An ein paar Kinder verschenkt? Jetzt musste Penelope wirklich offen lächeln. So kannte sie ihren Mann schon eher, weichherzig und gutmütig. Und genau so hatte sie sich schließlich auch in ihn verliebt, weil er so ein gutmütiger Schelm war.
“Na, das muss ich mir überlegen, ob ich mich von so einem Schuft küssen lasse. Aber vielleicht, wenn er mir dabei den Nacken ein wenig krault, ließe sich darüber bestimmt verhandeln.“
Penelope liebte es, wenn er ihr den Nacken und die Schultern leicht massierte, und das wusste Ánthimos nur zu gut. Das war bei ihr fast so schlimm wie bei ihrem Kater, der sich mittlerweile schon zu einem kleinen Mäusefänger mauserte. Denn auch sie wurde bei einer Berührung des Nackens ganz zahm und schlapp und wollte am liebsten nur noch schnurren.
Aber lange konnte Penelope den neckischen Blick, den sie Anthi bei ihren Worten zugeworfen hatte, nicht beibehalten. Er fragte sie, wie viel sie verdiente, und nun waren ihre Gedanken doch wieder bei ihrem Gehalt. Seine Worte von vorhin aber, obwohl sie ein Scherz gewesen waren, verunsicherten sie nun doch ein wenig. Ihr Großvater hätte ihr wohl jede Arbeit verboten, die ihr mehr eingebracht hätte als er verdient hätte. Sie glaubte zwar sicher, dass Ánthimos da ganz anders war, aber ein klein wenig verunsichert war sie nun doch. Also war ihre Stimme auch ein wenig schüchtern und leise, als sie antwortete.
“Ich habe zweihundert Drachmen erhalten. Bekomme ich jetzt jede Woche.“
Beiträge von Penelope Bantotakis
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Seine Worte trafen Penelope richtig. Sie hätte sich ja aber auch denken können, dass ihr Mann nach einem langen Arbeitstag erstmal Hunger hatte und keinen Kopf dafür, was sie so freute. Immerhin war er ein großer und kräftiger Mann und sie kannte ja seinen Appetit inzwischen schon recht gut und wusste, wie viel Essen er verschlingen konnte. Und sie hatte noch nicht einmal eingekauft, so sehr hatte sie ihr Gehalt gedanklich gefangen genommen. Sie hätte ja auch wirklich mitdenken können. Ihr Großvater hatte schon recht, sie war manchmal wirklich zu nichts zu gebrauchen, weil sie nur träumte.
Sie wollte sich gerade schon ganz kleinlaut entschuldigen, als sie sah, dass er grinste. Es dauerte einen Moment, ehe sie verstand, dass das eben nur ein Scherz gewesen war. Gespielt beleidigt schubste sie ihn leicht von sich weg, aber nur so, dass er sich nicht wirklich von ihr entfernte. Vielleicht war sie zu lange unter der Fuchtel ihres Großvaters gewesen, um solcherlei Scherze gleich zu durchschauen. Auch wenn sie wusste, dass Ánthimos ihr sehr viele Freiheiten ließ und sie niemals so behandeln würde wie Philolaos es getan hatte, war dieses angelernte Verhalten einfach in ihr drin, so dass ihre Freude nun einen sehr herben Dämpfer erhalten hatte. Sie versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen ihm zuliebe, sonst machte er sich noch Vorwürfe deswegen, und lächelte wieder.
“Das ist gemein, wenn du sowas mit mir machst, du hast mich richtig erschreckt.“
Penelope versuchte, ihr Lächeln auch ihre Augen wieder erreichen zu lassen und dachte einfach schnell an etwas schönes. Wie zum Beispiel die letzte Nacht. Ja, schon hellte sich ihr Gesicht wieder etwas mehr auf.
