Beiträge von Penelope Bantotakis

    "Oh, das hab ich sie gar nicht gefragt. Ich bin wohl zu nachlässig. Aber ich muss übermorgen ohnehin noch mal hin, da kann ich ihr ja vielleicht noch mal ein bisschen was geben. Mein Rücken verheilt gut, meinte sie. Sie hat mich nur ein bisschen gepiekst, damit das Jucken verschwindet. Es ist auch schon viel besser."
    Ein bisschen zögerlich war Penelope immer noch. Vielleicht erzählte sie ganz der Reihe nach, was passiert war? Dann hatte sie ein bisschen Zeit, sich darauf noch vorzubereiten.
    "Aber Inhapy hat grade ein paar andere Probleme. Sie wollte einer Freundin helfen, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Bei den Ägyptern ist das ja anders mit der Ehe. Auf jeden Fall kam der Mann dieser Frau und hat ihr ein ordentliches Veilchen verpasst, als er seine Frau wieder abgeholt hat. Sieht wirklich schlimm aus, auch wenn Inhapy meint, das wäre nichts."
    Penelope machte sich da wirklich sorgen um ihre Freundin. Warum musste sie sich auch so in Gefahr begeben?

    Sie streichelte wieder einmal sanft über seine Wange.
    "Dann denk an sie, wie sie war, und behalte diese guten Tage in Erinnerung, und bringe für sie ab und zu ein Opfer dar, um ihr Andenken zu bewahren. Ich glaube, sie würde nicht wollen, dass du traurig bist."
    Penelope lächelte ihm aufmunternd zu und genoss noch ein wenig die Vertrautheit dieses Moments. Ein bisschen nagte ihr Gewissen an ihr. Sie war gestern bei Inhapy gewesen, und die Ungewissheit, ob sie nun schwanger war oder nicht, ließ sie sehr nervös werden. Es war auch der vollkommen falsche Zeitpunkt dafür. Sie und Ánthimos waren ja noch nicht einmal verheiratet. Und Geld hatten sie auch keines, und die Wohnung war auch zu klein. Ganz zu schweigen davon, was Ánthis Bruder dazu sagen würde. Oder ihr Großvater.
    Aber Ánthimos wollte Kinder haben, hatte er ihr gesagt. Und er sprach gerade von Familie, und wie wichtig sie doch war. Und er hatte ihr gerade ein Geheimnis anvertraut. Konnte sie da eines vor ihm haben?
    Aber, was war, wenn sie doch nicht schwanger war? Noch hieß es ja, zwei Tage zu warten. Und wenn sie ihm jetzt sagte, sie wäre schwanger, und dann war es gar nicht so? Würde er sich dann freuen oder wäre er dann traurig?
    "Ich war gestern auch noch bei Inhapy, wegen meinem Rücken."
    Warum sie jetzt genau mit diesem Thema anfing, wusste Pelo selber nicht so genau.

    Er hatte getötet, und das verfolgte ihn jetzt. Penelope begann langsam zu verstehen. Deshalb auch die Alpträume in der Nacht. Sie wollte ihn nicht irgendwie erniedrigen, immerhin könnte jemand vorbeikommen, deshalb widerstand sie ihrem ersten Impuls. Wenn sie ihn jetzt an sich zog, würde er vielleicht weinen, und sie waren nicht daheim, wo er es verbergen konnte. Diese Schmach wollte sie ihm nicht antun.
    Stattdessen ging sie mit ihrem Kopf ein bisschen vor und gab ihm einen unendlich sanften Kuss auf den Mund. Mit einem Blick voller Liebe sah sie ihm direkt in die Augen.
    "Du hast deinen Vater gerächt. Das war eine richtige Tat. Diese Männer haben sich als Leibwächter für diesen Mann bezahlen lassen. Also waren seine Feinde ihre Feinde. Einen Feind zu erschlagen ist kein Mord. Ach Anthi, mein zarter, süßer Ánthimos. Verfolgt es dich? Lass uns ein Schaf opfern für Hades, damit er diesen Schatten Einhalt gebietet, die dich so geißeln. Ich liebe dich so sehr."
    Sie wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Er hatte eine so zarte Seele, dass er sich darüber solche Gedanken machte. In diesem Moment wusste Penelope, dass sie ihn mehr als alles auf der Welt liebte und wohl immer lieben würde.

