Beiträge von Penelope Bantotakis

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    “Und warum tut jemand so?“ Panthea verstand es immer noch nicht. Das war viel zu schwierig. Sie dachte, das sieht einfach nur lustig aus mit den Siegeln, das machte sicher Spaß. Aber das war eine ganz wichtige Erwachsenensache, so wie es ausschaute. Ganz furchtbar schrecklich wichtig.


    Als er sagte, er würde kleiner Rabe heißen, sah Panthea ihn sehr skeptisch an. “Du siehst nicht wie ein Rabe aus“ sagte sie kurz. Und dann fragte er sie etwas. Und wenn ein Erwachsener einen etwas fragte, musste man antworten.
    Prompt bekam er drei Finger unter die Nase gehalten, als er nach ihrem Alter fragte. “Aber schon halb vier!“ kam noch als Untermauerung ihres Alters mit hinzu. Sie war ja schon fast groß!


    Die Sache mit ihrem Alter war damit geklärt, blieb noch der Name.
    “Panthea heißt 'Alles ist göttlich' Oder 'die Götter sind in allem'. 'Pan' ist alles! Die Natuuuur, und die Blumen, und der Himmel... Und theos sind die Götter...“ erklärte sie ihm ganz genau und langsam, damit er es verstand.

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    Cimon kam zu ihr runter und zog sich den Ärmel ein wenig dabei hoch. Aua, das sah aber schon so aus, als würde es weh tun. Mit ganz vorsichtigen Fingerchen befühlte Panthea die vernarbte Haut, nur mit der Fingerspitze zunächst und einem sehr konzentrierten Gesichtsausdruck dabei. Es fühlte sich irgendwie komisch an, aber es schien Cimon nicht weh zu tun. Na, mal gucken, ob es mit pusten weggehen würde. Sie beugte sich herüber und machte einmal deutlich hörbar “Ffffffffffffh!“, während sie auf die Stelle nach Leibeskräften pustete.



    Penelope hingegen beobachtete genau die Reaktion in Ursus' Gesicht. Offenbar war es ein gutes Geschenk gewesen, denn seine Freude schien ihr ehrlich zu sein. So nahm sie seinen Dank mit einer respektvollen, kleinen Verbeugung entgegen und freute sich ihrerseits, dass sie gut gewählt hatte. Vielleicht würde ihr Aufenthalt hier ja doch ein klein wenig Bildung den Römern vermitteln können, auf die eine oder andere Art und Weise.


    Sie wollte gerade auf Ursus' Vorschlag mit dem Sklavenmädchen antworten, als sie sah, wie Cimon vor ihrer Tochter kniete und diese auf seinen arm pustete. “Panthea!“ kam es ein wenig entgeistert von ihren Lippen.
    Ich muss pusten! Cimon hat aua! Tut aber nicht mehr weh, schon ganz lange!“ erklärte die Kleine scheinbar geduldig der Mutter und streichelte dann nochmal über die vernarbte Haut, die durch das Pusten wohl leider nicht zufriedenstellend geheilt worden war.
    Penelope schenkte ihrem Gastgeber ein entschuldigendes Lächeln und raunte der Tochter dann auf Ägyptisch ein paar Worte zu, da sie annahm, dass das niemand außer ihnen beiden verstehen würde. “Lass Cimon in Ruhe, Panthea. Komm, stell dich richtig vor.“ Danach lächelte sie noch einmal entwaffnend ihrem Gastgeber zu und beantwortete seine Frage, wieder auf griechisch.
    “Nein, es ist eine wunderbare Idee, und ich danke dir, dass du dir so viele Gedanken um das Wohl meiner Tochter machst. Sie wird sich sicher freuen, eine Spielgefährtin zu haben. Nicht war, Panthea?“


    Panthea hatte Cimon noch einen Blick, in dem das Leid des Universums enthalten zu sein schien, geschenkt, und sich dann Ursus zugedreht. Ursus, das Wort kannte sie. “Du siehst gar nicht aus wie ein Bär“, plapperte sie einfach auf Latein, da das Wort auch auf Latein war und sie den Unterschied zwischen den Sprachen noch nicht so ganz begreifen konnte. Die Frage ihrer Mutter überhörte sie dabei einfach, voller kindlicher Neugier auf die Antwort gespannt.

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    Das war eine kompelizierte Erklärung aber! Total kompelliziert! Also machte Panthea das einzige, was ihr dazu einfiel. Sie fragte nochmal nach. “Und warum denkt der das?“
    Jetzt war sie auch ganz um den Schreibtisch herum und konnte den Mann sich richtig anschauen. Der hatte was ganz komisches an. Skeptisch beäugte Panthea seine Kleidung. Papa hatte immer was anderes angehabt, und Onkel Timos auch. Und Opa Philolaos auch. Panthea schaute es sich also mit leicht vorgezogener Schnute an und überlegte, als der Mann ihr dann Antwort mit seinem Namen gab. Der war auch konfilaziert!
    “Marcos Aurevos Corvos...“, versuchte sie es leise nachzuplappern, aber laut genug, dass er es wohl hören konnte. Dabei sah sie ihn ganz streng kritisch fragend an. Diesen Blick hatte sie eindeutig von der Mutter geerbt.
    “Was bedeutet der Name?“ fragte sie. Wenn der soooo lang und soooooo kompilafiziert war, musste der sicher was ganz wichtiges bedeuten.

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    “Und warum setzt du Siegel?“ kam sofort die nächste kindliche Frage, während Panthea beobachtete, wie der Mann seinen Ring auszog und sich das schöne Wachs von der Hand pulte. Schade, denn es hatte ganz interessant ausgesehen, wie er die Siegel gesetzt hatte. Vielleicht hätte sie das auch machen dürfen. Sie konnte das, ganz bestimmt, sie war ja schon groß und kein Baby mehr.
    “Ich bin Panthea, und du?“ fragte sie weiter. Hinter dem Schreibtisch so zu stehen war aber doof, also ließ sie sich wieder sinken und ging um den Schreibtisch herum. Auf halben Weg blieb ihre Sandale aber am Boden hängen, so dass sie mit einem “Uff“ einmal auf die Knie und Hände fiel. Aber sie hatte sich nichts dabei getan, rappelte sich nur wieder auf, streifte sich damenhaft die Hände an ihrem Chiton ab und ging dann ganz um den Schreibtisch rum, um den Mann besser sehen zu können. Mama hatte ja gesagt, man musste den anderen immer in die Augen schauen! Was unter anderem dazu geführt hatte, dass Panthea Erwachsene gerne weckte, indem sie ihnen mit dem Finger einfach kurz ein Auge öffnete und fragte, ob sie denn wach seien...

