Beiträge von Thimótheos Bantotakis

    Thimótheos konnte und wollte es nicht glauben. Ein Mann von der Stadtwache hatte noch vor Sonnenaufgang beinah die Pforte seines Hauses eingetreten, um ihm die Schreckensnachricht zu überbringen. Eine weitere rhomäische Leiche in Alexandreia! Im ersten Moment hatte der Strategos bereits weitere Aufstände vor Augen gehabt. Ja, er sah sein schönes Alexandreia bereits in Flammen aufgehen! Hastig warf er sich seine Gewandung über und trieb dann den Stadtwächter grässlich fluchend vor sich her. Auf dem Weg zur Agora hatte er allerlei Ängste durchgestanden. Zunächst hatte er die Befürchtung gehabt, dass seine einstige Liebschaft Axilla umgekommen sein könnte. Dann glaubte er einen Anschlag auf die Gattin des Eparchos ermitteln zu müssen. Doch letztendlich verschlug ihm der Anblick der Toten Rhomäerin gänzlich den Atem. Es war Urgulania, die dort in ihrem eigenen Blut lag! Die Frau, die dem rhomäischen Praefektus Legionis die Stirn geboten hatte, die der hellenischen Oberschicht eines Amtes in der Polis würdig erschienen war, ja die allen Vorurteilen gegen die rhomäischen Besatzer entgegengewirkt hatte. Thimótheos war erschüttert bis in sein tiefstes Inneres. Wie konnte diese ehrbarste aller Frauen Alexandreias nur einem so feigen Mord zum Opfer fallen?


    Doch viel Zeit blieb ihm nicht. Nicht zum Trauern, nicht zum Nachdenken. Die Offiziere der Stadtwache wuselten bereits mit etlichen Helfern am Tatort herum und standen plötzlich allesamt mit fragendem Gesichtsausdruck vor dem Strategos, der sich einen Moment lang völlig überfordert fühlte. "Tyche steh uns bei..." murmelte er, bevor er sich straffte und in gewohntem Befehlston Anweisungen gab. "Männer, besorgt eine Bahre und bringt den Leichnam fort. Am besten..." Er hielt inne und blickte sich hilfesuchend um. "Dort hinein!" Sein Finger wies geradewegs auf das Heiligtum der Tyche. Ja, dort konnte man die weiteren Untersuchungen vorerst vor der Öffentlichkeit abschirmen und musste den Leichnam auch nicht zuerst hektisch durch die sich langsam füllenden Straßen transportieren. "Ich will ab sofort Wachen an sämtlichen Eingängen des Tempels! Es kommen nur Priester und Männer mit meiner Erlaubnis durch, bis ich andere Anweisungen gebe! Und sperrt die Agora vorerst für jegliches Gesindel! Keine Händler, keine Beamten, nichts!" Die Befehle unterstrich er mit hektischen Gesten und Zähnefletschen. Als er die Hälfte der Hauptleute weggescheucht hatte, griff er sich einen der übrigen und gab ihm weitere Anweisungen. "Lauf zum Museion und hol mir jegliche Ärzte und Chirugen her, die du auftreiben kannst. Sag, es geht um eine Obduktion. Los jetzt!" Er versetzte dem Mann einen Tritt in den Hintern, woraufhin dieser eilends davonrannte. Einen weiteren hetzte er auf ebenso eindringliche Art. "Bringt mir den Gymnasiarchos Kerykes her, aber zackig! Sonst reiße ich euch allesamt eigenhändig den Kopf vom Rumpf!" Dann erst gönnte Thimótheos sich einen eingehenderen Blick auf das Bild des Grauens.


    Die stolzte Iunierin lag am Boden wie gekreuzigt. Ihr anmutiger Körper war unbedeckt, das Kleid in Fetzen gerissen. Als sei dieser Anblick nicht genug, prangte eine ekelerregende Botschaft auf ihrem Bauch. 'HURE ALEXANDRIAS' stand dort in blutroten Lettern. Der Bantotake schnappte nach Luft, als Übelkeit in ihm aufstieg. Wer konnte so etwas nur tun? Welcher Unmensch konnte eine Frau wie Urgulania nur auf eine solche Art und Weise aus dem Leben reißen? Für einen unendlichen Augenblick verharrte Thimótheos in Trauer und Entsetzen und betrachtete das Opfer dieser Schandtat. Urgulania war eine schöne Frau. Trotz ihres Alters und ihrer vielfältigen Tätigkeiten sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft, hatte sie eine Anmut und Eleganz besessen, von der viele andere Frauen nur träumen konnten. Hass und Zorn wollten den Strategos übermannen. Hass auf die Rhomäer, die solche Schandtaten begingen. Hass auf die Menschen, die hilflose Frauen grausam niederstachen und ihren Leichnam besudelten. Und Zorn ob seiner Hilflosigkeit, die er in diesem Moment empfand. Ruckartig wandte er sich zu den Männern der Stadtwache um und befahl schneidend: "Na los, holt ein Laken oder irgendetwas! Macht diesem Anblick ein Ende!" Die Soldaten hatten ebenfalls Tatenlos herumgestanden und ziemlich betroffen dreingeschaut. Nun rannten sie allesamt quer durcheinander. Bald war ein großes Leinentuch gefunden, das man schlichtweg einem frühen Händler abgekauft hatte. Die Bahre wurde herbeigeholt, der Leichnam darauf gebettet und Thimótheos geleitete die Tote mit seinen Männern ins Heiligtum der Tyche.



