Beiträge von Geórgios Krateidos

    Ein süffisantes Lächeln erschien auf Bakhens Gesicht. Er lehnte sich zurück und rutschte auf dem Zebrafell gemütlich herunter. Dabei beobachtete er mit wachsendem Interesse, dass er wohl eine empfindliche Stelle bei seinem Gegenüber getroffen hatte. Stolz. Bakhen unterdrückte mit Mühe ein Grinsen. Bezüglich der reellen Aussichten eines Mobmordenen Römerhaufens, der durch das Viertel zog, würde und wollte Bakhen sich nicht weiter auslassen. Er zuckte mit der Schulter und kam lieber zu den Sachen, die von Interesse für ihn waren und greifbarer.


    "Verbrechen? Aber werter und hoch geschätzter Cleonymus, das ist etwas, was ich immerzu und fortwährend meide. Verbrechen? Also, ich bitte Dich, wir sind ehrenwerte Geschäftsmänner." Bakhen würde sich nie im Leben dazu bringen lassen, es auch nur im Scherz gegenüber jenem Mann zu zu geben. "Ich soll also meine Nase aus bestimmten Dingen heraus lassen? Nun, natürlich kann ich meine Geschäfte verlagern. Aber dafür musst Du mir schon sagen, wo, wann und für wie lange? Ich muss schließlich andere Einnahmensquellen eröffnen. Außerdem muss ich mich mit meinen Geschäftspartnern in Verbindung setzen. Solche Geschäfte sind immer ein kompliziertes Netzwerk, wie Du wohl weisst."

    Die Hände hinter dem Rücken verschränkt und recht entspannt schlenderte Geórgis in die Richtung, die ihm von dem Sklaven an der Tür gewiesen worden war. Vor der Tür angekommen verharrte er einen Moment und sah zu Leandros, der ihm dicht auf den Fersen folgte. Schließlich wollte der junge Mann selber eines Tages Priester werden und sein Vater hatte Geórgis darum gebeten, ihn ein wenig in die Riten einzuweihen. Vor langer Zeit war Geórgis an dessen Stelle gewesen.


    "Der Bräutigam?"- "Ánthimos Bantotakis, hiereús." Geórgis nickte. Er konnte sich die vielen Namen, denen er in der nächsten Zeit begegnen würde, wirklich nicht alle merken. In den nächsten Tagen würde er noch auf einige Hochzeiten gerufen werden. Aber der Name klingelte doch in seinen Ohren und klang vertraut. Der Ekklesia wegen. Geórgis hob die Hand und klopfte.


    Erst nachdem er ein Herein hörte oder es zu hören meinte, er wurde ja auch nicht jünger, trat er hinein. Mit einem sardonischen Lächeln auf den Lippen musterte er schnell das Innere und dann den Bräutigam. "Chaîre, Ánthimos Bantotakis. Ich bin Geórgios Krateidos, Priester des Zeus." Geórgios trat noch einen Schritt weiter in den Raum und deutete Leandros, vor der Tür zu warten. "Nun? Schon die ersten Fluchtimpulse aufgetaucht?", fragte der Priester mit einem Anflug von einem Grinsen im Gesicht.

    Die Mundwinkel von Geórgios zuckten hinauf als er die flüsternden Worte von dem Mann vernahm. In seiner Zeit als Priester des Zeus hatte er einige Hochzeiten erlebt, die Opfer angeleitet und viele nervöse Bräutigame gesehen. Und je jünger die Männer war, desto mehr Lampenfieber besaßen sie. "Ich danke Dir. Das werde ich sicherlich noch tun." Er nickte dem Sklaven gönnerhaft zu und trat an ihm vorbei.


    Im Nacken spürte er regelrecht die Präsenz der Priesterin, die hohheitsvoll an dem Sklaven vorbei schritt, ohne ihn auch nur mit einem Blick zu würdigen. "Tieropfer?" - "Ja." - "Du wirst es töten. Abwechselnde Gebete?" Säuerlich verzog sich Geórgios Lippen. Doch er nickte. "Ja." - "Wunderbar." Schon rauschte die Priesterin von dannen. Und Geórgios strebte dorhin, wo wohl der Ehemann in spe auf den Beginn der Zeremonie wartete.

