Beiträge von Geórgios Krateidos

    Bakhen nickte knapp und nickte einem seiner Männer zu, damit er sich den Genannten draußen mal näher ansah, schließlich schadete es nicht, den Boten auch genau anzugucken, damit man ihn wieder erkannte. Der Ägypter, Bakhen, wiederum deutete mit seinem Bartstoppeligem Kinn auf den Meroër, den breitschultrigen, schweigsamen Hünen mit der tiefschwarzen Haut. "Ich schicke Dir Kigoma, falls etwas sein sollte. Ach, soll ich ihn in Deine Amtsstube schicken oder hast Du einen Ort, wo man Dir eine Nachricht dieser Art hinterlassen kann?" So etwas konnte schließlich nicht schaden für einen Mann mit derart vielen Facetten, wie Cleonymus sie wohl besaß. Außerdem hielt Bakhen den Mann für recht clever, sicherlich hatte er an so etwas schon lange zuvor gedacht.

    Es blitzte sowohl in den Augen von Geórgios, als auch von Thémis neugierig auf, vielleicht aus unterschiedlichen Beweggründen, doch darin konnte man gut ihre Ähnlichkeit erkennen. Selbst wenn sie zwei unterschiedliche Mütter hatten und sich rein äußerlich nur vom Schnitt ihrer Nase und der Art zu Gehen vielleicht glichen. Der Priester lächelte dünn. "Da kommt es natürlich auf die Materie an, verehrter Centurio, und welche Wissensgebiete Du zu ergründen suchst. Wenn wir können, werden wir Dir gerne behilflich sein. Nicht wahr, Bruder?" Thémis, der einer der freundlichsten Gesellen der Krateiden war, mehr an dem Spass des Abenteuers interessiert und Geld nur als notwendiges Übel sah, nickte eifrig. "Aber sicher doch, Gorgis!"

    Die ganze Angelegenheit wurde doch langsam, aber sicher immer interessanter für Geórgios, der sich weit mehr von dem 'Bündnis' versprach als nur irgendeinen finanziellen Vorteil. Nein, womöglich erfuhr er dadurch einige wichtige Dinge und Informationen waren für den, für den er arbeitete, von weit größerem Interesse als so manch eine Geschäftsbeziehung. Bakhens Mund umspielte ein dünnes Lächeln und er nickte, was ein Zeichen seiner Zustimmung sein sollte. Und Streit und Hader unter den politischen Amtsträgern war dem eigentlichen Chef der Bande mit Sicherheit mehr als Recht. "In Ordnung, Cleonymus, ich will Dir gerne behilflich sein, sofern ich es kann. Den anderen Prytanen bin ich rein gar nichts schuldig und sie interessieren mich auch nicht, warum also nicht?" Bakhen grinste breit und zuckte mit der Schulter.

    Grübelnd starrte Bakhen sein Gegenüber an. Gleichzeitig jedoch auch misstrauisch, denn das was Cleonymus behauptete, schien eine größere Sache zu sein. Und Bakhen musste abwägen, ob er ein Möchtegern vor sich hatte oder jemanden, den er nach solchen Worten sehr ernst nehmen sollte. Bakhen zog seine Augenbrauen zusammen und starrte stumm den Strategos an. Ein Teil von ihm witterte eine Falle. Als ob Cleonymus ihn dazu bringen wollte, ebenfalls das eine oder andere prikäre Geheimnis auszuplaudern. Nämlich den eigentlichen Kopf der Bande zu verraten. Aber Bakhens Hals und Kopf mochten sich eigentlich sehr, zudem wollten sie sich nicht von ihrem Körper trennen. Darum würde Bakhen auch jetzt noch schweigen. Oder gerade jetzt.


    Aber in einem wurde es auch Bakhen zu viel. Was wollte der Strategos noch von ihm? Schliesslich hatte er bereits seine Kooperation prinzipiell zugestimmt. Wenn auch noch die Details geprüft werden mussten. Verdriesslich verzog der Mann seinen Mund. "Interessant, Cleonymus, sehr faszinierend. Und genauso ominös." Er stellte den leeren Becher wieder auf den schiefen Tisch, der mit Elfenbeinintarsien verziert war, aber doch einen mehr schäbigen Eindruck bot. "Nun, was genau willst Du von mir, Cleonymus? Soll ich nun Dir und Deinen mysteriösen Freunden behilflich sein oder doch mehr der Stadtwache?" Ein Teil von Bakhens Geist bearbeitete das Gesagte. Ob Cleonymus sich einer Gruppe von Rebellen angeschlossen hat, die womöglich versuchen wollten, sich von den Rhomäern zu trennen? Wäre er nicht zu beschäftigt gewesen mit dem Gespräch, Bakhen wäre wohl schon bei dem Gedanken daran in schallendes Gelächter ausgebrochen.



    Lauernd beobachtete Bakhen die Veränderungen im Gesicht des Strategos. Bakhen hatte schon viele Jahre in seinem Leben erlebt und war nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Insbesondere, da er sich schon seit vielen Jahren gegen die Anfeindungen und Aufstachelungen von Möchtegern-Bandenchefs wehren musste. Seine Augen verengten sich eine Nuance und der Funken von Misstrauen kehrte in diese zurück. Gelassen kauerte er jedoch weiter auf seinem kleinen Thron. Entspannt war Bakhen jedoch nicht. Das war er selten und schon gar nicht in der Anwesenheit seiner Männer. Oder gerade des Strategos'.


    Stumm und mit einem gleichgültigen Schulterzucken wartete er den Ausbruch von Cleonymus ab. Das Angebot war zwar interessant, aber Bakhen wusste, dass es genauso flüchtig war wie die Röte am Morgen oder die Tugend einer Jungfrau. "Wenn Du meinst, Strategos. Ich will Dich nicht daran hindern, Kontakt mit einem anderen Geschäftsmann aufzunehmen. Die Welt des Handels ist groß." Bakhen wusste aber durchaus auch um den Wert seiner Kontakte. Er kroch nicht zum Kreuze, wenn er sich nichts wirklich profitables versprach. Oder es ihm gesagt wurde. Von dem Einzigen, von dem er Befehle in der Stadt an nahm.

