Beiträge von Duccia Vera

    Sontje starrte Dragonum an. "Uh.. ich.. ich.. Cassella in der Stadt? Caassella aus der Stadt?" Sie kratzte den juckenden Handrücken mit den Fingernägeln. Das war unvorstellbar... sie hatte ihn bisher in der Taverna erlebt aber außerhalb? Wenn er sie verfolgt hatte oder hätte? Dann wüsste er längst ihren üblichen Heimweg oder dass sie manchmal in der kleinen Kammer schlief, weil es wieder einmal zu spät geworden war, um noch heimzugehen. "Er .. er hätte mich jederzeit zu sich nehmen können.. außer wenn Silko dabei war. Silko hatte ihn hin und wieder bemerkt und dann haben wir eine Abkürzung geniommen. Oder uns so gut versteckt, dass er an uns vorbeigelaufen ist. Manchmal war es gar nicht Cassella sondern ein anderer Mann. Dann meinten wir uns geirrt oder getäuscht zu haben und mit jemandem verwechselt zu haben." War es überhaupt Cassella gewesen, der sie im Schankraum als Geisel genommen und bedroht hatte? Sie hatte diese Sekunden in den Händen des fremden Mannes ziemlich gut in Errinnerung. Sontje rümpfte die Nase, kratzte den Handrücken intensiver. "Er roch nach Erde.. nach Fäulnis. Ich weiss noch wie ich am allerersten Tag auf Olaf dort vorbei geritten bin. Die Händler sagten mir, dies sei der Friedhof für diejenigen Namenslosen, die kein Grab zahlen könnten."

    Nach dem Aufenthalt in der Küche, schlenderten sie zurück Richtung Stall und hörten Albins Rufen. "Ragin.. nimm die Füße in die Hand und lauf.. Es geht endlich los!" rief Sontje begeistert aus, schmiss den angebissenen Apfel in die Büsche und rannte los. Bestimmt würde Ragin sie ohnehin überholen. Mit klopfendem Herzen, wieder einmal außer Atem und hustend kam sie an. Sie steuerte die Box der gebärenden Stute an. "Was sollen wir tun, Leif? Kerrin verliert ja Wasser!?!" fragte Sontje entsetzt. Tja, das duccische Küken hatte wieder einmal keine Ahnung! Vor Aufregung legte sie die wärmende Decke beiseite und hatte Landos Anwesenheit ebenfalls vergessen.

    "Also gut.." nickte Sontje und machte einen Becher Honigmilch für die junge Römerin fertig, welchen sie ihr dann zuschob. "Lass es dir schmecken.." fügte sie lächelnd hinzu und ächzte über ihre Dummheit. Oh nein, sie hatte schon wieder germanisch gesprochen. Mit entschuldigendem Blick sah sie Callista an und kratzte die Lateinwörter im Gedächtnis zusammen. "Milch.. ist.. gut.. hmm.. fein." Sie trank einen großen Schluck, leckte den sichtbaren weissen Milchschnurrbart mit der Zunge von den Lippen und rieb sich zuletzt den Bauch. Hoffentlich verstand ihr Gegenüber auch dies. "Was.. du essen.. gerne? In Roma.. und hier?" fragte sie in stockendem Latein, strengte sich zur Gesprächsankurbelung an.