    Totenstille. Die Männer starrten erst auf Cleonymus, dann auf ihren Anführer. Der wiederum taxierte den Strategos mit verengten Augen. Bakhen hatte schon zu viele Prytanen erlebt und manch einen auch überlebt, um sich von Drohungen noch sonderlich beeindrucken zu lassen. Vielleicht, weil Bakhen auch stets von einem Tag zum Anderen lebte und eigentlich schon vor Jahren seinen Abgang erwartet hatte. Jeder Tag schien darum mehr ein Geschenk zu sein, wenn auch manchmal eine sehr lästige Gabe. Das Leder stöhnte als sich Bakhen bewegte.


    "Die Legion? Die römische Legion?" Bakhen lachte bellend. Humorlos und verstimmt. "Weißt Du, Cleonymus, die Autonomie der Polis ist und war mir von je her schon scheiß egal. Ob Griechen oder Römer, es ist doch egal, wer hier herrscht. Für mich macht das keinen Unterschied. " Er zuckte tatsächlich gleichgültig mit der Schulter. "Und um mal ehrlich zu sein, so stark ich auch meine Männer und unsere Fähigkeiten einschätze, selbst wenn wir uns mit Deinen Leuten zusammen tun, die römische Legion ist doch eindeutig eine Nummer zu groß für uns. Meinst Du nicht auch?"


    Bakhen war nun mal ein Verbrecher und zudem Ägypter. Er hatte nicht viel übrig für die Hellenen und ihre Polis. Freiheitskämpfer war er zudem nicht. Ein Idealist noch am wenigsten. "Und die Wahlen sind doch bald, Strategos. Was bringt mir überhaupt eine Abmachung mit Dir? In ein paar Wochen kann das völlig hinfällig sein."

    Schwarze Silhouetten strichen über den blauen Himmel. Vögel, die über die Dächer der Wohnhäuser hin weg strichen. Fröhlich und munter zogen die zahlreichen Vögel ihre Bahnen am Himmel, so dass ein oionopólos, ein Vogelseher, seine wahre Freude an diesem Bild gefunden hätte. Der Priester, der jedoch unter diesen Flugtieren entlang lief, hegte keinerlei Interesse an ihrem Himmelstanz. Rote Sandkörner wirbelten auf als die Sandalen der zwei Gestalten über die Strasse eilten. Geórgios marschierte voran, ihm folgend ein junger Mann von vielleicht sechzehn Sommern.


    Das festliche und strahlend weiße Priestergewand rauschte bei jedem Schritt um die Beine des Priesters. Darüber trug er einen purpurnen Überwurf, der unter einem goldbraunen festlich geschmückten Priestergürtel gehalten wurde. Den Kranz trug Geórgios noch nicht auf seinem Kopf, noch ruhte es in der Tasche, die sein Gehilfe mit sich trug. "Es ist gleich da vorne, hiereús!" Der junge Mann deutete auf eine der Häuserreihen. Der Priester nickte stumm und lenkte seine Schritte in die Richtung, um auf das besagte Anwesen hin zu streben, in dem die Hochzeit statt finden sollte.


    "Chaîre, Geórgios." Auf halben Wege zu dem Eingang blieb Geórgis stehen und drehte sich zu der Stimme um. Eine Sänfte schwebte hinter ihm, getragen von zwei ägyptischen Sänftenträgern. "Antimia.", grüsste Geórgis kalt zurück. Es passte Geórgios gar nicht die Priesterin zu sehen. Die Sänfte wurde hinunter gelassen und die Frau liess sich von einem Mädchen hinaus helfen. Ebenso weiß wie das von Geórgios leuchtete ihr Priesterinnengewand, über den auch sie einen purpurbestickten Überwurf trug. Unter den Falten ihres Überwurfs, der über ihren Kopf gezogen war (ähnlich wie bei einer Palla) war deutlich ihr kurzgeschorenes, schwarzes Haar zu sehen. Wahrscheinlich wegen irgend einem Ritus, argwöhnte Geórgios und wandte sich mit einem abfälligen Kräuseln seiner Lippen ab. Er ging noch die letzten Schritte bis zur Tür und klopfte.