    Wohlwollend lächelte die Priesterin als sie die Worte des Brautpaares vernahm, die doch von großer Überzeugung und Inbrunst sprachen. Sogar Geórgios, der wirklich keine sentimentale Ader hatte, lächelte ebenfalls einen kurzen Moment lang. Doch sofort zeigte sich wieder der feierlicher Ernst als sie zum zweiten Teil der Zeremonie kamen. Dem blutigen Opfer an die Götter und Höhepunkt der Spondé.


    In weißen Schwaden wehte der Rauch in den Himmel hinauf. Geórgios griff zum zweiten Mal nach der Amphore mit dem heiligen Wasser und besprengte die Hände der Anwesenden und der Priesterin. Leondros führte das Lamm heran, das von der Menge etwas abgeschreckt zu sein schien. Der Kopf des Tieres ruckte hin und her. "Spondé!", sprach der Zeuspriester und ließ das Wasser auf den Kopf des Tieres tropfen. Das Lamm zuckte mit dem Kopf herunter, um sich des Wassers zu entledigen. Womit der Priester zufrieden war, denn das Auf und Ab wurde als Nicken angesehen. Ein Zeichen, dass auch das Tier zustimmte. Den Teilnehmern wurde aus dem Opferkorb ungeschrotete Gerstenkörner gereicht, die oulochýtai. Géorgios hob erneut die Hände, um laut und feierlich das Opfer zu beginnen. "Zeus Heraîos, höchster und bester der Götter, Vollender und Herrscher, der Weithinschauende, der da weise Gespräche führt mit der neben ihm sitzenden Themis. Waltender Sohn des Kronos, sei gnädig, erhabenster Herrscher. Bruder und Gemahl der Hera, Gott der Hochzeit, Herrscher der Götter. Vereinige die Beiden in dem vollendeten Bund." Gleich darauf fiel Antimia ein: "Hera, die Tochter der Rheia, auf goldenem Throne, die Königin unsterblich in ragender Hoheit, Zeus' Gemahlin und Schwester, des grollend donnernden Gottes, herrlich ist sie, die weit im Olympos die Seligen alle scheu verehren zu gleich mit dem blitzerfreuten Kronion. O Hera gamostólos, die Du die Hochzeit bereitende bist, o Hera zygía, die du die Bande knüpfst, o Hera téleia, vollende den Bund dieser zwei Gläubigen."


    Ein kaum merkliches Nicken von Geórgios sollte den Teillnehmern besagen, dass sie jetzt die Körner nach vorne auf den Altar und das Opfertier werfen durften. Leondros zog die Decke im Opferkorb zur Seite, unter dem das Opfermesser zum Vorschein kam. Geórgios ergriff es und trat zum Opfertier. Sorgfältig trennte er dem Tier das Stirnhaar vom Haupt und warf dieses in das Feuer. Das weiße und wollene Haar wurde sofort von den Flammen verzehrt. "Spondé!", ertönte zum letzten Mal die Mahnung, dann hob Geórgios das zierliche Lamm in die Höhe. Nur mit Mühe konnte er ein Ächzen unterdrücken. Er wurde mit den Jahren auch nicht jünger und spürte das Gewicht des Tieres deutlich. Leondros hob die Flöte zum Mund und ließ sie hell und aufpeitschend erklingen.


    Der Schatten des Opfermessers berührte zuerst das Tier, dann schnitt der Priester mit einer geübten und schnellen Bewegung die Kehle auf. Die Jungfern und die Priesterin stießen einen schrillen und hohen Schrei just in dem Moment aus, in dem Augenblick des Höhepunkts, in dem Leben den Tod übergellt, mit dem Ololygé, den spitzen Schrei, den alle anwesenden Frauen bei einem solchen Opfer auszustossen hatten. Das Blut spritzte über den Altar, doch einer der Jungfern fing es mit einer goldsilbernen Schale auf und reichte es an die Herapriesterin, die mit ihren Fingern begann den Altar zu benetzen.


    Schlaff hing der Kopf des Lammes über Geórgios weißes Gewand, auf dem nun einige Blutspritzer zu sehen waren. Geórgios legte das Tier ab und schnitt es auf, routiniert entnahm er ihm Herz und die Leber, die splánchna. Sorgfältig betrachtet er die Leber und nickte zufrieden. Noch pochte und zuckte das Herz in den Händen des Priesters, der sich herum drehte und es in der Schale zerteilte, um es dem Brautpaar zum Verzehr, einem rituellen Bissen, zu reichen. Einige der Fleischstücke wurden heraus geschnitten und in eine Schale gelegt, dann das Tier weg getragen, damit Helfer das Tier zerlegen konnten, um das gute Fleisch für das Festmahl zu zu bereiten und das Fell und die Knochen später den Göttern übergeben zu können, wie es schon von je her und in rechter Ordnung üblich war, seitdem Prometheus Zeus derart das Opfer dargebracht hatte.


    Geórgios warf die Fleischsstücke, einige Speisegaben, Kuchen in flammende Glut und goß Wein über das Feuer. "Zeus Heraîos, die Gaben für Dich und Deine Gemahlin, o Hera teleía! Segne das Paar." Eine lodernde und helle Stichflamme flammte auf und erleuchtete das Gesicht des Priesters, der sich zufrieden umdrehte, zu den Gästen und dem Brautpaar. Das Blut tropfte noch an dem weißen Kalk des Altars herunter als Geórgios erneut seine Stimme erhob, aber nicht an die Götter gerichtet, sondern an das Paar und die Gäste. "Die Götter sind besänftigt. Die Götter sind zufrieden. Die Zeichen für die Zukunft des Paares stehen sehr günstig und ihre Ehe wird von Zeus und Hera gesegnet sein. Feiert und preist den Tag der Hochzeit von Ánthimos Bantotakis, Sohn des Kyriákos, und Penelope, Tochter des Demosthenes und Enkeltochter des Philolaos." Womit er den Gastgebern, samt ihren Gästen auch die Gelegenheit geben wollte, mit dem Feiern zu beginnen. Nun, da das Opfer vollendet war.





