Beiträge von Penelope Bantotakis

    Dieses Versprechen war ja schon alles, was Penelope wollte. Zwar wäre ihr lieber gewesen, er würde einer weniger gefährlichen Tätigkeit nachgehen, aber sie wusste ja, wie es war, wenn man einen Traum hatte. Und den würde sie nicht versuchen, ihm zu nehmen, niemals.
    “Gut. Und besser für dich, wenn du dich daran hältst. Ich will nicht erst wie Orpheus in die Unterwelt gehen müssen. Und ich würde dich dann auch nicht zurückholen wollen, sondern dir mit der Teigwalze noch eins überbraten.“
    Sie schaffte es nicht ganz, bei diesen Worten ernst zu bleiben. Zumal sie ja auch nicht wirklich ernst gemeint waren. Aber ihr Mann sollte nur gut auf sich aufpassen. Sie hatte nämlich keinerlei Erfahrung damit, jemanden wieder zusammenzuflicken und Wunden zu versorgen. Abgesehen von blutigen Fingern vom Seitenzupfen gab es in ihrer Vergangenheit selten Verletzungen, oder nur solche, die sie nicht selbst versorgt hatte, sondern Inhapy.

    Zärtlich streichelte sie Ánthimos einmal über das Gesicht. Wie sollte sie ihm das nur erklären?
    “Natürlich halte ich dich nicht für einen Schwächling. Ach, Ánthimos, wie du nur auf solche Gedanken kommst? Und natürlich vertrau ich dir auch, aber… weißt du, es kann einfach immer etwas passieren, was von niemandem so beabsichtigt war. Ich mach mir da einfach Sorgen um dich. Und vor allem jetzt. Die Ephebia dauert nicht mehr lange, und dann können wir heiraten, und wenn das Baby kommt… Ich möchte mir einfach keine Sorgen machen müssen, ob das alles wirklich eintrifft.“
    Penelope wollte es gar nicht näher ausführen. Sie wusste nicht, was sie tun würde, sollte Ánthimos tatsächlich etwas geschehen. Um des Lebens in ihr Willen würde sie ihr möglichstes versuchen, aber sollte sie das auch verlieren, würde sie sicher ebenso wie er ihre Reise auf der schwarzen Straße antreten. Aber das wollte sie ihm so nicht sagen, sie wollte ihm da keine Angst machen.

    Wenn er sich nicht grad prügeln wollte, war Penelopes Mann richtig süß. Sie lächelte ihm leicht aufmunternd zu, sie mochte es nicht, wenn er sich Sorgen machte. Aber stützen ließ sie sich dennoch gerne.
    “Ach, es ist nichts, ich hab nur so ein ganz flaues Gefühl im Magen. Inhapy müssen wir deshalb nicht belästigen.“
    Warum beruhigte sie ihn eigentlich? Es war ja gut, wenn er sich sorgte, dann würde er dieses Training vielleicht etwas hinausschieben. Aber Penelope war einfach viel zu ehrlich, um die Situation dazu auszunutzen. Das Intrigenspiel der Frauen war ihr nicht geläufig, und wie man durch Schmollen erreichte, was man wollte, hatte sie bei Philolaos nie lernen können. Der war eher angeekelt von schmollenden kleinen Mädchen und hatte erst recht auf seinen Willen bestanden.
    “Ich mach mir nur Sorgen um dich. Aber vielleicht setzen wir uns dennoch ein wenig.“

    Normalerweise? NUR? Irgendwie hörten sich diese Worte in diesem Zusammenhang sehr missbraucht an. Penelope wurde noch ein bisschen blasser, so dass sie nun fast so hell wie eine Germanin wohl war. Nun, sie hatte sich diesen Mann ja ausgesucht und sich in ihn verliebt, aber er schien so überhaupt kein Gefühl für Gefahr zu haben. Sie hingegen hatte schon immer ein Gespür dafür gehabt und war Ärger weitestgehend aus dem Weg gegangen. Und seit sie um das Leben in ihrem Bauch wusste, hatte sich dieser Instinkt noch ein wenig verstärkt. Daher machte sie sich nun erheblich mehr Sorgen als vor Anthis Ausführungen.
    “Irgendwie ist mir nicht gut“, meinte sie nur, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Sie fühlte sich grade ziemlich übel.