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    Während der Leichnam im Tychaion untergebracht wurde, sammelten Männer der Stadtwache bereits die Beweisstücke auf und inspizierten den Tatort genauer. Ebenfalls kamen Legionäre an den Ort des Geschehens, die Auskünfte verlangten. Einer der Hauptleute vor Ort ging auf den ranghöchsten anwesenden Offizier der Rhomäer zu, den er als Optio erkannte, und klärte ihn auf: "Chairre, Optio. Deine Männerr frragen nach den Leichnam von getöteten Rrhomäerrin." Der Hauptmann deutete auf den Tempel der Tyche. "Strrategos Thimótheos Bantotakis berreits gebrracht in Heiligtum von grroßarrtige Agathe Tyche. Du findest dorrt. Warrte, ich brringe dich hin. Befehl vom Strrategos ist: Nurr mit Errlaubnis betrreten, ja?" Ja, sein Latein war nicht das beste. Aber er konnte sich verständigen. Und so erwartete der Hauptmann, dass der Rhomäer soweit alles verstanden hatte. Er bedeutete, ihm zu folgen, und schritt dann eilig die Stufen des Tempels hinauf, wo er die Soldaten kurz aufforderte zu warten. "Ich hole Strrategos herraus, ja?" erklärte er knapp und verschwand im Tempelinnern.
    Wenige Augenblicke später kam er wieder heraus, gefolgt vom Strategos. Der wandte sich in bestem Latein an den Offizier. "Chaire Optio. Ich bin der Strategos. Gut, dass du hier bist. Hast du deinem Vorgesetzten bereits Nachricht geschickt? Und was ist mit dem Statthalter?" Thimótheos wirkte klar und rational, nachdem er wenige Minuten zuvor tief durchgeatmet hatte und sich im Gebet zu Tyche Mut zugesprochen hatte.

    Der Rhomäer zeigte sich plötzlich ziemlich großzügig, was den Strategos deutlich verblüffte. "Oh, wirklich? Nun, äh...ja, das würde ich selbstverständlich sehr begrüßen. Ich danke dir."


    Tjaja. Wie sollte es mit ihm weitergehen? Das wusste er selbst noch nicht so richtig. In seiner Familie lief es nicht so rund wie es sollte, während es in der Politik ebenfalls nicht perfekt voranging, wie die Unruhen gezeigt hatten. Er wusste nicht recht, ob er wohl wirklich einmal eine Auszeit nehmen sollte, oder sich doch für eine weitere Amtszeit als Prytane zur Wahl stellen sollte.
    "Um ehrlich zu sein: Ich habe keinen konkreten Plan, wo mich mein Weg hinführen soll. Zumindest nicht im Moment. Wenn die Götter eine höhere Position im Prytaneion vorgesehen haben, so will ich mich ihrem Willen nicht entziehen. Wer weiß wohin es mich noch verschlägt." Er grinste leicht. "Immerhin hättest du vermutlich auch nie geglaubt, einmal im Auftrag der Kanzlei des Basileus nach Aegyptus zu reisen, nicht wahr?"

    "Nicht geplant, sondern bereits durchgeführt! Ich habe neue Mitglieder für die Stadtwache rekrutiert, hauptsächlich in den ärmeren Stadtteilen, wo die Menschen gern in einen geordneten Dienst eintreten, der obendrein auch noch bezahlt wird. Diese Männer wurden neu ausgerüstet und erhalten seit meinem Amtsantritt eine reformierte Ausbildung, die ich selbst eingeführt habe. Dabei lege ich besonderen Wert auf Disziplin und Schlagkraft." Ein eindringlicher Blick flog dem Pompeius zu, bevor Thimótheos noch etwas hinzufügte. "Natürlich habe ich dabei die Vorgaben des Eparchos beachtet, die mir strikt aufgelegt wurden. Hierbei handelt es sich darum, dass die Stadtwache nur mit unscharfen Waffen, also Knüppeln und langen Stöcken, ausgerüstet ist. Das soll verhindern, dass sie eine ernstzunehmende Gefahr für die rhomäische Legion darstellen kann, was nur verständlich ist und was ich akzeptiere. Und falls du darüber hinaus auf Reaktionen der Stadtwache nach den Unruhen anspielst, so gab es auch diese: Die Patrouillenzahl und deren Mannstärke wurden erhöht. Die Kontrollen der Märkte wurden verschärft und es gab einige Verhaftungen und schnelle Urteile von Anstiftern und Aufwieglern. Das hat bisher voll und ganz ausgereicht."

