Ein wenig schienen sich die Akteure im Kreis zu drehen. Und einige der jüngsten Aussagen des Chatidaken bewogen Palaemon, tatsächlich auch ein paar Worte in den Disput einzubringen. Natürlich ganz im Sinne des Gymnasiarchos, wie er meinte.
Er nutzte eine kurze Pause und erhob sich, machte auf sich aufmerksam und begann schließlich zu sprechen:
„Ich zögere, in die Debatte solch angesehener Männer einzugreifen, doch als in Alexandria geborener Bürger und Neffe eines Prytanen, der zugleich in einer der beiden genannten Legionen Roms gedient hat, wird mir das hoffentlich verziehen.
Auch ich, Septimius Palaemon, danke dir, Philetos Chatidakis, dafür, mit welch beredtem Einsatz du in dieser schwierigen Zeit Freiheit und Unabhängigkeit unserer Polis und ihrer selbstverwalteten Institutionen verteidigst. Im übrigen ein Ansinnen, das unser verehrter Gymnasiarchos Cleonymus seit vielen Jahren zum Wohl und Gedeihen der Polis in die Tat umsetzt."
Pausen zu machen fiel schwer vor so vielen Menschen, doch Palaemon zwang sich dazu, zumindest kurz innezuhalten und den Blick über das Publikum und zuletzt zurück zu dem engagierten jungen Redner zu schwenken, dessen Namen und Bedeutung man ihm von Cleonymus Parteigängern zugetragen hatte.
„Wir vom Gymnasion“ - der Septimius benutzte diese zur Abgrenzung übliche Anrede eines griechischen Vollbürgers – „sollten aber in meinen Augen nicht deine Einschätzung der Legionen als einfache Söldnerbande aufgreifen, wie du sie uns vielleicht affektiv dargelegt hast. Vielleicht ist sogar der Christianer in dieser Sache einmal nicht gänzlich falsch gelegen.
Ich habe feststellen dürfen, dass mit etwas gutem Willen und Entschlusskraft eine Zusammenarbeit zwischen Vertretern des Basileos und unserer Bürgerschaft sehr gut möglich ist, ohne dadurch gleich die Autonomie Alexandrias oder die römische Soldatenehre zu gefährden.“
Diese Einschätzung trug natürlich die Prämisse in sich, die Lage ein wenig zu beschönigen und Missstände auszusparen.
"In den Legionen und der Exilgemeinde der Romäer hier wirst du vielleicht mehr Worte der Koiné und gar des Attischen als italische Dialekte hören; Wir handeln mit ihnen, arbeiten, ja manchmal feiern wir sogar gemeinsam. Denkst du also nicht, dass dich deine Jugend zu einfach von Krieg und Sterben für die Heimat reden lässt?
Und dass du bei den Städten im Süden auf offene Türen stoßen wirst, erscheint mir auch mehr auf Wunschdenken als auf Wissen zu beruhen.
Wohlgemerkt, unsere Freiheit muss unter allen Umständen erhalten und in letzter Konsequenz auch verteidigt werden; aber warum ohne Not und ohne berechenbaren Plan Rhomäer in und vor der Stadt vor den Kopf stoßen und Stimmung entfachen, die die Gefahr in sich birgt, unserer aller Kontrolle zu entgleiten.“
Damit hatte Palaemon gesagt, was er wollte. Ein paar Bekannte und Freunde von ihm, die nicht zu weit von ihm entfernt saßen, bekundeten ihre Zustimmung, vielleicht auch weil er bewusst vage blieb und vornehmlich bemüht war, Schärfe herauszunehmen.
Im Grunde hielt es Palaemon für die beste Option, so lange abzuwarten und die Zeit mit gemäßigten Diskussionen zu verbringen, bis in Rom, oder wo auch immer, die Dinge ihren für Alexandria hoffentlich erfolgreichen Lauf genommen hatten. Und am Ende würde er sich sowieso nach den Wünschen des Gymnasiarchos richten, so lange diese nicht den Fortbestand seiner Heimat aufs Spiel setzten.