    Da war etwas interessantes gewesen in dem was sie gesagt hatte? Sontje versuchte das Interessante selbst heraus zu finden, kam aus ihrem Blickwinkel aber nur auf das Eingeständnis ihrer Schuld. Also Cassella nicht ein einziges Mal gefragt zu haben, warum er sehr oft uind gerne sich in der Taberna Silva Nigra aufhielt. "Ja, er hat mich und die anderen befragt. Ich habe ihm immer wieder verschiedene Zeiten aufgesagt und manchmal sogar die Tageseinnahmen zu einem anderen Zeitounkt einzuräumen. Vielleicht habe ich mich nicht besonders geschickt angestellt oder was weiss ich... vielleicht hat er einfach gute Augen. Seine Holzschnitzereien werden immer recht hübsch." erzählte sie zögernd. "Nur wenige kommen morgens oder mittags zu uns. Spät nachmittags und beim Einbruch der Dunkelheit ist der Umsatz am Besten, weil die meisten dann von der Arbeit vorbei kommen und einkehren, um zu Essen und Trinken. Manche bleiben dann gleich länger und dann müssen wir sie hinausbitten, weil wir schließen." Sie strich die seitlichen Strähnen hinter die Ohren und fragte sich, was und ob sie etwas wichtiges vergessen hatte. "Außer Cassella kenne ich keinen der übrigen... Bö(sen).. äh.. Männer... vielleicht den einen oder anderen vom Sehen auf der Straße."

    Noch während der kleinen Begrüßungsrede des Tribuns erschien ein Lächeln auf Sontjes Gesicht. Richtig, er war nicht alleine gewesen, mit einem zweiten Mann war er noch mit dabei gewesen. Die anderen drei Helfer musste sie irgendwie übersehen oder nicht wahr genommen haben. Die Tötung des einen Gegners vor eigenen Augen liess immer noch ihre Haare zu Berge stehen. "Gleich fünf Aussagen gegen die?" Na, da stand man ihr aber zur Seite... das war gut zu wissen und beruhigte Sontje.


    Sontje blickte nachdenklich zu Boden. "Ehm... ich hab auch schon darüber nachgedacht, ob ich die kennen müsste. Ja also, du fragst, ob ich die Männer schon mal gesehen habe?! Also, der schnieke gekleidete brünette Mann mit unordentlichen Haarscheitel und den Holzschnitzereien war öfters hier." Sie schüttelte den Kopf, haderte mit sich selbst.


    "Immer dann wenn ich angefangen oder aufgehört habe zu arbeiten war er anwesend, schnitzte Figuren oder empfing Besuch. Irgendwann war es alltäglich, dass er hier war. Ich habe ihn nicht mehr beachtet, sozusagen vergessen. Äh.. ich meine nicht in der Villa, in der Taberna war er da. Cassella wollte angestrichen haben und an anderen Tagen bezahlen. Er war nüchtern, viel eher waren die anderen betrunken. Irgendwie schienen die zufrieden zu sein, wenn sie von ihm unsere Getränke gespendet bekamen und tauten schnell auf. Es war seltsam. Als ob er sie irgendwo gedrückt hätte..." Sontje blickte Lando und Dragonum an.

    Sie wollte eigentlich nicht wieder in die Küche zurück gehen, weil sie immer noch das dumme Gefühl hatte die große Runde zu stören. Mit gesenktem Kopf liess sie sich an ihrem üblichen Platz neben Phelan nieder und schob den Teller von sich weg. Der Appetit war vergangen... dabei waren noch Reste von Brot und Käse aufzuessen. Auf Milch mit Honig hatte sie Lust und schenkte für sich den Becher voll.


    Da war auf einmal eine Kirsche zu sehen. Sontje sah Callista überrascht an und wagte ein Lächeln. "Danke..." flüsterte sie und schob sich die Kirsche in den Mund. "Willst du auch Milch mit Honig trinken?" Achje.. Callista war ja die Römerin und verstand kein Germanisch. Sontje deutete auf die Utensilien und machte eine Trinkbewegung wobei sie zum Schluss auf Callista zeigte. Zeitgleich mit den Gesten wiederholte sie den germanischen Satz in der gezeigten Gestenfolge. "Milch Honig trinken du wollen?" Gut, es war ein blöd gesprochener Satz.. und vielleicht der Anfang zu einer Unterhaltung mit Händen, Füßen und Worten.

