Beiträge von Lucius Septimius Palaemon

    Palaemon war erleichtert, als Philetos nach seinen eigenen septimischen Worten und denen des Zabadyah und der schwankenden Stimmung unter den Bürgern nichts anderes übrig blieb, als eine Abstimmung zu beantragen.
    Er hörte Cleonymus zu und stimmte natürlich für den Antrag, der im Wesentlichen seinen Vorschlägen entsprach.


    Einzig der Gedanke an seinen Ruf unter der Bürgerschaft Alexandrias bereitete ihm ein wenig Sorge. Würde ihm in Zukunft von den Griechen vorgehalten werden, dass er ähnlich wie die Vertreter der Juden und der Christianer argumentiert hatte?


    Palaemon: :dafuer:

    Palaemon musste kurz schmunzeln, als er seine Bemerkung über Philetos vermeintlichen jugendlichen Übermut quasi 1:1 mit Verweis auf sein fortgeschrittenes Alter zurückbekam. Eine gesunde Mischung aus alt und jung galt eben nicht ohne Grund als gute Grundlage für erfolgreiche Arbeit.
    Aber er musste natürlich auf die Fragen eingehen:
    „Du willst wissen, was ich vorschlage?
    - Nun, ich sagte ja schon, dass ich nicht beabsichtige, den anwesenden hohen Archonten, den weiseren und alteingesesseneren meine Meinung aufzudrängen.“

    Es war nun einmal immer einfacher, Vorschläge anderer abzulehnen als eigene, gute Vorschläge zu machen.


    „Doch einige Anregungen möchte ich gerne vorbringen. Was spräche denn beispielsweise dagegen, mit den Stimmen der Ekklesia eine Verlautbarung zu verfassen und bekannt zu machen, in der wir erklären, treu zu den Verträgen mit dem Basileos zu stehen und das Gleiche von den Vertretern Roms zu erwarten.
    Wenn es auch 'nur' eine Wiederholung der Rechte und Gebote wäre, die uns die Katastasis ohnehin zusichert und auferlegt, so wäre es wohl zugleich ein starkes Signal, eine Feststellung, die unserer Position Ausdruck verleiht.“


    Der Veteran merkte, dass er sich kürzer fassen musste, wollte er die Empfänglichkeit der Staatsbürger für seine Worte bewahren, und sprach noch eine andere Option an.
    „Oder warum nicht eine Delegation mit den Praefecti der Legionen besprechen lassen – nicht als Bittsteller, sondern auf Augenhöhe, inwieweit es sinnvoll ist, die römischen Soldaten bis auf Weiteres verstärkt in den Kasernen Nicopolis' zu belassen. Sicherlich viel Symbolik, aber Kontinuität, Ausgleich und Betonung auf Gemeinsamkeit scheinen mir Punkte zu sein, die die Größe und Bedeutung Alexandrias auch in Zukunft sichern werden.“
    Den Eparchos ließ der Septimier aus, da er sich nicht sicher war, ob dieser die Legio Cyrenaica in Personalunion führte und was der Chatidake einige Minuten zuvor mit seinen Aussagen über den Statthalter eigentlich gemeint hatte

    Ein wenig schienen sich die Akteure im Kreis zu drehen. Und einige der jüngsten Aussagen des Chatidaken bewogen Palaemon, tatsächlich auch ein paar Worte in den Disput einzubringen. Natürlich ganz im Sinne des Gymnasiarchos, wie er meinte.
    Er nutzte eine kurze Pause und erhob sich, machte auf sich aufmerksam und begann schließlich zu sprechen:
    „Ich zögere, in die Debatte solch angesehener Männer einzugreifen, doch als in Alexandria geborener Bürger und Neffe eines Prytanen, der zugleich in einer der beiden genannten Legionen Roms gedient hat, wird mir das hoffentlich verziehen.
    Auch ich, Septimius Palaemon, danke dir, Philetos Chatidakis, dafür, mit welch beredtem Einsatz du in dieser schwierigen Zeit Freiheit und Unabhängigkeit unserer Polis und ihrer selbstverwalteten Institutionen verteidigst. Im übrigen ein Ansinnen, das unser verehrter Gymnasiarchos Cleonymus seit vielen Jahren zum Wohl und Gedeihen der Polis in die Tat umsetzt."