    "Nungut, der Kommandowechsel der XXII. veränderte die Lage drastisch. Der Praefektus Legionis ist von gänzlich anderem Kaliber als der Eparchos Germanikus Korvus. Er verachtet die Hellenen, er verachtet die Aegypter, er schert sich nicht um unsere Traditionen und Bräuche und hat kein Gespür für die Situation, die in Alexandreia besteht. Kyprianus ging nach seinem Amtsantritt schnell auf offenen Konfrontationskurs, was mir als Strategos und meiner Stadtwache eine Menge Ärger beschert hat. Patrouillen verängstigten durch ihr radikales Auftreten die Bevölkerung. Besorgnis machte sich breit, dass unsere heiligen Hallen, so zum Beispiel das Tychaion, entweiht werden könnten. Ja, der Praefektus ging sogar so weit, das Prytaneion zu bedrohen. Er hat uns Kreuzigung angedroht, obwohl sogar eine Rhomäerin unter uns ist! Ich halte das für besonders unverschämt, zumal es nicht in seiner Kompetenz liegt, über uns Polites zu richten. Das darf nur der Eparchos Germanikus tun, Kraft seines Amtes!"
    Thimótheos machte eine kurze Pause, holte Luft und ordnete seine Gedanken. Dann fuhr er fort.
    "Nun will ich zu den weiteren Vorfällen kommen, die die Lage in der Polis verschärften und beinahe zur offenen Revolte geführt hätten. Es begann mit besagten Patrouillen und Drangsalierungen der Bevölkerung. Aufgaben der Stadtwache riss die Legion an sich, um Druck auf die Menschen ausüben zu können und die Bevölkerung zu verunsichern. Die Stimmung sank zusehends und spätestens, als ein Manöver vor und in der Stadt gegen das Anraten der Prytanen durchgeführt wurde, schlug die Stimmung völlig um. Aus traditioneller Abneigung gegen die bewaffneten Besatzer - denn so sehen besonders die verarmten Aegypter die rhomäischen Legionäre - wurde offener Hass. Und das äußerte sich bald in gewalttätigen Ausschreitungen. Du hast sicherlich von den Vorfall beim Tor der Basileia gehört. Ein rhomäischer Offizier war von meinen Männern in einer Gasse tot aufgefunden worden und sollte sofort dem Statthalter übergeben werden. Leider verbreitete die Nachricht vom Leichnam sich schnell und es bildete sich ein Mob, der meine Männer angriff und den Leichnam schänden wollte. Kurz vor knapp konnten die Stadtwächter den Toten an die Torwache der Basileia übergeben, die angesichts des Mobs sofort die Tore schloss. Ich wurde herbeigerufen und organisierte schnellstens eine Blockade vor den Toren, sodass das rhomäische Bürgerviertel geschützt war, so wie es meine Pflicht erfordert. Die aufgewiegelte Menge, die Steine warf und sogar unseren Gymnasiarchos Kerykes verletzte, musste auseinandergeschlagen werden und wurde mit aller Härte zurückgedrängt." Und wegen dieser Sache hatte der Strategos auch keinerlei Schuldgefühle. Er war davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben.


    "Doch dabei sollte es nicht bleiben. Überall kam es zu Auseinandersetzungen, die meine Leute mit Erfolg unterdrücken konnten. Ein Vorfall sei jedoch besonders zu erwähnen, nämlich der Überfall eines rhomäischen Militärschiffs im Hafen der Stadt. Ein Schiff der Classis war an Land gegangen und die bereits aufgewiegelte Menge wollte die Soldaten nicht an Land lassen. Daraufhin kam es zu einem Handgemenge. Soldaten der XXII. waren bald zur Stelle und konnten das Schiff und die Mannschaft sichern, doch es gab Tote. Ein Irrer schlachtete einige Alexandreier ab, wurde von der Legion verhaftet, jedoch nie zur Rechenschaft gezogen. Warum der Praefektus Terentius diesen Mann nie ausgeliefert hat, kann ich dir nicht sagen. Nun, letztendlich haben wir - und damit meine ich das Prytaneion, die griechische Oberschicht der Polis - zusammen mit dem Eparchos und mit Unterstützung meiner Stadtwache es geschafft, die Ordnung wieder herzustellen und die Lage zu beruhigen. Mittlerweile ist die Stimmung wieder besser und Gewalttätigkeiten sind vorerst nicht zu befürchten." Soweit von seiner Seite. Oder hatte er etwas unerwähnt gelassen? Na, der Gesandte würde sicherlich nachfragen, wenn er etwas vermisste.