    gamostólos = die Hochzeit bereitende, zygía= die Verbindende, téleia = Die Vollendete

    Das schmeckte Bakhen natürlich nicht. Nicht zu wissen, was auf ihn zu kam, wenn er eine solche Vereinbarung einging. Denn eigentlich stand Bakhen auch zu seinem Wort. Obwohl er ein Mörder, Halunke und Schwerverbrecher war. Er verzog missmutig seinen schorfig-trockenen Mund und brummte einen undefinierbaren Ton tief aus seiner Kehle. Es klang mehr nach einem heiseren Löwen als nach einer Hyäne. "Hm. Aber Du sollst wissen, Cleonymus, dass wir Dir nicht bei jeder Unternehmung behilflich sein können. Unsere Kapazitäten und Möglichkeiten sind nicht unermesslich." Selbst wenn Bakhen einiges in dem Viertel zu sagen hatte und viele Kontakte in der Stadt hatte.


    Ein freudlosen Grinsen und Zähne blecken war die erste Reaktion auf die Frage des Strategos. "Nicht mehr hier.", erwiderte Bakhen. Er beugte sich vor und griff nach einem goldsilbernen Trinkbecher, der an manchen Stellen trotz der Pracht eingedellt war. Als ob er ihn schon zum Zuschlagen benutzt hätte. "Sonst noch was, Strategos?" Bakhen hatte nicht vor ihm etwas zu Trinken anzubieten. Denn mit nichtssagenden Höflichkeiten hielt sich der Bandenchef nicht auf.

    Gelassen verschränkte der Priester die Arme vor der Brust. Die Frau hatte etwas raubtierhaftes an sich. Mit ihrer Art, die durchaus subtil war, aber doch den Eindruck erweckte. Eine Eigenschaft, die er bei einer Frau doch als recht erstaunlich erachtete. Es zuckte amüsiert um seine Mundwinkel. Die Botin, die keine Botin ist, obwohl sie eine Botschaft hatte. Aber er erwiderte darauf nichts. Das war ihre Sache, als was sie sich betrachtete. Ein ebenso subtiles Mienenspiel zeigte sich bei der Erwähnung des Namen. Die rechte Braue zog sich ein wenig herunter. Die Linke tendierte eher etwas in die Höhe. Der Kopf legte sich eine Nuance zur Seite. Die Lippen verzogen sich nicht ein bisschen. Der Name klang vertraut. Sicherlich hatte Geórgios den Namen schon gehört. Abfällig von manchen der griechischen Stadtbewohner, die den Mann für einen Emporkömmling und Fremden hielten. Kein Mann der alexandrinischen Polis. Ein Athener, wenn er sich recht entsann. Andere sprachen eher lobend von dem Politiker. Er selber hatte sich zu dem anderen Hellenen noch kein Urteil gebildet.


    Er wusste nicht, was er überhaupt davon halten sollte. Jahre lang war er unbescholten davon gekommen. Weder seine Familie, noch sonst irgendwelche Stadtgrössen hätten ihn behelligt. Und jetzt sollte sich das mit einem Schlag ändern? Eine Tatsache, die starkes Misstrauen in ihm schürte. Was er in dem Augenblick nicht nach außen dringen ließ, sondern in sich verbarg. "Ich werde es überdenken, werte Eirene.", antwortete er jedoch relativ verschlossen. Ob er den Mann aufsuchen würde, musste er sich wirklich noch überlegen. Nach einem Augenblick des Nachdenkens schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich habe keine Fragen. Ich danke Dir, verehrte Eirene. Und wünsche Dir noch einen angenehmen Abend. Du wirst fest stellen, dass nicht alle Krateiden so bärbeissig wie mein Großvater sind. Solltest Du noch auf der Feier weilen wollen." Er neigte zum Abschied höflich den Kopf und wandte sich zum Gehen um. Aus den Augenwinkeln bemerkte er einen Schemen, der davon huschte. Scheinbar unbeschwert kehrte er jedoch in das Haus zurück, wo ihn sein Bruder schon empfing.

    Bei Geórgios zeigte sich der Anflug von einem spöttisch-amüsierten Lächeln, während wiederum Thémis ganz offen grinste. Denn beide wussten: Verriet man es der Priesterschaft, war es gleichbedeutend, als ob man sich auf die Agora stellte und es laut schreiend verkündete. Noch bevor die Sonne den westlichen Horizont beührte, würde es in der ganzen Stadt Alexandria verbreitet sein. Doch der Priester wusste nicht, ob das nicht genau die Absicht der Römers war. Indem er sich an einen Vertreter der grössten Tratschgemeinde von der Stadt wandte. Somit nickte er zustimmend, wenn auch er sich nicht ganz sicher war, ob es überhaupt stimmte, was der Rhomäer sagte. Nämlich, dass die Tempel auch den Rhomäern heilig sein würden. Immerhin waren sie, die Hellenen, eindeutig keine Juden und hier nicht der Tempel von Jerusalem, den die Rhomäer ohne Scheu nieder gebrannt hatten. "Natürlich. Ich werde das den anderen Priestern und Priesterinnen ausrichten. Es wird sie sicherlich sehr beruhigen."


    Geschäfte? Geórgios beschäftigte sich nicht sonderlich intensiv damit. Selbst wenn es um den Verkauf der Opferanteile ging, womit er seinen Verdient noch aufbesserte. Das erledigte ein Tempeldiener. Zudem ließ er sich lieber etwas für den Opferstock geben. Dennoch hatte er den Funken Geschäftssinn von seiner Familie geerbt, so dass es in seiner Nase zu jucken begann. Bei seinem Bruder war das jedoch deutlich ausgeprägter. Thémis beugte sich interessiert nach vorne und verlor schlagartig den amüsierten und mehr müßigen Ausdruck auf dem Gesicht. Der Priester zuckte hinwieder mit der Schulter. "Da hast Du nicht Unrecht, verehrter Centurio. Doch mein Bruder versteht sich deutlich besser auf die Geschäfte als ich. Er ist Händler von Profession." Und Abenteuerer, was sich gut mit seiner Tätigkeit verbinden ließ.