    Pausen zu machen fiel schwer vor so vielen Menschen, doch Palaemon zwang sich dazu, zumindest kurz innezuhalten und den Blick über das Publikum und zuletzt zurück zu dem engagierten jungen Redner zu schwenken, dessen Namen und Bedeutung man ihm von Cleonymus Parteigängern zugetragen hatte.


    „Wir vom Gymnasion“ - der Septimius benutzte diese zur Abgrenzung übliche Anrede eines griechischen Vollbürgers – „sollten aber in meinen Augen nicht deine Einschätzung der Legionen als einfache Söldnerbande aufgreifen, wie du sie uns vielleicht affektiv dargelegt hast. Vielleicht ist sogar der Christianer in dieser Sache einmal nicht gänzlich falsch gelegen.
    Ich habe feststellen dürfen, dass mit etwas gutem Willen und Entschlusskraft eine Zusammenarbeit zwischen Vertretern des Basileos und unserer Bürgerschaft sehr gut möglich ist, ohne dadurch gleich die Autonomie Alexandrias oder die römische Soldatenehre zu gefährden.“

    Diese Einschätzung trug natürlich die Prämisse in sich, die Lage ein wenig zu beschönigen und Missstände auszusparen.
    "In den Legionen und der Exilgemeinde der Romäer hier wirst du vielleicht mehr Worte der Koiné und gar des Attischen als italische Dialekte hören; Wir handeln mit ihnen, arbeiten, ja manchmal feiern wir sogar gemeinsam. Denkst du also nicht, dass dich deine Jugend zu einfach von Krieg und Sterben für die Heimat reden lässt?
    Und dass du bei den Städten im Süden auf offene Türen stoßen wirst, erscheint mir auch mehr auf Wunschdenken als auf Wissen zu beruhen.


    Wohlgemerkt, unsere Freiheit muss unter allen Umständen erhalten und in letzter Konsequenz auch verteidigt werden; aber warum ohne Not und ohne berechenbaren Plan Rhomäer in und vor der Stadt vor den Kopf stoßen und Stimmung entfachen, die die Gefahr in sich birgt, unserer aller Kontrolle zu entgleiten.“


    Damit hatte Palaemon gesagt, was er wollte. Ein paar Bekannte und Freunde von ihm, die nicht zu weit von ihm entfernt saßen, bekundeten ihre Zustimmung, vielleicht auch weil er bewusst vage blieb und vornehmlich bemüht war, Schärfe herauszunehmen.
    Im Grunde hielt es Palaemon für die beste Option, so lange abzuwarten und die Zeit mit gemäßigten Diskussionen zu verbringen, bis in Rom, oder wo auch immer, die Dinge ihren für Alexandria hoffentlich erfolgreichen Lauf genommen hatten. Und am Ende würde er sich sowieso nach den Wünschen des Gymnasiarchos richten, so lange diese nicht den Fortbestand seiner Heimat aufs Spiel setzten.

    "So soll es sein!" bestätigte der Veteran die Worte des Gymnasiarchen.
    "Ich rechne mit einer gelungenen Zusammenarbeit." Palaemon hatte kein Problem damit, sich unterzuordnen. Es gab doch immer jemanden über einem selbst.
    "Ich werde dann deinem Grammateos erläutern, wo ich zu finden bin. Mein derzeitiges Heim liegt nicht weit von hier."