“Ich hoffe, es genügt auch Brot, vor lauter Aufregung habe ich ganz vergessen, einzukaufen.“ -
Als die Tür aufging, war Penelope aufgeregt wie ein kleines Kind. Sie war ja schon so gespannt darauf, was er sagen würde. Von ihrem Großvater hatte sie nie ein Lob erhalten, egal was sie auch gemacht hatte. Philolaos war immer der Meinung gewesen, das es schon Lob genug war, wenn er nichts fand, über das er sich auslassen konnte. Und daher war Penelope geradezu ausgehungert nach einem kleinen Lob von jemandem, den sie liebte.
Sie stand auf und begrüßte Ánthimos mit einem Kuss, der leidenschaftlicher als ihre übliche Begrüßung ausfiel. Aber sie war schon so emotional aufgewühlt, dass sich das einfach in all ihrem Handeln schon niederschlug. Und wie sie ihren Mann kannte, würde er sich kaum über diese Art der Begrüßung beschweren.
“Ich habe heute mein erstes Gehalt gekriegt“, verkündete sie aufgeregt und stolz. Am liebsten wollte sie ihm gleich sagen, wie viel es war, aber andererseits wollte sie ihn auch ein wenig auf die Folter spannen. -
Ihr erstes Gehalt! Penelope war noch immer in freudiger Aufregung, denn sie hatte ihr erstes Gehalt erhalten. Sie hatte gar nicht geragt, wie viel sie wohl verdienen würde, und dass es nun sage und schreibe 200 Drachmen die Woche waren, war fast zu viel, als dass Penelope es wirklich begreifen konnte. Sie verdiente mehr in einer Woche als ihr Mann im ganzen Monat, obwohl er bestimmt die schwierigere Aufgabe hatte. Sie tat ja nur das, was sie am liebsten tat und machte Musik. Das machte sie schon ihr ganzes Leben lang, ohne dass irgendjemand auch nur einen Deut darum gegeben hätte. Und nun war sie im Haushalt der Bantotakis diejenige, die das meiste Geld nach Hause brachte. Das war überwältigend.
Penelope betrat immer noch freudig aufgelöst die Diamerisma und schloss hinter sich die Tür. Anthi würde sicher auch gleich von der Arbeit heimkommen, dann konnte sie ihm die Nachricht sagen. Oh, er würde sich bestimmt für sie freuen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es ihm etwas ausmachte, wenn sie mehr Geld im Moment verdiente. Es kam ja schließlich allen zugute, denn Penelope würde ihr Gehalt selbstverständlich an ihn abgeben.
Sie setzte sich an den Tisch in der Küche. Eigentlich hätte sie kochen sollen, aber irgendwie hatte sie dafür grade überhaupt keinen Kopf. Sie wollte nur noch Ánthimos Gesicht sehen, wenn sie es ihm freudestrahlend verkünden würde. Oh, sie hoffte, er kam bald nach Hause. -
Warum er gerade ihren tugendhaften Ruf so betonte, war Penelope schleierhaft. Er konnte ja nichts davon wissen, dass sie bereits schwanger war, und wohl auch nichts davon, dass sie schon mit Ánthimos zusammen wohnte. Wobei letzteres noch nicht einmal so schlimm war, viele Mädchen kamen schon vor der eigentlichen Ehe in den Haushalt der Familie des Ehemannes, um dort zu lernen. Nungut, diese Mädchen waren dann meistens elf oder zwölf Jahre alt… Penelope war da geringfügig älter. Dennoch nutzte sie die Sprachpause des Gymnasiarchos, sich genau über diesen Punkt Gedanken zu machen. Ihr Ruf war alles, was sie bislang hatte, und daher musste dieser untadelig bleiben. Solange sie keine weiteren Verdienste vorzuweisen hatte, war dies das einzige, auf das sie sich berufen konnte.
Auf die anschließenden Worte des Gymnasiarchos hin wechselte Penelope einen kurzen Blick mit ihrem Mann. Sie war froh, dass Anthi ruhig war, er lächelte sogar. Warum genau wusste sie zwar nicht, denn sie fand die ganze Situation eher anstrengend, aber andererseits beruhigte es sie auch. Also fand auch sie ihr Lächeln wieder und wandte sich so Nikolaos zu.