    Geórgios pfiff leise durch die Zähne, was der Alte auch hörte, aber nicht mit einer Reaktion bedachte. Die Frau hatte Mut und eine gehörige Portion Schneid. Geórgios konnte es nicht lassen. Er grinste breit. Interessiert musterte er die Frau. Solche wie sie fand man nicht oft. Es war eine besondere Mischung an menschlichen Eigenschaften, die sie vereinte. Mal von ihrer Schönheit und Eleganz abgesehen, die viele Frauen vorzeigen konnten. Davon liess sich Geórgios nicht beeindrucken. Es war vielleicht die Unverfrorenheit, gemischt mit offensichtlicher Intelligenz.


    Er sah aber auch, dass sich der Söldner an der Seite von Kyrios anspannte. Bereit zu reagieren, wenn der Alte den Befehl dazu gab. Der beugte sich etwas nach vorne. Beide Hände auf die Lehne seines Thrones abgestützt. Goldene Ringe zierten diese. Prunkvoll. Seine Stimme war leise. Noch leiser als zu Anfang. Aber deutlich und klar zu vernehmen. Sie klang dadurch womöglich etwas schärfer und kälter, als wenn er sie angehoben hätte. Und dennoch hatte Geórgios das Gefühl, er sah ein altes Wrack vor sich. Dessen glanzvolle Zeiten nun mal vorüber waren. "Meine Fische begnügen sich auch mit dem sehnigen Fleisch weitaus weniger zarter Geschöpfe von Prometheus Kindern."


    Dass der Alte eine Fischzucht besaß, war Geórgios neu. Doch wer wusste schon, was sich der Alte in den letzten Jahren angelacht hatte, um unliebsame Konkurrenten los zu werden. Früher wurden sie noch im Meer versenkt. Mit Steinen an den Füssen. Damit die Fische sie dort auffraßen. Vielleicht waren ja welche angeschwemmt worden und die Augen des Gesetzes wachsamer? "Du siehst, ich bin alt. Meine Geduld hat ihr Ende erreicht. Entweder Du gehst sofort oder Du sprichst, damit wir zur Sache kommen. Länger erdulde ich Dein profanes Spiel nicht."

    Ein finsteres Glühen zeigte sich auf dem Gesicht des Patriarchen. Was Geórgios mit einiger Freude bemerkte. Die Frau wurde ihm richtig gehend sympathisch. Denn jegliches Ungemach, was sie ihm bereitete, erfreute auch den Priester und Enkel des Mannes. Der Alte hatte schon oft genug seinen Enkel mit Verachtung und Hohn gestraft. Gerade in den Jahren als Geórgios noch nicht schlagfertig genug gewesen war, um sich ihm gegenüber zu wehren. Aber ob das inzwischen anders war?


    Geórgios hatte von jenem Genannten natürlich auch schon gehört. Er hatte auch an den Versammlungen teil genommen, die den Mann gewählt hatten. Wenn er auch in der Masse untergegangen und nur stiller Beobachter war, denn noch musste er sich nicht wieder zur Wahl aufstellen für das Priesteramt. Die Zeit währte noch ein wenig länger mit seiner Amtsdauer. Aber er wusste auch, dass noch zwei andere Männer mit jenem Nikolaos bedeutend dazu beigetragen hatten, so dass die Krateiden ihre Niederlage erhaltieten. Ein empfindlicher Schlag für die politische Seite der Familie. Geórgios hatte es damals gefreut. Auch, weil er seinen Vetter Eudoxos nicht ausstehen konnte. Diesen aufgeblasenen Lackaffen.


    Ein Husten schüttelte den alten Patriarchen. Die blonde und betörend schöne Sklavin trat besorgt näher. Doch eine Hand, die sich hob, liess sie inne halten. "Ein Name, der in diesem Haus nicht gerne gehört wird. Also rate ich Dir, sprich gut und weise mit Deinen nächsten Worten. Wenn Du nicht als das Futter meiner Fischzucht enden willst. Meine Laune ist nicht sehr gnädig heute." Von seinem Halbbruder hatte Geórgios vernommen, dass der Alte immer mehr unter Gicht litt und sehr reizbar an solchen Tagen war. Höflichkeit und kalte Grausamkeit widersprachen sich in der Vorstellungswelt des Alten nicht.

    Eine Fliege summte durch das schattige Dämmerlicht, das in dem Raum vorherrschte. Dick und träge schwebte die Fliege bis zu dem Alten und setzte sich auf seinen Arm. Die welke Haut an seinem vom Alter fleckigen Arm rührte sich nicht. Gemächlich begann die Fliege ihre schillernden Flügel zu putzen. Der Leib glänzte grünschwarz im Schein einer Öllampe, die schwach flackerte.