    Und das sollte sie jetzt beruhigen? Penelope wurde bei seinen Worten immer blasser und irgendwie fühlte sie sich übel. Zwar war sie bislang von jedweder Morgenübelkeit verschont geblieben, aber jetzt schien so ein Zeitpunkt zu sein, wo das anfangen könnte. Zumindest hatte Penelope ein sehr, sehr flaues Gefühl in der Magengegend.
    “Ich dachte, ihr wolltet nur trainieren? Du willst doch nicht ernsthaft… ich meine, Pankration ist nicht ungefährlich, und ich dachte, du übst erstmal nur, bis du wieder in Übung bist?“
    So, wie er es sagte, klang das eher so, als würde er mit dem anderen bis aufs Blut kämpfen, wenn es sein musste. Penelope hatte ganz scheußlich viel Angst allein beim Gedanken daran.

    Da Ánthimos sie schon so auffordernd anschaute, fasste sich Penelope ein Herz und beantwortete die unausgesprochene Frage nach dem zweiten Gott. Sie hoffte, der Gymnasiarchos nahm es ihr nicht allzu übel, die Initiative zu ergreifen, bevor er fragte.
    “Hermes ist der Sohn des Zeus und der Nymphe Maia. Er ist der Bote der Götter und verkündet die göttlichen Beschlüsse. Auch ist er derjenige, der die Verstorbenen auf ihrem Weg zum Hades begleitet. Er ist Schutzher der Wege, daher gibt es an Kreuzungen viele Schreine für ihn. Des Weiteren ist er Gott des Handelns und auch der Diebe. Als er gerade geboren war, stahl er so dem Neptun den Dreizack, dem Ares sein Schwert, Apollos Bogen, Hephaistos Schmiedehammer und selbst das Szepter des Zeus. Apollo entwendete er auch noch eine Rinderherde, die er in eine Höhle entführte, wo er zwei Rinder schlachtete.
    Auf dem Berg Kyllene fand Hermes eine Schildkröte. Aus deren Panzer und den Häuten der geschlachteten Rinder baute er so die erste Lyra und erfand damit die Musik. Beim Hüten der restlichen Rinder erfand er auch noch die Pfeifen. Als Apollo mit Zeus kam, um seine Rinder zurückzufordern und auch das andere Diebesgut, war er von den Klängen so verzaubert, dass er die Lyra gegen die Rinder tauschte und Hermes auch noch seinen Stab im Tausch für das Flötenspiel schenkte und ihm das Knöchelspiel beibrachte. Daher ist Hermes auch Gott des Glücksspiels.“

    Penelope merkte, wie sie bei ihrer ganzen Schwärmerei für Musik immer mehr vom eigentlichen Thema abkam. Die Musik war sicher nicht der Grund, warum Hermes im Gymnasion verehrt wurde, und auch seine Diebeskunst oder sein Geschick als Händler nicht.
    “Im Gymnasion wird Hermes verehrt, weil er auch der Gott des Ringkampfes ist. So rang er nach seiner Geburt mit Eros und besiegte ihn. Auch ist er der Gott der Fechtkunst, des Boxens und des Turnens.“
    Das war jetzt beinahe noch ausführlicher gewesen als Ánthimos’ Ausführungen zu Herakles. Penelope hoffte, dass der Gymnasiarchos so ausführliche Antworten haben wollte. Aber über die Götter, die mit Musik zu tun hatten, wie Apollo, Pan, Hermes oder die Musen, konnte Penelope Stunden erzählen.

    “Nein, ich bin nicht sonderlich hungrig.“
    Und eigentlich interessierte Penelope jetzt auch essen nicht wirklich. Sie wusste ja, dass Anthi Schwerathlet war und da natürlich auch trainieren musste. Aber das hieß ja nicht, dass ihr das gefallen musste. Das hatte sie gleich bei ihrem ersten Treffen gesagt, wie ihr sehr wohl in Erinnerung war. Er hatte ein viel zu schönes Gesicht, um es sich verhauen zu lassen. Pelo wollte sich gar nicht vorstellen, wie er nach dem training dann aussehen würde.
    “Und wer ist das? Und was trainiert ihr dann genau? Und wie oft? Und du bist doch vorsichtig, oder?“
    Bei den Göttern, sie machte sich jetzt schon ohne Ende sorgen, und dabei hatte er mit Trainieren noch nicht einmal angefangen.