    Eine Woche später war Penelope wie versprochen wieder bei Inhapy. Die Versuchung, auch nach ihrem Großvater zu sehen war sehr groß, aber sie hatte versprochen, nicht allein zu ihm zu gehen, und daran hielt sie sich. Als die Ägypterin ihr die Tür öffnete, wäre Penelope beinahe vor Schreck umgefallen.
    Inhapy, was ist mit deinem Auge?“ Pelos arme Freundin hatte einen großen Bluterguss über dem Auge, der das ganze lila umrandete. Es schien aber schon mindestens zwei Tage alt zu sein, es war nicht mehr geschwollen.
    “Komm erstmal rein Pelo. Ich erzähl es dir drinnen.“
    Ein wenig verstört trat Penelope in das Haus ein und sorgte sich sehr. Ihr juckender Rücken war vollkommen vergessen, sie wollte wissen, was passiert ist. Noch eine andere, alte Frau war im Raum, die Penelope nicht kannte. Auch eine Ägypterin, die kurz grüßte und dann sich wieder ihrem getränk widmete. Penelope setzte sich auf den angebotenen Hocker und schaute Inhapy fragend und erschrocken an.
    “Schau nicht wie eine Gans, Pelo. Es heilt ja schon.“
    Ja, aber wer war das? Amosis hat doch nicht etwa…?
    “Was, Amosis? Mach dich doch nicht lächerlich. Mein Mann ist vieles, aber kein Schläger. Der sollte sich trauen, dem würd ich die Ohren schon langziehen.
    Nein, nein, das war der Mann einer Freundin. Sie wollte sich scheiden lassen und ich hab sie und die Kinder bei mir erstmal aufgenommen.“

    Penelope drehte sich fragend zu der anderen Frau im Raum um. Die sah nicht so aus, als müsse man ihre Kinder noch mit aufnehmen, die Frau war bestimmt schon über fünfzig. Die lächelte aber nur und schüttelte den Kopf.
    “Was? Nein, nicht Aneksi, sie ist auch Hebamme. Nein, meine Freundin ist auch schon wieder weg. Ihr Mann, möge Seth seine Seele holen und in der Wüste verdorren lassen, hat sie und die Kinder auch wieder mitgenommen, vorgestern. Ich konnte ihn nicht aufhalten, und Amosis war mit den Jungs bei der Arbeit. Dabei ist das passiert. Aber es heilt schon wieder. Mir tut eher die arme Neferu leid. Sie wird sich wohl diesem Schwein wieder fügen. Und dabei hatte ich sie schon hier im Haus.“
    Das hörte sich ja furchtbar an! Penelope saß da mit offenem Mund und hörte sich die Geschichte an. Das war ja schrecklich! „Und kann man ihr nicht irgendwie helfen?
    “Wer denn? Sie ist doch wieder mit ihm mitgegangen. Und die Rhomäer interessiert doch eh nicht, was die Männer hier unten mit ihren Frauen machen.“
    Da hatte Inhapy leider recht, wie Penelope wusste. Aber dennoch war sie geschockt, dass ihre arme Freundin deswegen nun einen Schlag abbekommen hatte. Sie saß da, und wusste gar nicht, was sie jetzt machen sollte.


