Beiträge von Ánthimos Bantotakis

    Das klang alles sehr logisch, aber sie hatte ihm bestenfalls indirekt auf seine konkrete Frage geantwortet.


    "Also heißt das Koriander überdeckt nur die Symptome und heilt nicht die Krankheit? Aber demzufolge wäre ja das Monatsblut eine Krankheit, die es zu heilen gilt. Sollte man nicht gerade hier nur die Symptome behandeln um der Frau Milderung zu verschaffen? Schließlich scheint mir die Reinigung ja eher positiv. Wenn sie also wirklich nur über Kopfschmerzen klagt, wäre Koriander doch eine sinnvolle, weil billige, Alternative, oder?"


    Er zögerte kurz und schon dann noch etwas nach.


    "Ich meine ich verstehe schon sehr genau was du sagen möchtest, aber es scheint mir auf diesen konkreten Fall eben nicht zutrefend. Entschuldige bitte mein Nachfragen."

    "Marcus? Akademie? Ach du, meinst Marcus Achilleos? Der ist ja langsam bekannt wie ein bunter Hund. Ich finde er ist ein sehr netter Kerl, wenn auch ein wenig komisch. Vor allem seine Kleidung und seine Lehre ist schon sehr merkwürdig. Aber er scheint ein guter und ehrlicher Kerl zu sein, und dass er so viel Arbeit in die Kinder steckt finde ich sehr nobel. Ich bin mal gespannt auf die Akademie, er hat Penelope und mich nämlich dort zum Essen eingeladen."


    Er zwinkerte seinem Gegenüber zu.
    "Ich hoffe mal, er kann besser kochen als ich, sonst wird das Vergnügen nicht allzu groß werden."

    Klar, jetzt fiel ihm auf wie doof seine Frage eigentlich gewesen war.


    "Es heißt ja wohl nicht umsonst das Wunder der Geburt. Entschuldige bitte meine dumme Frage, aber ich bin halt noch unsicher, wo das medizinische aufhört und das göttliche anfängt. Aber du hast recht, Pelo strahlt wirklich. Ich merke es auch an den anderen Männern. Die schauen sie an, wie ein hungriger Hund einen Knochen..."


    Er seufzte ein wenig. Eifersucht machte ihm schwer zu schaffen, vor allem, weil er wusste dass sie völlig unbegründet war.
    "Also gut, Centaurium hilft bei Frauenbeschwerden wie Spannungen, Fieber, Kopfschmerzen und Krämpfen." Wieder notierte er fleißig. "Wäre bei Kopfschmerzen wärend der Mondblutung die Verabreichung von Korianderbeeren falsch? Also wenn das die einzigen Beschwerden wären? Oder ist da hauptsächilich auch eine Frage des Preises? Ich meine Centaurium ist sicher teuer im Gegensatz zu Koriander und wohl sicher nicht immer verfügbar."

    Anthi hatte seinen Entschluss gefasst: Er wollte die Gehimnisse der Medizin lernen. Von der ägyptischen Hebamme und Heilkundigen Inhapy hatte er schon einiges gelernt, aber bevor er bat hier lernen zu dürfen, wollte er noch einiges mehr wissen. Also beschloss er in die Bibliothek zu gehen und die Schriften des Hippokrates zu studieren. Dieser war der bekannteste griechische Gelehrte der Medizin, und deswegen beschloss Anthi sich zuerst seinen Werken zu widmen. An den Schreibern am Eingang ging er einfach vorbei. Er war mittlerweile so oft im Museion, er besuchte Penelope in beinahe jeder Mittagspause, dass sie ihn gar nicht mehr beachteten.