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    Das Haus war wirklich groß und schön. Anders als zuhause. Es hatte ganz andere Bilder an den Wänden, und die Gänge waren alle ganz anders. Es gab hier viel mehr Gänge als zuhause. Und viel längere Gänge. Und viel mehr Zimmer, aber die waren alle zu.
    Panthea ging ganz vorsichtig einen Gang entlang. Sie wollte sich das Haus ja nur mal anschauen. Sie würde schon nichts kaputt machen. Ehrenwort! Sie war ganz vorsichtig. Sie wollte ja nur mal die Bilder an den Wänden alle anschauen. Und Mama hatte ja auch gar nichts gesagt, als sie sich heimlich aus dem Zimmer geschlichen hatte. Konnte auch daran liegen, dass Mama gerade ein wenig schlief. Sie hatte viel gearbeitet in der Nacht und gespielt. Panthea hatte es gehört, in ihrem Traum. Mama spielte oft nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, und schlief dann am Nachmittag eine Stunde oder auch zwei. Eigentlich sollte Panthea ja da auch schlafen, aber sie war gerade nicht müde. Und die Tür war gar nicht so richtig zu gewesen, sie hatte sich nur auf einen Stuhl stellen müssen, um sie aufzumachen. Das hieß doch praktisch, dass sie auch rausgehen durfte, während Mama schlief, und keinen Mittagsschlaf machen musste.
    Am Ende des Ganges schaute Panthea ganz vorsichtig um die Ecke. Ein bisschen war es ja wie Verstecken. Es durfte sie keiner finden, sonst musste sie wieder ins Bett. Aber solange sie ganz vorsichtig war, konnte sie herumlaufen. Sie schaute, und da kam ein Mann, der mit ganz vielen Papieren und Tafeln beladen war. Sie presste sich an die Wand und lugte ganz vorsichtig um die Ecke, aber er sah sie nicht und ging an ihr vorbei. Sie schaute ihm noch hinterher, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, und ging dann weiter in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Das war ein schöner Gang! Ja, wirklich schön. Der hatte ganz tolle Bilder an der Wand, auch wenn Panthea nicht wusste, wer das auf den Bildern war. Sie schaute sie sich mit großen Kinderaugen an, bis sie schließlich zu einer Tür kam. Die war nicht zu. Alle anderen Türen waren zu, und hier gab es keine Stühle, auf die man draufklettern konnte, um die Türen richtig aufzumachen. Aber die hier war einen Spalt offen.
    Panthea schaute ausgiebig nach rechts. Dann schaute sie ausgiebig nach links. Keiner da. Sie könnte ja nur mal ganz kurz reinschauen. Nur, um zu schauen, was dahinter war. Ganz kurz. Die Hand ging zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Das ging schwer, die Tür war ja so groß und sie so klein. Aber sie konnte sich durchquetschen und schaute vorsichtig rein.


    Da saß wer an einem Schreibtisch mit ganz vielen Papieren. Panthea blieb wie angewurzelt stehen. Bestimmt gab es gleich Schimpfe. Der Mann stempelte ein Papier und nahm dann das nächste. Keine Schimpfe.
    Kurz überlegte Panthea, ob sie nicht einfach abhauen sollte. Aber die Neugier war doch zu groß. Langsam tapste sie zu dem Schreibtisch rüber, direkt vis-a-vis zu dem Mann. Wenn sie sich gaaaanz auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie sogar auf den Schreibtisch draufsehen. Der Mann machte grade noch einen Wachsstempel auf ein Papier. Papa machte sowas auch manchmal bei ganz wichtigen Sachen.
    “Was machst du da?“ fragte sie neugierig, die Nase gerade so eben über der Schreibtischkante und sich mit beiden Händchen an eben jener festhaltend. Große Kinderaugen beobachteten dabei den Mann, der sie bis eben gar nicht gesehen hatte.

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    Panthea schien nicht ganz überzeugt. Wenn es nicht weh tat, warum war Cimon dann so traurig? Vielleicht sollte sie sicherheitshalber nochmal pusten. Pusten half immer. Bei allem. Oder noch besser, Mama sollte pusten.
    Panthea sah zu ihrer Mutter herüber, die gerade auf den eintretenden Mann schaute. Der begrüßte sie beide und schaute auch Panthea an, die in ihrer Überlegung grade ein wenig auf ihrer Hand herumkaute. “Chaire“ sagte sie nur leise und wiegte sich ein wenig unschlüssig hin und her. Mama hatte wohl grade zum Pusten keine Zeit, die unterhielt sich mit einem anderen Erwachsenen. Aber sie.
    Also zupfte sie ein wenig an Cimons Kleidung, damit der zu ihr runtersah. Er wirkte grade auch so, als würde er nachdenken. “Soll ich mal pusten?“ fragte sie in kindlicher Unschuld einfach mal nach. Sie wollte ja, dass er nicht mehr traurig war.



    Penelope bekam von der Sorge ihrer Tochter nur am Rand mit. Sie hörte zwar die Frage, und auch die Antwort des Sklaven, aber hatte keine Zeit, sich da noch einzumischen oder sich betreffende Stelle genau anzusehen. War der Sklave misshandelt worden? Alarmsirenen schrillten in der Mutter bei dem Gedanken auf. Aber es war nicht ihr Haus und nicht ihr Sklave, und als guter Gast galt es nun, ihren Gastgeber erstmal zu begrüßen. Und sich um der Götter willen nichts anmerken zu lassen.
    Mit einem stoisch wirkenden, kleinen Lächeln und einer leichten Verneigung grüßte auch sie den jungen Mann, der eigentlich ganz freundlich erschien. Dennoch blieb sie wegen der ungeklärten Frage nach Cimons Verletzung etwas misstrauisch.
    “Chaire. Und keine Sorge wegen des Wartens. Männer haben nunmal wichtige Geschäfte zu machen, so ist die Ordnung der Welt. Ich fühle mich deshalb gewiss nicht zurückgesetzt.“
    Sie lächelte ihn freundlich kurz an und entspannte ihre Haltung ihm gegenüber, ohne dabei jedoch lässig oder gar schlacksig zu wirken. Haltung zu wahren war eines der Dinge, auf die ihr Großvater bei ihrer Erziehung immer größten Wert gelegt hatte, und so tat sie es auch jetzt. “Es ist sehr großzügig von dir, uns so schöne Räume zur Verfügung zu stellen. Gewiss werden wir uns hier von der Reise gut erholen können.“
    Sie gab ihrem Sklaven ein kleines Zeichen in Richtung einer der Truhen, und er nickte stumm und holte das gewünschte sofort. Es war üblich, als Gast ein Gastgeschenk zu überreichen. Zumindest kannte Penelope es so, und sie wollte ein guter Gast sein.
    Der Sklave reichte ihr schnell einen ledernen Umschlag, der schon vermuten ließ, dass darin für den sicheren Transport ein Buch eingeschlagen war. “Lass mir dir dies schenken als Zeichen meines Dankes für die Einladung“, sagte Penelope und reichte das Paket an Ursus weiter. Die Abschrift, die darin enthalten war, war an und für sich kein großes Geschenk. Aber Penelope wusste, dass einige dieser Dialoge Platons fast nur noch in der Bibliotheke des Museions zu lesen waren, da es sich um sehr alte Schriften handelte. Sie dachte, das wäre wohl ein passendes Geschenk von einer Gelehrten an einen Gelehrten.