    Auf der einen Seite hatte Ánthimos sicherlich recht, als Scriba konnte man viel mehr Geld verdienen und man hatte auch die Aussicht auf weiteren Aufstieg und noch mehr Geld. Aber auf der anderen Seite kannte Penelope auch Rhakotis und wie es dort war und wie schwer man es haben konnte, von da heraus zu kommen. Und da war ihre jetzige Arbeit ein kleiner Glücksfall, den man nicht so leichtfertig aus Spiel setzte.
    “Nunja, sie haben jeden siebten Tag frei und werden für Kinder wirklich ordentlich bezahlt. Und sie arbeiten mit ihrem Vater zusammen. Und für Rhakotis ist das sehr gute Arbeit. „
    Penelope fiel wieder auf, wie wenig Anthi manchmal davon wusste, so arm zu sein. Sein Leben war bis zum Tod seines Vaters doch geregelter verlaufen als ihres. Oh, sie machte ihm das sicher nicht zum Vorwurf, aber in diesem Moment erinnerte sie sich wieder daran. Daher konnten sich viele der Menschen in guten Positionen so schwer vorstellen, warum es in Rhakotis so war, wie es war. Sie hatten dieses Leben mit seinen rauen Gesetzen nie kennen gelernt und nie lernen müssen, damit umzugehen. Sie hatten nie gesehen, wie jemand verhungert war, wie jemand krank war und sich keinen Arzt leisten konnte, wie jemand gearbeitet hatte, bis er tot umgefallen war. Wenn man das alles hautnah miterlebt hatte, wusste man einfach, dass man manchmal kleinere Maßstäbe an das Leben ansetzen musste und sich an kleinerem Glück erfreuen sollte. Und das man nicht alles ändern konnte.
    “Ich würde mir wünschen, dass du recht hast. Für alle drei würde ich es mir wünschen. Achwas, für alle fünf.“
    Penelope lehnte sich leicht gegen Anthi und musste an ihr eigenes Kind in ihrem Bauch denken. Was wohl aus ihr werden würde? Welche Zukunft wohl sie hatte? Penelope wusste nur, dass sie alles, einfach alles dafür tun würde, dass es die bestmögliche von allen hatte.

    Das sah Inhapy gar nicht ähnlich, nicht zu diskutieren. Es musste ihrer Freundin wohl wirklich schlecht gehen im Moment, wenn sie sich so kampflos darauf eingelassen hatte. Pelo konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich von Anthi hatte einschüchtern lassen. Vielleicht ergab sich ja mal die Möglichkeit, unauffällig nachzufragen, was sie dazu bewogen hatte. Penelope verdiente jetzt so viel, da war es für sie fast selbstverständlich, der Freundin auch helfend unter die Arme zu greifen, wenn diese Hilfe brauchte.
    “Das erzählst du besser nicht Inhapy. Wenn ihre Jungs plötzlich anfangen, Athleten werden zu wollen, bekommst du glaube ich eins mit der Teigwalze übergezogen. Sie haben eine gute Arbeit in der Ziegelmacherei, musst du wissen.“
    Nun, verglichen mit den Träumen, die Ánthimos und auch Penelope hegten, war das wahrscheinlich nur etwas sehr kleines. Aber eine Arbeitsstelle, bei der man genug Pausen bekam und jeden siebten Tag sicher frei hatte, das war für jemanden aus Rhakotis eine sehr gute Arbeit. Noch dazu, da der Vater auch dort arbeitete und die Söhne so bei Problemen noch eine Ansprechperson hatten. Es war so gut, dass man das nicht leichtfertig aufs Spiel setzte. Penelope konnte das sehr gut verstehen.

    “Sie nimmt von dir wirklich Geld dafür, dass sie dir etwas beibringt?“
    Jetzt war Penelope noch ein wenig überraschter. So hatte sie ihre Freundin gar nicht eingeschätzt. Nungut, Penelope kannte das Leben in Rhakotis zu gut und wusste, wie viel zehn Drachmen die Woche sein konnten. Noch dazu, wenn man fünf Kinder hatte, da fragte sie sich immer wieder, wie Inhapy die alle satt bekam. Aber dennoch hatte sie eigentlich nie einen Menschen kennen gelernt, der so unbestechlich und integer war wie Inhapy. Und dass sie Anthi da Geld abknöpfte, ihm etwas beizubringen, das passte irgendwie nicht in ihr Bild von der Ägypterin.
    Das mit den Jungs war für Pelo kein Problem. Sie mochte alle drei, auch wenn Hay und Bay mit ihren elf Jahren grade etwas schwieriger waren und sie die beiden nicht immer auseinander halten konnte. Die zwei trieben damit gerne auch Spielchen und verwirrten die Leute. Aber Nebtawi war dafür der reinste Sonnenschein und eine wahre Freude. Und wenn sie den Kindern lesen beibringen würden, war das etwas positives.
    “Dann kann ich Nebtawi vielleicht auch wieder ein wenig Flöte spielen beibringen. Ich hab schon fast ein schlechtes Gewissen, weil ich jetzt so wenig Zeit für ihn hatte. Aber Hay und Bay solltest besser du unterrichten. Wenn du ihnen vom Gymnasion und Olympia erzählst, hören sie dir auch sicher eher zu als mir.“