    So war auch schnell ein Sklave gefunden, der ihm einen Platz zuwies und ihm auch einige Schriften des Corpus Hippocraticum brachte. Er merkte sich genau, welche das waren, denn insgesamt umfasste die Schriftsammlung 61 Stücke. Zuerst widmete er sich der Schrift Schrift Über die Natur des Menschen . Darin wurde beschrieben, dass der Krankheiten aus einem Ungleichgewicht der vier Säfte hervorgerufen wurden. Die vier Säfte waren mélaina cholé, cholé, sanguis und phlegma*. Waren sie ausgewogen, man nannte das Eukrasie, dann war der Mensch gesund. Waren sie aber in einem Ungleichgewicht, Dyskrasie, war der Mensch krank. Das klang anders als das was er von Inhapy gehört hatte. Allerdings änderte sich das, als erklärt wurde, dass die Säfte männlich oder weiblich, oder beides waren.
    Jetzt ergab das alles Sinn. Inhapy meinte mit dem männlichen und weiblichen also die Säfte, und diese konnte man wieder in ein Gleichgewicht bringen, wenn man nur das Richtige aß. Es stimmte also wirklich, was sie ihm beigebracht hatte.


    Anthi widmete sich noch einer weiteren Schrift die sich mit der Wirkung der Säfte auf den Geist und das Temperament befassten. Wenn die schwarze Galle dominierte war man ein Melancholiker, bei gelber Galle ein Choleriker, ein Sanguiniker wenn das Blut dominierte und bei zuviel Schleim war man ein Phlegmatiker. Aber am Interessantesten fand er den Abschnitt in dem sich Hippokrates damit befasste, dass der Körper auch Ausdruck des Geistes war und umgekehrt.

    Der Grieche machte sich viele Notizen und natürlich dauerte es mehrere Stunden die Schriften durchzuarbeiten. Aber am Ende war er sehr zufrieden. Sowohl Inhapy, als auch Hippokrates sagten eigentlich das Gleiche, wenn auch mit einem etwas unterschiedlichem Ansatz.




    *schwarze Galle, gelbe Galle, Blut und Schleim

    Frauen schieden also schlechtes Blut aus. Und hatten dabei Schmerzen, Fieber und Spannungen? Was passierte denn dann mit dem schlechten Blut der Männer? Aber sollte er das wirklich fragen? Sie müsste dann ja denken, dass er sich bei seinem eigenen Geschlecht nicht auskannte!


    "Dann ist das ja was gutes, also das Bluten. Centaurium bei Frauenbeschwerden mhh. Warum ist die Schwangerschaft dann nicht schädlich für die Frauen, wenn sie neun Monate lang nicht ihr Blut reinigen können?"


    Das war doch eine berechtigte Frage! Konnte das Kind das Blut reinigen? Eine merkwürdige Vorstellung, aber was sollte es sonst sein?

    Jetzt war es Anthi doch schon etwas unwohl in seiner Haut. Er hatte ja keine Schwester gehabt. Er wusste zwar, dass seine Mutter einmal im Mond aus dem Unterleib geblutet hatte und man das Mondblut genannt hatte, aber das war es auch schon. Ach ja, und das schwangere Frauen das offenbar nicht hatten, denn bei Penelope war ihm das noch nicht aufgefallen.
    "Nun, Frauen bluten einmal im Mond aus dem Unterleib und haben dabei wohl Schmerzen. Ich denke schwangere Frauen haben so etwas nicht, denn wenn ich so darüber nachdenke bin ich mir sicher, dass Penelope das noch nicht hatte."


    Er bekam ganz heiße Ohren, und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.

    Anthi nahm alles in die Hand und roch auch an allem. Das machte er eigentlich immer. Bevor er etwas aß, roch er vorher daran.
    "Muss man dann die Knolle Knoblauch essen, oder die Honigmilch trinken?"


    Er notierte sich schnell, was sie sagte. Knoblauch-Husten, Koriander grün-Magen, Beeren-Kopfschmerzen...


    "Und was ist das hier?"

    "Das sehe ich ein. Der Tod gehört dazu, ich hoffe ich werde mich daran gewöhnen können." Eigentlich war er da nicht weiter zimperlich, allerdings konte er das wohl erst im Ernstfall mit ganzer Sicherheit sagen. "Was du mir beibringst wird sicher viel sein, aber ich werde auf jeden Fall auch noch wo anders lernen und andere Heilkundige um Rat fragen. Und ich werde es mir merken, dass es keine Schande ist zu fragen. Ich bin auch mal gespannt, was die Bücher im Museion zu der Sache sagen."