    Der Gesandte wollte also seine Sicht der Geschehnisse hören. Na wunderbar, so konnte Timos sich vielleicht in ein besseres Licht rücken, denn das Vorgehen der Stadtwache hatte nicht nur Zustimmung gefunden.


    "Nungut, so will ich dir die Sachlage anhand meiner Beobachtungen darlegen.
    Wo soll ich anfangen? Nun, am besten wohl bei meiner Amtseinführung. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Verhältnisse noch geregelt. Unser Eparchos, der weise und verständige Germanikus Korvus, war ebenso Praefektus der XXII. und pflegte einen regen Austausch mit den Prytanen, um so die Lage unter Kontrolle zu haben und indirekt Einfluss auf Geschehnisse in der Polis zu haben. Das hat meiner Meinung nach vorzüglich funktioniert, bis zu dem Zeitpunkt, als der Eparchos das Kommando über die Legion abgab. Und zwar an den Terentius Kyprianus, mit dem die Schwierigkeiten anfingen."


    Thimótheos hüstelte und bemerkte verlegen, wie offen er gerade sprach. Und das zu einem Rhomäer. Er musste vorsichtiger sein! Entschuldigend sah er also den Gesandten an und meinte: "Verzeih, wenn ich so offen spreche. Es steht nicht in meiner Absicht, beleidigend zu sein oder jemandes Unmut auf mich zu ziehen. Das möchte ich noch einmal betonen!"

    Sondergesandter der kaiserlichen Kanzlei? Oioioi, was kam ihm denn da ins Haus? Brachte dieser Rhomäer etwa Ärger mit sich? Bevor der Schreiber antworten konnte, wurde bereits die Zwischentür geöffnet und man sah wie Thimótheos einen Hauptmann seiner Wache entließ. "...und sorge mir bloß dafür, dass die neuen Rekruten nicht so ein Desaster anrichten! Raus jetzt!" Der Strategos schien gereizt zu sein und jagte den Hauptmann aus seinem Raum heraus. Dieser floh am Sondergesandten und den Schreibern vorbei nach draußen. Der Bantotake hingegen bemerkte den neuen Besuch und warf Galáktion einen fragenden Blick zu. "Strategos, dies ist Gaius Pompeius Imperiosus, der Sondergesandte der kaiserlichen Kanzlei. Er wünscht dich zu sprechen."


    Thimótheos' Miene hellte sich auf und er bat den Mann freundlich in seine Räumlichkeiten herein. "Pompeius Imperiosus, welch eine Ehre dich in meinen bescheidenen Arbeitsräumen begrüßen zu dürfen. Bitte, tritt ein und setz dich." Er ging voran und trat hinter seinen Schreibtisch, während er auf die Sitzmöglichkeiten vor sich deutete.
    Das Zimmer des Strategos selbst war nicht wesentlich anders eingerichtet, als das seines Schreibers. Es gab einen (unbedeutend größeren) Schreibtisch, etwas gemütlichere Stühle, Regale, Schreibutensilien und Aktenberge. Lediglich die Qualität der Ausstattung war etwas gehobener. Außerdem hing an einer Wand eine grobe Karte der Polis sowie einige Prunkwaffen verschiedenster Herstellungsarten. Man beachte außerdem ein Gepardenfell, das im Rücken des Strategos die Wand zierte. (:D)


    Als die Männer sich gesetzt hatten und dem Rhomäer etwas zu trinken angeboten worden war, begann Thimótheos das Gespräch. "Nun, womit kann ich einem Beamten unseres göttlichen Basileus dienen, der den weiten Weg aus der ewigen Stadt hierher gewagt hat? Was ist der Grund für deinen Besuch?" Natürlich hatte der Bantotake von der Anwesenheit des Gesandten in der Polis erfahren. Auch wusste er, dass dieser beim Keryken vorstellig geworden war. Doch was genau dieser Mann nun von ihm wollte, das konnte er noch nicht erahnen.

    Meine lieben Freunde, ich melde mich nun nach langer (und unangekündigter) Abwesenheit wieder eingeschränkt zurück. Thimótheos wird sich um die wichtigen Dinge kümmern im Bezug auf Politik und seine Familie. Darüber hinaus kann ich jedoch (noch) nicht für weitergehende Schreibaktivitäten garantieren. Entschuldigung nochmal an alle, die lange vergeblich auf mich gewartet haben.

