Timos nickte nur und ging dann voraus, dorthin wo er das Boot festgemacht hatte. Vorbei an den feiernden Griechen, den Polites dieser Stadt, die den einen Unglück brachte, den anderen ihre größten Chancen eröffnete und die manche ganz in ihren Bann zog.
Am Boot angekommen machte Timos dieses los und bot Axilla eine Hand an, damit diese ohne Probleme einsteigen konnte.
"Machen wir eine kleine Bootsfahrt?" fragte er tonlos und mit ausdruckslosem Gesicht. Der Mond schien hell auf den Kanal herunter. Die verschiedenen Brücken über den Wasserweg, der tagsüber von den Getreidekähnen aus dem Portus Mareotis genutzt wurde lagen im Schatten der Häuser und warfen ihrerseits Schatten auf das ruhige Wasser, in dem Timos' Boot dümpelte.
Beiträge von Thimótheos Bantotakis
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Timos schaute betreten zu Boden. Axilla sagte genau die Dinge, die er nicht hatte wahrhaben wollen. Er hatte doch nur die Erinnerung an vergangene Tage wecken und den Reichtum dieses Hauses genießen wollen. Aber was verstand diese Rhomäerin schon davon? Sie musste ja immer auf die Sitten achten. Verklemmte Rhomäer! Natürlich war auch dieser Umstand im Grunde genommen nur richtig, doch das wollte Timos in diesem Moment ebenso wenig wahrhaben.
"Hm." machte er nur und warf einen Blick über seine Schulter. Die anderen Gäste vergnügten sich und er stand hier und bekam Gewissensbisse...und zwar nicht zu gering."Es ist wohl besser, wenn wir dieses Haus verlassen." sagte er schlicht. "Soll ich dich nach Hause bringen?"
Plötzlich wirkte Timos nicht mehr so sicher und stolz und fröhlich. Er war geknickt, kam nicht mit dem Umstand klar, dass er nicht mehr wirklich Teil dieser Gesellschaft des Reichtums und der Dekadenz war und vermutlich auch in einer halben Ewigkeit nicht dorthin zurückkehren würde. Er lebte in einem billigen Mietshaus, in einem winzigen schlichten Zimmer an der Grenze zu Rhakotis und arbeitete als Grammateos einer Rhomäerin. Bevor ihm bewusst werden konnte, wie erbärmlich seine Situation im Vergleich zu seinem damaligen Leben war, schaute er vom Boden wieder zu Axilla auf und sah sie fragend an. Vermutlich würde sie ihn nun auch mit ganz anderen Augen betrachten und ihn für seine Feiersucht und Trinklust verachten. -
"Da stimme ich dir zu. Wir bestehen die Prüfung der Ephebia und erlangen das Bürgerrecht, dann werden wir um unsere eigenen Stimmen kämpfen."
Er schmunzelte. "Hast du schon eine Vorstellung, für welches Amt du kandidieren würdest?" -
Er steckte sich die Traube einfach selbst in den Mund und erwiderte nach kurzem Kauen schlicht:
"Du willst gar nicht wissen, was du in dieser seltsamen Nacht alles getan hast. Aber dieser Punkt gehörte eindeutig dazu. Und sei dir versichert, ich sage die Wahrheit!"
Dennoch konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken, musste er doch an die Nacht mit ihr zurückdenken, in der er sie erst in die Opiumhöhle geführt hatte und später in seinem Zimmer beziehungsweise schon auf dem Küchentisch - zum Glück ohne, dass Ilías es bemerkt hätte - verführt hatte. Nun gut, wäre es nach ihr gegangen, hätten sie es schon mitten auf der Straße getan, aber das war nun wirklich nicht Timos' Art und Weise...ja, über diesen Gedanken musste er erst recht grinsen.
"Aber die Trauben gehören auf jeden Fall zum Programm dazu." erklärte er dann weiterhin fröhlich, während er sich weitere der süßen Früchte in den Mund stopfte.
"Achso, wenn du etwas anderes als dieses süße Gesöff trinken möchtest...sag einfach bescheid." Er konnte ein weiterhin blödes Grinsen einfach sehr schlecht unterbinden, so dass er den nächsten Satz mit einem leichten Schmunzeln beendete.
