kann je nach Anforderung und Situation auf verschiedene Arten aufgestellt werden. Die häufigste Variante ist jedoch die Acies Triplex, also vier Kohorten vorne und jeweils versetzt je drei Kohorten in den Treffen zwei und drei. Wir kämpfen stets in Formation, niemand schert aus, und wir halten einen Abstand zum Nebenmann, der gerade genug Platz bietet, um das Pilum zu schleudern. Und kein Laufschritt! Es nützt uns nichts, wenn ihr vollkommen erschöpft an den feindlichen Linien ankommt und niedergemacht werdet.

    Nun aber zur Übung: Stellt euch vor, eine Situation macht den schnellen Wechsel von Marsch- zu Gefechtsformation nötig. Ich möchte euch wieder in drei Reihen aufgestellt sehen. Auf Befehl werden sich nun die Männer in den vorderen Reihen über rechts zurückfallen lassen, während die hinten positionierten Männer über links vorrücken. Am Ende solltet ihr so zum Stillstand kommen, dass ihr euch sozusagen um den Mittelpunkt der Marschkolonne gedreht habt. Verstanden? "

    Dem Optio war klar, dass er der neu formierten Gruppe einiges an Improvisationstalent und Koordinationsfähigkeiten abverlangte.
    Doch nachdem sie die bisherigen Aufgaben recht ordentlich ausgeführt hatten, glaubte er, das Lerntempo beibehalten zu können.
    "In aciem venite!"

    "Falsch, Junge. Ihr werdet so lange durchhalten, bis ich euch befehle, anzuhalten", erläuterte er dem vorlauten Rekruten.
    In Wahrheit würde es der Optio bei einer Runde belassen. Denn immerhin gab es an diesem Tag noch anderes einzustudieren.
    "Achtet auf die Kurven. Die äußeren Männer haben natürlich einen längeren Weg zurückzulegen.
    Pergite!"

    Palaemon gab die ersten Schritte vor, dann wandte er sich der Truppe zu, um deren Versuche im Blick zu haben.

    Im Grunde standen sie nun genaus so, wie Palaemon es haben wollte, doch selbstverständlich hatte der Optio dennoch etwas auszusetzen.
    "Du", raunzte er einen Miles in der hintersten Reihe an. "Wenn du schon hier Probleme mit der Koordination hast, wie verdammt noch mal willst du es dann unter den Belastungen eines Feldzuges auf die Reihe bekommen."
    Einige Sekunden verharrte sein strenger Blick auf dem jungen Mann, dann fuhr der Septimier an alle gewandt fort:
    "Wir werden jetzt einige Runden um den Campus marschieren. Was meint ihr. Wie lange werdet ihr durchhalten?"
    Insgeheim hoffte er, einer der Männer würde den Mut haben, eine möglichst lange Distanz zu nennen. Palaemon würde sie dann wohl ein Vielfaches davon marschieren lassen.

    Das Aufstellen war kein größeres Problem. Also fuhr der Optio gleich mit dem nächsten Punkt fort:
    "Kommen wir zur Marschformation. Selbstverständlich wäre eure jetzige Aufstellung viel zu breit, um auf Straßen und schmalen Durchgängen gut voranzukommen. Wir marschieren also in Reihen zu je vier Mann.
    Momentan stehen aber zehn Mann nebeneinander. Wenn ich das Signal gebe, werden also die vier Männer auf der rechten Seite sich vor die benachbarten vier setzen, die linken beiden Reihen ordnen sich hinten neu ein. Haltet zu euren Vorderleuten einen Abstand von etwa drei pedes. Nicht, dass ihr euch gegenseitig zu Fall bringt."


    "Milites, ad agmen!"

    Der Optio nickte und wandte sich an die Probati:
    "Also gut, Männer. Meinen Namen kennt ihr ja bereits. Ich werde heute mit euch die Marsch- und Gefechtsformationen einüben. Glaubt mir, ihr werdet hier im Laufe eurer Ausbildung so viel marschieren, bis es jeder von euch im Schlaf beherrscht."
    Er ließ seinen Blick über die Gruppe junger Männer schweifen und schüttelte missbilligend den Kopf.
    "Zuerst aber will ich, dass ihr euch vernünftig aufstellt. Auf meinen Befehl hin werdet ihr euch in drei Reihen positionieren. Und zwar in gerader Linie, Beine durchgestreckt, Rücken gerade, Blick nach vorne gerichtet."
    Er machte einige Schritte zur Seite, um sie besser im Blick zu haben und gab dann Anweisung:
    "Venite et State!"

    Sim-Off:

    Verzeihung! Ab sofort wieder voll da!


    Palaemon hatte während der ersten Übungseinheiten die Position eines aufmerksamen und interessierten, aber zugleich schweigsamen Beobachters übernommen. Es ging für ihn erst einmal darum, zu erkennen, wie der Centurio die Ausbildung der Probati anging, welche Methoden zum Einsatz kamen. Nur gelegentlich hatte er den ein oder anderen (hoffentlich hilfreichen) Ratschlag an einen oder mehrere Probati gegebn, wenn diese in der Handhabung der einzelnen Waffen Schwächen zeigten.
    Er hatte die Zeit ebenso genutzt, um die einzelnen Rekruten während ihrer Übungen genauer unter die Lupe zu nehmen und ihren momentanen Leistungsstand so besser einschätzen zu können. Einige der jungen Männer schienen zumindest schon erste Erfahrungen im Umgang mit Gladius, Pilum und Bogen gemacht zu haben, was dem Centurio einige anerkennden Bemerkungen entlockte.
    Der Optio musste nun nur noch darauf warten, dass der Centurio Trebellius Posca dem Septimier Weisung gab, sein begonnenes Werk fortzuführen.