    Aber Inhapy hatte ohnehin anderes mit ihr vor.
    “Jetzt sag, wie geht es deinem Rücken?“
    Was? Ach der, das ist schon fast verheilt. Es juckt zwar unter der Kruste an manchen stellen noch furchtbar, aber das schlimmste ist weg. Sind nur noch zwei kleinere Stellen verkrustet, die jucken dafür schlimmer als die großen Stellen die Tage davor.
    “Ja, wenn es juckt, heilt es. Lass mich mal anschauen.“
    Penelope schlüpfte also aus ihrem Chiton und ließ sich eingehend begutachten. Als Inhapy eine Nadel rausholte, bekam sie zwar ein wenig Angst, aber es half. Die Hebamme piekste an ein paar Stellen in die Kruste auf dem Rücken, ganz vorsichtig, und das Jucken verschwand.
    “Es juckt nur so sehr, weil die Kruste so groß ist. Jetzt hängt sie nicht mehr so zusammen und kann sich abarbeiten. Aber lass ich jetzt noch mal anschauen, Penelope. Du strahlst ja richtig.“
    Penelope lächelte schüchtern. Ja, Ánthimos Gegenwart tat ihr wirklich gut. Als sie sich wieder anzog, kam nun auch die alte Frau, die Inhapy Aneksi genannt hatte herüber, und ähnlich wie Inhapy vor einer Woche schaute auch sie ihr seltsam gründlich in die Augen. So langsam wurde das Penelope schon unheimlich.
    “Was meinst du?“
    ”Könnte schon sein, sieht fast so aus.
    Was? Was sieht wie aus? Inhapy?


    Inhapy ging vor ihr in die Hocke und hatte dieses beruhigende Lächeln, das Penelope grade alles andere als beruhigte.
    “Sag, Pelo, hast du diesen Mond schon geblutet?“
    Penelope fühlte sich mit einem Mal sehr unsicher und ahnte schon was. „Ich bin ein bisschen spät dran, aber das kommt schon noch."
    Die beiden Hebammen wechselten einen Blick und lächelten sich an.
    “Nein Schätzchen, das kommt nicht mehr.“
    Penelope schaute fragend und etwas ängstlich zwischen den beiden hin und her. „Aber… das könnt ihr doch nicht bei einem Blick in mein Gesicht sehen! Gibt es da keine Möglichkeit, das festzustellen?
    Es war viel zu früh! Sie und Ánthimos waren noch nicht einmal verheiratet! Das ging doch nicht einfach so.
    Wieder wechselten die beiden Hebammen einen Blick, bis die ältere schließlich in der wohl gedanklichen Unterhaltung nachgab und nickte.
    “Komm mal mit.“
    Die beiden führten sie keine zehn Schritte weiter zu einem Eimer. Die Ältere der beiden holte ein Beutelchen hervor und schüttete dessen Inhalt in den Pot. Verdutzt sah Penelope darauf. Das waren Getreidekörner. Gerste und Weizen, wenn sie nicht ganz falsch lag.
    “Pinkel drauf.“
    Was?
    ”Du wolltest doch einen Test. Bitte, pinkel drauf. Wenn was wächst, bist du schwanger.“
    Penelope sah von einer Hebamme zur anderen und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Aber bitte, sie wollte ja unbedingt einen sicheren Test. Also tat sie, wie ihr geheißen, wenn das auch vor Publikum gar nicht so einfach war.
    Als sie schließlich zur Zufriedenheit der beiden Hebammen dann fertig war, sah sie etwas fragend in den Eimer. „Und wie lange muss man da jetzt warten?
    “Drei Tage. Wenn es dann gewachsen ist, hast du deine Gewissheit.“


    Penelope schluckte. Das würden sehr lange drei Tage werden.

    Als Ánthimos so plötzlich hereingestürmt kam, erschrak Penelope ziemlich. Und schon wieder fuhr ihr der Schmerz in den Rücken. Sie biss leicht die Zähne zusammen und lächelte entschuldigend. Sie hätte auch besser aufpassen können.
    Ein bisschen verwirrt folgte sie Anthis Ausführungen. Sie hatte nur so halb mitbekommen, was da draußen passiert war. Seit dem lauten Scheppern war es ziemlich still geworden, und sie konnte nicht hören, was gesagt worden war.
    Also nickte sie ihrem Mann zu und trat in den Hauptraum der Wohnung. Da saß ein dunkelhaariges Mädchen ziemlich zusammengezogen auf einem Stuhl und weinte offenbar, und Timos saß direkt neben ihr mit dem Arm um ihre Schulter und versuchte wohl, zu trösten. Ein bisschen verwirrt schaute Penelope zu Anthimos. Wenn sein Bruder schon gerade am Trösten war, konnte sie auch nicht viel mehr tun. Zwei waren bei so etwas manchmal einer zuviel, und so, wie das Mädchen da saß, kapselte es sich gerade ziemlich ab.
    Sie ging ganz langsam auf die andere Seite des Mädchens, so dass diese sie sehen konnte. Falls Timos doch irgendwie gemein war, war sie so zur Stelle und konnte das Mädchen ihm abnehmen. Aber erst einmal ließ sie die Situation weiter laufen.