“Das wird nicht nötig sein. Ich denke, diese Mauern sollten genug Schutz für meinen Ruf bilden. Ich danke dir, werter Gymnasiarchos, für soviel Rücksichtnahme. Ich weiß es zu schätzen.“
Die Modalitäten betreffend des Festes, zu dem Nikolaos sie engagieren wollte, wollte sie lieber ein andermal besprechen, deshalb fragte sie da nicht weiter nach. Die Unterrichtsstunden wären aber schon etwas, was geklärt werden sollte, damit sie auch die nötige Zeit hatte.
“An welchen Tagen denkst du, dass du Zeit findest für den Unterricht? Schließlich möchte ich mir dann entsprechende Termine auch einrichten, damit ich es dich auch bestmöglich lehren kann.“ -
Warum nur schaute er jetzt zu ihr? Penelope bemerkte natürlich den Blick des Gymnasiarchos und erwiderte ihn einen Augenblick stumm. Lag es vielleicht daran, dass sie eben einfach ungefragt dazwischengeredet hatte? Nungut, es war ihre Entscheidung gewesen, jetzt musste sie mit den Konsequenzen auch leben. Allerdings wusste sie nicht genau, was der Gymnasiarchos hören wollte. In ihren Augen hatte Ánthimos das wichtigste ja schon gesagt, und sie wusste nicht, was es da noch anzufügen gab. Oder bezog sich seine frage auf die Frage davor nach den Tugenden eines Bürgers?
“Ein guter Bürger führt ein tugendhaftes Leben. Das bedeutet, er besitzt neben Ehre auch Pflichtgefühl, Stärke, Mut, einen wachen Geist und Gottesfurcht. Er verteidigt die Polis gegen ihre Feinde, so wie er seine Familie verteidigen würde. Auch mit Waffen, so die Pflicht es erfordert.
Ein guter Bürger versucht, sein Wissen zu mehren in den Künsten, die den Göttern gefallen. Er lernt dabei nicht für sich, sondern gibt sein Wissen auch an andere Bürger weiter. Denn die Kultur ist es, die uns von Barbaren unterscheidet, also sollte sie gefördert werden.“
Penelope hoffte, dass diese Antwort den Gymnasiarchos zufrieden stellte. Aber so wie sie ihn einschätzte, tat sie das wohl bestimmt, nicht, also fügte sie noch schnell hinzu:
“Ich bin sicher, dass es noch mehr gibt, was ich nicht weiß oder mir entfallen ist. Aber um zu lernen und an deinem Wissen, werter Gymnasiarchos, teilhaben zu können, sind wir ja auch gekommen.“Er konnte ja nicht erwarten, dass sie schon alles wußten.
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Penelope hatte keine Ahnung, wie der Gymnasiarchos für gewöhnlich war. Sie hoffte, dass er im allgemeinen netter und freundlicher war und nur grade schlechte Laune hatte, weil sie sich verspätet hatten. Vielleicht versuchte er deswegen Ánthimos mit seinen Worten so vorzuführen? Penelope selber verstand solcherlei Verhalten nicht, für sie war das eine Unart der Männer, ständig und stets zu zeigen, wer wem in welchem Gebiet überlegen war. Schwanzvergleich, wie Inhapy es so schön und auch häufig ausdrückte. Sie hätte dem Gymnasiarchos da irgendwie mehr zugetraut, aber scheinbar war er in der Beziehung auch nur ein Mann.
Sie für ihren Teil fand Ánthimos’ Antworten sehr gut und auch sehr präzise. Und er war auch immerhin der einzige von all diesen jungen Männern, die es überhaupt gewagt hatten, etwas zu sagen. Vermutlich kannten die anderen den Gymnasiarchos einfach schon und hatten keine Lust gehabt, so vorgeführt zu werden. Aber sie kannte ihren Mann auch und sah ihm an, dass er es nicht mochte, so angesprochen zu werden. Und dabei war er doch eigentlich eher sanftmütig.