    Penelope war gerade sehr froh, dass Ánthimos noch keinen wirklichen Trainingspartner für Pankration und Boxen gefunden hatte. Sie war zwar nicht zimperlich, aber dennoch wollte sie lieber weniger über Platzwunden wissen als mehr. Daher beruhigten sie seine Worte nicht so wirklich, aber als er sie so an sich drückte und vor sich hingluckste, musste sie doch lächeln.
    “Nun, wir können nachher ja deine Bauchmuskeln ein wenig trainieren“, meinte sie neckisch und kniff ihm dabei auch leicht in den Bauch, weil sie wusste, dass ihn das kitzelte. Inzwischen kannte sie ihren Mann da doch recht gut.
    “Aber erst erzähl mal, wie du Inhapy überredet hast, dir da etwas beizubringen. Sie ist ja doch etwas eigen in ihrer Meinung zu Männern.“

    Jetzt war Penelope doch überrascht. Nicht nur vom plötzlichen Themenwechsel, sondern dass ihr Mann grade allen ernstes gesagt hatte, Inhapy würde ihm etwas beibringen.
    “Inhapy? Reden wir von derselben Inhapy?“
    Penelope schaute ein klein wenig ungläubig zu Ánthimos hinauf. Womit hatte er die Ägypterin wohl bezirzt, dass diese ihm etwas beibringen wollte? Und sie war doch Hebamme! Das konnten Männer doch gar nicht werden!
    “Aber was bringt sie dir denn bei? Ich meine, Hebamme wirst du glaube ich nicht werden.“
    Das sagte sie keineswegs böse. Aber die Vorstellung eines Mannes als Hebamme war einfach zu seltsam, um sie nicht zu kommentieren.

    Im ersten Moment wußte Penelope gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie sollte sich in ein Amt wählen lassen? Sie? Politik war in Penelopes kleiner, einfacher Welt eine Männerangelegenheit. Sie verstand da nichts davon, sie kannte nur ihre Musik und war damit glücklich. Da war es für sie ziemlich überraschend, dass jemand daran dachte, sie in ein Amt wählen zu wollen.
    “Nun, Gymnasiarchos, ich weiß nicht, ob ich für so etwas geeignet wäre. Immerhin habe ich keinerlei Erfahrung mit Verwaltung jedweder Art. Ich kenne die Musik und natürlich meine Pflichten, aber sonst muss ich gestehen, dass ich nicht sehr viel weiß. Welches Amt denkst du denn, würde meinen Fähigkeiten entsprechen?“
    Penelope konnte sich beim besten Willen nicht als Strategos oder ähnliches sehen. Was wusste sie denn schon von diesen Dingen? Und ein Amt, bei dem man musikalisches Geschick benötigte, wäre ihr neu.

    Na, endlich mal ein Mann, der vernünftige Fragen stellte. Die meisten anderen interessierte nur, was die Frau essen sollte, damit es auch ja ein Junge würde. Aber Ánthimos sorgte sich anscheinend nur um ihre Gesundheit.
    “Nein, sie sollte nur genug essen, sie isst ja immer wie ein Spatz. Später wird ihr Körper einfordern, was sie gerade braucht. Mach dich schon mal darauf gefasst, dass sie mitten in der Nacht auf einmal aufsteht, um Feigen und Trockenfleisch zu essen, oder einen Heißhunger auf Fisch mit Honig entwickelt. Gib ihr dann einfach, was auch immer sie haben möchte, ihr Körper weiß dann schon, was er braucht. Da musst du dir keine Gedanken machen.“