    Oha, ein geborener Unruhestifter, wie Lucius Palaemon von seinem Platz in unmittelbarer Nähe des Gymnasiarchos bei den ungestümen Worten des jüngeren Mannes sogleich erkannte.
    Er war versucht zu fragen, wie sich der junge Herr das denn vorstellte mit dem Steuerboykott und der Zurückweisung römischen Machtanspruchs, wo doch zwei Legionen ihr Lager unweit Alexandrias unterhielten. Oder wie lange ihre Autonomie ohne diese zugleich als Schutzmacht fungierende Truppe wohl andauern würde.
    Doch seine Position erlaubte ihm vorerst nur die Rolle eines interessierten Beobachters; einfach das Wort zu ergreifen, konnte und wollte er sich nicht erlauben.
    Dass der Basileos tot war, immerhin der Mann, in dessen Namen ihm das römische Bürgerrecht verliehen worden war, war nichts neues, auch wenn die Verkündung durch den Eponmitanographos einer offiziellen Bestätigung gleichkam. Schockierender fand er da schon die Nachricht von der Existenz einer Proskriptionsliste. Es war zum Wohle der Polis nur zu hoffen, dass sich keine dieser angeschwärzten Männer in Alexandria aufhielten.


    edit: Rechtschreibung

    Wieder lachte der Mann vor ihm. Der Gymnasiarchos schien trotz der Verantwortung und der Belastung, der er ausgesetzt sein musste, seinen Humor nicht verloren zu haben. Palaemon grinste und ließ sich auf dem angebotenen Sessel nieder.
    „Alles über mein Leben? ... Hmh, also geboren wurde ich unweit der Stadtmauern als Kaufmannssprössling Tiridates, Sohn von Nicanor und Europa, und habe als junger Ephebe so manchen Lehrer geärgert... und diese mich.
    Und dann? Dann wollte ich etwas erleben, einen anderen Teil der Welt sehen. Und bin in die Flotte des Basileos in Misenum eingetreten. Eine schöne Zeit!“


    Über sein Leben zu reden, bedeutete auch, scheinbar verlorene Erinnerungen wiederzuentdecken. Was wohl aus dem ein oder anderen ehemaligen Mitstreiter geworden war? Was der brillante Sperwerfer Marcus wohl gerade trieb?
    „Dort habe ich viel erlebt. Doch als ich nach Ableistung meiner Dienstzeit mit dem römischen Bürgerrecht belohnt wurde, habe ich dann eben doch den Wunsch nach Rückkehr verspürt. Lange unterdrücktes Heimweh, wenn du so willst. Es lebt sich eben doch sehr schön in Alexandria.“


    Der Septimier griff nun doch nach dem Becher, nickte dem Archonten dankend zu und trank einen Schluck. So viel zu reden machte durstig.
    „Aber ich denke, ich wollte noch einmal in einer - die Jungs von den Auxilia werden es mir verzeihen – richtigen römischen Legion dienen, also habe ich mich als Evocatus bei der Legio XXII in Nicopolis gemeldet. Auch eine nette Zeit, wenn auch wieder sehr anstrengend. Ich habe bei der Ausbildung mitgewirkt, Patrouillen geführt und mit dem damaligen Strategos bei dem Mordfall an einer Rhomäerin zusammengearbeitet. Und in den Süden bin ich mitgezogen, leider bin ich nach den ersten Aufeinandertreffen mit diesem merkwürdigen Wüstenvolk erkrankt und musste meinen Abschied einreichen."
    Außerdem gab es da auch Privates zu erledigen, erläuterte er mit einem glückseligen Schmunzeln auf den Lippen. "Ich habe nach dem Ende meiner Militärzeit die Mutter meines Sohnes zur Frau genommen, Korinna, eine tolle Frau ist sie.
    Jedenfalls bin ich wieder kerngesund; zuletzt war ich als eine Art Personal Trainer damit beschäftigt, junge Männer in Form zu bringen. Unter anderem meinen Sohn, der zum Leidwesen meiner Frau davon träumt, Legionär zu werden. Und jetzt mit 42 Lenzen fühle ich den Drang und die Verpflichtung, in der Heimatstadt etwas zu bewegen. Zugegeben, ein wenig eitel bin ich schon auch. Wer möchte denn schon nicht gerne neben den Mächtigen seiner Polis gesehen werden.“

    Eine lange Rede für einen Mann der Tat. Lucius Septimius Palaemon ergriff noch einmal den Becher und gönnte seiner Kehle ein wenig Erfrischung.