    Seine Sprache wurde immer holpriger und seine Stimme immer zittriger. Penelope hätte ihm so gerne geholfen, aber sie wusste nicht, wie. Sie konnte nur für ihn da sein und seine Hand halten. Wie gerne hätte sie diese schlechten Erinnerungen mit einem einfachen Kuss oder einem einfachen Wort gut gemacht, aber sie konnte es nicht. Sie hatte nicht ein Fläschchen vom Fluss Lethe, dass ihn vergessen machen könnte, und sie war auch keine Nymphe, die ihn mit einem Lied einfach in süße Trance versetzen konnte. Sie konnte nur neben ihm sitzen und ihm zuhören, und hoffen, dass es reichte.
    "Dein Vater war ein kluger Mann, und ihr habt gut daran getan, das Unrecht rächen zu wollen."
    Entweder hatten sie es nicht geschafft oder etwas anderes musste passiert sein, aber Penelope verstand nicht, was es sein könnte.

    Hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er sie angelogen hatte? Penelope suchte Anthis Blick, aber er schaute auf einen unbestimmten Punkt in die Ferne, als würde er sich furchtbar schämen. Sie rückte noch ein wenig näher zu ihm und streichelte mit einer Hand sanft sein Gesicht, während die andere weiter seine Hand festhielt.
    "Das war der Sturm, von dem du erzählt hast? Als Poseidon dich und deine Brüder gerettet hat? Es ist in Ordnung, dass du nicht gesagt hast, dass es ein Sklavenschiff war. Ich hätte das vermutlich auch nicht herausposaunt. Ich liebe dich, Ánthimos. Egal, was du warst, bevor wir uns kennen lernten."
    Schämte er sich so sehr, Sklave gewesen zu sein? Es war ja auch nicht lange, so wie sie es verstanden hatte. Penelope hatte so viel Mitgefühl für ihn. Wie schrecklich musste er wohl leiden, da seine Mutter noch gefangen war? Dass er sie liebte hatte sie sehr deutlich hören können. Aber sie wollte ihm jetzt nicht sagen, dass alles gut werden würde, sie seine Mutter schon finden würden und dann befreien. Die Chancen dazu waren vermutlich sehr gering, und sie wollte keine falsche Hoffnung in ihm wecken.

    Penelope hörte Ánthimos aufmerksam zu. Es lag ihm auf der Seele, und offenbar war es ein Geheimnis, also sagte sie kein Wort, während er redete. Seine ersten Sätze verwirrten sie ein wenig, denn sie sah darin nichts Falsches oder geheimnisvolles. Eine schöne Kindheit war ja etwas Wünschenswertes, nichts Verwerfliches.
    Aber dann änderte sich seine Stimmlage, und sein ganzes Wesen schien sich allein gegen die Erinnerung zu sträuben. Penelope griff vorsichtig nach seiner Hand, um ihm ihre Nähe zu zeigen. Sie hatte das Gefühl, dass er das jetzt brauchte. Aber so ganz verstand sie es nicht.
    "Das ist… schrecklich. Dann seid ihr geflohen? Und du fürchtest, dass sie dich holen?"
    Sie verstand es nicht so wirklich. Wenn er als freier Mann geboren war, dann konnte er aus der Sklaverei entfliehen nach ihren Wertvorstellungen. Dann hatte er sogar fast die Pflicht, sich dagegen zu wehren. Und hier in Alexandria war es sicher, diese Polis war sicher nicht auf Seiten irgendwelcher Priester von ägyptischen Gottheiten. Sie konnte also nicht verstehen, was ihn so daran plagte.