    Und es wurde geöffnet. Galáktion, der Grammateos des Strategos der Polis, musterte die Besucher und stellte fest, dass der eine ein rhomäischer Beamter sein musste. So fragte er in seinem besten Latein: "Salve. Ich bin der Grammateos des Strategos. Was kann ich für euch tun?" Noch während er sprach, bat er sein Gegenüber mit einer Geste in die Schreibstube herein. Die Schreibstube war nicht unglaublich geräumig, doch das war auch nicht nötig. Ein Schreibtisch mit einem einfachen Stuhl war das einzige was der Schreiber benötigte. Hinzu kamen noch einige Regale und Körbe, in denen Schriftstücke, Wachstafeln, Schreibutensilien und anderer Verwaltungskram sortiert waren. Gegenüber der Eingangstür befand sich ein Durchgang, der zum Arbeitsraum des Strategos führte. Die Tür war geschlossen, doch aus dem Innern waren gedämpft Stimmen zu hören.


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    GRAMMATEOS - STRATEGOS ALEXANDRINOS

    Sim-Off:

    Ich bitte zutiefst um Entschuldigung dafür, dass ich dich so lange habe warten lassen, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen meiner Abwesenheit/Schreibunlust zu sagen. Ich hoffe du kannst mir das verzeihen.


    Thimótheos achtete unauffällig auf die Mimik seines Gegenübers, während dieser sich äußerte. Der Keryke gab sich erfreut über Thimótheos' Einwilligung auf sein Angebot und ließ dabei sogar seinen Streit mit Ànthimos außen vor. Der Bantotake stellte fest, dass Nikolaos sich einmal mehr höflich und zuvorkommend gab. Das Kompliment des Keryken rief ein verlegenes Lächeln bei dem jungen Strategos hervor. Er wollte schon eine bescheidene Antwort darauf geben, als Nikolaos dann einen Gedanken äußerte, der ihn zunächst überraschte, der ihm jedoch keineswegs fremd gewesen war. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass Nikolaos selbst über eine Heirat zur Festigung der Bindung ihrer beider Häuser nachgedacht hatte. Konzentriert hörte Thimótheos zu, um nach einer gespielten Denkpause zu antworten.


    "Nikolaos...kühn ist dein Vorschlag womöglich zu nennen. Doch nicht unschicklich. Emilia ist eine bezaubernde Frau, ich weiß das. Und deshalb habe ich selbst schon mit dem Gedanken gespielt, sie baldmöglichst einem Mann zu geben, der sie zu schätzen weiß und der ihr all das geben kann, was ihr gebührt. Schutz, Wohlstand, eine angemessene Bildung..."


    Thimótheos trank einen Schluck Wein und achtete auf jegliche Regungen in Nikolaos' Gesicht. Er hatte sich entschieden, entgegen dem Willen seines Bruders und ohne eine konkrete Meinung seiner Cousine zu diesem Thema eingeholt zu haben. Doch das war ihm egal. Er war der Älteste der drei Brüder, er hatte sie aus dem Desaster ihrer Vergangenheit herausgeführt und er hielt es für seine Pflicht, auch weiterhin das Beste für seine Familie zu tun. Und deshalb fuhr er fort wie folgt.


    "...und ich bin überzeugt, dass du genau der richtige Mann bist, der all dies ermöglichen kann. Nikolaos, es wäre mir eine Freude, dir Emilia zur Frau zu geben! Lass uns deinen flüchtigen Einfall umwandeln in einen konkreten Plan, den es bald auszuführen gilt."


    Sein Mund bildete ein Lächeln, als er sein Glas erhob um seinem Freund - er nahm sich ab diesem Zeitpunkt heraus, Nikolaos als diesen bezeichnen zu dürfen - zuzutrinken.


    "Möge diese Verbindung die Beziehung unserer Häuser festigen und mit Fruchtbarkeit gesegnet sein, als Basis für eine starke Familie."

    Zitat

    Original von Pasiphaë
    Ich drehte mich nach rechts und grinste leicht. "Tatsächlich." sagte ich. "Es ist mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir in der Tat auf, wie hübsch sein Gesicht ist." Ich drehte mich kurz um und lehnte mich interessiert nach vorn. In dieser Position verharrte ich einige Sekunden. Sollte Timos ruhig glauben, dass ich ein wenig Feuer gefangen hatte. Ich brauchte noch zwei, drei Sekunden mehr, dann drehte ich mich wieder in seine Richtung, mit gespielten Flammen in den Augen, deren Unaufrichtigkeit zwar auffliegen, die vermutlich aber einen ersten Schreck verursachen würden. "Er ist wirklich hübsch." sagte ich mit leiser, dennoch euphorischer Stimme. "Und wie er die Lyra hält. So etwas habe ich in Memphis noch nie gesehen. Dass Mensch und Kunst eine Einheit bilden können." Ich seufzte. Natürlich war ernst gemeint, was ich sagte. Ich hatte das Spiel genossen und der Junge verdiente großes Lob, aber ein bisschen übertreiben musste ich, nachdem mein Begleiter so gestichelt hatte.
    Mit strahlenden Augen richtete ich meinen Blick wieder nach vorn.