Also fasste Penelope einen für ihre Verhältnisse tollkühnen Plan. Sie war eine Frau und daher erwartete von ihr ohnehin niemand tiefschürfende, philosophische Erkenntnisse. Wenn sie sich dem Spott des Gymnasiarchos aussetzte, war das nicht halb so kränkend. An ihr konnte er ruhig seine niederschmetternden Worte auslassen, sie war solche Verhaltensweise von ihrem Großvater zu genüge gewohnt. Natürlich tat auch ihr Spott weh, aber bei weitem nicht so sehr, wie es wohl jedem der ehrbaren jungen Männer hier ergangen wäre.
“Aber ist es nicht so, dass ein solches Amt auszufüllen eine Ehre ist und sich daher auch genug ehrbare Griechen finden, die sich mit Freuden einer solchen Pflicht annehmen? So dass man niemanden, der unwillig ist, dies zu tun, überhaupt in die Lage bringen muss, sich dafür zu entscheiden?“
Penelope hatte zumindest noch nie gehört, dass jemand, der wirklich nicht wollte, gewählt worden wäre. Natürlich sagten immer alle gewählten, mit welch schwerem Herzen sie ihr Amt antraten, aber sie wusste, dass das Quatsch war. Natürlich war die Arbeit nicht so gut bezahlt wie manch andere, aber die Macht, die damit einherging, die gab wohl keiner so leichtfertig aus der Hand. -
Ohje, wie kam sie da nun raus? Sie konnte ja wohl kaum sagen, dass sie das als unanständig ansah, in das Haus eines fremden Mannes zu gehen. Und was Anthi davon hielt, brauchte sie gar nicht erst zu fragen. Da reichte ein Blick hin und wieder zu ihm, denn im Gegensatz zu Nikolaos sah Penelope sehr wohl seine Reaktionen. Ihm gefiel die Sache noch weniger als ihr. Aber er war doch der Gymnasiarchos! Dem konnte sie doch kaum „nein“ sagen? Oder doch?
“Ja, gewiss weiß das jedermann, und dennoch wird immer geredet. Vor allem, da ich nun mal eine Frau bin, und du, werter Gymnasiarchos, auch nicht verheiratet. Ich habe noch nicht einmal einen Sklaven, den ich mitbringen könnte. Ich bin mir sicher, dass mir in deinem Hause keine Gefahr droht, werter Gymnasiarchos, aber für die Augen der Welt wäre das doch wohl sehr ungebührlich, wenn ich so völlig alleine zu dir in dein Haus käme und da allein mit dir wäre.“
Hoffentlich überzeugte ihn das jetzt. Denn sonst fiel Penelope wirklich keine Ausrede mehr ein, warum sie nicht zu ihm gehen sollte und den Unterricht bei ihm abhalten. Und vor allem solange Ánthimos hier auch noch im Raum war, wollte sie vermeiden dem Gymnasiarchos da einfach leichtfertig zuzusagen. -
Sie wollte sich schon wieder dafür entschuldigen, dass sie sich entschuldigt hatte, aber Pelo sagte nichts. Es war ja wirklich fast zum lachen, wie sie sich benahm. Aber da konnte die Griechin einfach nicht aus ihrer Haut, so war sie nun mal. Und sie war so glücklich, dass Anthi sie trotzdem liebte.
Natürlich bekam er seinen Kuss. Auch wenn sie grade noch mitten auf der Straße waren und es sich da eigentlich nicht gehörte. Aber wie könnte sie dieser verführerischen Einladung schon widerstehen? Sie versuchte einen Moment noch, den Kuss züchtig zu halten, aber schon bald war er doch leidenschaftlicher als geplant. Mit roten Wangen sah Penelope kurz zu Boden, als sie den Kuss wieder löste.