    Kein Hund bellte am Morgen, und Penelope schlief so lange und so tief wie die letzten Jahre schon nicht mehr. Nicht einmal die Striemen auf ihrem Rücken störten ihren friedlichen Schlummer. So war die Sonne schon einige Finger über den Horizont geklettert, als sie ganz sanft und langsam erwachte. Etwas hatte sie geweckt, aber sie wusste noch nicht genau, was. Sie blinzelte verschlafen und stellte fest, dass sie nicht in ihrem Zimmer war. Es dauerte einen Augenblick, bis sie wieder alles erinnerte, und sie musste lächeln. Und es dauerte einen weiteren Augenblick, bis sie registrierte, was sie geweckt hatte. Im Nebenraum stritten Ánthimos und Thimótheos miteinander. Und plötzlich flog etwas laut und scheppernd gegen die Wand und Anthi brüllte.
    Penelope ruckte bei dem Geräusch so erschrocken hoch, dass sie ihren Rücken vollkommen vergessen hatte. Schmerzhaft zog sie zischend die Luft ein, als es ihr wie ein Dolchstoß in den Rücken fuhr. Was war da draußen denn nur los?
    Ganz langsam schlüpfte sie vorsichtig aus dem Bett und angelte nach einem Chiton. Heute gingen die Bewegungen schon besser als gestern, aber wirklich bewegen konnte sie sich noch nicht. Es dauerte also, bis sie den Chiton endlich hatte, um ihn ganz langsam und bedächtig anzuziehen.

    Penelopes Lächeln schwand und sie wurde ganz ernst. Liebevoll schaute sie Ánthimos in die Augen. Gerne hätte sie ihm jetzt gesagt, dass es ihr egal war, was er oder seine Brüder in der Vergangenheit getan hatten. Sie liebte ihn, und sie war so glücklich, seit sie ihn kannte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendetwas daran etwas ändern könnte.
    Aber er war so ernst, und es war ihm so wichtig. Und ein klein wenig hatte Penelope auch Angst, weil er es so unsicher sagte. Sie hatte Ánthimos noch nie unsicher oder zögerlich erlebt. Er war immer der starke, mutige, entschlossene gewesen. Ihn zögerlich zu erleben war seltsam. Also sah sie ihn nur still an und wartete, was er sagen wollte.

    Eigentlich spiel ich hier mehr Flöte.
    Penelope setzte sich auf die Steinbank und schaute sich ein wenig um. Es war wirklich ein schöner Tag heute. Doch dann fiel ihr ein,d ass sie die Flöte ja nichtmal mitgenommen hatte.
    Oh, die habe ich jetzt auch noch vergessen. Ich hoffe, der Gott ist deswegen nicht böse. Nichtmal ein Lied hab ich nun für ihn. Und dabei hat er mir doch solches Glück beschert.
    Sie lächelte Ánthimos an, der aber irgendwie ernst wirkte. Fragend sah sie zu ihm herüber.

    Es war ein schöner Tag für einen Spaziergang. Und das Paneion war Penelope sowieso der liebste Platz in Alexandria. Auch, wenn sie hatte schmunzeln müssen, als Ánthimos es ihr vorgeschlagen hatte. Sie musste an ihren ersten Ausflug denken, das ließ sich einfach nicht vermeiden.
    Aber auch sonst war Penelope gerne hier. Der Gott der Satyrn und Nymphen war ihr mit seiner verspielten Art und seiner Freiheitsliebe einer der liebsten, noch dazu wo er mit als Erfinder der Musik galt. Sie war auch schon früher gerne hierher gekommen und hatte sich von der schönen Anlage inspirieren lassen.
    Aber Anthi war heute ein wenig angespannt. Ob er auch an ihr erstes Treffen dachte? Etwas ging ihm im Kopf herum, das konnte Penelope sehen, aber sie schob es auf die Erinnerung. "Eine schöne Idee, mal wieder hierher zu kommen. Ich war schon so lange nicht mehr hier. Meinst du, Pan hat mich schon vermisst?"