    Ha! Mit solch einer Antwort hatte Timos wahrlich nicht gerechnet. Er zog die Augenbraue hoch und grinste dann wieder. Der Schalk legte ihm seine Worte in den Mund: "Ich bin sicher, der Bursche ließe sich zu einer Verabredung mit dir überreden. Er wäre gewiss ein wunderbarer Zeitvertreib." Auf Pasiphaës Schwärmereien für Lycidas meinte er frohgemuts: "Oh doch, in Memphis gab es eine solche Person ebenfalls. Jemanden, dessen Schönheit die willensstärksten Männer zu bezaubern vermag. Jemanden, der mit seinem Scharfsinn selbst die weisesten Herren auszustechen imstande ist. Jemanden, der in diesem Moment unter uns ist." Er sah Pasiphaë vielsagend an und zeigte auf sie, ohne jedoch einen weiteren Kommentar abzugeben. Sie würde schon wissen, was er meinte.

    Timos strahlte zurück, als er Pasiphaës Begeisterung vernahm. Er wurde leicht verlegen, ließ sich das jedoch nicht anmerken. "Danke," brachte er nur hervor und fügte noch hinzu: "Deine wundervolle Erscheinung lässt mein Herz allerdings auch schneller schlagen. Du bist heute von geradezu bezauberndem Anblick." Er bot ihr seine Hand und führte sie galant zum Sessel, den er der jungen Dame anbot.
    "Das ist alles nur für uns," erklärte Timos und musste schmunzeln. "Ich wusste du würdest dich freuen. Ich kenne doch deine Freude an der Schönheit der Natur und..." - jetzt musste er leicht grinsen - "...der Gesellschaft meiner Person."
    Nun saßen sie da. Nur sie zwei. Timos lächelte. "Du hast dich gut in Alexandreia eingelebt, das habe ich mit Erleichterung festgestellt. Gefällt dir das Haus meiner Familie?" Immerhin stammte auch sie nicht aus ärmlichen Verhältnissen. Doch sie beide konnten auf eine gemeinsame Vergangenheit zurückblicken, die Timos liebend gern wieder aufleben ließe. In etwas abgeänderter Form. Auch damals hatten sie so manche Stunde unter einem Dach verbracht und das Leben genossen. Manchmal sehnte der Strategos sich sehr nach dieser Zeit.

    Thimótheos nickte und beobachtete den Jüngling noch einen Augenblick lang. "Das ist in der Tat eine gute Idee. In meiner Obhut könnte er vollends heranreifen und von der Blüte des Gymnasions zur Blüte Alexandreias werden. Wollen wir hoffen, dass er uns lange erhalten bleibt." Der Bantotake hatte natürlich genauso wenig Ahnung wie Nikolaos und hätte nie geahnt, dass der wunderbare Künstler vor ihren Augen dort ein Sklave hätte sein können. Ebenso wenig ahnte Thimótheos, dass der Gymnasiarch seiner Schwägerin schöne Augen machte und so über alle Ohren in sie verschossen war, dass er dafür sogar seine Gelüste hintanstellte. So in Gedanken versunken beobachtete er wieder das Spiel des Lycidas und verharrte dann schweigend, als es endete. Letztendlich fiel er in den stürmischen Beifall ein und applaudierte aufrichtig.

    "Pasiphaë, meine liebe Freundin. Es ist eine Wohltat dich zu sehen. Wie geht es dir?" Er war auf die junge Frau zugegangen und hatte sie umarmt. Thimótheos nahm das Strahlen seiner Freundin wahr und freute sich sehr. Dieses Lächeln bescherte ihm in den letzten Wochen oft mehr Glück als jeder noch so große Erfolg in der Verbrechensbekämpfung, der Politik, oder in seinem Geldbeutel. Er kannte ihr Lächeln schon seit Jahren, doch in der Zeit nach dem Unglück der Bantotaken und ihrem Weggang aus Memphis und Pasiphaës Ankunft in Alexandria hatte der Kyrios der Bantotaken die Heiterkeit vergessen, die es in ihm auslöste.
    Er wies auf die Korbsessel und die Erfrischung auf dem Tisch."Wollen wir uns setzen? Ich möchte mal wieder etwas Zeit mit dir verbringen abseits des abendlichen Essens oder offiziellen Angelegenheiten." Denn er hatte wirklich viel zu tun gehabt und nur wenig Zeit für seine Familie und Freunde gefunden, was Timos sehr missfallen hatte. Die nächsten Stunden wollte er einzig mit seiner Jugendfreundin verbringen.