    Eben war es noch leer im Garten. Eine Palme beugte sich dem sanften Wind, der von der Wüste über das Anwesen strich. Der Wind, der schon so viel von dem ägyptischen Land gesehen hatte und den Menschen viel erzählen könnte. Doch nur wenige Menschen beherrschten die Sprache des Winders. Konnten aus den Gerüchen lesen, der Wärme erfahren, wo er schon überall gewesen ist. Gedanken verloren stand Geórgios in dem Garten und betrachtete die nächtlich gräulichen Blumen, deren Farbenpracht erst im Schein der Sonne zur Geltung kamen. Was ihm sein Großvater gesagt hatte, schmeckte ihm wirklich nicht und die ganze Sache stank zum Himmel, selbst für ihn, der doch wenig Skrupel hatte. Das hatte er durchaus von der Familie seines Vaters geerbt. Vielleicht war noch ein Schuss ägyptischer Heimtücke dabei, die er von seiner mütterlichen Seite schon vor seiner Geburt mitbekam.


    Überrascht blinzelte er als die Frau vor ihm stand. Er hatte ihre Schritte nicht gehört, noch sonst ein Geräusch, das sie verraten hätte. Abgesehen von einem Zucken seiner Augenbrauen liess er sich jedoch erst mal nichts anmerken und musterte die Frau ohne sonderlichen Respekt oder Scheu. "So ist es, Geórgios Krateidos ist mein Name, verehrte Eirene." Natürlich war er daran interessiert, was die Frau zu sagen hatte. Die den Alten so sehr vor den Kopf gestossen hatte. Schon alleine deswegen war er für ihre Geschichte und ihrem Ansinnen empfänglich. Wer auch immer Eirene geschickt hatte, und daran zweifelte er nicht, war entweder sehr klug oder sehr dumm, in dem er den Alten derart brüskiert hatte. Er lächelte dünn und mit seinem typisch ironischem Ausdruck. "Selbstverständlich bin ich daran interessiert. Sehr sogar.", erwiderte er.

    Die schlanken Finger des Priesterhelfers, dem jungen Leondros, huschten flink über die Flöte hinweg und entlockte ihr fröhliche Klänge, die mit jedem Schritt die Prozession zu dem Altar begleiten sollten. Pompé, der Festzug, der die Riten zu der Hochzeit des jungen Paares einläuten würde. Allen voran schritten zwei Jungfern der Herapriesterschaft. Beide trugen feierlich Myrtenzweige und Pfauenfedern, dem heiligen Tier der Hera, in den Händen, dazu Blumenkränze auf ihren Köpfen. Hinter ihnen liefen Seite an Seite Priester und Priesterin, von Zeus und Hera, beide ebenfalls bekränzt. Zwischen Antimia und Geórgios befand sich das strahlend weiße Lamm, dessen Hufen vergoldet, purpurne Bänder in die flauschige Wolle gebunden waren und das sanftmütig inmitten aller Menschen vor sich hin trottete. Ihnen sollten zuerst das Brautpaar, dann die Gäste folgen. Und zu guter Letzt zwei Träger, die den Korb und die Amphore mit dem heiligen Wasser für den Ritus zum Altar, dem bomós, trugen. Zu dem für jenen Tag errichteten Altar, aus einigen Ziegelsteinen aufgemauert und mit Kalk übertüncht, zudem mit Myrten- und Dattelpalmzweigen geschmückt.


    Die beiden Priester blieben vor dem Altar stehen und warteten, bis sich die Gäste, samt Brautpaar vor dem Altar im Halbkreis versammelt hatten. Mit gemessenen Schritten trugen der Korbträger und der Träger der Amphore das heilige Wasser um alle Anwesenden und stellten das tönerne und bemalte Gefäss, samt den Korb vor den Füssen des Zeuspriesters ab. Ein Seitenblick zu der Herapriesterin, ein hochmütiges Nicken ihrerseits, worauf hin Geórgios die Lippen zusammen presste. Natürlich kannte er seine Aufgaben, so griff er nach den Armen der Amphore und hob ihn in die Höhe.


    "Spondé!", rief er mit sonorer und geübter Stimme über die Anwesenden und mahnte sie damit zum Schweigen, jedes Wort nur zur rechten Zeit. Aber auch als Zeichen, dass der Ritus beginnen würde und die Teilnehmenden ihre Hände auszustrecken hatten, damit die Reinigung vollzogen werden konnte. Er drehte den Hals der Karaffe und ließ das Wasser, aus einer Quelle geschöpft und mit Meersalz versetzt, über die Hände des Brautpaares tropfen. Dann über die von jedem anderen Gast. Geórgios wartete einen Moment für das rituelle Hinweg! Hinweg! Fort mit dem Gotteslästerlichen! der Gereinigten, ehe er erneut ein Spondé erklingen liess.


    Nachdem er die Amphore wieder abgestellt hatte, ergriff Geórgios den glühenden Span, den ihm Leondros reichte. Sein Gewand raschelte um seine Beine als er zu dem Altar und dem aufgeschichten Holzhaufen auf einer bronzenen Feuerschale trat . "Ich beschwöre Dir das heilige Feuer, dessen Mutter Hestia und Vater Hephaestos ist." Rauch stieg von dem Holz auf und schließlich leckten die ersten Flammen in die Höhe, um die verschiedenen duftenden Hölzer zu verzehren und die Weihrauchbrocken zum Schmelzen zu bringen. Die Priesterin und auch die Gehilfen, von der Jungfer bis zum Flötenspieler, sprachen feierlich: "Spondé! Hestia, Wächterin des Herdfeuers, Deines ist immer das Erste und das Letzte."