    Sim-Off:

    WiSim :)

    “Nicht“ sagte Penelope nur einmal leise, als sie die Bewegung des Sklaven zu der Kithara sah. Es war weder böse, noch herrisch gesprochen, hatte nur diesen Unterton, den alle Mütter scheinbar beherrschten und der einem, obwohl sie weder laut noch energisch war, Gehorsam abverlangte. “Du kannst sie dir ansehen, aber nicht anfassen“, fügte sie ebenso sanft und bestimmt hinzu. Penelope mochte es nicht, wenn jemand ihr Instrument anfasste. Es war vielleicht ein alberner Aberglaube, und sie regte sich bei weitem nicht mehr so auf, wie sie es vor Pantheas Geburt getan hätte, aber es war einfach ihr persönliches, kleines Heiligtum.
    Den verrutschten Ärmel bemerkte Penelope nicht, denn sie war vollkommen in Gedanken, während sie der Antwort lauschte. Und wirklich, wie Cimon gesagt hatte, er ließ auch nicht lange auf sich warten, denn keine zwei Sekunden später klopfte es schon an der Tür.
    “Empros“, bat sie gewohnt griechisch, ehe sie sich besann und ein lateinisches “Intra“ hinterherschickte. Der Sklave hatte eben mit ihr aus Freundlichkeit griechisch gesprochen, so dass sie einen Moment nicht darüber nachgedacht hatte, wo sie sich eigentlich befand.


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    Panthea hingegen hatte die Narben gesehen und kam mit ganz großen Augen nähergetappst, nicht auf das Klopfen achtend, und schaute Cimon ganz mitleidig an.
    “Tut das weh?“ fragte sie mit kindlicher Sorge und deutete auf die Stelle, die sie gesehen hatte. Sie mochte nicht, wenn anderen Menschen etwas weh tat. Vor allem nicht, wenn sie sie nett fand, und sie fand Cimon sehr nett. Immerhin hatte er ihr Milch gebracht und sich so nett mit ihr unterhalten.

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    Während das Brot langsam bissen für Bissen in dem Kindermund verschwand, redete Panthea fröhlich weiter. Dass man wegen ihres vollen Mundes die Hälfte nicht verstehen mochte, war ihr dabei scheinbar kein Hinderungsgrund.
    “Bolyhümpfia ischt die der vieln Liedr ..it die Lyra. Und Eupfterpfe schbielt Pflöte. Und Tschrpschi... tanscht.“ Irgendwie schaffte Panthea es, trotz vollgestopfter Backen, die jeden Hamster neidisch hätten werden lassen, ganz ernst und beinahe lehrerhaft dreinzuschauen, während sie erklärte.


    Penelope hingegen machte das, was die meisten Mütter in solchen Situationen zu tun pflegten, und überging kurzerhand das quasselnde Kind, das ja doch nie zur Ruhe kommen würde, wenn man etwas anderes machte. Und so schlimm, dass sie schimpfen wollte, war es ja nicht. Lieber hörte sie zu, was der Sklave über seinen Herrn zu berichten wusste.
    Irgendwie passte das nicht so ganz zu dem Eindruck, den Penelope von Cimon hatte. Wenn der Herr so gut und freundlich war, warum traute er sich dann kaum, einmal aufzublicken? Nun, vielleicht musste er das auch sagen. Aber auf der anderen Seite, Cimon sah auch nicht aus, als würde es ihm schlecht gehen. Er war ordentlich angezogen, sogar besser als viele Freie, die Penelope kannte, gut genährt, hatte offenbar keine gröberen Verletzungen... Nun, sie würde es darauf ankommen lassen.
    “Gut. Ist er denn zugegen?“ Da er bisher noch nicht da war, eine wie Penelope fand berechtigte Frage. Wenn sie länger warten musste, würde sie noch das ein oder andere jetzt schon auspacken, vielleicht noch selbst etwas essen, vielleicht etwas musizieren oder mit Panthea spielen. Je nachdem. Kurz fragte sie sich, ob der Senator sie hier in diesen Räumlichkeiten treffen wollte, oder doch eher im Andron – oder wie das gleich wieder bei den Römern hieß.