    Er saß unten im Kaminzimmer. Mit Lando saß der Tribun zusammen. Sicher hatten sie schon über sie geredet. "Ich komme sofort..." Sontje nickte Albin zu und liess den Brief von Cupidus aus Confluentes sinken, den sie bis eben noch auf dem Bett und auf dem Bauch liegend gelesen hatte. Der Soldat hatte gute Nachrichten niedergeschrieben und war zugleich in Sorge um sie. Bedächtig faltete Sontje den Brief zusammen, schob ihn unters Kopfkissen und raffte sich endlich auf. Sie hatte den Soldaten sehr anziehend gefunden, bis er ihr gesagt hatte, dass er wegen seiner Verpflichtung als Soldat nicht heiraten durfte. Erst später durfte er heiraten.. bis dahin war sie sicher längst weg vom Fenster. Ein letzter Blick aus den bunten Fensterscheiben noch, dann verliess sie das Zwillingszimmer.


    Bevor sie das Zimmer betrat, atmete Sontje tief durch. Ihre Hände zitterten ein klein wenig, sie verbarg sie unter der Schürze ihres Kleides. Mit einem leisen "Heilsa." begrüßte sie Lando und wandte sich Dragonum zu. "Salve, schön Dich zu sehen. Ich habe zum Schluß nicht mehr viel mitbekommen, weil ich einen Schock hatte. Mein Bruder hilft mir, wieder nach vorne zu sehen und die Taverne wieder zu übernehmen. Aber jetzt möchte ich mich noch einmal bei Dir und Deinen Leuten für Deine Hilfe und Eingriff bedanken. Danke! Ich hätte niemals gedacht, dass die so weit gehen.. und ja.." plapperte Sontje und verstummte. Langsam liess sie sich auf einen Sitzplatz sinken. Sie hatte Dragonum niemals als Soldat eingeschätzt sondern als einfachen Reisenden. Wie sehr sie sich doch geirrt hatte...

    Sie schluckte den großen Bissen würgend hinunter, schüttelte den blonden Kopf. Ein abendliches Mittagessen? Gut, es war ein kaltes Mittagessen.. sie hatte sowieso kaum Hunger. Phelan erwiderte nichts auf ihre Fragen, ging gar nicht auf die thematische Ablenkung ein. "Gerade wenn es politische Themen sind, kann ich doch nicht im Hintergrund mit den anderen Frauen flüstern. Das geht nicht und es ist dann unhöflich von mir, finde ich. Und du liegst falsch.. das erste Thema war Silkos Weggang, dann Arbjons Fortgang, dann erst kam das Thema aufs Theatrum." korrigierte sie ihren Zwilling, blickte auf die ausgestreckte Hand. "Warum bloß soll ich wieder zuück in die Küche kommen? Ich störe euch nur.. das ist mein Gefühl und nicht deines." brummelte sie und erhob sich doch noch von ihrem Platz, um Phelans Hand zu ergreifen sowie mit der anderen Hand Becher und Teller zu balanchieren...

    "Das 'Warum' willst du wissen?" Sie sah auf und zuckte die Schultern. "Ich dachte, ihr wolltet unter euch Männern sein. Nun gut, Marga, Elfleda und Sveija auch in der Küche, aber sie sagen gar keinen Pieps. Ragin bespricht etwas Politisches. Was soll ich denn dazu sagen? Da lasse ich euch alle lieber alleine und störe nicht mit losem Mundwerk."


    Sie schob sich eine ausgesprochen knusprige Brotkante und dann einen großen Käsewürfel in den Mund. Emsig kauend betrachtete sie ihren gleichaltrigen Bruder. Womit konnte sie bloß das Thema wechseln?!? Sie hatte keine Lust sich ausgerechnet darüber zu streiten. Neulich im Kaminzimmer hatte sie sich auch fortgemacht und keiner war hinterher gekommen.