    Geórgios beobachtete sowohl seinen Großvater, den alten Patriarchen der Familie, als auch die Frau. Gerade jene nebulösen Konversationen, die bedeutungsvollen Geschäfte, die sie machten und die sonst das Licht des Tages scheuten, widerten den Priester an. Warum? Das wusste Geórgios selber nicht so genau. Denn er war weder ein sonderlich ehrlicher, noch aufrechter Mensch. Er fluchte gerne. Er nahm die Gläubigen aus. Übervorteilte die Polis, wenn er einen Vorteil für sich sah. Oder vielleicht war er gar nicht angewidert? War es vielleicht Neid, den er mit einem Deckmantel der Selbstlüge zu verbergen suchte?


    Ehe Geórgios jedoch dazu kam, sich weiter darüber Gedanken zu machen, sah er, dass die Augenbraue seines Grossvaters nach oben zuckte. Ein spöttisches Lächeln zeigte sich unter dem massigen Bart. Jedoch meinte Geórgios auch etwas wie Wut bei dem Alten zu erkennen. Er kannte ihn ja doch genug noch von früher. Und Geórgios wusste, dass die Frau ins Schwarze traf. Mit jedem ihrer Worte. Wie vergiftete Pfeile, die erst stachen, aber dann ihre volle Wirkung entfalteten. Todbringend. "Ich höre.", erwiderte der Patriarch kalt.


    Nichts ausser einen schnellen Tod – zahlreiche Hände wanderten ruckartig zu verborgenen oder ganz offen getragenen Messern, Dolchen und Knüppeln. Doch eine barsche Handgestik von Bakhen hielt die Meute zurück mit Metall ihre Zähne zu fletschen und den Strategos offen zu bedrohnen. Doch der Mann erntete zahllose feindselige und hasserfüllte Blicke. Das Leder von Bakhens Rüstung ächzte leise als er sich nach vorne bewegte. Er starrte Cleonymus intensiv an und unterbrach ihn nicht, an keiner Stelle seiner kurzen Rede.


    Schweigen herrschte in dem Raum als Cleonymus fertig war. Keiner der Männer schien mehr zu atmen. Keiner bewegte sich und alle warteten, was Bakhen tun würde. Kalt war die Miene des Mannes. Doch dann verzog sich das Gesicht zu einem breiten Grinsen und offenbarte die spitzen Eckzähne des Ägypters. Ein Lachen kroch empor. Es hörte sich an wie ein Geröllhaufen, der über einen Hang rollte. Einige Atemzüge später begannen auch die anderen Männer zu lachen. Es klang hohl und mechanisch. Ein Echo von Bakhens eigenem Lachen.


    "Ich bitte Dich, Cleonymus, wir sind ehrenwerte Geschäftsmänner. Warum sollte uns der Tod vom Gesetz erwarten?" Das Grinsen war wie das Blecken der Zähne bei einer Hyäne. Das Gesicht von Bakhen war diesem Tier auch nicht unähnlich. Das abgehackte Lachen dem recht gleichend. "Aber große Worte, die Du von Dir gibst. Aber gut, ich will mal nicht so sein." Bakhen lehnte sich im Stuhl zurück und ließ lässig einen Arm über das Zebrafell baumeln, während er mit der anderen an seinem Kopfschmuck zwirbelte. "Sprich, die Schakake werden Dir zu hören."

    Nur am Rande registrierte der Alte noch seinen Enkel. Einer von vielen, die sich in die Schar der Krateiden reihte. Und einer, den der Alte für ein schwarzes Schaf und Versager der Familie hielt. Der Alte musterte die Frau stumm und betrachtete den Siegelring, der sich ihm entgegen streckte. Doch er rührte sich auf seinem Thron nicht. Er erhob sich auch nicht. Das vermochte er schon seit einigen Jahren nicht mehr. Immerzu wurde er von den Männern, die ihm schon lange dienten, von einem Raum zum Anderen getragen. Es hatte jedoch nicht die eiserne Faust geschwächt, mit der er über seine Familie herrschte. Nur ein leichtes Nicken von seinem grauweißen Bart war zu sehen. Kyrios Krateidos, oder auch nur der Alte von seiner Familie genannt, liess an seiner Mimik nicht erkennen, ob er Eirene nicht kannte oder ob ihr Name schon an sein Ohr gedrungen war.