    Er war sehr höflich und immer bedacht, nichts falsch zu machen. Ein klein wenig begann Penelope sich Sorgen deswegen zu machen. Zwar war es formal korrekt und auch wirklich überaus zuvorkommend von Cimon, wie er handelte, sie er den Blick zu Boden hielt, aber meistens taten Sklaven dies, wenn ihr Herr besonders streng mit ihnen war. Nungut, es konnte auch sein, dass er es nur zu seinen Sklaven war, aber es konnte auch gut sein, dass er in allem so streng war. An und für sich auch noch immer kein Problem. Penelopes Blick glitt zu der Tochter. Eigentlich war sie auch gut erzogen, zumindest weitreichend, aber nichts desto trotz war sie ein kleines Mädchen und damit so verträumt und gedankenlos wie alle kleinen Mädchen, und da passierte es eben auch schonmal, das etwas passierte, was eigentlich über die Strenge schlug. Und das wiederum konnte ein Problem sein.
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    Allerdings konnte Penelope nicht durch die Blume sich erkundigen, denn besagter kleiner Wirbelwind bemerkte sehr wohl den Blick des Sklaven. Nur wenige Dinge entgingen Kinderaugen, auch wenn viele Erwachsene gerne so taten, als wüssten und sähen sie nichts und könnten deshalb erst recht nicht mitreden. Aber Panthea sah die vorsichtigen Blicke des netten Nubiers, der ihr so eine schöne Milch gebracht hatte, und daher ging sie grinsend zu ihm rüber und griff ihn einfach bei der Hand.
    “Das ist Harmonia. Komm, ich zeig sie dir!“ plapperte sie fröhlich und zog auch schon, das ganze Gewicht ihres Körpers einsetzend, an dem Nubier, um ihn näher zu dem Tisch mit der Kithara zu kriegen.
    “Panthea!“, meinte Penelope noch, mit nur leicht erhobener Stimme, und Panthea interpretierte diese kleine Warnung falsch. Immerhin hatte sie vorher noch eine kleine Standpauke zum Thema 'danke' und 'bitte' gekriegt und dachte daher automatisch an diesen Tadel. “Darf ich dir bitte die Kithara von meiner Mama zeigen?“ meinte sie also betont ernst und zog weiter an ihm bis er schließlich da war, wo sie ihn haben wollte.
    Und so sehr sich Penelope auch mühte, ernst zu bleiben, sie musste ob so viel kindlicher Einfalt lächeln und die Hand vor den Kopf nehmen, sich ganz leicht die Schläfen reibend. Genau solche Situationen hatte sie gemeint, die einfach aus dem Rahmen dessen fielen, was allgemein streng und erwünscht war.
    “Also, das ist Harmonia. Die gehörte meinem Opa. Also, dem Opa von meiner Mama. Die hat er vor Taaaaausend Jahren Jahren gekriegt, weil er so toll Musik machen kann. Und schau, da, das ist Klio, und Thalia, und Erato, und Urania, und Kalliope, und Euterpe, und Polyhymnia, und Terpschisch...
    “Panthea?“ jetzt war es schon ein wenig strenger. Der arme Sklave, der hier einfach zugetextet wurde.
    “Terpsichore!“, strengte sich das kleine Mädchen beim Zeigen auf eine der Gestalten redlich an, den schweren Namen auszusprechen. Und die nächste Anstrengung folgte sofort. “Und Melpomene!“
    Bei soviel Anstrengung musste man erstmal Luft holen.
    “Panthea!“ Oh-oh! Da war der warnende Unterton, sie hatte etwas angestellt. Sofort schaute das Mädchen zur Mutter und guckte so betreten wie nur möglich, um nahendes Unheil abzuwenden. “Ja, Mama?“
    “Lass Cimon los. Und iss ein bisschen was.“
    Mit einem Blick, der geradezu 'rette mich!' schrie, sah sie einmal zu Cimon hoch, als sie ihn losließ, und stapfte zu dem Tablett mit dem Brot rüber. “Aber ich hab gar keinen Hunger!“
    “Trotzdem. Eine Scheibe.“
    Ein missmutiges Schnauben kam aus tiefstem Herzen von der Kleine, als sie nach einer Scheibe Brot griff und demonstrativ missmutig darauf herumkaute.


    Penelope stand nun ihrerseits auf und ging zu dem Instrument, ließ einmal ihre Hand über eines der geschwungenen Hörner streifen. “Sie ist manchmal sehr wild“, erklärte sie nur leise wie als Entschuldigung, ehe sie sich dem Sklaven wieder zuwandte.
    “Dein Herr ist Titus Aurelius, genannt Ursus?“ Die römische Namensgebung war für die Griechin noch immer ein Wunder für sich. Vor allem bei den Frauen, die ihre Namen für ihr empfinden verkehrt herum trugen, aber nunja. Die Römer waren eben die Römer. “Wenn du mir die Frage gestattest, gibt es etwas, worauf ich gleich achten sollte bei der Begrüßung?“ Wenn sein Herr wirklich besonders streng war, würde jetzt hoffentlich ein kleiner Hinweis in diese Richtung folgen.

    Penelope sah den Blick zu dem Instrument, aber fand sie ihn nicht so ungewöhnlich, als das sie etwas hätte sagen müssen. Sie bewachte Harmonia zwar sorgfältig, aber sie hatte eigentlich keine Bedenken. Zwar mochte sie wie alle Künstler es nicht besonders, wenn jemand ungefragt ihr Instrument anfasste, ein kleines Kind machte einen aber in vielen Dingen um einiges lockerer. Es gab einfach Dinge, über die es sich nicht lohnte, sich aufzuregen. Und außerdem war die Kithara ein herrliches Instrument, aus dunklem Holz gefertigt, mit schönem Schwung der Hörner, zwölf Saiten. Ein großes instrument. Und auf dem Klangkörper mit Elfenbein fein abgelegt Bildnisse der Musen, mit großer Kunstfertigkeit angebracht, so dass es den Klang nicht beeinflusste. Die Kithara ihres Großvaters, ihr wertvollster Besitz. Natürlich sah man sich das an.


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    Auf die Rückfrage mit der Milch nickte Penelope nur still, während Panthea gleich losplapperte. Das Kind hatte keine Berührungsängste, keine Furcht vor Fremden, ein Umstand, der der Mutter manchmal arge Sorgen bereitete.
    “Ja, warm. Und mit viiiiiiel Honig. Ich mag Honig!“
    Etwas tadelnd schaute Penelope, lächelte dann aber milde. Der Sklave hatte gutes griechisch gesprochen. Kein Barbar. Das war schonmal gut. Sie begann, sich etwas zu entspannen.


    Der Sklave ging, und einen Moment waren sie allein. Penelope gab mit ein paar Fingerzeigen noch ihrem Sklaven zu verstehen, wo er etwas hinpacken sollte, wenn er fragend zu ihr herüberschaute. Dann wandte sie sich an die Tochter.
    “Panthea? Was haben wir denn gesagt?“
    “Worüber, Mama?“ Mit großen, unschuldigen Kinderaugen sah sie auf und klimperte einmal gespielt mit den Wimpern. Um den Finger wickeln konnte sie gut, nur dass Penelope dagegen immun war.
    “Über das Bitten und das Fordern?“
    Schuldbewusst sah die kleine zu Boden und drehte etwas ihre Hände. “Ich soll immer danke und bitte sagen und warten, ob ich darf.“
    Penelope nahm ihr Kind kurz in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. “Genau. Also, was sagst du gleich?“
    “Danke?“
    “Genau.“


    Und kurz später kam auch schon der Sklave wieder und brachte die Milch. Mit strahlenden Augen ging Penelope hinüber und griff mit einem geflöteten “Daaaanke!“ schon nach dem Becher, so dass Cimon ihn kaum schnell genug reichen konnte. Zufrieden daran nippend stellte sich Panthea einfach etwas abseits und war mit abwechselndem Schlucken und Atmen scheinbar schwer beschäftigt.
    “Dreiviertel Wasser bitte“, kommentierte Penelope hingegen den fragenden Ausdruck auf dem Gesicht des Sklaven und wartete, bis er ihr den Wein gereicht hatte. “Danke.“ Sie stand auf, nahm ihn entgegen und nippte einmal daran, um festzustellen, dass der römische Wien schwächer war als der ägyptische, der mit Palmwein versetzt war. Aber das machte nichts, sie wollte sich ja nicht betrinken. Und er war gut, nicht zu sauer.