    "Hast du überhaupt einmal die schöne Kleidung angezogen, die ich dir vor eurer Reise zur Seherin geschenkt habe? Ich habe dich noch kein Mal in ihnen gesehen, geschweige denn, dass du sie einmal getragen hast. Mein erster Einkauf waren übrigens schicke Glaswaren, allesamt lagern sie unbenutzt in meiner Truhe. Vielleicht verkaufe ich es wieder oder weiter." Das nächste Brot-Käse-Happen verschwand in ihrem Mund. "Wenn ich ehrlich bin, weiss ich kaum, worüber ich mit allen plaudern soll."

    Er hielt ihren Kopf und fand Platz auf ihrem Po. Es war ein noch tolleres Gefühl, welches der Mann verursachte. Die Ameistenhorde verschwand und machte einer Wolke Schmetterlingen im kribbelnden Bauch Platz. Sontje fühlte sich, als würde sie sogleich vom Boden abheben und elegant schwebend Saltos in der Luft schlagen. Nun war ihr Hals dran, Sontje grinste verliebt und kniff die Pobacken fest zusammen. Einfach um zu zeigen wie gut es ihr in Glabrios Armen gefiel. Die junge Frau knabberte vorsichtig auch seinen Hals an, verteilte sanfte Küsse. Die Umgebung um sie herum war immer noch verschwunden und kam mit einer alkoholisiert klingenden Stimme schlagartig zurück. Katapultisierte sie zurück in die fröhliche Hochzeitsfeier und tanzende Menschenmenge. Sontje hörte Glabrios Worte und fand sich urplötzlich vor einem sichtlich betrunkenen Menschen wieder. Ihrem Bruder!


    Ihre geröteten Wangen zeigten nur zu gut, wie sie sich fühlte.. nämlich ziemlich gut. Trotz der unerwarteten Überraschung und Unterbrechung die sie überhaupt nicht erwartet hatte. "Phelan!! Dich hab ich ja ganz vergessen!" rief sie aus, klopfte auf seine Schultern. "Ich glaube, wir haben uns heute noch gar nicht gesehen, Brüderchen!! Aber sag einmal... warum unterbrichst du meinen Tanz? Und ziehst mich sogar runter vom Tanzboden? Du, hör mal zu, er heisst nicht so, wie du nennst. Er heisst G-L-A-B-R-I-O. Ja, er gefällt mir." Sicher gefiel ihr der Soldat! Die Frage war nur, wieviel Phelan bereits mitbekommen hatte. "Ich hole ihn..." Sie trat zu Glabrio und umschloß mit ihrer Hand die seine, gab ihm einen Kuss auf den Mund. Er schmeckte gut. "Ich vermisse dich!" Händchenhaltend kehrte sie zu Phelan zurück, blieb standhaft neben Glabrio stehen. "Phelan.. Glabrio.." stellte sie die Männer einander vor. "..gebt euch die Hand." Ihr Bruder durfte Sontje berühren und nun durfte auch Glabrio Sontje berühren.

    Eburnus antwortete nicht, stattdessen tauschte Lando mit ihrem Zwillingsbruder einen Blick aus. Sontje biss sich auf die Lippen, begann ein paar Brotscheiben zu beschmieren und mit den Leckereien zu belegen die sie essen mochte. Den Männern hörte sie schweigend zu und dachte sich, dass niemand es merken würde, wenn sie mittendrin rausging und eine ruhige Ecke zum Essen suchte. Sie nickte Eburnus zu, erhob sich von der Bank und zog sich aus der Küche zurück.

    "Und wenn er nichts dagegen hat.." Sie verdrehte die Augen. ".. dann ist es egal." brummelte Sontje, sah zur Box zurück. "Na gut.. gehn wir rein und führen aus was er aufgetragen hast.. ich mach nur weil du mit dabei bist.." fügte sie ihren Worten zu, schlüpfte durch die Stalltür und erreichte den Vorplatz. "Hoffentlich schickt Leif Pepino noch einmal los.."