    "Selbstverständlich weiß ich das. Ich versichere dir, ich wäre dir ein verlässlicher und loyaler Anhänger, wenn du mir den Eintritt in dieses ehrenvolle Verhältnis anbötest. Reden wir bereits von einem bestimmten Gefallen?"
    Eine Frage wollte er dem Gymnasiarchos noch stellen. Um sicherzugehen, dass man sich ungefähr auf der gleichen Wellenlänge befand.
    "Ich nehme stark an, dass die Beibehaltung des autonomen Status der Polis und ihres Wohlstandes und Sicherheit und gute Beziehungen zu den römischen Entscheidungsträgern und Einwohnern als Voraussetzung dafür auch in deinem besonderen Interesse ist?"
    Dem musste wohl so sein, sonst hätte der Mann wahrscheinlich nicht all das erreicht, weswegen er nun vor ihm saß.

    "Nein, den habe ich nicht", beantwortete Palaemon die Frage nach einem Patron.
    "Ich habe die Polis schon in jungen Jahren verlassen und war zu lange außer Landes. Und während der Militärzeit habe ich einen solchen auch nicht benötigt."
    Erneut versuchte der Septimier einzuschätzen, wie der mächtige Mann da vor ihm über das Thema dachte. Es schien ihm, als stünde er Palaemons Erkundigungen relativ wohl wollend gegenüber. Oder vertröstete dieser ihn nur?
    "Natürlich bin ich mit einer ganzen Reihe anderer Politoi bekannt oder gar befreundet, aber - das gebe ich zu - einflussreiche Männer wie Frauen sind nicht darunter. Und aus der Familie meines Vaters und Onkels lebt hier niemand mehr."
    Zu meinem Glück, fügte er in Gedanken an. Würde der alte Mithridates noch unter den Lebenden Alexandrias weilen, hätte sich Palaemon wohl ans andere Ende der Oikumene verkrochen.
    "Wer käme deiner Meinung nach als ein solcher Unterstützer in Frage.
    Und, ich hoffe, meine Fragen gehen nicht zu weit. Aber nur mal angenommen, du wärest derjenige, der meine Kandidatur öffentlich unterstützt. Was würdest du als Gegenleistung von jemandem wie mir verlangen?"

    Nein, Palaemon war nicht hier, um sich ein Lob abzuholen. Eher wollte er selbst eines verteilen und dem Amtsträger, den er seines Wissens oder seiner Erinnerung nach heute zum ersten Mal sah, schmeicheln.


    "Natürlich nicht!" stimmte er dem Gymnasiarchos lächelnd zu.

    "Nun, lass mich aber dir ein Lob aussprechen: Wo immer ich mich in Alexandria umgehört habe, die Leute sagen, du wärest der Mann, mit dem ich gesprochen haben muss."
    Was natürlich der Wahrheit entsprach. Ohne den Mann namens Cleonymus, oder zumindest gegen ihn, schien innerhalb der Polis nicht viel zu funktionieren. Den römischen Einfluss einmal ausgenommen.


    "Kurz gesagt: Ich denke darüber nach, mich vor der Ekklesia um ein politisches Amt zu bewerben."
    "Und ich meine, dass – bei aller Bescheidenheit – der ein oder andere Punkt durchaus für mich spricht: Ich bin sowohl in der hellenischen als auch der Römischen Gesellschaft verwurzelt, besitze private finanzielle Reserven und durch meinen Militärdienst, in dem ich große Teile meines Lebens in der Classis in Italia und der Legion von Nikopolis verbracht habe, sehe ich mich insbesondere für die Position des Strategen der Stadtwache befähigt."