    Na, offenbar war der Grieche doch einigermaßen Lernfähig. Wenn Inhapy der Vergleich mit einem Kampf bei der Patientenbehandlung auch nicht ganz gefiel. Man arbeitete ja mit dem Patienten und nicht gegen ihn.
    “Genau. Und streich den Satz „Ich weiß es nicht“ am besten gleich aus deinem Wortschatz. Kein Patient will hören, dass sein Helfer keine Ahnung hat.“
    Inhapy räumte wieder alles fein säuberlich auf. Die meisten der Pflanzen hier wurden ebenso zum Kochen benutzt wie für ihre Medizin, daher wollte Inhapy aus beiden Gründen immer alles akkurat und sauber haben.
    “Die meisten Krankheiten kommen vom Essen. Schlechtes Essen, schlechtes Wasser, schlechte Geister. Und weil die meisten Krankheiten daher kommen, kann man die meisten auch mit anderen essbaren Sachen heilen. Zwiebel hilft bei Krankheiten des Blutes, Koriander bei Magenschmerzen, Bohnen und Linsen dienen zur Stärkung des Geistes…“
    Inhapy zeigte dabei immer auf die einzelnen Dinge.
    “Aber fürs Erste reicht das heute denke ich.“

    Offenbar hatte Inhapy eine scharfe Zwiebel erwischt und Ánthimos kochte wohl nicht häufig. Sonst hätte er bestimmt den Trick gekannt, einfach durch den Mund solange zu atmen, damit die Augen nicht brannten.
    “Wie willst du den Zwiebelsaft denn aus der Zwiebel bekommen ohne Wasser, und mit Honig vermengen? Das gäbe ja dann eher eine zähe Pampe als etwas, mit dem man Wunden waschen kann. Wenn du eine Salbe zum Auftragen machen willst, machst du das ohne Wasser, aber zum Auswaschen immer sauberes Wasser dazu. Oder Wein, das geht auch, ist aber teuer.“
    Nachdem Ánthimos alles fertig verrührt hatte und der Honig aufgelöst war, nahm Inhapy die Schale entgegen. Mit einem sauberen Lappen widmete sie sich dann dem töchterlichen Knie, das machte sie lieber selber. Bei dem Griechen würde ihre Tochter wohl schreien, und außerdem kam da bei Inhapy ganz einfach der Mutterinstinkt durch.
    Schnell war das Knie gewaschen und versorgt, und auch bald schon hörte das Weinen ganz auf.
    Als Inhapy schließlich fertig war, bekam die Tochter noch einen Kuss auf die Stirn und wurde von der Mama vorsichtig auf den Boden wieder runtergelassen. Aus dem Hinterhof drang das Freudenschreien der Geschwister, und schnell machte sich Nebet wieder auf, dem Ball wieder hinterherzuhetzen.
    Inhapy blieb zurück und wandte sich ihrem neuen Schüler wieder zu.
    “Das wichtigste ist, immer ruhig zu bleiben und immer dem Patienten das Gefühl geben, man hat alles unter Kontrolle. Angst macht viele Verletzungen schlimmer, als sie eigentlich sind. Und du musst immer den ganzen Menschen behandeln, nicht nur die Krankheit oder die Beschwerde.“

    Was waren das denn für barbarische Methoden, die Ánthimos da vorschlug? Vor allem bei einem so kleinen Kind! Nein, nein, gut, dass er zu ihr gekommen war, um was zu lernen, Penelope hätte sonst wohl einige Diskussionen führen müssen bei aufgeschürften Knien oder Händen. Salzwasser, auf was für Ideen die Griechen so kamen!
    Nebet hatte natürlich das mit dem Salzwasser gehört und weinte nun noch ein paar Oktaven höher, weil sie Angst bekommen hatte. Inhapy versuchte, sie durch ein bisschen streicheln wieder zu beruhigen, während sie sie auf die Tischkante setzte. Es brauchte ein wenig, bis sie ihre Tochter loslassen konnte, damit sie die nötigen Mittel holen konnte.
    Sie zog Ánthimos einfach ungefragt mit sich zu ihrem Kräutergarten und hielt ihm die jeweiligen Sachen immer unter die Nase, damit er sie sich auch genau anschaute.
    “Zunächst mal sollte Medizin zwar unangenehm sein, aber nicht mehr weh tun als das, was du behandelst. Salzwasser…. Griechen…
    Wir müssen die Wunde erstmal sauber machen. Hier, Zwiebel. Zerkleinern und ins Wasser damit. Und dazu noch Honig.“