    Dem Strategos schmeichelte das Vertraute, das Nikolaos' Geste auszudrücken schien. Er erwiderte das Lächeln und trank dem Keryken gut gelaunt zu. "Dann ist es wohl das einfachste, sich in der Runde der Prytanen zu besprechen. Ich freue mich schon sehr auf dieses von dir geplante Zusammenkommen. Im Allgemeinen bin ich der Meinung, dass die Elite der Polis sich öfter zum Beisammensein treffen sollte." Er wollte die anderen Prytanen nämlich gern auch außerhalb des politischen Rahmens kennen lernen. Das war bisher nur wenig passiert, was der Bantotake sehr bedauerte. Derweil er diesem kurzen Ausflug seiner Gedanken nachhing schaute er gen Himmel und stellte mit Erschrecken fest, dass der Tag einmal mehr zur Neige ging. Etwas verträumt sah er in die Ferne und wies den Keryken darauf hin. "Schau, der Tag neigt sich dem Ende zu. Apollon lässt sein Leuchten schwinden. Welch wundervoller Anblick." Sein Blick war nun vollends im Himmel versunken, der sich langsam rosa färbte, das bald in volles rot wechseln würde.

    Thimótheos begrüßte den Keryken mit einem müden Lächeln. "Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ach, die Festtage...ja, ich habe die Zeit genossen. Es ist mir eine Ehre erneut dein Gast sein zu dürfen." Nach der Floskel verneigte er sich leicht und betrat das Haus seines Gastgebers und folgte ins Andron. Er verharrte einen Augenblick und labte sich an der Kühle des Raumes, bevor er sich niederließ.


    Der Bantotake winkte ab ob der Entschuldigung des Nikolaos und ließ sich zunächst einmal den Wein reichen. Er fühlte sich matt und sah schwierige Zeiten auf sich zukommen. Jetzt musste er alles richtig machen und den Grundstein für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft legen. Er trank vom Wein, stellte das Glas ab und holte kurz Luft. "Nikolaos, ich kann deine Ungeduld nachvollziehen und möchte daher heute einige Unklarheiten bereinigen." Ein gequältes Lächeln huschte über die Züge des Strategos, bevor er fortfuhr.
    "Die Angelegenheit, die mir am meisten am Herzen liegt, und die dich vermutlich auch am meisten quält, soll mein erster Gesprächspunkt sein.
    Du weißt, mein Ehrgefühl erlaubt es mir nicht, ein Clientelverhältnis im Sinne der rhomäischen Tradition einzugehen. Da dir ein Solches ohnehin zuwider ist, halte ich es für das Beste es zu handhaben wie du es angeraten hattest: Ich möchte die Beziehung der Bantotaken zu dir, mein lieber Nikolaos Kerykes, auf die Ebene der freundschaftlichen Bindung erheben."
    Thimótheos hob die Hand, Einhalt gebietend. Denn er sah den Keryken bereits das Glas erhebend und jubilierend. Zurückhaltender fuhr er fort. "Ich kann leider nicht für meine ganze Familie sprechen. Besonders mit meinem Bruder Ánthimos gerate ich oft aneinander und eure Abneigung gegeneinander macht es mir nicht oft einfach zu vermitteln. Doch meine Cousinen werden meiner Linie folgen, dafür sorge ich." Lange Rede, kurzer Sinn. "Kurz gesagt: Ich würde mich freuen, die Bindung auf politischer und freundschaftlicher Ebene mit dir eingehen zu können."
    Thimótheos hatte den Keryken nämlich mit der Zeit zu schätzen gelernt, anders als sein Bruder, und hatte Sympathien für diesen entwickelt. Wo er anfangs skeptisch und argwöhnisch gewesen war, hatte der Bantotake mittlerweile beinahe eine Art Vorbild im Gymnasiarchos gefunden. Mal abgesehen von seinen körperlichen Leiden, denn sonderlich sportlich war Nikolaos nun wirklich nicht. Zumindest verriet seine Statur nichts darüber, dass er ein sonderlich guter Athlet sein könnte.



    Edit: Sim-off

    Sim-Off:

    *mampf* Schankedön

    Der Strategos war der Einladung des Keryken gefolgt, als er endlich eine Entscheidung in vielerlei Hinsicht getroffen hatte. Er hatte sich zuvor von einem Sklaven ankündigen lassen und war wenig später an der Porta angelangt. Er klopfte und wartete darauf, dass geöffnet wurde. Wie schon beim letzten Mal hatte er sich ordentlich gekleidet und auch sein Antlitz aufpoliert, denn Stress, Süchte und Schlaflosigkeit machten ihm schon lange zu schaffen.