    "Schöne Frauen sind immer gerne gesehen in diesem Haus." Doppeldeutig. So war das von Kyrios auch gemeint. Kyrios sprach leise. Doch seine klare und einst geschulte Stimme war im ganzen Raum gut zu hören. Einst hatte Kyrios als Demagoge die Ekklesia beherrscht mit seiner Stimme. Er hatte sie zum Lachen, Toben oder manchmal sogar zum Weinen gebracht. In seiner besten Zeit hätte er sie sogar zu einem Aufstand anstacheln können. Doch der war schlecht für sein Geschäft. Und Kyrios bestrebt, sich mit den Machthabern gut zu stellen. Seine Nachkommen waren dahin gehend nur noch ein Schatten der alten Familie. Darum das Licht der Krateiden in der Ekklesia gebrochen. "Was wünscht die Dame, die den Namen der Tochter des Zeus trägt? Willst Du den Frieden an mich heran tragen?"

    Diese selbigen Augen starrten Cleonymus durchdringend an. Ein verächtlicher Laut war von dem Mann zu hören, doch er schien zu überlegen. Für Kigoma war Cleonymus kein Unbekannter, sonst hätte er mit ziemlicher Sicherheit dem Mann das Holz vor der Nase zugeschlagen. Von dem kleinen Guckloch. Doch auch so schloss er es erst mal. Schon einige Atemzüge später waren jedoch das Rasseln von einem Schloss und das Poltern eines Holzbalkens zu hören. Die Tür im Tor öffnete sich. Kigoma beugte sich unter dem Tor durch, das sich um die Tür schloss und starrte finster den Mann der Stadtwache an. "Du folgen!" Er drehte sich um und marschierte in den Innenhof, der an das Haus angrenzte und von der Mauer ebenso umschloßen wurde. "Männer bleiben. Deine.", raunzte Kigoma und zeigte auf die, die Cleonymus gefolgt waren.


    Mit seiner breiten Pranke stieß der Meroër die Tür zum Haus auf. Muffiger Geruch und der Gestank nach Bier, Schweiß und Verwahrlosung stiess ihnen entgegen. Unbekümmert durchquerte Kigoma einen Gang und glitt erstaunlich geschmeidig in einen großen und mit Fensterläden verschlossenen Raum hinein. Einem schwarzen Panther glich der große Mann dabei.


    Wenige Öllampen erhellten den Raum, dazu die schmalen Sonnenstreifen, die zwischen dem Holz durch die Fensterläden fielen. Der Raum war schmucklos, schlicht und nicht sehr auffällig. Bis auf die vier Männer, die sich darin lungerten. Abschaum aus Rhakotis, Ägypter allesamt. Und besonders ein Mann stach ins Auge. Er trug ein Federschmuck auf seinem Kopf, war nicht mehr der Jüngste und saß lässig auf einem hohen Holzstuhl, der einem Thron nicht unähnlich war. Der Stuhl war aus feinsten Zedernholz gemacht, mit vielen ägyptischen Schnitzereien verziert. Mit Elfenbein geschmückt und mit einem großen Zebrafell behangen.


    Das war Bakhen. Von vielen gekannt, von manchen gefürchtet, von einigen gehasst. Der Anführer der Bande, die so zahlreiche Namen besaß, richtete seine Augen auf die Ankommenden. "Die Maus wagt sich in den Bau der Schlange? Haha! Köstlich." Bakhen grinste breit und offenbarte eine Reihe von gelblichen und schiefen Zähnen. "Er Dich sprechen wollen." - "So. Dann sprich, Cleonymus, was will das Gesetz von jemanden wie mir?"

    Sim-Off:

    Entschuldige.



    Neben dem Tor lehnte Kigoma, ein afrikanischer Hüne und ein Schrank im Format. Schwarz wie die Nacht und nicht minder grobschlächtig. Zudem zernarbt, von vielen Kämpfen gezeichnet und mit einer finsteren Miene, die den Erwartungen aller unbescholtenen Bürger von solchem Verbrecherpack gerecht werden würde. Vor ihm auf einem Schemel hockte wiederum ein Ägypter, schmal, eher kleiner, mit schiefer Nase, fehlenden Schneidezähnen und einem tückischen Ausdruck, während er die Würfel gelangweilt zwischen den Händen hin und her gleiten ließ.