    Die Handflächen zum Himmel gestreckt, holte Geórgios tief Luft, ehe er pastoral die Hymnen an Zeus began. "Spondé! Zeus, Sohn von Kronos und Rhea, König der Götter und Menschen, Herrscher des Olympos. Bruder und Gemahl der weißarmigen Hera. Gott der Hochzeit, der Gelübde und Familie. Wir rufen Dich mit welchem Namen auch immer benannt zu werden Dir lieb ist." Antimia erhob ebenfalls ihre Hände und ergänzte: "Spondé! Hera, Tochter von Rhea und Kronos, Königin des Olympos, Schwester und Eheweib von Zeus. Göttin der Hochzeit, Leukoenos, Parthenos, Nympheuomene. Hera paîs, Hera teleía, Hera chéra, wir rufen Dich mit welchem Namen auch immer benannt zu werden Dir lieb ist."


    Eine der Jungfern trat nach vorne und öffnete den Korb, die Priesterin griff nach einigen Körnern, Feigen und gebackenem Nator. "Segne diese Verbindung, die die Braut und der Bräutigam knüpfen. Helfe ihnen alle Zweifel und Schwierigkeiten in ihrer Liebe zu überwinden. Schenke ihnen Deine Gunst für ihre Ehe." Mit den Worten warf sie Körner, eine Feige und den Nator in das tanzende Feuer. Auch Geórgios warf eine Hand voll Körner in das mittlerweile lodernde Feuer. Es zischte leise und der Rauch stieg nach oben, dorthin, wo man die Anwesenheit der Götter vermutete. Auch den Gästen wurde von dem Inhalt des Opferkorbes gereicht, um diese in das Feuer zu geben. Priester und Priesterin wandten sich zu dem Brautpaar um. Ein mildes Lächeln lag auf den Lippen der Herapriesterin, während wiederum Geórgios mehr gemessen wirkte. Antimia nickte den Beiden zu, damit sie selber das Ehegelübde gegenüber den Göttern sprachen.






    ________________________________
    Leokoenos = Weißarmige, Parthenos = Jungfrau, Nympheuomene = Braut, paîs= Mädchen, teleía= Vollendete, chéra= Getrennte

    [Blockierte Grafik: http://img113.imageshack.us/img113/9624/sibelin4.gif]


    Ratlos betrat die junge Ägypterin, Sibel, die Küche des Anwesen. Für die anwesenden Familienmitglieder, aber auch die vielen Angestellten im Haus, wurde bereits am Abendessen gekocht. Der Koch, ein großer und recht voluminöser Ägypter, starrte der Dienerin entgegen. "Wasis?", grunzte er. "Ein Gast ist im Haus, ein Rhomäer. Und er wünscht ... Posca." Irritiert starrte der Ägypter die junge Frau an. "Wasis das?" - "Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, das kennt hier jemand." Einer der Gehilfen des Koches hob den Kopf an. "Essigwasser." Dass er das als Christ aus den Schriften und Lehren wußte, würde er natürlich nicht anmerken. Genauso dass er Christ war, er hielt sich doch lieber bedeckt in diesem Anwesen.


    Sibel strahlte erleichtert auf, während der Koch eine missmutige Schnute zog. "Essigwasser? Wer trinkt'n sowas?" - "Die rhomäischen Soldaten ..." ... und Jesus am Kreuz, dachte der Mann zudem. Beleidigt in seinen Kochkünsten, Weine schlossen sein Aufgabengebiet auch ein, machte sich der Koch an die Arbeit. Doch sein Ehrgefühl vermochten es nicht, einfach nur Essigwasser zu zu bereiten. Ein Schuss echter Wein, ein paar Gewürze und einige Orangentropfen kamen noch hinzu. Erst als er beim Probieren nicht mehr das Gesicht angewidert verziehen musste, reichte er den Krug an Sibel, die ihn glücklich ihren Auftrag ausführen zu können hinaus trug.


    Geórgios hätte auch selber keinen blassen Schimmer gehabt, womit ihn ein rhomäischer Soldat belangen könnte. Aber eine reine weiße Weste hatte er eben nicht. Darum war seine Frage auch nicht ganz ohne Ernst gewesen. Aber dann wäre ein Centurio nicht alleine gekommen. Täuschte er sich oder zuckte doch über das Gesicht seines Bruders ein wenig Enttäuschung. Strafend sah er zu Thémis hinüber, der so tat als ob er kein Wässerchen trüben könnte.


    Der Aufmarsch der Soldaten? Geórgios nickte. "So ist es. Aber ich kam nicht aus dem Tempel. Ich bin nur zufällig am Tempel vorbei gekommen. Ich bin kein Priester der Tyche, sondern des Zeus." Er musterte den Soldaten genauer. Ob dieser ihm bekannt vor kam. Aber die Soldaten hatten mit ihren Helmen die Angewohnheit, sich doch alle sehr zu ähneln. Was Uniformen nun eben mit sich brachte. "Und die zweite Gelegenheit?", fragte er neugierig. Er bemerkte, dass die ägyptische Dienerin zurück kam und dem Gast von der ägyptischen Kreation des Posca eingoss.

    Eine Augenbraue zuckte von Geórgios in die Höhe als er die ersten Worte des Soldaten vernahm. Von einem Rhomäer belehrt zu werden, mochte der Hellene natürlich nicht. Doch ausser diesem kurzen Zucken über dem Auge, liess der Priester keine Reaktion darauf erkennen. Auch nicht auf das breite Grinsen von seinem gut zehn Jahre jüngeren Bruder. Ausserdem war es heute einfach zu heiß, um sich über solche Kleinigkeiten aufzuregen.


    "Posca?" Ratlos sah Geórgios zu seinem Welt erfahrenen Bruder. Der dachte scharf nach und zog seine Augenbrauen eng zusammen. Doch auch Thémis kam nicht darauf. Er zuckte mit der Schulter. Dennoch winkte Thémis mit seinem Dattelpalmfächer einer jungen Dienerin zu, die leise trippelnd heran kam. "Hole Posca für den Herrn." Thémis zweifelte nicht daran, dass so etwas zu besorgen sei. Irgendwo im Haus. Auch der verzagte Ausdruck auf dem Gesicht der ägyptischen und zierlichen Dienerin ließ ihn nicht wanken. Gut gelaunt und freundlich lächelnd wandte sich Thémis wieder den beiden anderen Männern zu.