    Thimótheos hatte sich endlich aufgerafft. Er hatte einen kleinen Pavillon inmitten einer beschaulichen Baumgruppe des Paneions gemietet und hatte dort einige Vorkehrungen getroffen. Ein kleiner Tisch und zwei gemütlich gepolsterte Korbsessel standen bereit, dazu eine Karaffe guten verdünnten Weins und ein Teller frischen Obstes. Von hier aus hatte man eine gute Sicht über die Hänge des Parks, der den Tempel des Pan umgab. Jedoch lag der Pavillon abseits der größeren Wege, weshalb hier keine Störenfriede zur Belästigung werden würden. Thimótheos stand am Geländer, das den achteckigen Pavillon umgab und genoss die Aussicht. Zu seiner Linken lag der zoologische Garten, zu seiner Rechten breitete sich auf dem sanften Abhang eine Wiese mit Bäumen aus, die großzügig schatten spendeten. Der Bantotake hatte eine einfache hellbeige Chlamys übergeworfen und trug seinen Strohhut, denn es war heiß heute und die Sonne brannte unerbittlich auf die Stadt herunter. Zum Glück wehte eine leichte Brise hier oben am Paneion, so dass man nicht völlig einging.
    Thimótheos drehte sich um und beobachtete den Pfad, der vom Hauptweg zum Pavillon herunterführte. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wartete. Jetzt musste nur noch Pasiphaë erscheinen, der er einen Grammateos geschickt hatte. Er hatte sie im Namen des Bantotaken eingeladen und sollte sie nun zum Pavillon führen, wo der Herr Strategos auf sie warten wollte. Es gäbe Dinge von Wichtigkeit zu besprechen, würde er ihr sagen. Hoffentlich hatte der Schreiberling seinen Auftrag richtig ausgeführt. Ungeduldig scharrte Thimótheos mit seiner Sandale auf den Holzplanken des Pavillons. Eine Fliege schwirrte vorbei, nicht weit entfernt gab ein Spatz seinen Gesang zum Besten. Und da sah er zwei Personen näherkommen. Die eine blieb an der Abzweigung am Hauptweg stehen und bedeutete der anderen Person, zum Pavillon herunterzugehen. Das musste seine Freundin aus der Jugendzeit sein!

    Thimótheos lächelte aufmunternd. Erst jetzt konnte er sich richtig von den Berichten seiner Bezirkskommandanten losreißen, die er gerade überflogen hatte.
    "Die beiden haben also unter vollem Einsatz deiner...'Redekünste' - er grinste leicht - ihre volle Schuld eingestanden. Worin denn? Entschuldige, aber ich bin gerade in Gedanken ganz woanders gewesen. Was wurde den beiden Halunken noch gleich vorgeworfen?" Der Strategos erinnerte sich nur noch lückenhaft an eine verworrene Geschichte, die von Wüstenräubern und Karawanenüberfällen handelte, die schon vor seiner Amtszeit ins Rollen kam. "Sag, es ging doch im Ganzen um Überfälle bei Para...Paretio...Paraetonium?! War nicht unsere ehrenwerte Iunia Urgulania ebenfalls involviert?" Der ehemalige Strategos müsste ihm ja in dieser Sache Auskunft geben können.

    "Ich danke dir, werter Keryke."
    Und mit einem Fingerzeig deutete er auf die Bühne zu dem jungen Lycidas hin, um das Thema zu wechseln.
    "Ein stattlicher Jüngling dort vorn, nicht wahr? Seine ansehnliche Jugend ist geradezu bewundernswert."
    Thimótheos hatte sich nämlich sagen lasse, dass der Gymnasiarchos eine gewisse Vorliebe für Jünglinge habe. Was er ihm im Grunde genommen nicht einmal verübeln konnte, denn auch der männliche Körper konnte verführerisch sein. Dennoch, der Bantotake bevorzugte das weibliche Geschlecht. Erwartungsvoll horchte er auf die Reaktion des Keryken.

    Aha. Nikolaos schien wirklich nicht bei der Sache gewesen zu sein. Thimótheos schmunzelte innerlich, während er nach außen hin ein beeindrucktes Gesicht aufsetzte und abwinkte. "Schon gut. Man kann in diesem Trubel nicht jeden sofort begrüßen." Zum Glück, denn sonst hätte er diese Schwachstelle des Keryken nicht entdeckt.


    Thimótheos registrierte dann die Müdigkeit in den Zügen des Gymnasiarchos, die er heute wie am Tag zuvor mit ihm teilte. Nur anders, denn Nikolaos schien nicht einfach nur an Erschöpfung zu leiden.
    "Ich bin allerdings zu einer Entscheidung gekommen. Wann und wo kann ich dir meine Pläne mitteilen?"