    Sie dachte, er wollte sie nun verlassen, aber er ging nur kurz vor die Tür, um eine Schüssel mit Wasser hereinzuholen. Eine Sklavin hatte noch ein paar Tücher dabei und etwas Seife, die sie bei dem Waschtisch abstellte und sich wieder zurückzog. Der Schwarze allerdings blieb und erkundigte sich nach ihren Wünschen bezüglich eines Bades.
    Kaum, dass Panthea das Wort gehört hatte, stellte sie die Milch ganz sorgsam auf den Tisch und verzog dabei gequält das Gesicht. “Nicht schon wieder baden!“ jammerte sie, was Penelope zu einem entschuldigenden Lächeln veranlasste.
    “Danke, aber wir hatten das Vergnügen, in Ostia eine Therme zu besuchen.“ Was nicht hieß, dass sie nicht auch hier zur Entspannung gebadet hätte. Aber Panthea würde wohl zetern und meckern, und Penelope wollte sie nicht gleich am Tag ihrer Ankunft mehrere Stunden allein lassen.


    Sie setzte sich mit ihrem Wein auf einen der Stühle und sah den Sklaven kurz überlegend an. Offenbar war er darum bemüht, dass sie sich hier wohl fühlte. Wahrscheinlich hatte sein Herr ihn so instruiert.
    “Dein griechisch ist gut. Wie heißt du?“ fragte sie schließlich. Sie redete nicht gern mit Namenlosen.

    Penelope hatte noch gesehen, dass ein weiterer Mann sich um ihr Gepäck kümmerte und sich daher nicht weiter darum gesorgt. Lediglich ihre Kithara hatte sie selbst schon mitgenommen, das wertvolle Instrument gab sie nicht aus der Hand. Sie hatte also die Kithara an dem breiten Schulterband auf dem Rücken, nahm ihre Tochter dem Sklaven ab und trug diese selber gegen die Hüfte gestützt vorne, so dass Panthea sich in ihrem verschlafenen Zustand trotzdem schonmal etwas umsehen konnte und folgte dem Jungen in das Zimmer.
    Die Villa war sehr groß, das musste sie schon zugeben. Und sehr vornehm. So edel wohnten sie selbst in dem großen Haus im Brucheion nicht. Das musste sie wohl anerkennen. Aber es erschien ihr alles ein wenig fremd und... unalexandrinisch eben.


    Der Junge führte sie in ein hübsches, geräumiges Zimmer. Sie würden es hier sicher nicht schlecht haben. Penelope sah sich um, als der Junge meinte, sie sollten es sich bequem machen. Sie nickte ihm kurz zu. “Ja, danke“ und setzte erstmal die Tochter und dann danach die Kithara ab. Erstere durfte auf den Boden, wo sie, jetzt plötzlich hellwach, gleich den Raum erkundete. Zweitere wurde vorsichtig auf den Tisch neben die Blumenvase gestellt und erst einmal ausgepackt, um sicherzugehen, dass sie die Wagenfahrt gut überstanden hatte.


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    “Mama! Schau mal, die Kissen!“ freute sich Panthea und krabbelte gleich – mit Schuhen, wie Penelope zu spät registrierte – aufs Bett, um sie aus der Nähe anzusehen.
    “Ah, Panthea! Schuhe!“ meinte sie nur kurz streng, woraufhin die Kleine betreten guckte und sich die Schuhe kurzerhand und ohne die Hände auch nur annähernd zu benutzen von den Füßen streifte, um sie auf den Boden fallen zu lassen. Penelope atmete einmal durch und schlenderte dann hinüber, um die Sandalen aufzuheben und sauber hinzustellen, ehe sie sich auf das Bett setzte und der Tochter etwas milder bei der Untersuchung der Stickereien zusah.


    Ein Sklave kam und brachte nach und nach das Gepäck an. Penelope ließ ihn erstmal gewähren, sie wollte ihn nicht herumscheuchen. Immerhin war er nicht ihr Sklave. Den hingegen hieß sie an der ein oder anderen Stelle, etwas gleich zu verräumen oder zu verrücken.
    Schließlich aber war alles hergebracht, und der große Mann sprach sie höflich, fast etwas ehrfürchtig an. Vielleicht musste sie ihre Meinung über die Römer doch revidieren. Im ersten Ärger war sie wohl in starres Denken verfallen, was sie meist zu vermeiden versuchte.
    “Ja, ein wneig Wein wäre schön. Vielleicht etwas Milch für meine Tochter? Mit Honig?“ Sowas würde es ja sicher auch hier geben, und es war ein gute Mittel, ihr kleines Energiebündel müde zu kriegen.
    Auch Panthea sah ganz neugierig zu dem Mann hoch, und ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken an eine Milch mit Honig. Eifrig nickte sie dem Sklaven zu, wie es eben nur kleine Mädchen hinbekamen.


    Sim-Off:

    Edit: Deshalb sollte man vorm Absenden nochmal aktualisieren :D

    Von der Erkenntnis getroffen zu werden, tat scheinbar weh. Der Nubier schlug sich gegen den Kopf und schien sich jetzt wohl doch daran zu erinnern, wer sie war und wo sie hingehörte. Vielleicht waren Römer doch keine zu großen Barbaren, aber Penelope wollte da lieber nicht vorschnell urteilen.
    “Ja, meine Tochter ist etwas müde. Danke sehr“, meinte sie kurz und folgte dann dem Jungen in ihr Gästezimmer.

    Ein klein wenig fühlte Penelope sich schon vor den Kopf gestoßen. Offenbar hatte dieser Mann hier absolut gar keine Ahnung, wer sie war. Nicht die geringste. Nun, er war nicht unfreundlich, aber sie hatte sich doch ein wenig mehr erwartet. Wozu schickte man denn Boten voraus, wenn dann doch nicht wirklich etwas bereit war? Römer waren ein sehr seltsames Volk.
    “Ich bin hier auf Einladung von Titus Aurelios Ursus“, meinte sie nur emotionslos und warf selber einen Blick auf die Tochter, die im Halbschlaf in den Armen ihres Sklaven sich gerade die müden Augen rieb und zu dem ihr Fremden verschlafen rüberblickte. Ihr kam der Gedanke, dass der Bote sie verkohlt haben mochte und gar nicht hier gewesen war, um die Nachricht zu überbringen. Nun, aber wenigstens waren sie hier.