    Die beiden Männer warteten. Sie sollten bereit sein für eine Wagenladung, die bald eintreffen würde. Schmuggelware war auch dabei, aber eigentlich waren es mehr Weinfässer, Trauben, edle Gewürze, die noch heute Abend in ein reiches Haus in der Gegend weiter sollten. Wohin das dann ging, das wußte sogar Kigoma nicht, der doch bei Bakhens Leuten recht viel zu sagen hatte. Wenn er mal was sagte. Was nicht oft vorkam. Als das Klopfen ertönte, sahen beide Männer auf. Der Ägypter wirkte erleichtert, denn er langweilte sich schon schrecklich. Kigoma war es egal.


    Doch er war es, der seinen massigen und muskulösen Körper zu der schmalen Holztür schob und das Guckfenster aufklappte. Kein Wagen, nur einige Männer. Finster und misstrauisch stierte der Afrikaner (aus dem Reich der Meroër) selbige an. "Was wollen?", raunzte er. Er hatte sich nie große Mühe gegeben, ein gutes Griechisch zu lernen. Sein Talent war nicht sprachlicher Natur.

    Sim-Off:

    Mea culpa :( Irgendwie kam Weihnachten so dazwischen *hust*



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    Mit ihren braunen Rehaugen blinzelte Mybia als das Tuch über ihre verklebten Wangen fuhr. Es weckte alte Erinnerungen in ihr, die schon lange her waren, zumindest, wenn man es im Verhältnis mit dem kurzen Leben des Mädchens setzte. Mybia zog ihre Unterlippe und den Mund, kaute einige Male darauf herum und ließ sie wieder hervor flutschen, um gleich darauf breit zu lächeln. "Mich auch.", erwiderte Mybia. "Ich meine Dich, nicht mich, das mit dem Kennen lernen." Irgendwie war Mybia selber verwirrt und drehte ihre Daumen umeinander herum, darüber nachdenkend, wie sie es erklären konnte.


    Doch schon wurde die Spannung wieder gesteigert. Die Überlegung schon wieder vergessend, eilte Mybia schnell zu dem Platz, legte die Hände auf die Sitzfläche und kletterte geschwind wie ein kleiner Affe auf den Stuhl hoch. "Ich siiitze!", krakeelte Mybia schnell und spähte über den Tisch, um ja nichts zu verpassen.


    Die Hände im Schoß vergraben, starrte Mybia erst auf den verhüllten Gegenstand, dann mit wachsendem Staunen und sich weit öffnenden Augen das Bild. "Oh.", murmelte sie und rutschte von dem Stuhl herunter, um näher an das Bild zu treten. Sie sah auf das Gemälde und dann zu Penelope und wieder zurück. "Oh. Das sieht ja wirklich aus wie sie." Mybias blinzelte und murmelte leise, ergriffen, denn sie hatte sich nicht vorstellen können, dass man so etwas schönes malen könnte. "Schön."


    Mitten im Herzen von Rhakotis lag jenes mehrstöckige Lehmhaus, in dem einer jener Männer sein Unwesen trieb und seine Behausung hatte, der in Rhakotis und dem Rest der Stadt durchaus schon einiges an Unheil angerichtet hatte, jedoch war er unter dem Unkraut des menschlichen Garten einer jener, der verhinderte, dass zu viel von dem anderen Unkraut hoch schoss. Er lenkte, er leitete, er führte, gnadenlos, grausam mitunter und von vielen verhaßt, manchen verehrt.


    Es war die Residenz des Bakhen, einem Bandenchef von Rhakotis. Manch eine Zunge behauptete, Bakhen sei gar nicht der wirkliche Anführer. Er erhielt seine Anweisungen von ganz jemand anderes. Doch jene Zungen wurden schnell abgeschnitten, wenn sie dieses Gerücht allzu laut wisperten. Schon seit acht Jahren hielt sich Bakhen als der Kopf der Bandenschlange, die von manchen als die Pest Alexandrias, von den Bewohnern Rhakotis die Heuschrecken, von sich selber jedoch die Schakale genannt wurden.