"wie gefällt dir die Feier bis jetzt? Es ist eine Menge los, muss ich zugeben. Ich hatte nicht mit so vielen Gästen gerechnet."
Timos deutete mit dem Daumen auf die Menge der feiernden Anwesenden, die mittlerweile zum Großteil ebenfalls angeheitert waren.Dann stoppte die Trommlerbande unvermittelt und aller Augenwerk richtete sich auf den Ursprung der Stille. Die Tänzerinnen verschwanden zu den Seiten hinter leinernen Vorhängen und es traten einige andere Damen hervor, die jedoch zur erneut ansetzenden Musk keine Vorstellung boten, sondern sich unter die Gäste mischten.
Es war bereits einie Zeit vergangen, Timos hatte seinen Teller geleert und die fremden Damen versuchten, unter den anwesenden Gästen gefallen zu erlangen. Einigen gelang das auch relativ schnell, diese verschwanden zügig in den oberen Stockwerken der Villa.
Urplötzlich stand Vissaríon neben Timos und murmelte.
"Werter Thimótheos, wenn du und deine Begleiterin Verlangen nach körperlicher..." der Grieche hüstelte leicht "...nach körperlichen Freuden haben, so zieht doch bitte die oberen Stockwerke und die dortigen freien Zimmer in Erwägung."
Der alte Grieche grinste schelmisch, als ihn dann auch schon eine der Hetären zu sich zog und ihn mit ihren zarten Lippen liebkoste.
Da Timos und Axilla bereits relativ spät gekommen waren, war nun für sie relativ früh der Moment eingetreten, in dem die Partygesellschaft den wahren Sinn des Festes offenbarte: Dies war eine Orgie!Timos grinste Axilla vielsagend an. Nur wenige Fuß von ihnen, hinter dem Pavillon, lag bereits ein Paar aufeinander und vergnügte sich. Timos räusperte sich leicht.
"Das geht jetzt ehrlich gesagt alles verdammt schnell..."
Er besah sich einen Moment lang das witzige Spektakel, das langsam um sich griff, um dann wieder Axilla anzugrinsen. Sie würde sicherlich auf den selben Gedanken kommen wie er.
"Aber du passt auch auf, ja?" fragte er diesmal leicht humorvoll. -
Timos trank einen ordentlichen Schluck von dem süßen, süffigen Getränk. Er stellte den Becher ab und begann seinen Teller langsam von den vielen erdrückenden Speisen zu befreien und seinen Magen mit den Köstlichkeiten aufs Höchste zu beglücken. Er drückte seine Begeisterung über die in eine Honig-Pistazien-Soße eingelegten Äpfel mit einem genießerischen Seufzer aus und nahm dann das Bündel Trauben zur Hand. Die Clinen hatte er nicht ohne Hintergedanken ausgewählt, waren sie doch recht nah beieinander platziert worden. Die Tischliegen standen nämlich nicht parallel gegenüber. Nein, die Kopfenden berührten sich nahezu, während die Clinen nahezu orthogonal zueinander Standen.
Den Tisch störte dies indes nicht, war er doch kreisrund und in keiner Weise von den Clinen belästigt. Vielmehr drückte ihn das Gewicht des Teller dieses verfressenen Griechen, der aber zum Glück bereits einiges verschlungen hatte."Du willst mehr über die Trauben erfahren...." begann Timos ganz gemächlich und ohne Hast, während er sich genüsslich eine davon in den Mund schob.
"Auch eine?" fragte er neckisch und hoffte darauf, dass sie auf sein Spiel einging. Auf die vielen Polsterkissen gestützt hielt er Axilla eine Traube hin. Eine einzige, dunkelblaue Traube. -
Timos konnte ein breites Grinsen nur schwerlich unterdrücken und hakte sich einfach bei ihr unter, als er erkannte, dass sie wohl keinen Hunger hatte. So führte er sie langsam zu einem Paar leerer Clinen.
"Komm, setzen wir uns."
Die Clinen standen unter einem Pavillon, dessen Leinenbezug mit kunstfertigen Stickereien verziert war, die Reben, etliche Blumenarten und teils auch bunte Vögel abbildeten. So viel Reichtum allein in einem Festzelt hatte selbst Timos, der aus einer einst sehr wohlhabenden Familie entstammte, noch nicht gesehen.