“Aber wehe du kommst auf die Idee, meinen Chiton anzuziehen. Aber wenn du magst, können wir zuhause gleich probieren, wie er mir steht.“ -
Jetzt war er böse auf sie, oder zumindest enttäuscht. Da fühlte sich Penelope gleich noch einmal ein wenig schlechter. Nicht nur, dass sie in ihre Haushaltskasse so ein Loch gesprengt hatte, jetzt war sie auch noch undankbar. Sie konnte seinem Blick daher auch nicht standhalten. Sie freute sich ja wirklich über den Chiton, er war wunderschön. Und natürlich stimmte das alles, was er sagte. Nunja, außer das mit dem „lieber nichts essen“, da war ihr Mann wohl sehr romantisch. Aber Penelope wusste, wie es war, eine Woche lang nichts zu essen, daran gab es absolut nichts romantisches.
“Tut mir leid. Der Chiton ist ja auch wirklich schön, und ich finde es sehr lieb von dir, dass du ihn mir gekauft hast. Ich wollte nicht schimpfen.“ -
Nachdem das Geld seinen Besitzer gewechselt hatte, verabschiedete sich Penelope noch mit einem kleinen Lächeln von dem Schneider. Wenn man ihr auch ansehen konnte, dass sie nicht wie ihr Mann so wunschlos glücklich war. 50 Drachmen für einen einfachen Chiton, das war so viel Geld. Nungut, der Chiton war wirklich wunderschön, aber dennoch hatte Penelope nicht das Gefühl, etwas so herausragendes verdient zu haben.
Als sie also die Schneiderei verlassen hatten, zog sie Ánthimos erst einmal zur Seite. Wenn sie unter sich waren, musste sie ehrlich zu ihm sein können. Und er sollte wissen, dass sie das für zuviel gehalten hatte.
“Anthi. Also, der Chiton, er ist wunderschön, aber, meinst du nicht… das war so viel Geld, und für nur einen einzigen. Davon hätten wir auch zehn kaufen können, oder sparen können für die Hochzeit. Ich meine, das ist so… das hab ich doch gar nicht verdient.“
Der letzte Satz war sicherlich etwas übertrieben und verlegen schaute Penelope zu Boden. Aber genau das war es, was sie fühlte. Womit hatte sie soviel Glück und soviel Luxus denn verdient? Sie hatte doch noch gar nichts gemacht, womit sie solch ein edles Geschenk hätte verdienen können. Sie war von ihren Gefühlen her immer noch die Frau, die in Rhakotis lebte und von ihrem Großvater beinahe täglich zu hören bekam, wie nichtsnutzig sie doch sei. -
Werte Penelope, das hörte sich so ungewohnt an. Vielleicht hatte sie einfach nicht genug Selbstvertrauen, um so eine förmliche Anrede gelassen aufzunehmen. Für sie war das schon beinahe zuviel der Ehre, auch wenn den Griechen im Allgemeinen ja schon nachgesagt wurde, gerne zu übertreiben. Dass Nikolaos sie selber so über den grünen Klee lobte, wo er sie doch noch ebenso wenig hatte spielen hören, war ihr fast schon unangenehm. Aber sie ließ es sich nicht anmerken und durchdachte lieber seinen Vorschlag.
“Nun, einmal in der Woche wäre für den Anfang und für das Ziel, das du dir gesetzt hast, sicherlich genug. Aber meinst du nicht, es könnte deinem Ruf abträglich sein, wenn jede Woche eine unverheiratete Frau für ein paar Stunden in dein Haus kommt?“
Penelope wäre es lieber, sie würden den Unterricht im Museion abhalten. Natürlich würde sie es nicht wagen, dem Gymnasiarchos zu widersprechen, das lag nicht in ihrer Natur. Aber Nikolaos stand im öffentlichen Interesse, und wenn sie einmal die Woche in sein Haus gehen würde für mehrere Stunden, konnte sie sich das Getuschel schon vorstellen. Noch dazu, wo Ánthimos bei seinem Konkurrenten, Mitridates Castor, arbeitete. Nicht, dass es da zu Spannungen kam, oder Ánthimos noch böse auf sie wäre.