    Während sie Anthi beobachtete, wie er die Lösung zusammenmixte, winkte sie aufmunternd zu ihrer Tochter herüber und lächelte sie an. Dem Mädchen war das alles nicht ganz geheuer, warum da jetzt noch ein Fremder da war, und sie weinte noch immer. Inhapy allerdings schenkte ihr nicht zuviel Mitleid, wohl wissend, dass dadurch das Weinen nur schlimmer würde. Stattdessen erklärte sie Ánthimos lieber, was es damit auf sich hatte.
    “Die Zwiebel hat reinigende Kräfte. Wenn du etwas mit Zwiebel einreibst, entzündet es sich nicht. Aber es brennt. Deshalb nicht den bloßen Zwiebelsaft, sondern mit Wasser verdünnt. Und den Honig, weil Honig ist mild und verklebt die Wunde. Dann hört sie auch sogleich auf zu bluten.“
    Bei dem bisschen Knie ihrer Tochter hatte es zwar schon längst aufgehört zu bluten, aber wenn Inhapy etwas beibrachte, dann richtig.

    Inhapy nickte stumm und wackelte dabei leicht überlegend mit dem Kopf. So ganz verstand sie noch nicht, worauf sie sich hier eigentlich grade eingelassen hatte, aber sie war der Überzeugung, dennoch alles unter Kontrolle zu haben. Penelope würde den Jungs dann schon was zu Essen geben, wenn es wirklich spät werden sollte, da hatte Inhapy gar keine Bedenken. Eigentlich war das wirklich eine Situation, in der sie beide nur profitieren konnten. Und gleichzeitig würde ihre Haushaltskasse einen kleinen Schub bekommen.


    Hinter Inhapy flog die Haustüre auf und ihre kleinste, die dreijährige Nebet, kam weinend auf ihre Mama zugelaufen. Sofort waren alle Gedanken an Lesen und schreiben vergessen und die Mutter kümmerte sich einfach um ihr Kind. Sie nahm das Mädchen gleich in die Arme und hoch und redete beruhigend auf sie ein und fragte, was passiert war.
    Zwischen den Schluchzern, und den hohen Schreilauten, die kleine Kinder beim Weinen nun mal von sich gaben, kam etwas raus, das so klang, als wäre sie dem Ball hinterher gerannt und dabei hingefallen. Jetzt war natürlich ein Knie aufgeschürft und blutete ein bisschen. Nicht schlimm, aber natürlich schlimm genug, dass es sofort von Mama verarztet werden musste.
    “Nun, Ánthimos, dann komm mal mit rein, dann bring ich dir gleich was über Schürfwunden bei.“

    So ganz war Inhapy immer noch nicht überzeugt, aber wenn dieser verrückte Grieche hier sie dafür bezahlen wollte, dass er ihre Kinder an zwei Abenden die Woche beaufsichtigte und sie nur die Mädchen dahatte, wollte es ihr recht sein. Wenn sie sicher wüsste, dass das Lesen ihren Jungs so viel einbrachte, hätte sie sie auch zuhause gelassen. Aber wenn diese nicht arbeiten gehen würden, hätte der Jude, für den sie arbeiteten, schnell zwei andere gefunden. Und diese Arbeit war zu gut, um sie zu riskieren.
    “Nagut, wie du meinst. Sollen meine Jungs dann zu euch kommen, oder willst du ihnen das hier beibringen?“


    Zu Cleonymus enthielt sich Inhapy. Sie mochte die gesamte Stadtwache nicht besonders, da hatte Cleonymus auch keinen Bonus, nur weil er Ägypter war.

    “Ánthimos, du bist auch Grieche. Sag mir, wer stellt einen Ägypter als Scriba ein?“
    Inhapy schien über seinen Vorschlag nicht wirklich glücklich zu sein. Man konnte ihr richtig zusehen, wie sie das Für und Wider gegeneinander abwog und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Offenbar war es alles andere als einfach, denn es dauerte eine ganze Weile.
    “Zwei mal die Woche, höchstens, und ich werde meine Jungs nicht zwingen, es zu lernen. Wenn die vom arbeiten heimkommen sind sie müde oder wollen spielen, wenn du ihnen das Lesen beibringen willst, dann versuch dein Glück.“
    Natürlich barg das eine Chance, das verstand Inhapy sehr wohl. Aber sie konnte nicht überzeugend gegen ihre eigene Meinung sein und ihre Jungs da zwingen. Hay und Bay waren kluge Burschen, aber sie wollte ihnen ein bisschen Kindheit gerne noch geben. Wenigstens in den stunden, in denen sie nicht arbeiten mussten, durften sie machen, was sie wollten. Natürlich würde sie Ánthimos auch ein wenig unterstützen, aber sie würde die Jungs nicht zwingen.