    Septimius, der Graecoromane, versuchte aus dem Gesicht des Mannes zu lesen, was dieser von den Plänen Palaemons hielt, fuhr dann aber fort:
    "Doch da ich nicht nur kandidieren, sondern auch gewählt werden möchte, wäre es hilfreich zu wissen, mit welchen Widerständen ich eventuell zu rechnen hätte; oder bei wem ich Unterstützung erfahren könnte?“
    Darum im Speziellen ging es. Waren die Ämter der nächsten Periode schon durch Hinterstubenverhandlungen mit Parteigängern führender Köpfe der Polis besetzt, oder bestand die Möglichkeit, selbst in den Kreis aussichtsreicher Kandidaten aufgenommen zu werden.

    Der Septimier, der überzeugt war, dass ihn der Schreiber nur aufgrund seiner Freigebigkeit so rasch durchwinkte, dankte Pryphios artig und hatte das Vorzimmer kurz darauf auch schon hinter sich gelassen.
    Als er vor dem hohen Magistraten stand, probierte er es mit einem aufrichtigen, aber hoffentlich nicht zu jovial wirkenden Lächeln.
    "Chaire Cleonymus, ehrwürdiger Gymnasiarchos. Es ist mir eine Ehre, dich sprechen zu dürfen."
    Tatsächlich war es ja so, dass der Name dieses Mannes in ganz Alexandria mit Macht und Wohlstand in Verbindung gebracht wurde.
    "Ich trage den Rhomäernamen Lucius Septimius Palaemon, gehöre aber von Jugend an mit großem Stolz den Politoi hier an."

    Als sich Palaemon von seinen Begleitern in den Thermen verabschiedete, war es noch früher Vormittag. Er schätzte, dass soeben die vierte Stunde des Tages angebrochen sein durfte. Ein nicht ganz ungünstiger Zeitpunkt, um einen Archonten in seiner Amtsstube anzutreffen, so dachte er.
    Der leicht ergraute Mann hatte noch überlegt, seinen Laufburschen vorauszuschicken, und um einen Termin bitten zu lassen, entschied sich dann aber, es selbst zu erledigen.


    Er spazierte also hinüber zur Dienststelle des Gymnasiarchos und erläuterte dessen Sekretär sein Anliegen:
    „Chaire, agori!“ grüßte er den Grammateos in einem Idiom, das ihn als einen unweit Alexandrias geborenen Mann auswies. „Meinst du, du kannst es einrichten, dass der sicher vielbeschäftigte Gymnasiarchos ein, zwei Augenblicke Zeit für mich findet?"
    Während ein paar Münzen den Weg von Palaemons Geldbörse auf den Tisch des Schreibers fanden, fügte er ausführlicher hinzu: „Ich bin Lucius Septimius Palaemon, Bürger Alexandrias und Roms und möchte ihn über mein Vorhaben in Kenntnis setzen... Und um Rat fragen!“

    "Du liebe Güte!" dachte Palaemon beim enttäuschenden Auftritt Merulas.
    Der sich trotz seiner mehr als vierzig Lebensjahre in ausgezeichneter körperlicher Verfassung befindende Alexandriner sah sich gezwungen, Klartext mit dem reinrassigen Römer zu reden: "Hör zu, Iunius! Wenn du keine Lust hast, an dir zu arbeiten, dann verschwinde ich... Für dieses halbherzige Rumgetue und dein Selbstmitleid ist mir meine Zeit zu schade!"


    Der frühere Soldat fragte sich, ob er wirklich in der Lage sein würde, seinen Kunden wieder fit zu bekommen. Die Sympathie, die er dem mindestens 15 Jahre jüngeren Mann schon bei früheren Begegnungen entgegengebracht hatte, war zwar noch immer da. Doch ohne dessen Willen würden ihre Bemühungen erfolglos bleiben. Vorerst blieb Merulas übertriebener Weinkonsum das größte Hindernis.
    "Also gut. Läuferisch scheint heute nicht mehr drin zu sein. Bleiben wir also beim Ringkampf. Bist du bereit?"