    Ein Nubier – oder ein dunkelhäutiger, von dem Penelope eben solches annahm – öffnete die Tür und begrüßte sie etwas ungewohnt. Und langte auch gleich in die Vollen. Sah sie aus wie eine Ägypterin? Eine einzelne Augenbraue wanderte kurz ein paar Grade nach oben, ohne dass sich der neutrale Gesichtsausdruck dadurch merklich veränderte.
    Es war schon eine Interessante Sache. Die Römer hielten die Griechen für minderwertig und trampelten auf ihnen herum. Die Griechen wiederum hielten die Römer für Barbaren und die Ägypter für minderwertig und trampelten auf diesen herum. Die Ägypter wiederum hielten sowohl die Römer als auch die Griechen für überhebliche Eindringlinge und die Nubier für minderwertig und – wie konnte es anders sein? - trampelten auf ihnen herum. Und nun war hier ein Nubier, der sie in der barbarischen Art eines Römers eine Ägypterin nannte. Volltreffer.
    Penelope rief sich ins Gedächtnis, dass die Römer eben doch alle Barbaren waren und auch eben solche beschäftigten, ehe sie mit ihrer als Sängerin durchaus angenehmen Stimme ruhig antwortete.
    “Ich bin keine Ägypterin, sondern Griechin. Aber wenn ihr Penelope Bantotakis erwartet habt, bin ich wohl die, die du meinst.“
    Sie sah kurz etwas auffordernd, ob sie denn auch hereingebeten wurde, und ob vielleicht noch jemand zur Begrüßung kam. Sie hatte keine Ahnung von den urrömischen Haussitten. Dennoch ging sie schon ruhig und gelassen zu der Türe hinüber, damit der Ianitor – oder was er auch sein mochte – sie auch hereinbeten konnte, ohne am Ende noch zu winken oder dergleichen.

    Fast direkt nach ihrem Aufbruch aus Ostia war ihnen der Bote entgegengekommen und hatte ihnen gemeldet, dass sie erwartet wurden. Wie versprochen gab Penelope ihm zwei weitere Silbermünzen, nachdem er dem Fuhrmann den Weg zur Villa beschrieben hatte.
    Sie hatten tatsächlich ein wenig vor dem Stadttor warten müssen, bis die Sonne untergegangen war, bevor sie einfahren durften. Doch zum Glück war der Fuhrmann sein Geld wirklich wert und hatte warme Decken dabei, die er seiner Auftraggeberin und dem Kind reichte, damit sie sich beim Warten warm einpacken konnten. Panthea war von dem gleichmäßigen Holpern auf der Straße zwischen Ostia und Rom eingeschlafen und hatte sich nur an die Mutter gekuschelt, und auch, als sie dann ihre Reise über die nicht minder holprigen Straßen Roms fortgesetzt hatten, hatte sie selig weitergeschlafen.
    Im Dunkel der heraufziehenden Nacht, die schon sehr früh hereinbrach, konnte Penelope von der großen Stadt nicht so viel sehen, aber das störte sie auch nicht weiter. Sie war hier ja nicht hergekommen, um einen Resiebericht zu schreiben, sondern um den Römern ein bisschen Kultur in Form von Musik beizubringen. Und so war sie auch nicht weiter traurig, dass sie recht zügig vor der Villa der Aurelier auch ankamen.


    Vorsichtig gab Penelope ihre schlafende Tochter an ihren Sklaven weiter und ließ sich selber vom Fuhrmann von der Kutsche helfen. Sie strich noch einmal über ihren feinen, mit Seide durchwirkten Chiton und prüfte kurz den Sitz ihrer Haare, aber es war alles in bester Ordnung, wie es sein sollte. Die Truhen und Beutel mit Kleidung und den wichtigsten Dingen, die sie zum Musizieren benötigte – wie neue Saiten oder einige Bücher – sowie Geschenken für ihre Gastgeber blieben vorerst noch auf dem Wagen.
    Penelope hieß einen der Männer, für sie an die Porta anzuklopfen, was dieser auch gleich tat. Eine Dame klopfte nicht selber wie ein Bittsteller. Und so wartete sie gut sichtbar einige Schritte von der Tür entfernt und somit gut sichtbar, dass ihnen geöffnet würde. Ein aufmerksamer Ianitor hatte den haltenden Wagen sicher schon bemerkt, ehe angeklopft worden war.

    Es war nicht weiter schwierig, sich zu der nächsten Therme, in der Frauen Zutritt hatten, durchzufragen. Und so war Penelope mit ihrer kleinen Tochter in die römische Anlage gegangen, die zwar nicht so gewaltig, aber schön ausgestattet war. Am Eingang ließ sie ein paar kleine Münzen klimpern, und schon waren sie herinnen.
    Schnell war die Kleidung auch soweit abgelegt und sicher verstaut, und nur mit einem Tuch, das von einer Sklavin gereicht wurde, bewaffenet, wurden die Becken aufgesucht. Penelope hatte nicht vor, alle Becken zu besuchen, ihr ging es vornehmlich darum, sich und die Tochter zu säubern und den Geruch der Schiffsreise loszuwerden. Wochenlang mit anderen Menschen auf engem Raum bei feuchtkalter Seeluft eingesperrt zu sein war nichts, was sie den Nasen ihrer Gastgeber zumuten wollte. Und so suchte sie ein warmes, aber nicht heißes Becken und stieg hinein. Auch wenn Panthea sich ein wenig zierte, hineinzusteigen, schließlich hörte sie doch auf die Mutter. Und kaum war sie im Wasser und konnte etwas planschen, war auch schon die eigentliche Abneigung gegen das Baden vergessen.