    Anthi blieb stehen und begann zu erzählen:


    "Es waren drei Männer hier, die meinten einer von ihnen, sein Name war Stachocles, hätte einen Stand auf dem Fremdenmarkt und müsse mit dir sprechen. Er meinte die beiden anderen seien seine Eskorte. Das kam mir natürlich verdächtig vor, zumal sie trainiert aussahen und ganz und gar nicht wie Händler."
    Er räusperte sich kurz.


    "Und du meintest ja bei unserem ersten Gespräch, dass du eventuell auch einen Leibwächter gebrauchen könntest. Also wollte ich vorsichtig sein. Ich sagte, dass ich ihnen helfen könne, und fragte ihn was er denn für einen Stand habe. Dann hatte er und seine Kumpanen es auf einmal ganz eilig abzuhauen. Außerdem habe ich nachgeschaut und keinen Stachocles gefunden, der einen Stand auf dem Fremdenmarkt angemeldet hat."

    Das Inhapy keine große Meinung von Männern hatte, konnte ihn nicht mehr schocken. Trotzdem gefiel es ihm nicht.


    "Ich mache mir meine Aufzeichnungen da ich nicht jahrelang Zeit zum Lernen habe, wie zum Beispiel deine Tochter. Aber du kannst dir sicher sein, dass du mir nicht alles zweimal sagen werden musst. ich höre dir schon sehr genau zu." Er lächelte entwaffnend.


    "Wie unterscheide ich eine behandelbare Krankheit und eine Strafe der Götter? Ich meine ich kann doch nicht sagen, wenn ich keine Medizin kenne, dann ist es eine Strafe der Götter. Vielleicht kenne ich ja einfach nur das Heilmittel nicht. Bei Geschwüren ist das natürlich offensichtlich, aber das ist es vielleicht nicht immer. Und wenn es eine Strafe der Götter ist, dann wird das schon seinen Grund haben." Seine Strirn legte sich jetzt in Falten.

    Anthi war schon ein wenig darüber überrascht, was sie da sagte. Wobei er eher überrascht war wie offen sie das sagte. Eigentlich dachte er ebenso. Seine Mutter war eine starke frau gewesen und eigentlich mit seinem vater gleichberechtigt gewesen. Sich und Penelope sah er ähnlich, auch wenn er sie im Moment noch bei manchen Sachen etwas an die Hand nehmen musste. Aber das so offen zu sagen, hätte er sich nie getraut. Schließlich stand da sein Ruf auf dem Spiel! Wenn öffentlich bekannt werden sollte, dass er so dachte würde er sich einen Posten in der Stadtverwaltung abschminken können.


    "Ich verstehe. Ein Gleichgewicht. Mann und Frau. Mhhh. Und das mit dem Essen hatten wir schonmal." Er notierte sich schnell etwas auf seiner Wachstafel.

    Anthi war heute fröhlich, denn er freute sich schon wieder etwas von Inhapy zu lernen. Die letzte Lektion hatte er daheim fein säuberlich aufgeschrieben, und heute hatte er auch eine Wachstafel dabei.
    Kaum war er angekommen, klopfte er auch kurzentschlossen an.
    Keine zwei Augenblicke später offnete Inhapy auch schon die Tür.
    "Anthi, du bist es, komm rein." Sie begrüßte ihn jedes mal freundlicher. Wenigstens hatte er sie dieses Mal wohl nicht bei der Verrichtung ihrer ehelichen Pflichten gestört.
    Sie gab ihm zu verstehen, dass er sich setzen solle, genau das machte er dann auch und blickte sie neugierig an

    Kurz schaute Anthi Axilla mit seinem linken Auge böse an, das andere hatte er ja geschlossen. Aber es war nur eine kurze Wut, wie sie oft von Schmerzen hervorgerufen wurde. Und er hatte ordentliche Schmerzen, so dass er wahrheitsgemäß ein "Ja, verdammt!" mit zusammengebissenen Zähnen hervorpresste und mit der Faust auf den Boden schlug. Aber die Schmerzen ließen auch schnell wieder nach, denn dadurch dass das Blut abfloss, wurde die Spannung von der Schwellung genommen, was die Sache deutlich erträglicher machte.