    Vorsichtig rückte Penelope ein bisschen näher an Ánthimos und küsste ihn einmal sanft auf den Mund. Gerne hätte sie ihn jetzt auf sich gezogen, um ihm noch näher zu sein. Es war ihre erste gemeinsame Nacht, und Pelo war ziemlich aufgeregt. Und die Geräusche aus dem Zimmer direkt nebenan, wenn auch leise, regten ihre Phantasie an. Aber es ging nicht, und sie war schon so unendlich glücklich, einfach bei ihm sein zu können. Soweit es ihre Bandagen zuließen, schmiegte sie sich an seine warme Haut und schloss die Augen. Sie konnte seinen Herzschlag hören, beruhigend und gleichmäßig. Seine leisen Worte ließen sie lächeln.
    "Ich liebe dich", flüsterte sie ebenso leise zurück. Ihr Atem wurde immer ruhiger, während sie sich einfach nur an ihn schmiegte und seinem Herzschlag lauschte. Und schließlich war sie eingeschlafen.

    Sie erwiderte seinen Kuss sanft und fuhr mit einer Hand dabei in seinen Nacken, um ihn leicht zu kraulen und ihn ein wenig mehr zu sich herunter zu ziehen. Als sie den Kuss löste, sah sie ihm in die Augen.
    "Ich kann meinen Mann doch nicht in unserer ersten gemeinsamen Nacht auf dem Boden schlafen lassen? Ich möchte so gerne an deiner Seite einschlafen. Bitte, wenigstens bis ich eingeschlafen bin."
    Wenn Ánthimos auf dem Boden neben ihr lag, würde Pelo vermutlich die ganze Nacht kein Auge zukriegen.

    Ein bisschen verwirrt schaute Penelope auf die Decke auf dem Boden. Das Bett war zwar schmal, aber sie konnte Anthi doch nicht auf dem Boden schlafen lassen? Aber ihre Gedanken wurden kurz abgelenkt, als ihr Mann ihr half, sie auszuziehen. Diesmal war es zwar schon bei weitem nichtmehr so schmerzhaft wie bei Inhapy, als sie das ägyptische Kleid ausgezogen hatte, aber es ziepte doch ordentlich. Aber diesmal waren die Bandagen noch trocken und hielten, wie sie sollten.
    Pelo legte sich seitlich ins Bett und rückte soweit zurück, wie es eben ging, ohne die Wand zu berühren. Ein wenig ängstlich und aufgeregt, aber sehr verliebt schaute sie zu Ánthimos hoch. "Kommst du?"

    Ein wenig hatte sich Penelope gewundert, als sie eine Palla auf dem Weg in die Wohnung gefunden hatten. Als sie in einer Ecke der Wohnung auch noch eine nasse Tunika, ein komisches Päckchen und direkt vor dem Tisch einen Chiton liegen sah, war sie noch ein wenig mehr verwirrt, ahnte aber schon etwas. Keine Minute später wurde ihre Vermutung auch schon bestätigt, als sie gedämpfte Geräusche aus einem der Zimmer vernahm. Schüchtern musste sie lächeln, als ihr passende Bilder zu den Geräuschen in den Sinn kamen.
    Vorsichtig und leise, um Anthis kleinen Bruder nicht zu wecken – wie er bei den Geräuschen des anderen Bruders überhaupt schlafen konnte? – folgte sie Ánthimos in sein Zimmer.
    Dein kleiner Bruder hat einen tiefen Schlaf“, stellte sie leise und grinsend fest.


    Hier im Zimmer war es ziemlich dunkel.
    Hast du eine Lampe?
    Penelope wollte sich noch ausziehen, ehe sie sich ins Bett legen würden. Ein bisschen komisch war ihr dabei schon zumute. Nicht nur, dass sie das letzte Mal in eben diesem Bett erwischt worden waren. Nein, sie würde auch ihre erste Nacht mit ihrem Mann verbringen, und vermutlich ganz, ohne vorher mit ihm ähnliche Geräusche zu fabrizieren wie die beiden im Nebenraum. Dafür war ihr Rücken wohl zu lädiert.