Penelope fühlte sich ein wenig zwischen die Fronten geraten. Sie konnte nicht widersprechen, niemandem. Das war als Frau ihre größte Tugend und auch ihr schlimmster Fehler. Das Selbstvertrauen musste sie erst noch lernen. -
Oh, diese Frage war gemein. Penelope gefiel der Chiton ja wirklich, er war einfach wundervoll. Und der Stoff war ganz weich und die Farben so kräftig. Es war wirklich der perfekte Chiton, gerade auch die Muster. Aber 50 Sesterzen, das war einfach viel Geld.
Penelope lächelte einmal dem Schneider entschuldigend zu und trat dann nahe an Ánthimos, damit sie mit ihm flüstern konnte. Es musste ja nicht jeder ihre Gedanken mitbekommen.
“Das ist soviel Geld, Anthi. Fast zwei Wochengehälter von dir. Du kannst doch nicht soviel für mich ausgeben? Der Chiton ist wirklich hübsch, aber ein günstigerer erfüllt doch auch seinen Zweck? Der weiße war doch ganz hübsch.“ -
Anscheinend wollte Ánthimos ihr unbedingt diesen Chiton kaufen. Penelope fand ihn ja auch wirklich, wirklich hübsch, aber als der Schneider seinen Preis nannte, konnte sie sich nichtmal vorstellen, mit dem besten Verhandlungsgeschick der Welt ihn sich leisten zu können. Aber Anthi war ein alter Sturkopf. Sie wollte schon sagen, dass sie nach einem anderen Kleidungsstück schauen wollte, als ihre bessere Hälfte anfing, zu verhandeln.
Penelope drehte sich zu ihm um und versuchte, ihn mit einem Blick davon abzuhalten. Er handelte hier in Höhe von zwei Wochengehältern, und für die Hochzeit mussten sie schließlich auch noch sparen. Wenn er hier schon soviel Geld ausgab, was würde er dann erst bei ihrer Hochzeitsgarderobe machen? Penelopes Mitgift war da sehr überschaubar klein.
Aber als Ánthimos dann Urgulania erwähnte und seinen Namen nannte, war der Preis doch wieder bei dem, was Anthi anfangs geboten hatte. Auch wenn das immer noch viel zu hoch war! Penelope fand es ja furchtbar lieb und süß, aber da würde sie mit ihrem Mann nochmal drüber reden müssen. Aber nicht hier vor Fremden. -
Penelope hoffte, dass Ánthimos es wirklich wusste und nicht nur ihre kleinen Stichpunkte gehört und jetzt eben laut verkündet hat. Sie glaubte, die Antwort auf die Frage zu kennen, traute sich aber nicht, diese Anthi nun zuzuflüstern. Der Gymnasiarchos sah auch direkt zu ihnen herüber, und das würde wohl einen wirklich schlechten Eindruck machen. Aber ihr Mann hatte ja auch eine gute Bildung genossen, und wenn seine Eltern dabei nur halb so pingelig wie ihr Großvater waren, würde er es sicherlich auch wissen. Ansonsten würde sich Penelope wohl den restlichen Tag mit einem schlechten Gewissen herumschlagen.
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Die Tür ging auf, und ein Blumenstrauß kam hereingelaufen. Unter anderen Umständen wäre Penelope vor Freude jauchzend zu Ánthimos hinübergelaufen, aber im Moment war sie da nun doch etwas perplex. Als Ánthimos meinte, er hätte wohl besser angeklopft, konnte sie sich ein verliebtes, kleines Lächeln in seine Richtung allerdings doch nicht verkneifen.
Doch dann forderte Nikolaos sofort wieder ihre volle Aufmerksamkeit. Seine kleine Rede zeigte, dass er wirklich Philosphos und Lehrer der Redekunst war. Penelope konnte ihm zwar problemlos folgen, aber doch war das etwas anderes als der Plauderton, in dem sie gewöhnlicherweise sprach. Sie hoffte, der Gymnasiarchos war nicht enttäuscht, wenn sie dennoch bei ihrer normalen Redeart blieb, denn Pelo war sicher nicht wortgewandt genug, ihm in ebensolcher Art zu antworten.
