Es war nicht weiter schwierig, sich zu der nächsten Therme, in der Frauen Zutritt hatten, durchzufragen. Und so war Penelope mit ihrer kleinen Tochter in die römische Anlage gegangen, die zwar nicht so gewaltig, aber schön ausgestattet war. Am Eingang ließ sie ein paar kleine Münzen klimpern, und schon waren sie herinnen.
Schnell war die Kleidung auch soweit abgelegt und sicher verstaut, und nur mit einem Tuch, das von einer Sklavin gereicht wurde, bewaffenet, wurden die Becken aufgesucht. Penelope hatte nicht vor, alle Becken zu besuchen, ihr ging es vornehmlich darum, sich und die Tochter zu säubern und den Geruch der Schiffsreise loszuwerden. Wochenlang mit anderen Menschen auf engem Raum bei feuchtkalter Seeluft eingesperrt zu sein war nichts, was sie den Nasen ihrer Gastgeber zumuten wollte. Und so suchte sie ein warmes, aber nicht heißes Becken und stieg hinein. Auch wenn Panthea sich ein wenig zierte, hineinzusteigen, schließlich hörte sie doch auf die Mutter. Und kaum war sie im Wasser und konnte etwas planschen, war auch schon die eigentliche Abneigung gegen das Baden vergessen.
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“Mama? Sind da noch andere Kinder?“ fragte die Kleine schließlich irgendwann, während Penelope sich gerade ein wenig entspannt auf ihrer Bank zurücklehnte und einweichen ließ, ohne dabei das Kind aus den Augen zu lassen.
“Das weiß ich nicht, Panthea. Aber das werden wir sicher sehen. Aber bestimmt findet sich jemand, mit dem du spielen kannst.“ Penelope hatte dahingehend eher weniger Bedenken. Nach den Erkundigungen, die sie über die Aurelier eingezogen hatte, war es eine sehr noble und wohlhabende Familie. Die würden zur Not sicher einen Sklaven auch entbehren können, der mit ihrer Kleinen ein wenig spielte, wenn sie an der Schola unterrichtete. Soviel Organisation traute Penelope selbst den Rhomäern zu.
“Aber ich weiß nicht, ob die griechisch sprechen.“
Panthea planschte noch ein wenig weiter und überlegte dabei so angestrengt, dass man ihr dabei zuschauen konnte. “Sind das Barbaren, Mama?“
“Nicht alle, Schatz, aber viele, ja“, antwortete Penelope ihrer Tochter und meinte damit das Wort in seinem ursprünglichsten Sinne. Jemand, der kein Griechisch sprach, war ein Barbar. Die zweite Bedeutung, dass er ungebildet war, kam erst in zweiter Linie und später, denn durch den Umstand, dass er kein Griechisch konnte, folgte logischerweise, dass er den großen Philosophen nicht lauschen konnte oder über ihre Lehren diskutieren konnte. “Aber das macht nichts. Dann reden wir einfach ihre Sprache. Kannst du das, Panthea?“
Zuhause hatten sie verschiedenste Sprachen gesprochen. Meistens Koine, aber wenn Inhapy zu Besuch war, auch schon mal ägyptisch, oder wenn sie Gäste aus der römischen Bevölkerungsschicht gehabt hatten, eben Latein. Und so konnte Panthea in ihren jungen Jahren alles verstehen, soweit ein kleines Kind das konnte. Wenngleich beim Reden auch häufig an die eine oder andere Sprache erinnert werden musste, da Panthea den Unterschied nicht immer begriff und so ein fröhliches Mischmasch sprach und vor sich hinsang beim Spielen.
“hmmhmm“ machte sie nur und freute sich am Anblick ihrer langsam schrumpelnden Finger.
Penelope lächelte ihre Kleine an und nahm sie dann einmal knuddelnd in den Arm. Auch wenn Panthea den Grund nicht verstand, freute sie sich natürlich und schmuste ausgiebig zurück.
“So, aber dann wollen wir uns mal fertig baden, damit wir bald ankommen“ meinte Penelope schließlich nach einer Weile und begab sich mit ihrer Tochter in einen anderen Bereich, um sich mit duftenden Ölen einreiben zu lassen, und anschließend auch noch frisieren. Bei dem wirren Lockenkopf der Tochter lief es darauf hinaus, dass unter ein paar kullernden Tränen die Locken einfach einmal ordentlich durchgekämmt wurden. Penelope selber ließ sich die Haare nach griechischer Art hochflechten und stecken. Für die neueste, römische Mode und irgendwelche Haartürme konnte und wollte sie sich nicht erwärmen. Sie war Griechin, mit Leib und Seele.
Schließlich zogen sich die beiden an, in frische Kleidung, die sie extra mitgebracht hatten. Zwar waren die Chitons etwas luftig für das kalte Wetter, aber auch hier war Penelope nicht gewillt, sich in die engeren und dickeren römischen Tuniken zu zwängen.
Frisch gewaschen, duftend und frisiert schließlich verließen die Beiden die Therme. Der Wagen war inzwischen fertig beladen und der Fuhrmann wartete auch schon auf seine Auftraggeber. Penelope reichte dem älteren Mann, der mit seinem wettergegerbten Gesicht wohl jeder Nationalität angehören mochte, die Tochter hoch auf den Kutschbock des Fuhrwerkes, ehe sie folgte. Es war ein einfaches Ochsengespann, gehalten durch ein hölzernes Joch. Penelope war noch nie mit einem Wagen irgendwohin gefahren, und so beäugte sie die Konstruktion etwas skeptisch.
“Bis wann werden wir Rom erreichen?“ fragte sie den Fuhrmann.
“Nicht lange. Drei, vielleicht vier Stunden. Wir werden vor der Stadt noch auf den Sonnenuntergang warten müssen, damit wir hineinfahren können, fürchte ich.“
Penelope hatte davon gehört, dass tagsüber keine Wagen in der Stadt fahren durften, aber nungut. Es war Winter, die sonne ging früh unter. Es würde schon gehen. Sie nickte, und das Fuhrwerk setzte sich auch sogleich in Bewegung.