    "Das verrate ich dir nicht. Sonst krieg ich in einer Woche noch Haue."
    Lächelnd zwinkerte Penelope ihrem Mann zu, verzog aber direkt darauf kurz schmerzhaft das Gesicht, als eine Bandage etwas enger an ihren Rücken gedrückt wurde.
    "Aber du hast recht, sie ist schon etwas ganz besonderes. Verrückt wie alle Ägypter, aber die Götter lieben sie. Wenn ich einmal ein Kind bekomme, hoffe ich, dass sie meine Hebamme wird. Sie entbindet eigentlich nur Ägypterinnen. Aber bei ihr ist noch nie eine Frau gestorben, kannst du dir das vorstellen? Noch nie."
    Schließlich war Penelope angezogen und sah Ánthimos nachdenklich in die Augen. Ein bisschen zögerte sie noch, ihr schlechtes Gewissen nagte an ihr wegen ihrem Großvater. Sie wollte sich gerne von ihm noch verabschieden, bis sie sich wieder sahen. Aber wenn sie hinüber gehen würde, könnte sie wohl nicht mit ihrem Mann mitgehen, weil ihr Mitgefühl sie überwältigen würde.

    Er wollte irgendetwas sagen, unterließ es aber dann dabei. Ein bisschen verwirrte das Penelope, wollte sie doch gerne alles von ihm wissen. Und eigentlich dachte sie, dass sie einander alles sagen könnten. Aber gut, sie hatte dieses Geheimnis vor ihm gehabt, sollte er seine haben.
    "Wenn du sagst, das alles gut wird, will ich dir glauben."
    Sie sah sich kurz in Inhapys Wohnraum um. Hier war viel liebevoller Krimskrams, der zwar sehr ägyptisch aussah, aber auch sehr liebevoll. Und hier und da lagen Holzfiguren oder Puppen herum. Würde ihr Heim auch einmal so aussehen? Penelope hoffte es.
    "Du musst mir glaube ich beim Anziehen von einem Chiton helfen. Ich will Inhapy nicht schon wieder bitten, sie macht immer so viel für mich. Auch, wenn sie vorhin ein bisschen komisch war."

    Penelope fuhr mit ihrer Hand einmal ganz zärtlich über Anthis Wange.
    "Ich hab einfach Angst um dich. Jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe, wo ich auch bei dir sein darf, möchte ich dich nicht wieder verlieren. Erst recht nicht wegen so einem Kerl."
    Penelope wusste nicht, was sie tun würde, wenn Anthimos tatsächlich etwas passieren würde. Sie wollte gar nicht erst darüber nachdenken. Seit Jahren war sie zum ersten mal wieder glücklich, und zum ersten Mal hatte sie sich wirklich frei dabei gefühlt. Sie liebte ihn, sie wollte nicht, dass ihm ein Leid geschah.


    Ihr fiel noch etwas anderes ein, was bis jetzt noch gar nicht zur Sprache kam. "Wird dein Bruder Timos denn einverstanden sein, wenn ich gleich bei dir einziehe? Er hat zwar sein Einverständnis zur Hochzeit gegeben, aber… er wollte ja auch erst Großvater kennen lernen."

    *plumps*
    Ein Berg Wäsche landete unweit eines wütenden kleinen Mädchens mit Schmolllippe, das alle anwesenden erwachsenen einmal beleidigt anfunkelte.
    “Da. Und Philolaos ist gemein!“
    Inhapy sah in das Gesicht ihrer Tochter und begab sich mit ihr nach draußen, leise tröstende Worte flüsternd.


    Penelope schaute nur einmal kurz auf den Wäscheberg. Irgendwie sah das so endgültig aus, dass es sie leicht fröstelte. Aber die Sache mit Ashur wog ihr im Moment fast noch schwerer.
    "Anthi, er ist gefährlich. Er hat Freunde hier unten. Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Und wenn die Rhomäer davon hören… die verstehen sowas nicht. Was, wenn sie dich einsperren? "