Er stellte seinen Teller auf einem kleinen Marmortischchen ab, während ungefragt ein geschminkter Jüngling, offensichtlich einer der Haussklaven, zwei Gläser und zwei Karaffen brachte.
"Mein Herr, kann ich dir und deiner bezaubernden Begleitung etwas zu trinken anbieten? Wein, Wasser, verdünnten Wein?"
Timos wollte erst etwas ärgerliches erwidern, wollte er doch gerade das Gespräch mit Axilla fortsetzen. Stattdessen lächelte er jedoch und musterte einen Moment lang den Jüngling, dessen Augen eine gewisse Gleichgültigkeit ausdrückten, ganz im Gegensatz zu seiner weiteren Haltung und Aufmachung. Sein gutes Aussehen zog die Blicke einiger anwesenden Damen wie auch mancher Männer auf sich, worüber Timos erst recht schmunzeln musste.
"Verdünnten Wein bitte." entschied er einfach in Erinnerung an den letzten mit Axilla verbrachten Trinkabend. Diesmal sollte sie sich wenigstens an die Geschehnisse - welcher Art diese nun sein mochten - wenigstens erinnern können. Bei dem Gedanken musste er Axilla einen schelmischen Blick schenken, während er ihr einen gefüllten Becher des roten Saftes reichte. Der Sklave verschwand fast unbemerkt.Irgendwie fühlte Timos sich an seine frühe Jugend zurückerinnert, in der er oft mit seinen Brüdern Feste abgehalten hatte und schon viele Nächte durchzecht hatte. Er war damals der Gastgeber im Haus seines Vaters gewesen, er war damals Besitzer vieler Sklaven gewesen und er hatte damals das Ansehen und die Freundschaft vieler Menschen genossen.
Nun saß er auf einer Cline in fremdem Haus, auf fremdem Fest, mit einer fast fremden Frau. Die Götter hatten eine seltsame Art, die Wege der Menschen zu lenken.Laute trommeln rissen den jungen Griechen aus seinem sekundenlangen Ausflug in die Vergangenheit. Die Musiker hatten gewechselt und nun spielte eine nubische Trommlergruppe, zu deren Begleitung einige Tänzerinnen verschiedener Abstammung ihre Vorstellung gaben.
Von ihrem Pavillon hatten Axilla und Timos einen guten Überblick über das Geschehen und zudem konnten sie hier die frische Luft genießen, die im Haus selbst bereits durch einen stickigen, warmen Dunst abgelöst worden war. Timos wandte sich wieder geistesgegenwärtig Axilla zu und erhob sein - ebenfalls sehr fein und kunstvoll gearbeitetes - Glas.
"Auf die griechischen Feste und ihre bezaubernden Geladenen!" zwinkerte er fröhlich. -
Vissaríon lächelte breit. "Es freut mich, dass meine Feier dir gefällt. Bitte, schaut euch weiter um. Dort drüben gibt es köstliche Speisen und Getränke und in kürze wird eine weitere Musikergruppe auftreten, diese Mädchen dort spielen bereits seit über zwei Stunden."
Timos grinste und klopfte dem Gastgeber kumpelhaft auf die Schulter. "Vielen Dank. Wir werden es uns gut gehen lassen." zwinkerte er und machte sich auf zum Buffet, während Vissaríon bereits bei anderen Gästen stand und sich angeregt unterhielt.An dem riesigen Tisch angelangt blickte er kurz breit grinsend zu Axilla. Er deutete auf ein großes Tablett voller saftiger Trauben und raunte ihr zu:
"Sag mal...du erinnerst dich nicht zufällig noch an die köstlichen Trauben letztens?"
Ohne eine Antwort abzuwarten machte er sich bereits über das dargebotene Essen her. Timos füllte sich einen Teller mit Fladenbrot, verschiedenen Tunken, einem großen Stück Lammfleisch und etlichen Gemüse- und Obstsorten, die roh, gekockt, eingelegt oder gedünstet waren. -
Als sein Bruder wieder auftauchte, runzelte Timos die Stirn, während er an Urgulanias Worte dachte.
"Sei vorsichtig. Ich habe merkwürdige Dinge über den Agoranomos gehört. Natürlich ist ein Großteil davon Gerüchte oder politisch ambitionierte Schlechtmache, aber dennoch...lass dich nicht in irgendwelche krummen Geschäfte verwickeln."