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    “Mama? Sind da noch andere Kinder?“ fragte die Kleine schließlich irgendwann, während Penelope sich gerade ein wenig entspannt auf ihrer Bank zurücklehnte und einweichen ließ, ohne dabei das Kind aus den Augen zu lassen.
    “Das weiß ich nicht, Panthea. Aber das werden wir sicher sehen. Aber bestimmt findet sich jemand, mit dem du spielen kannst.“ Penelope hatte dahingehend eher weniger Bedenken. Nach den Erkundigungen, die sie über die Aurelier eingezogen hatte, war es eine sehr noble und wohlhabende Familie. Die würden zur Not sicher einen Sklaven auch entbehren können, der mit ihrer Kleinen ein wenig spielte, wenn sie an der Schola unterrichtete. Soviel Organisation traute Penelope selbst den Rhomäern zu.
    “Aber ich weiß nicht, ob die griechisch sprechen.“
    Panthea planschte noch ein wenig weiter und überlegte dabei so angestrengt, dass man ihr dabei zuschauen konnte. “Sind das Barbaren, Mama?“
    “Nicht alle, Schatz, aber viele, ja“, antwortete Penelope ihrer Tochter und meinte damit das Wort in seinem ursprünglichsten Sinne. Jemand, der kein Griechisch sprach, war ein Barbar. Die zweite Bedeutung, dass er ungebildet war, kam erst in zweiter Linie und später, denn durch den Umstand, dass er kein Griechisch konnte, folgte logischerweise, dass er den großen Philosophen nicht lauschen konnte oder über ihre Lehren diskutieren konnte. “Aber das macht nichts. Dann reden wir einfach ihre Sprache. Kannst du das, Panthea?“
    Zuhause hatten sie verschiedenste Sprachen gesprochen. Meistens Koine, aber wenn Inhapy zu Besuch war, auch schon mal ägyptisch, oder wenn sie Gäste aus der römischen Bevölkerungsschicht gehabt hatten, eben Latein. Und so konnte Panthea in ihren jungen Jahren alles verstehen, soweit ein kleines Kind das konnte. Wenngleich beim Reden auch häufig an die eine oder andere Sprache erinnert werden musste, da Panthea den Unterschied nicht immer begriff und so ein fröhliches Mischmasch sprach und vor sich hinsang beim Spielen.
    “hmmhmm“ machte sie nur und freute sich am Anblick ihrer langsam schrumpelnden Finger.
    Penelope lächelte ihre Kleine an und nahm sie dann einmal knuddelnd in den Arm. Auch wenn Panthea den Grund nicht verstand, freute sie sich natürlich und schmuste ausgiebig zurück.


    “So, aber dann wollen wir uns mal fertig baden, damit wir bald ankommen“ meinte Penelope schließlich nach einer Weile und begab sich mit ihrer Tochter in einen anderen Bereich, um sich mit duftenden Ölen einreiben zu lassen, und anschließend auch noch frisieren. Bei dem wirren Lockenkopf der Tochter lief es darauf hinaus, dass unter ein paar kullernden Tränen die Locken einfach einmal ordentlich durchgekämmt wurden. Penelope selber ließ sich die Haare nach griechischer Art hochflechten und stecken. Für die neueste, römische Mode und irgendwelche Haartürme konnte und wollte sie sich nicht erwärmen. Sie war Griechin, mit Leib und Seele.


    Schließlich zogen sich die beiden an, in frische Kleidung, die sie extra mitgebracht hatten. Zwar waren die Chitons etwas luftig für das kalte Wetter, aber auch hier war Penelope nicht gewillt, sich in die engeren und dickeren römischen Tuniken zu zwängen.


    Frisch gewaschen, duftend und frisiert schließlich verließen die Beiden die Therme. Der Wagen war inzwischen fertig beladen und der Fuhrmann wartete auch schon auf seine Auftraggeber. Penelope reichte dem älteren Mann, der mit seinem wettergegerbten Gesicht wohl jeder Nationalität angehören mochte, die Tochter hoch auf den Kutschbock des Fuhrwerkes, ehe sie folgte. Es war ein einfaches Ochsengespann, gehalten durch ein hölzernes Joch. Penelope war noch nie mit einem Wagen irgendwohin gefahren, und so beäugte sie die Konstruktion etwas skeptisch.
    “Bis wann werden wir Rom erreichen?“ fragte sie den Fuhrmann.
    “Nicht lange. Drei, vielleicht vier Stunden. Wir werden vor der Stadt noch auf den Sonnenuntergang warten müssen, damit wir hineinfahren können, fürchte ich.“
    Penelope hatte davon gehört, dass tagsüber keine Wagen in der Stadt fahren durften, aber nungut. Es war Winter, die sonne ging früh unter. Es würde schon gehen. Sie nickte, und das Fuhrwerk setzte sich auch sogleich in Bewegung.

    Das wars schon? Man wartete auf sie? Gut, das war ja mal ne kurze Nachricht. Da hatte der Weg sich ja gelohnt. Aber besser so, als wenn er sich jetzt eine Stunde die Füße in den Bauch stehen durfte, nur, um eine ellenlenage Botschaft auswendig zu lernen. Er wollte sich mal cnith beklagen.
    “Ich werde es ausrichten. Vale bene“, verabschiedete er sich kurz angebunden und machte sich auch schon daran, den Klepper, den er Pferd nannte, wieder Richtung stadtauswärts gen Ostia zu führen.

    Es dauerte nicht lange, bis die Porta geöffnet wurde. Der Bote sah auf zu dem Nubier, der ihm gegenüber stand, und störte sich nicht weiter am Tonfall. Er war es gewohnt, und weitaus schlimmeres.
    “Salve. Ich soll Botschaft überbringen von Penelope Bantotakis.“ Nachdem die Griechin ihn auf diese vergessene Silbe vorhin hingewiesen hatte, betonte er sie nun ebenfalls. “ Sie ist heute morgen in Ostia eingetroffen und wird am Abend also hier eintreffen. Soll ich ihr eine Antwort überbringen?"
    Sein Auftrag bestand weder darin, irgendetwas zu regeln, noch irgendetwas zu erklären. Abgesehen davon, dass er selber ja auch gar nichts wusste. Er sollte nur die Nachricht überbringen und eine eventuelle Antwort. Also würde er auch nicht mehr tun, außer, man zahlte ihn dafür.

    Von Ostia war es mit dem Pferd nicht sehr weit. In guten zwei Stunden hatte der Bote das Stadttor erreicht und fragte sich von da zur Villa der Aurelier durch. Das große Bauwerk war nicht weiter schwer zu finden, und beim Anblick des Gebäudes dachte sich der Tagelöhner nur, dass er wohl mehr hätte verlangen sollen als insgesamt 4 Silbermünzen. Aber gut, Auftrag war Auftrag, und er war froh um jeden Auftrag.
    Er schritt zur Porta und klopfte zweimal kräftig dagegen, wartete auf den Ianitor.

    Es war früher Morgen, als das Schiff einlief. Die Sonne hatte kaum den Rand des Horizontes überschritten, aber ohnehin lag sie hinter einen dichten, hellgrauen Wolkendecke, die ihr Strahlen in diffuses Licht verteilte. Im Hafen herrschte dennoch bereits reges Treiben, und ihr Schiff musste warten, bevor es einlaufen konnte. Als sie schließlich an ihren Steg gelotst wurden, kamen auch die Passagiere an Deck.