    Zweifelsohne stellte der Tod eines jeden Soldaten einen großen Verlust für die Einheit dar, doch besonders die Nachricht, dass der junge Eprius Graeceius seinen Verletzungen erlegen war, hatte dessen Optio zu schaffen gemacht.
    Dieser erinnerte sich gut daran, welch wertvolle Arbeit der Legionär bei ihren Schwierigkeiten nach dem aufsehenerregenden Mordfall geleistet hatte und wie er sich in angenehmer Weise von der von Palaemon oft als vulgär und ungehobelt empfundenen Verhaltens- und Ausdrucksweise seiner Commilitones abgehoben hatte.
    Nun, es war nicht zu ändern; jetzt ging es darum, Rache zu üben und zu verhindern, dass weitere junge Männer aus ihrer Zenturie zu Tode kamen.
    Septimius Palaemon, der den Kampf ohne ernsthafte Verletzungen und ohne aufsehenerregende Taten überwunden hatte, nahm sich jedenfalls fest vor, nicht zu denen zu gehören, die von diesem Feldzug nicht zurückkommen und wie Graeceius und Co. im heißen Wüstensand würden verbuddelt werden.
    Doch ob dies so geschehen würde und er sein Alexandria würde wieder sehen können, das wusste wohl nur Tyche allein. Oder auch Mars oder wer von den Göttern sich dafür berufen fühlte.
    Er lauschte also wohlwollend den Worten von Tribun und Präfekt und freute sich mit den hervortretenden Männern um Decimus Massa. Nur die Sache mit den Probati nahm er den Stabsoffizieren ein wenig übel, denn mit etwas mehr Umsicht und Scharfsichtigkeit wäre zumindest dieser Angriff seiner Meinung nach zu verhindern gewesen.

    Palaemon war kein guter Soldat! Oder zumindest kein guter Krieger!
    Selbstverständlich konnte er ein Schwert führen, beherrschte den Umgang mit Schild und Speer und war wie jeder hier geschult in Fragen von Marschordnung und Logistik. Aber das, was einen echten Soldaten wohl ausmachte, diese Leidenschaft für das Kämpfen und Töten, die Bereitschaft, seine Emotionen zu bündeln und einfach loszuschlagen, das besaß er nicht.


    Und trotz allem befand er sich selbst durchaus als nutzbringend für seine Einheit. Inmitten fast ausschließlich junger Kerle konnte ein routinierterer, beinahe mit einem Übermaß an Gelassenheit ausgestatteter Halbrömer wohl kaum schaden. Und seiner Meinung nach erforderte das Navigieren auf See ein mindestens so breites Spektrum an Fähigkeiten wie die Kriegsführung an Land.
    Der Septimier hatte also, seitdem sie aus der nächtlichen Stille gerissen und losmarschiert waren, seine Position in der Zenturie gehalten und darauf geachtet, dass es ihm die Legionäre gleichtaten. Auf den Tribun konnten sie sich verlassen; das wusste oder hoffte er zumindest aus seinen Erfahrungen mit dem Decimus schließen zu können.
    Und im Notfall bot der kräftige Körper des Centurio noch genug Deckungsmöglichkeiten vor feindlichen Geschossen.
    Der Optio verkniff sich ein Grinsen, doch als die Kamelreiter hinter den Equites in Sicht kamen, war die Konzentration auf das Geschehen sofort wieder voll da. Ein Aufeinandertreffen erschien nun unvermeidbar.

    Wenn es nach dem Septimier gegangen wäre, hätte die Schifffahrt durchaus noch etwas länger dauern können, doch angesichts der bevorstehenden Aufgaben und des vor ihnen liegenden Katarakts war Syene das logische Zwischenziel.
    "Natürlich, Präfekt! Ich werde ihnen sogleich Bescheid geben."
    Palaemon trommelte den Stab zusammen, allen voran Decimus Serapio, der unter den Tribunen der Legio XXII. offenbar das höchste Ansehen beim Präfekten genoss.