    Das Haus lag abgelegen in einer der verwinkelten Gassen, umgeben von ärmlichen Lehmhäusern. Eine hohe Lehmmauer umzog das dreistöckige Gebäude. Die Fenster im Erdgeschoss waren mit Brettern vernagelt. Es wirkte nicht sehr einladend. Auch das massive Holztor lud nicht zum Klopfen ein. Schon gar nicht, wenn einer der Bande das kleine Guckloch öffnete und misstrauisch nach draußen spähte. Ansonsten sah man dem Haus von Außen nicht viel an. Doch die Bewohner in den Straßen wussten, wer dort lebte und nahmen sich vor jenen Männern in Acht.

    Den ganzen Aufruhr um sie herum verstand das Mädchen nicht, sie war nur zu Tode erschrocken und glaubte, heute war wohl der schwärzeste Tag in ihrem Leben. Einige und nun auch echte Tränen stiegen in ihre Augen. Die Männer scharrten sich um sie, erneut waren auch rhomäische Soldaten dabei, doch das Mädchen sah nieder geschmettert auf den sandigen Boden herunter. Sie hing schlaff im Griff, wie eine Marionette, der man alle Fäden durchgeschnitten hatte. Erst als einer der Männer ganz offensichtlich das Wort an sie richtete, sah sie wieder auf. Woher wusste er das? Erschrocken sah das Mädchen aus. Sie würde nichts verraten, das war jetzt schon klar.


    Aber als sie den Namen Bakhen hörte, weiteten sich ihre Augen panisch und ihr Herz schlug schneller. Die Angst war einen Moment mit aller Deutlichkeit in ihr Gesicht geschrieben bei dem Namen. Hastig schüttelte sie den Kopf und presste ihre Lippen fest aufeinander. Sie wusste jedoch nicht, wen sie mehr fürchten sollte. Bakhen oder die Soldaten hier. "Ich... weiß nicht. Bitte, laßt mich gehen, Herr. Bitte.", schluchzte das Mädchen und sah sich panisch um. Wahrscheinlich war es jetzt eh schon zu spät und sie als Verräterin abgestempelt. Egal, ob sie was von sich gegeben hat oder nicht.

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    Abwaschen? Mybia machte ganz große Augen. All den guten Honig an ihren Fingern verschwenden? Das Mädchen blickte einerseits Ánthimos gespannt hinter her und schien die Ohren zu spitzen, als sie die Geräusche hörte. Andererseits begann sie im Affentempo ihre Finger abzulecken, um noch einen kleinen Nachgeschmack von der köstlichen Süße zu erhalten. Zwischendrin, wenn einmal ihre Zunge wieder den Weg in den Mund gefunden hatte, meinte sie unschuldig: "Jaa, Hände waschen. Natürlich!"


    Mybia rutschte vom Stuhl herunter und schob ihn etwas zurück, um um den Tisch zu tapsen. "Wo?", fragte sie. "Dort?" Mit ihrem von Honig und auch Spucke verschmierten Zeigefinger, der auch sonst noch recht dreckig war, deutete sie fragend auf den Wassereimer.


    "Ich heiße Mybia.", antwortete sie prompt. Sie hatte eine ganze Latte von Namen, die sie heraus packte, wenn sie die Leute sonst nach ihrem Namen fragten. Denn Namen bargen Macht. So hatte es ihr die alte Fischerin erzählt. Darum verriet sie den Namen nur denjenigen, die sie nicht verfluchen wollte. Sprich, denen, die Mybia vertrauenswürdig vor kamen.

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    So ganz so sicher, ob das gute Essen sich nicht doch auf mysteriöse oder ganz weltliche Art und Weise auflösen konnte, das war die kleine Mybia wohl nicht. Sicherheitshalber nahm sie noch einen großzügigen Bissen und nickte dabei artig. Aber jetzt kaute sie wirklich langsamer und dadurch schmeckte alles noch viel besser, der süße Honig, das gute Brot, das ganz frisch war und ganz anders als die harten Brotkrusten, die sie sonst zu Essen bekam. Mit großen Augen verfolgte sie die Worte der beiden Erwachsenen. "Oh.", murmelte sie auf die Antwort von Ánthimos, dass das Bild doch fertig war. Da war sie natürlich sehr gespannt.


    Zufrieden hoben sich ihre Mundwinkel, denn Penelope hielt Wort und verriet ihren Faux pas von vorhin nicht. Verdutzt blinzelte Mybia. Sie noch überzeugen? Dabei war sie doch selber ganz gespannt und hipplig, so dass ihre Füße, die weit über dem Boden schwebten, hin und her baumelten. Sie hob das Brot mit dem goldenen Honig hoch. "Ich hab schon gaaanz viel bekommen. ", piepste sie. "Dürfen wir es sehen? Bitte. Ja?"