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    “Mama! Mama! Schau mal, da! Ist das nun das Rhomäerland?“ Panthea konnte kaum über die Reling schauen, nur, wenn sie sich ganz auf die Zehenspitzen stellte und am Holz des Schiffes dabei festhielt. Für ihre drei Jahre redete sie schon sehr viel und sehr flüssig, und neugierig wie das Kind nunmal war, wollte es auch alles wissen und hatte hundert fragen.


    Penelope lächelte zu ihrer Tochter hinunter und nahm sie leicht auf den Arm. Ganz kurz ächzte sie beim hochheben. Die Zeit, in der man das Kind ganz einfach überall hintragen konnte, waren langsam vorbei. Noch war die kleine leicht genug, aber sie wuchs beständig, so dass man ihr dabei fast zuschauen konnte. Penelope stützte die kleine leicht an ihrer Hüfte ab, wo diese instinktiv die Beine leicht an die Mutter presste, um so besseren Halt zu haben.
    “Ja, das ist Italia. Der Hafen da ist Ostia. Und heute Abend sind wir dann in de Stadt Roma.“
    “Und da kommen die Rhomäer her?“
    “Naja, nicht alle, aber ja. Das ist die Polis der Rhomäer.“
    “Ist das weit weg von Alexandria?“
    Penelope lächelte ihre Kleine an. Man könnte fast meinen, die lange Reise wäre nicht gewesen, wenn man dem Kind so zuhörte. Aber Dinge wie Größe, Alter und Entfernung waren noch Abstrakte im kindlichen Denken, ohne wirkliche Bedeutung. Dinge wie 'morgen' waren noch gleichbedeutend mit 'später', Monate oder Jahre hatten keinen großen Unterschied. Es war entzückend, soviel unwissende Unschuld im Arm zu haben.
    “Ja, das ist weit weg von Alexandria. In Rom wohnt der Basileus. Vielleicht können wir ihn sogar einmal sehen.“
    Jetzt machte das Mädchen große Augen und schaute ganz fasziniert auf Ostia, ganz vergessend, dass das ja nicht Roma war und ein Vielleicht keine definitive Angabe war. “Au ja. Und Apollo und Pan und Zeus.“
    “Naja, die vielleicht nicht, die weilen nicht unter Sterblichen.“
    “Und Herakles?“
    “Den wohl auch nicht.“ Jetzt musste Penelope langsam lachen, was Panthea eher instinktiv erwiderte.


    Das Schiff legte an und sie konnten von Bord gehen. Nach der langen Zeit auf See waren die ersten Schritte bei allen wackelig und unsicher, aber außer Panthea hatte Penelope nur Harmonia zu tragen, der Rest wurde von den Matrosen und Hafenarbeitern nach und nach vom Schiff gebracht. Schließlich bekam der Kapitän noch den zweiten Teil seiner Bezahlung in Form eines Wechsels, den er bei seiner Rückkehr nach Alexandria in bare Münze umtauschen konnte – oder eben hier mit einem anderen Kapitän, der nach Alexandria fuhr.
    Der Sklave eilte, für seine Herrinnen einen passenden Untersatz für das Gepäck und die Reise nach Rom ausfindig zu machen. Aber so eilig hatte Penelope es gar nicht. Zielsicher ging sie zu einer Gruppe Tagelöhner. “Chaire! Ich suche...“ begann sie automatisch auf Koine, ehe sie sich entsann, dass diese Barbaren wohl kein Griechisch egal welchen Dialektes sprechen würden. Sie räusperte sich einmal und begann von vorn in der Sprache der Rhomäer. “Ich suche einen Boten, der nach Rom vorausreitet zur Villa Aurelios und eine Botschaft überbringt.“
    Zuerst sahen die Männer sich kurz an, woraufhin sich vier meldeten. Penelope suchte sich den aus, der ihrer Meinung nach am wenigsten verschlagen aussah, und schickte die anderen mit einer Handbewegung wieder weg.
    “Ich möchte, dass du sie informierst, dass Penelope Bantotakis aus Alexandria in Ostia angekommen ist und am Abend in Rom sein wird.“
    Penelope holte den im Gürtel ihres Chitons gut versteckten, flachen Beutel mit Münzen hervor und holte ein paar davon heraus. Gute Silbermünzen, zwei Tetradrachmen. Sie beobachtete genau die Gier in den Augen des Mannes, während sie die Münzen auf ihrer Hand hielt. Sie hielt sie ihm entgegen, schloss aber die Hand, als er danach greifen wollte.
    “Wenn du die Nachricht überbracht hast, wirst du uns entweder hier oder auf dem direkten Weg nach Roma antreffen. Dann erhältst du noch einmal die gleiche Menge, wenn du Antwort bringst. Kannst du dir die Nachricht merken?“
    Gier stand in den Augen des Mannes, und er nickte. “Ja, Penelope Bantokis ist am Hafen von Ostia und wird am Abend ankommen.“
    “BantoTAkis, nicht Bantokis. Penelope Bantotakis.“ Streng sah die junge Griechin ihr gegenüber an und hielt noch immer die Hand verschlossen.
    “Ja, Herrin. Bantotakis, verzeiht.“
    Noch einen Moment zögerte Penelope, dann öffnete sie die Hand und gierig nahm der Mann die Münzen an sich. Es dauerte keine drei Sekunden, bis er meinte, sich muckieren zu müssen.
    “He, das sind keine Denari!“, maulte er.
    Streng blickte Penelope diesen in ihren Augen Ungebildeten an. “Es ist Silber. Beiß drauf und schmeck es, wenn du es nicht siehst. Ist es wichtig, in welche Form es geprägt wurde?“ Nichtmal Drachmen kannten diese Barbaren scheinbar.
    Der Mann zögerte einen Moment, dann nickte er und trollte sich. Penelope konnte erkennen, dass er im Gehen tatsächlich die Münze einmal zum Mund führte und hineinbiss. Sie verkniff sich ein Kopfschütteln und wandte sich wieder dem wartenden Sklaven und der Tochter zu.
    “Was macht der Mann, Mama?“
    “Der sagt Bescheid, dass wir kommen, Schatz. Aber erstmal gehen wir in eine Therme, baden uns und ziehen uns um.“
    Der Gesichtsausdruck von Panthea schwankte zwischen einem 'Au ja!' und einem 'Ih, baden!'. “Wir wollen doch gut riechen und hübsch aussehen, wenn wir die Aurelier besuchen, nicht?“
    Etwas widerwillig nickte die Kleine dann, ganz überzeugt war sie noch nicht. Penelope gab ihrem Sklaven noch ein paar Münzen in die Hand und die Anweisung, alles auf einen angemieteten Wagen mit Kutscher verfrachten zu lassen, ehe sie sich den Weg zur Frauentherme weisen ließ.