    Geórgios, mehr nur ein Gast in diesem Anwesen, selbst wenn es seiner Familie gehörte, sah den Soldaten aufmerksam und mit einem Quäntchen Neugier an. "So ist es. Denselbigen hast Du in leibhaftiger Manifestation gefunden.", antwortete Geórgios mit einem Anflug eines Schmunzelns auf dem Gesicht. "Darf ich fragen, hoch geschätzter Centurio, wie mein Name an Deine Ohren gedrungen ist? Ich hoffe doch, dass ich nichts Schlimmes zu befürchten habe." Unterschlagung im Tempel, Betrügereien an den Gläubigen. Das waren keine Dinge, für die die Legion zu ständig war. "Im Übrigen, das ist mein Bruder, Themistokles Krateidos." , stellte Geórgios diesen vor.

    Zitat

    Original von Quintus Fabius Vibulanus
    Nachdem er herausgefunden hatte wo der Priester sein Haus hatte, kam Vibulanus an einem Nachmittag auf seiner alten Stute Fusca zu dem Anwesen der Krateiden geritten. Er kam allein, doch er hatte zwei anderen gleichgesinnten Centurio von seinem Vorhaben informiert, sodass er sich keinerlei Sorgen machte, da einem toten Centurio und Klienten des Statthalters blutige Vergeltung folgen würde. Kurz vor dem Tor zügelte er Fusca. Dann stieg er ab und klopfte drei Mal fest mit der Faust ans Tor.


    >Ich bin Centurio Quintus Fabius Vibulanus und ich möchte Geórgios Krateidos sprechen.<



    Die Sonne strahlte auf den gepflegten und weitläufigen Garten. Sie glitzerte in den zahllosen Bachläufen, Quellen, Brunnen, die den Garten mit Frische füllte. Selbst wenn die Sonne die meiste Zeit des Jahres hitzig und manchmal sogar erbarmungslos auf die Menschen herunter schien. Gerade die Frische tat in dem Augenblick gut, als Geórgios sich auf einer Kline lümmelte und den weitschweifigen Erzählungen seines Bruders lauschte. Höchst ungerne war er in das Anwesen seines Großvaters, der Residenz der Krateiden gekommen. Aber sein Bruder hatte ihn eingeladen. Zudem genoß er gerade einen kühlen Wein, mit Eis versetzt. Wo der Alte immer solch einen Luxus her bekam, war für den Priester rätselhaft.


    "Acht Arme?", wiederholte Geórgios und betrachtete Gedanken verloren eine rote Kelchblume. "Du hörst mir gar nicht zu, Bruderherz. Ich war schon gar nicht mehr bei der Göttin. Die Freudenhäuser ... ich sage Dir, die Freudenhäuser sind eine wahre Wonne." Desinteressiert sah Geórgios auf. Er suchte eigentlich nicht solche Örtlichkeiten auf. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der jede zweite Nacht an verschiedenen in solchen Etablissements aufzufinden war. "Die Frauen sind auch sehr ... nun ... sagen wir mal, seltsam. Aber es gibt auch schöne unter ihnen. Und auch manch einen netten Knaben.", fügte er mit einem Augenzwinkern an. Was auf die gleiche Indolenz traf.


    Am Tor hinwieder eilte sich einer der Bediensteten es zu öffnen. Er musterte den Mann aufmerksam und mit eimem schnellen Blick. Zwei Söldner kauerten im Schatten einer Palme und starrten ebenfalls zum Tor. Der Alte, Kyros Krateidos, beschäftigte fast nur Freie und hielt sich hier kaum Sklaven. Im Gegensatz zu den Arbeitern in den Minen im Süden. In denen fast nur Sklaven ihr Dasein fristeten. Der Mann, der das Tor öffnete, straffte seine Schultern und nickte respektvoll. Einen rhomäischen Soldaten sollte man besser nicht gleich vor den Kopf stossen. Wenn einem eine gesunde Nase lieb war. "Natürlich, werter und hochgeschätzter Centurio. Der Enkelsohn des Hausherrn weilt tatsächlich heute hier. Wenn Du mir bitte folgen würdest." Kriecherisch und devot verbeugte sich der Hellene, dessen Augen schwarz um malt waren.


    Der Mann wandte sich um und nickte den Söldnern zu, die ihre Hände wieder sinken liessen und weiter ihrem Spiel mit seltsamen weißen und schwarzen Steinen frönten. Über den knirschenden Sand und Kieselsteine führte der Mann den Soldaten in den Garten hinein und vorbei an vielen prächtig blühenden Orchideen. Zielstrebig hielt der Bedienstete auf die Sitzgruppe von mehreren Klinen zu, an dem sowohl Geórgios, als auch dessen jüngerer Bruder Themistoklis lagen. Einige Wortfetzten drangen bis zu ihm. Reisegeschichten vom fernen Maurya. Er blieb vor dem Priester stehen und verbeugte sich. "Junger Herr?" Junger Herr war gut. So jung war Geórgios auch wieder nicht. "Der Soldat namens Centurio Quintus Fabius Vibulanus wünscht Dich zu sprechen." Der Mann deutete auf Vibulanus und entfernte sich stumm.


    Nicht nur Geórgios, sondern auch Thémis musterten den Mann neugierig. "Chaîre. Oder besser...Salvete?", grüsste Geórgios den Rhomäer. "Salve heißt das, Gorgis." - "Ja, natürlich." Sein Latein war einfach eingerostet. In Rhakotis und auch in seinem täglichen Priesterdasein hatte er fast ausschließlich mit Ägyptern oder Hellenen zu tun, selten mal ein Rhomäer. "Nimm' doch bitte Platz, werter Centurio. Etwas Wein vielleicht?"