Was für eine Ironie, dass er, der regelmäßig Opiumhöhlen aufsuchte und bereits etliche gesetzlose Taten vollbracht hatte, seinen Bruder zur Vorsicht mahnte. In solchen Momenten kam in Timos eben der Beschützerinstikt des großen Bruders hervor. -
Timos tat es seinen Brüdern gleich und erhob sich. Er verbeugte sich leicht und verabschiedete sich.
"Meinen Dank für deine Großzügigkeit, werter Gymnasiarchos Kerykes. Chaire."
Und damit verließ er den Raum, gefolgt von seinen Brüdern und seiner Schwägerin in Spe. Die angestrebte Richtung war der Innenhof des Gymnasions, dem Timos' Interesse galt. -
Timos lächelte Axilla fröhlich an, als sie seine Hand ergriff. Langsam führte er sie in das bunte Treiben hinein. Überall standen oder saßen Gäste, unterhielten sich angeregt über die neuesten Themen aus der Modewelt, tratschten über die Nachbarn oder beredeten geschäftliches oder Politik.
Auf Axillas Frage hin musste Timos lachen.
"Nein, ich kenne bisher nur den Gastgeber. Sein Name ist Vissaríon. Schau, das ist er."
Mit seiner freien Hand zeigte er auf einen der beiden Griechen, mit denen er schon in der Garküche gesprochen hatte. Der Mann erblickte das Pärchen auch bald und kam strahlend auf sie zu."Thimótheos! Welch eine Freude dich hier begrüßen zu dürfen! Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass du doch noch herkommst."
Der Mann, ein etwas fülliger Grieche Mitte fünfzig, kam zu ihnen heran und zeigte breit lächelnd seine Beißer.
"Chaire Vissaríon. Du hast wahrlich nicht übertrieben, als du mir deine Feier beschrieben hast." lächelte Timos freundlich.
Der alte Grieche nickte eifrig und fuhr sich mit einer Hand durch seinen dichten Vollbart, während sein Blick an Axilla hängen blieb.
"Und wer ist deine bezaubernde Begleitung?"
Timos grinste und stellte die junge Rhomäerin vor.
"Das ist Axilla, eine Freundin, die ich vor kurzem in Alexandria kennen gelernt habe."
Er hatte absichtlich nicht ihren Nomen Gentile genannt. Wer weiß wie schnell sich die Kunde über eine Rhomäerin auf dieser 'Feier' verbreitet hätte.
Der Gastgeber deutete eine Verbeugung an und begrüßte Timos' Begleitung ebenso freundlich.
"Chaire werte Axilla. Deine Schönheit ist eine wahre Bereicherung für diesen Abend. Sei willkommen in meinem Heim!" -
"Von meiner Seite nicht."
Oder gab es noch etwas zu erfragen? Timos sah in die Runde."Ansonsten, wenn es dann von deiner Seite aus nichts weiteres gibt, würden wir uns mal das Gymnasion näher anschauen. Man würde sich dann beim Unterricht nachher wiedersehen."
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Timos grinste schelmisch, dann folgte er Axilla ins Boot. Mit einem langen Stab setzte er es in Bewegung. Aus einem Fenster fiel Licht auf den Kanal und Timos hatte einige Sekunden Zeit, Axillas Antliz zu bestaunen. Sie hatte sich richtig hübsch gemacht.
"Du siehst umwerfend aus heute Abend. Das neue Kleid steht dir. Die Festgesellschaft wird vor Neid erblassen, wenn du gleich eintrittst."
Er lächelte aufrichtig. Ja, sie war wirklich unglaublich schön.Sie fuhren nun an einer hohen Steinmauer zu ihrer linken entlang, dann bogen sie um eine Kurve und hatten ihr Ziel erreicht. Die Treppe zum Garten des Vissaríon war breit angelegt und bot wesentlich besseren Halt als die an der Brücke. Die Stufen waren breit und flach und selbst Sandalen mit Holzabsätzen konnten hier nur schwer abrutschen. Sie legten an und Timos lächelte gewinnend, als er Axilla wieder den Arm anbot.
"Dann wollen wir mal. Willkommen auf der Feier des Vissaríon!"