    Wenn das Mädchen wohl jemals Vertrauen in Recht und Gesetz gehabt hätte, wäre es am heutigen Tage wohl erschüttert gewesen. Sie hatte es jedoch noch nie gehabt. Darum wunderte sie die Lüge nicht, die ihr eine Schuld an hängte, die sie, in jenem Augenblick, gar nicht begangen hatte. Selbst wenn sie schon gestohlen hatte, schon einige Male. Ihre Augen verschmälerten sich, sie erzitterte vor Wut, aber auch Angst. Denn die Gewissheit des Rhomäers teilte sie nicht. Man hörte allerlei Schauergeschichten von dem Carcer und insbesondere was aus den Löchern dort heraus kroch. Flüsternd tauschten sich die Kinder im Viertel aus, was man dort alles antreffen konnte und da waren giftige Schlangen noch zahme Haustiere. Ungeheuer rangierten ganz weit oben auf der Schauerliste.


    Sie wimmerte leise auf als sie hörte, dass sie genau an diesen Ort kommen sollte. Wo Kinder selten wieder einen Weg heraus fanden. Höchstens tot. Die Worte rauschten an ihr vorbei, die Angst hielt sie ganz umfangen. Sie blinzelte einige Male hoch zu dem Fremden und verstand nicht ganz, warum er ihr so was sagte. Als ob sie etwas zu entscheiden hatte. Sie tat, was man ihr sagte, und überlebte dadurch. Was mit Anderen passierte, war ihr egal. Jeder war sich selbst am Nächsten.


    Sie sackte wie ein nasser Sack zusammen als Marcus Achilleos sie wieder los liess. Und rührte sich nicht wie eine Maus vor der Schlange. Erst als die Schritte schon verschwunden waren und gierige Augen sich auf die Münzen vor ihren Knien hafteten, blinzelte das Mädchen. Und der Überlebensinstinkt in ihr handelte. Sie grapschte schnell nach den Drachmen und steckte sie sich in ihren fransigen Beutel. Noch einen Moment blieb sie sitzen, ehe sie sich mit zitternden Knien erhob. Wankend taumelte sie weiter, schniefte und wischte sich die falschen, aber auch die echten Tränen von den Wangen. Gerade wollte sie Tyche danken, doch das Glück wollte ihr wohl nicht hold sein, sie wurde erneut gepackt. Ein spitzer Schrei löste sich von ihren Lippen.


    Der Bettler derweil hatte die Szene nur kurz verfolgt, schüttelte den Kopf ärgerlich und brummte: "Immer muss man alles selber machen. Pack!" Fluchend drängte er sich in die Gasse hinter ihm, um in dem Gewirr von Rhakotis zu entschwinden.

    Der Siegelring prangte direkt vor den aufgerissenen Augen des Mädchens. Natürlich kannte sie das Symbol, fast jeder Bewohner von Rhakotis würde es wieder erkennen. Sie presste ihre Lippen trotzig aufeinander. Ihr Magen knurrte und sie hatte Hunger. Mit dem Botengang würde sie sich eine Kruste mit Brot verdienen können. Statt nur die Abfälle am Abend auf dem Fischmarkt zu durchsuchen. Hoffend, noch etwas essbares zu finden. Deswegen stand auch pure Feindseligkeit in den Augen des Mädchens geschrieben. Denn unter den römischen Soldaten rangierte gleich die städtische Stadtwache in der Rangliste von Asympathien. "Nichts.", zischte sie. "Ich soll nur meinen Bruder holen, damit wir ihm noch helfen später."


    Schon waren die Soldaten heran genaht. Ein wenig zu nahe für das Mädchen. Aber wie hatte sie ahnen können, dass der Mann von der alexandrinischen Stadtwache war und nicht wie jeder sonst im Viertel lieber das Weite suchte in der Anwesenheit von rhomäischen Soldaten. Eilig kniff das Mädchen die Augen zusammen, blinzelte einige Male, atmete ein und zwang sich einige Tränen in die Augen, die zögernd auch auf ihre Wangen rannen. "Ich will nur nach Hause. Der Mann lässt mich nicht.", schniefte das Mädchen.