    Zitat

    Original von Nikolaos Kerykes


    Eirene:


    ....
    "Wenn du dies hören magst, was ich erzählen wollte, komme mir nach. Ich werde draußen auf dich warten. Du findest mich nahe der Sänfte mit dem roten Baldachin.", flüsterte Eirene. Nur der Mann namens Gorgis könnte es hören.



    Eirene war nicht die Einzige, die dem Methusalem namens Kyros Krateidos kein langes Leben mehr prophezeite. Sie war aber auch wirklich nicht die Erste. Schon vor vielen, vielen Jahren hatten einige das gedacht. Und noch mehr hatten es sich erhofft, dass der Alte endlich krepieren und die Zügel an einen seiner Söhne weiter geben würde. Aber scheinbar hielt er seine Söhne, die er zum großen Teil sogar überlebt hatte, nicht für fähig, das kleine Familienimperium zu leiten. Und es waren nicht wenige in der eigenen Familie, die dem Alten den Tod herbei wünschten. Kalt glomm es in den Augen des Mannes, dessen Haut welk um die wachen Seelenfenster hing. Einem scheinbar gleichmütigen Nicken folgte den Worten von Eirene. "Die Götter mit Dir, junge Frau.", erwiderte Kyros, beobachtete jedoch mit Argus Augen, was sie noch tat.


    Wonnevoll betrachtete Geórgios jedoch das einmalige Schauspiel, was sich ihm bot. Er genoss jede Sekunde, die der Alte, den er als ungemein neugierig kannte, nicht erfuhr, was die Frau von sich geben konnte. Immer wieder zuckte es verdächtig um seine Mundwinkel und da er im Halbschatten stand, würde sein Mienenspiel ihm auch nicht gefährlich werden. Aber selbst wenn, auf die Meinung des Alten legte er seit langer Zeit keinen Wert mehr. Unverhohlen betrachtete er schließlich die anmutigen Bewegungen der Frau als sie sich von seinem Großvater abwandte.


    Sein Kinn bewegte sich etwas zur Seite als er ihrem Flüstern lauschte. Ein dünnes und ironisches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Er deutete kein Nicken an und antwortete auch nicht, ließ sie damit im Zweifel, ob er folgen würde oder nicht. Dennoch sah er ihr noch hinter her, bis sie den Raum verlaßen hatte und bemerkte dabei nicht, wie der Alte nach einem jungen Mädchen winkte und ihr etwas zu flüsterte. Leise und auf lautlosen Sohlen verschwand das Mädchen darauf hin. "Wir haben einiges zu besprechen, Gorgis." Geórgios verzog das Gesicht während der Söldner die Tür schloss, um unliebsame Zuhörer zu verbannen.


    ....Einige Minuten später. Mit einer deutlich schlechteren Laune, aber dem Gefühl eines kleinen Triumphes marschierte der Priester hinaus und durch den Gang wieder zu den Gästen. Wo auch sein Bruder voll der Ungeduld wartete. Thémis trat sofort auf ihn zu. "Hast Du ja gesagt?" - "Nein." Entgeistert starrte Thémis ihn an. "Reden wir später darüber, ich muss noch etwas erledigen.", fügte Geórgios an und ließ seinen jüngeren und reisefreudigen Bruder stehen.


    Schwüle Luft schlug ihm entgegen und das Zirpen von Zikaden am Rande des Gartens. Ein Vogel trällerte leise sein Lied in die Nacht hinaus. Lachen vermischte sich mit Musik und irgendwo weiter hinten unterhielten sich munter die Sklaven, die die Gäste in ihren Sänften heran getragen hatten. Gemächlich schlenderte Geórgios den Kiesweg entlang. Unter seinen Füssen knirschte es leise als er sich nach jener ominösen Frau umsah. Zugegeben: Auch Geórgios war mit einer unstillbaren Neugier gesegnet. Manchmal sogar verflucht.

    Nachdenklich und mit einem interessierten Aufflackern in den lauernden Augen musterte Bakhen den Strategos. Wenn er ihm eine nützliche Information geben konnte, war das für Bakhen deutlich mehr Wert als eine halbseidene Zusicherung, in Zukunft etwas Frieden von Seiten des Gesetzes in Alexandria zu erhalten. Das mit den Wüstenbewohnern konnte daher geredet sein oder ein echter Nutzen für Bakhen. Zudem etwas, was Gerüchteweise schon gemunkelt wurde in manchen Kreisen. Seitdem sogar rhomäische Bürger in der Wüste zu Schaden gekommen waren. Bakhen legte den Kopf schief und schnalzte leise mit der Zunge. "Na, mir soll's Recht sein, Cleonymus! Wenn Du nur Unauffälligkeit verlangst, ist das nicht viel. Aber wobei sollen dann sonst meine Mannen den Deinigen noch behilflich sein."

    Selbst mit Schweigen konnte man viel ausdrücken. Es gab das betretene Schweigen, das peinliche Verstummen, wie auch die einträchtige Stille zwischen zwei Menschen, die sich nichts sagen mussten und dennoch wohl miteinander fühlten. Zwischen Priester und Priesterin herrschte nichts von all dem. Obwohl kein Wort zwischen ihnen mehr gewechselt wurde. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen und pressten mehr oder minder fest ihre Lippen aufeinander. Eine Kälte herrschte zwischen ihnen, so dass ihre Helfer, die beim Opfer ihren Part zu tragen hatten, einen Schritt zurück wichen. Geórgios betrachtete derweil interessierter das Getümmel um sie herum.


    Neugierig spähte er auch zu der eintreffenden Braut. Und den Mann, der sie hinein führte. Oder war es mehr umgekehrt? Das Gesicht und die Gestalt kam Geórgios bekannt vor. Woher, das wusste er nicht mehr so genau. Er lebte schließlich schon von Geburt an in Alexandria und da traf man auf sehr viele Menschen. Auch nicht die Stimme, die ihm ein vages Erkennen entlockte, vermochte das Rätsel zu erhellen. Geórgios wartete ruhig, im Äther zwischen den Gästen. Denn als Priester war er durchaus Teil der Zeremonie und dennoch gehörte er nicht zur Familie oder den Freunden.