Er stieg mit ihr die Stufen empor und ein aufregender Anblick bot sich dem Pärchen. Der Garten war mit bunten Laternen geschmückt und es waren einige Pavillons mit Clinen aufgebaut worden. Auf der Terrasse des Hauses stand ein Buffet, das von kulinarischen Gaumenfreuden nur so überquillte und überall liefen Sklaven umher, die die vielen Gäste bewirteten. Die Gäste, hauptsächlich wohlhabende Griechen, waren in teure Seide oder Leinen gekleidet, hatten übermäßig viel Schminke aufgetragen und vielen von ihnen waren die gefärbten Haare anzusehen.
Auf einer kleinen Bühne bei der Terrasse saßen einige Flötenspielerinnen und untermalten sie Szenerie mit einer angenehmen Melodie.
"Habe ich dir zu viel versprochen?" -
"Judäer?" Timos schaute sie skeptisch an. Hatte sie bereits getrunken?
"Nein, wir feiern selbstverständlich bei einem Griechen. Ins Haus eines Judäers kriegen mich keine zehn Pferde!"
Gemächlich führte er Axilla an, bis sie an der Brücke über den Canalis Nepherotes angelangt waren.
Während sie nebeneinander her liefen, wurde Timos warm. Nicht, weil die Nacht besonders heiß gewesen wäre, sondern weil er die Nähe seiner Begleitung als besonders angenehm empfand.
Am Ende der Brücke drehte Timos plötzlich nach links ein und hielt auf eine enge Treppe zu, die hinunter zum Wasser führte.
"Hier entlang. Vorsicht, Stufen!"
Er ging vor, zwei Personen passten nicht nebeneinander. Natürlich hielt er eine Hand ausgestreckt, an der Axilla Halt suchen konnte, während sie die schmalen und rutschigen Stufen hinuntergingen.
Am Wasser angekommen, erkannte man einen länglichen, schwarzen Umriss als ein kleines Böötchen, das Timos in einer Nacht- und Nebelaktion organisiert hatte.
"Nach dir." sagte er und deutete auf das sachte im Wasser wippende Holzgefährt. -
Die Sterne schienen um die Wette, der Himmel war klar. Der Mond erhellte die Straßen nur wenig in dieser Nacht. Das taten dafür die Lichter in manchen Häusern umso besser. So zum Beispiel das Haus des Vissarion, an dem Axilla notgedrungen vorbeikommen würde, wenn sie zum Treffpunkt gelangen wollte.
Deshalb fiel es Timos auch nicht schwer, seine rhomäische Bekanntschaft zu erkennen, als sie auf ihn zukam. Er lächelte, was jedoch in der Dunkelheit verborgen bleiben sollte und kam langsam auf seine Partnerin zugeschlendert. Bei ihr angekommen, begrüßte er sie mit gedämpfter Stimme.
"Ich wünsche einen wunderschönen guten Abend, Axilla."
Auch wenn es dunkel war, in der Öffentlichkeit würden sie immer den Schein einer flüchtigen Bekanntschaft waren müssen. So verbeugte Timos sich nur leicht und zog ihre rechte Hand zu sich heran, auf deren Rücken er sodann einen Kuss hauchte.
Er lächelte fröhlich und bot ihr seinen Arm an und deutete mit dem anderen in die Richtung, die sie einschlagen würden. Das war jedoch nicht der direkte Weg zur Vordertür von Vissaríons Haus. Nein, der gezeigte Weg führte zur Synagogé.
"Darf ich bitten? Eine Feier erwartet uns." -
Ánthimos' Antwort ließ er unkommentiert, stattdessen schaute er schmunzelnd auf, als dieser Urgulania erwähnte.
"Sie ist lustig. Auch wenn sie zunächst einen strengen Eindruck auf mich gemacht hatte, so widerlegte sie diesen Eindruck doch recht schnell mit ihrer freundlichen Art und ihren aufheiternden Scherzen." -
Timos hatte einen Jungen zu Axilla geschickt, der ihr einen Brief überbracht hatte. Darin stand, dass sie sich kurz vor der hora quarta an der Kreuzung der Via Argeus und der Parallelstraße des Meson Pedion, die an der Synangogé entlanglief, treffen sollten.
Zur gegebenen Zeit und am entsprechenden Ort wartete Timos nun auf seine rhomäische Festbegleitung.