    "Wenn du es so genau wissen möchtest, starten wir hier, machen Zwischenstation im Tempel der Bendis und gehen dann direkt weiter nach Hause. Wo dann genau die Ziellinie liegt, kannst du dir vielleicht selbst vorstellen."


    Anthi grinste breit und zwinkerte Matrinius zu. Aber nun war es an der Zeit den Spieß umzudrehen.



    "Aber was machst du denn noch so spät hier auf der Straße? Du siehst nicht aus, als wolltest du hier eine Ein-Mann-Patroullie laufen."

    Als Anthi am nächsten Morgen in die Arché kam, ging er sofort zu seinem Arbeitgeber. Er klopfte an die Tür, und als er einen zustimmenden Laut hörte trat er ein.


    M.C. saß schon hniter seinem Schreibtisch und war am Arbeiten.


    "Guten Morgen, darf ich dich kurz stören? Ich muss dir von einem merkwürdigen Vorfall gestern erzählen."

    Anthi nickte den Dreien zu:
    "Kein Problem, morgen Mittag müsste er da sein. Ich werde ihm Bescheid sagen, dass ihr hier wart, dann kommt ihr sicher schneller dran."


    Offenbar hatte er mit seinem Verdacht Recht gehabt, dass das keine normalen Händler gewesen waren. Er prägte sich ihre Gesichter genau ein. Und natürlich würde er den Agoranomos von diesem Vorfall in Kenntnis setzen, damit er nicht unvorbereitet war.

    Nachdem er alle begrüßt hatte und Penelope ebenfalls vorgestellt hatte, wurden sie von Urgulania zu einigen Clinen und Sesseln geführt. Offenbar waren die Clinen für die Männer und die Korbsessel für die Damen. Eigentlich gefiel das Anthi nicht, denn dann konnte er nicht so nahe an Penelope sein, wie er eigentlich wollte, aber sie würden es schon überleben. Das Marcus Achilleos einen extra harten Stuhl wollte, fand er lustig, aber wenig irritierend. Er war halt ein spezieller Mann, und da musste man mit so etwas rechnen. Anthi mochte ihn aber und dachte darüber nach, dass er sich bei ihnen wohlfühlen würde, wenn er zum Essen kam, denn sie hatten nur unbequeme Holzstühle. Aber dann wandte er sich an Urgulania. "Danke für die Einladung, wir haben uns wirklich sehr darüber gefreut. Und es ist sehr nett von dir, mit uns in unserer Sprache zu sprechen. Wir können uns aber gerne ganz in Latein unterhalten. Wir Sprechen die sprache alle gut genug um uns darin zu bewegen, ohne das Missverständnisse entstehen sollten."

    Anthi musste lächeln. "Entschuldige bitte, wenn ich dich ein wenig angefahren habe. Ich bin nur ein schrecklich ungeduldiger Mensch, und ich warte schon eine Weile. In gewisser Weise ist es wie vor einem Start beim Stadionlauf, nur dass es noch ewig dauern kann bis es endlich losgeht." Seine Ohren waren immenoch gespitzt, aber er hörte nichts verdächtiges. Hoffentlich ging es Penelope gut. Am Liebsten hätte er in diesem Moment mit Matrinius das Musein gestürmt und sie da rausgeholt...

    Anthi dachte zuerst er hätte sich verhört? Nur das er Matrinius mochte, schützte diesen vor seinem Zorn.


    "Was sollte ich denn sonst noch für einen Grund haben hier herumzustehen? Ich kann mir wirklich interessanteres vorstellen, das kannst du mir glauben. Aber wenn die Gelehrten meinen, sie müssen bis in die Nacht diskutieren, was soll ich da machen? ich hab selbst nicht gedacht, dass es sooo lange dauert. Aber jetzt muss ich erst recht warten, schließlich kann ich Penelope auf gar keinen Fall alleine heimgehen lassen. Aber wenn du magst, kannst du mir gerne Gesellschaft leisten. Dann geht die Zeit sicher schneller vorbei."