    Als schließlich der Bräutigam auch sich näherte, winkte er Leandros heran. Dieser reichte ihm den geflochtenen Priesterkranz, den sich Geórgios noch aufsetzen würde, sobald sie mit dem kurzen Prozessionszug in Richtung des aufgestellten Altars beginnen würden. Auch die Priesterin machte sich bereit, was er an dem leisen Rascheln ihrer Gewänder bemerkte. Still und immer noch schweigend traten beide etwas aus dem Schatten der Überdachung hervor. Geórgios sah ruhig zu dem Bräutigam, auf dessen Zeichen hin er mit dem Zug und dem Ritus beginnen würde.

    Nachdem sich Geórgios darum gekümmert hatte, dass das Tier wohlauf und ordentlich für die Zeremonie geschmückt war, schlenderte er langsam dorthin, wo sich auch die anderen Gäste versammelt hatten. Zwei Schritte hinter ihm trabte Leandros, sein Gehilfe. Geórgios liess seine Augen über den Anblick der Gäste hin weg schweifen. Es waren einige recht prominente Persönlichkeiten dabei. Die man als Hellene natürlich kannte, waren sie doch öffentliche Personen der Ekklesia.


    Am Rande der Gesellschaft und schweigend wartend, entdeckte er auch die Priesterin. Schnell sah er sich um, wohin er entfliehen konnte. Er hegte keinerlei Wunsch länger als notwendig mit Antimia zu tun zu haben. Doch ihre Augen ruhten bereits kalt auf ihn. Resigniert seufzend ging er auf sie zu und blieb neben ihr stehen. "Sie möchten das Opfer am Anfang." Die Priesterin lächelte ihr überhebliches Lächeln. "Gut. Wer ist das hier?", fragte die Priesterin, die niemals zu einer Ekklesia ging. Sie hatte ihr Amt auch auf Lebenszeit erhalten. Leider. "Amtsträger der Polis und … viele unbekannte Gesichter." Die Rhomäer waren ihm gänzlich unbekannt. Er verstummte und betrachtete gerade die Rhomäer mit Interesse. Irgendwie stachen sie immer in einer griechischen Versammlung heraus.

    Ganz in einer traditionellen Weise wünschte es sich das Brautpaar. Der Brautzug um einige Häuser herum, stach da kaum ins Auge, was die Abweichung vom üblchen Prozedere anging, zudem war dieser mehr symbolhaft. Was die Erwähnung von Rhakotis anging, entlockte es dem Priester doch ein mokantes Schmunzeln. "Ich wohne auch in Rhakotis.", erwiderte Geórgios freimütig, denn er mochte das Viertel sehr. Das Leben pulsierte und zeigte sich in all ihren Faszetten, auch die Dunklen und Widerwärtigen faszinierten den Griechen, mehr als das selbstherrliche Getue manch eines Hellenen oder Möchtegernhellenen in anderen Vierteln. Oder seiner eigenen Familie. "Aber ich verstehe dennoch.", fügte er an, um den Bräutigam nicht doch noch aus der Fassung zu bringen.


    Interessiert betrachtete Geórgios den Neuankommenden. Wäre Leondros im Raum, er hätte ihm sicher sagen können, wer jener Mann war. So tappte Geórgios vorerst noch im Dunkeln, außer, dass jener Mann dem Bräutigam wohl recht nahe stand und zudem bestimmt in seiner Jugend ein recht hübscher Knabe gewesen sein muss. Was man heute noch erkannte. "Chaîre.", grüsste Geórgios zurück und lächelte dünn. "Ich danke Dir." Penelope? Das war wohl die Braut. Er notierte sich das geistig ehe er auf Thimótheos letzte Frage hin nickte und anfügte: "Wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich möchte noch gerne nach dem Opfertier sehen." Er neigte noch höflich und leicht den Kopf zum Bräutigam und seinem Bruder, dann trat er wieder hinaus, wo ihn schon sein Gehife erwartete.

    Für einen Priester war Geórgios einfach zu desillusioniert, er maß den Göttern zwar ihre Bedeutung zu, dennoch hatte noch nie einer zu ihm gesprochen. Sehr zu seinem Bedauern. Als Kind hatte er die Heldengeschichten aufgesogen, die in der Zeit spielten, in der die Götter noch auf der Erde wandelten. Dennoch konnte er durchaus nachvollziehen, warum der Bräutigam nervös war. Dass das Opfer so oder so gut ausgehen würde, selbst wenn das Opfer nicht seiner eigenen Opferung zustimmte oder sonstige Omen auftraten, würde Geórgios nicht ausplaudern. Bei solchen Festivitäten drückte ein Priester gerne mal ein Auge zu.


    Geórgios schlenderte bis zu einem Fenster und spähte hinaus und in das helle Sonnenlicht. Draußen herrschte schon oder noch reger Betrieb, die Geräusche drangen bis zu ihnen hinauf. "Ich bin zuversichtlich, werter Bantotakis, dass Du Dir für den heutigen Tage keine Sorgen machen musst. Der Flug der Vögel, die anderen Zeichen der Götter zeigen einen außerordentlich guten Tag für eine Hochzeit. Und die Sterne stehen auch gut, somit müssten sogar die ägyptischen Götter auf unserer Seite sein." Das war vielleicht doch etwas zuviel, doch als sich Geórgios umdrehte, war kein ironisches Lächeln mehr zu sehen. Er mimte würdevollen Ernst. Gleichwohl er auf keine der Omen geachtet hatte. In diesen Tagen standen viele Hochzeiten an und wenn man schon heiratete, dann am Besten in jenem Monat.


    "Sind vielleicht noch irgendwelche Ungereimtheiten aufgetreten, was die Zeremonie angeht?", fragte Geórgios. Manchmal half es den Nervösen, sich über das Konkrete zu unterhalten.