Er hatte sich einen neuen Chiton gekauft, sich ein angenehmes Duftwasser geleistet und vom Rest seines bescheidenen Scribagehalts einen Barbierbesuch finanziert. Jetzt sah er noch besser aus als sowieso schon! (:D) -
Mit ernster Miene betrachtete Timos die Wasseroberfläche, auf der sich durch seine wenigen Bewegungen seichte Wellen abzeichneten.
"Ich werde sie weiterhin treffen, ja."
Er dachte wieder an ihre gemeinsame Nacht und an die Zeit in ihrem Cubiculum. Nein, er würde sie nicht vernachlässigen oder gar vollends verlassen. Er würde immer bei ihr sein.
"Ich passe auf, Ánthimos. Wäre ich in den letzten Jahre unvorsichtig gewesen, hätte ich bereits weit mehr Bastarde gezeugt. Ich bin kein Dummkopf, Bruder."
Er lächelte sachte. Was für eine merkwürdige Unterhaltung. -
Das Haus des Vissaríon
Das Haus des Polites Vissaíon befindet südlich der Basileia. Es ist direkt am Canalis Nepherotes gelegen. Das Grundstück, auf dem die Stadtvilla errichtet wurde, grenzt im Westen an die Via Argeus, im Norden sowie im Osten an den Kanal und im Süden an das Grundstück seines Nachbarn Grigórios.
Das Stadtvilla, ein Atriumhaus, das von einem griechischen Architekten leicht modifiziert worden war, wird durch eine große Porta betreten. Von dort gelangt man ins geräumige Atrium, das von einem Peristylon* gesäumt wird. Um das Atrium sind mehrere Gästezimmer angeordnet, sowie Latrinen und ein Balneum. Das Atrium selbst wird durch einen plätschernden Brunnen und gut gepflegte Blumenbeete geschmückt.
Vom Atrium gelangt man ins Tablinum und weiter noch ins Triclinium. Hinter diesen großzügigen Räumen befindet sich ein gewaltiger Hof. Man könnte ihn fast als zweites Atrium bezeichnen, ist er doch ebenfalls von einem Peristylon gesäumt. Jedoch findet man hier ebenfalls kleine Brunnen, Beete, ja sogar einen Feigenbaum.
Von diesem Hof aus gelangt man über eine verhältnismäßig geräumige Treppe ins Obergeschoß. Dort findet man viele weitere Cubiculi, die jedoch allesamt leerstehen.
Der Hausherr lebt - mal abgesehen von einer Vielzahl an Sklaven, die einen gesonderten Bereich des Hauses bewohnten - allein. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden, seine Tochter bekam er seit Jahrzehnten nicht mehr zu Gesicht. Dennoch sind alle Zimmer das ganze Jahr hindurch hergerichtet, denn viele Gäste verkehren in Vissaríons Heim.Die Villa ist von einer hohen Mauer umgeben, die im Osten eine kleine Tür zum Kanal hin besitzt, die den Weg zu einem kleinen Holzsteg freigibt.
Die Bürger Alexandrias kannten das Haus des Vissaríon gut, sie mochten seine Gastfreundschaft und kamen gern hierher.
*griech.: Säulengang
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Timos drehte sich um und legte seine Hände auf ihre Oberarme, dann küsste er sie noch einmal zum Abschied.
"Dafür wird das Wiedersehen umso schöner."
Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und streichelte über ihre Wange, dann drehte er sich um und öffnete die Tür. Über die Schulter hinweg sagte er noch: "Pass auf dich auf. Du hörst von mir."
Er schenkte ihr ein Lächeln, zusammen mit einem undeutbaren Blick, dann verschwand er und verließ das Haus. -
"In zwei Tagen, beim Fest."
Er gab ihr einen Kuss und schob sie dann sanft von sich, um aufzustehen. Er suchte seine Tunika unter der Bettdecke hervor und stand einen Moment lang entblößt da, während er das zerknüllte Ding ausschlug und dann anlegte.
"Ort und Zeit unseres Treffens werde ich dir zukommen lassen."
Er lächelte milde. "Und vielleicht treffen wir uns ja zufällig auf dem Markt wieder. Wer weiß."
Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn. Kurz stand er da und schaute sie verliebt an, dann wandte er sich langsam um und wollte zur Türe gehen.