“Wie könnte es zu schäbig sein, jemanden die Kunst Apollos zu lehren? So schlecht kannst du gar nicht sein, werter Gymnasiarchos, als dass ich es dir nicht mit Freuden beibringen würde.“
Penelope bemerkte das Grinsen, dass er ihrem Mann schenkte nicht. Sie hätte zwar vermutlich auch nicht anders reagiert, wenn sie es mitbekommen hätte, aber so war sie nur etwas nervös, ob das nun keine negativen Auswirkungen auf ihrer beider Ephebia haben würde.
Sie warf noch einen Blick zu Ánthimos hinüber. Er hatte seinen Namen wirklich zurecht. Ánthimos, der Blumenreiche. Penelope hatte noch nie einen Blumenstrauß geschenkt bekommen, zumindest nicht von einem Mann und erst recht keinen so großen. Das war richtig süß. -
Der weiße Chiton gefiel Penelope, der sah irgendwie edel aus, und doch schlicht. Aber kaum hatte sie das Wort Museion erwähnt, verschwand der Mann auf einmal. Sie hörte etwas rumpeln und poltern und auch ein paar unfreundliche Worte, ehe der Mann wieder kam. Der Chiton, den er bei sich hatte, war wirklich wunderschön. Ganz zaghaft kam Penelope näher, um ihn sich genauer anzusehen. Das Muster war wirklich wundervoll, und der Stoff schien so edel. So etwas Schönes hatte sie schon ewig nicht mehr besessen. Es war fast wie aus einer anderen Welt. Aber sie war sich sicher, dass dieser Chiton selbst mehr als 30 Drachmen noch kosten würde. Aber die Arbeit war wirklich herrlich.
Als Anthi nach dem Preis fragte, drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. Das musste er doch sicher auch sehen, dass dieses Stück definitiv zu edel war und in ihre Haushaltskasse ein doch recht großes Loch reißen würde. Sie wollte nicht, dass er soviel Geld für sie ausgab. Sie liebte ihn wegen seiner Selbst, nicht wegen des Geldes, und wie um das zu beweisen wollte sie deshalb keine teuren Geschenke von ihm. -
Ganz so hübsch wie Anthimos fand Penelope den ausgewählten Chiton nun nicht, aber er war auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung zu ihrem jetzigen. Ihr jetziger war wie alle ihre Chitons grau und verblasst, nichts mehr zu sehen von der einst leuchtenden Farbe. Und der ausgewählte hatte ein schönes blau, und Penelope liebte eigentlich blau. Sie war sich nur nicht sicher, ob das für das Museion auch angemessen war.
Als Ánthimos allerdings dann eine Summe nannte, die wie Penelope sehr wohl wusste seinem Wochenlohn entsprach, war das vergessen und sie schaute ihren Mann erstmal entgeistert an. Er konnte doch für sie nicht so viel Geld ausgeben! Das war doch viel zu viel! Und doch nicht für einen einzelnen Chiton.
“Aber, Anthi, das…“
Sie wollte ihm aber auch vor dem Schneider nicht so offen widersprechen. Immerhin war er der Mann und sie nur eine Frau, und sie wollte ihn da nicht bloßstellen. Aber ihr Blick sagte wohl deutlich, dass sie das für zu viel hielt. Ein normaler Chiton kostete nur fünf Drachmen, das Sechsfache dafür zu zahlen war zuviel.
“Es kann auch ein wenig günstiger sein“, meinte sie also nur an den Schneider gewandt. Sie wollte ja nicht, dass Anthimos soviel Geld für sie ausgab. Wenn sie auch arbeitete wäre das zwar vermutlich rasch wieder in ihrer Haushaltskasse, aber deswegen musste man ja nicht verschwenderisch damit sein.
“Ich beginne übermorgen am Museion als Musiklehrerin“ als Philologos wollte Penelope nicht sagen, das klang zu wichtig für eine Person wie sie “und brauche also etwas passendes dafür.“ -
So schnell konnte es gehen, und schon hatte man einen Schüler. Und was für einen, gleich. Penelope fühlte sich geradezu geschmeichelt.
“Selbstverständlich unterrichte ich dich liebend gerne. Die Ehre läge ganz auf meiner Seite, werter Gymnasiarchos.“
Es wäre ihr tatsächlich eine sehr große Ehre, einer so hochgestellten Persönlichkeit noch etwas beibringen zu können. Sie hätte nicht geglaubt, dass sich auch ein gewählter Pyrtane für so etwas interessieren könnte. Sie hatte vielmehr mit jüngeren Knaben und Mädchen gerechnet, die von ihren Eltern dazu genötigt werden würden, es zu erlernen. Aber so war es ihr eine doppelte Freude.
“Oh, und ob ich wirklich so eine vortreffliche Musikerin bin, muss ich erst noch beweisen. Aber dafür wäre ein Fest sicher eine gute Gelegenheit.“ Penelope konnte einfach nicht angeben. Ánthimos tadelte sie deswegen schon immer und meinte, sie stelle ihr Licht unter den Scheffel. Aber sie war einfach bescheiden und konnte da nicht aus ihrer Haut heraus.
Dass Nikolaos selber unterrichtete, wusste sie so noch nicht. Sie hatte es sich denken können, als Gymnasiarchos gab er ja auch im Gymnasion Unterricht. Aber dass er sich hier auch noch betätigte, war ihr neu.
“Nein, bislang wusste ich es noch nicht. Dann sind wir ja Kollegen, wenn auch nicht ganz auf gleichem Fach, wenn man auch für beides seine Stimme nutzbringend einsetzen sollte. Du scheinst ein Mann mit vielen Talenten zu sein. Ich hoffe, dir bleibt dann noch genug Zeit, zu üben, bei so vielen Beschäftigungen.“
Es war nicht vorwurfsvoll gesprochen, Penelope machte sich nur wirklich darüber kurz Gedanken. Wenn man wirklich nicht nur ein bisschen auf der Kithara herumklampfen wollte, sondern vernünftig spielen, musste man Zeit investieren. Und wenn Nikolaos als Gymnasiarchos und Philosophos Pflichten hatte, war die wahrscheinlich begrenzt. -
Das war der Gymnasiarchos. Welch Überraschung! Penelope hätte unter allen Möglichkeiten Nikolaos Kerykes vermutlich am wenigsten von allen erwartet.
“Chaire, Gymnasiarchos. Ja, ich war selbst ein wenig überrascht, dass Sosimos von Korinth mich gleich eingestellt hat, obwohl ich die Ephebia noch nicht abgeschlossen habe. Oh, aber setz dich doch.“
Penelope musste sich an ihr neues Arbeitszimmer erst noch gewöhnen. Sie hatte so beinahe vergessen, dass sie hier nicht stehen mussten sondern sie auch sehr bequeme Stühle hatte. Ein Sklave hatte sogar gefragt, ob sie einen gepolsterten Sessel haben wollte, aber sie hatte für sich auch nur einen einfachen Stuhl. Wenn man in seiner Sitzunterlage versank konnte man nicht richtig spielen.
Also bot sie Nikolaos einen Stuhl an und begab sich selber auch zu ihrem Schreibtisch. Es war noch so ungewohnt alles, aber das würde sich schon noch alles ändern, wenn sie erst einmal ein paar Schüler hatte.
“Und zum Unterrichten: Also, ich habe es vor. Noch habe ich keinen Schüler. Und ob nun die Kithara wirklich Apollons liebstes Instrument ist, darüber lässt sich wohl streiten. Immerhin war die Lyra ein Geschenk von Hermes an ihn, und so etwas hat dann vermutlich selbst für einen Gott einen besonderen Wert. Aber ich hatte ohnehin vor, beides zu unterrichten, von der Spielweise sind sich beide Instrumente doch sehr ähnlich, und auch vom Klang.“
Penelope hoffte, sie redete nicht zu viel. Sie musste sich in die Rolle als Lehrerin erst noch richtig einfinden und hatte immer noch dauernd Angst, etwas zu vergessen oder falsch zu machen. Aber vermutlich würde sich auch das eines Tages legen. Hoffentlich.