    "In der Küche ist es nimmer sicher... da kannst du auch überfallen werden." entgegnete Sontje starrköpfig. "Und wieso giftig? Wir trinken sogar Kräutermet... und Kräuter sind auch Blumen.." Ragin tauchte auf dem Gang auf, gesellte sich zu Ihnen und sagte einen Satz, der Sontje ausgesprochen gut gefiel. Der Lachimpuls in ihrer Kehle steigerte sich immer mehr, bis sie ihn nimmer mehr zurückhalten konnte, laut loslachte und sogar Lachtränen weinte. "Loki... eine Kuh?! Nee, Ragin, und wenn.. dann eher ein Stier.." kicherte sie und lehnte sich inzwischen den Bauch vor Lachen haltend an die Wand an. "Mit glühend roten Augen und riesig schwarzem Stierschwanz..."

    Es tat gut nicht mehr durstig zu sein.. auch wenn das Wasser seltsam geschmeckt hatte, es hatte jedenfalls ihren Durst gelöscht. Schritte näherten sich. Rasch wandte sie sich um. "Ich tue grad Wasser trinken. Siehst du das nicht was ich grad tue?" wunderte Sontje sich, musterte die Bedienstete arglos über ihre Verwunderung. "Und was ich hier um diese Zeit mache, ist dass die Taberna zugemacht hat. Die Wasserkanne ist in unserem Zimmer auf den Boden gefallen, weil der Tisch gewackelt hat.. oder mein Knie ihm im Wege war." sprach die junge Frau weiter und spielte mit den Fingernägeln auf der Kommode herum.

    Aus dem Zimmer der Zwillinge flüchtend sah sie sich hektisch um. Rechts? Links? Sie überliess die Entscheidung ihrem Bauchgefühl und lief nach links den Gang hinunter. Ah, da war etwas zu trinken! Aber da war ja was drin! Irritiert den Kopf schüttelnd fischte Sonje den störenden Gegenstand, einen Blumenstrauß, aus der Vase und trank das Blumenwasser.. ah.. tat das gut. Endlich war ihre Kehle nicht mehr so rauh und trocken. Sontje rülpste und stellte die Vase mit einem leisen Knall ab, legte den Blumenstrauß achtlos daneben ab.

    Sontje schlief die ersten Stunden nach dem Überfall mehr schlecht als recht, schreckte hin und wieder kurzzeitig hoch, nur um dann wieder aufs Lager niederzusinken. Sie war in ihrem Zimmer, welches sie sich gemeinsam mit Phelan teilte.. alles war gut. Und doch war nicht alles gut!


    Sie war von einem Fremden, dessen Namen sie nicht kannte, verletzt worden und er hatte sich nicht mal entschuldigt. Böse Menschen entschuldigen sich wohl nie für ihre (Un)-Taten, dachte Sontje bedrückt. Sie wälzte sich auf die andere Seite mit dem Gesicht zur Wand und berührte die verbundene Stelle. Es tat nicht mehr schlimm weh, sie gewöhnte sich allmählich an den Schmerz. Sontje seufzte, drehte sich zurück und merkte, dass sie austreten musste. Leise setzte sie auf und stand wenig später auf den eigenen Füßen. Auf bloßen Füßen tapste sie in die Ecke, wo der Nachttopf stand und hockte sich hin. Sie dachte an nichts, kümmerte sich um ihr Geschäft und tapste zurück zum Bett.


    Kurz vor dem Einsteigen merkte sie wie trocken ihr Hals war.. Wo war die Wasserkanne? Suchend sah sie sich um, bewegte sich mit ausgestreckten Händen durch den Raum. "Aua.. autsch.. warum haben wir so viele Stühle?" fluchte Sontje und versuchte einen ovalen Gegenstand vor dem Umfallen zu bewahren. Ausgerechnet jener Gegenstand entpuppte sich als die Wasserkanne. "Klirrdschingdablingkling..." Sontje hielt mit den Händen ihre Ohren zu. Was für ein Krach! Etwas Feuchtes, eklig Kaltes erreichte ihre nackten Füße. Nein, das war jetzt zuviel! So hatte sie es, das Trinkwasser suchen, nicht vorgestellt! Sontje drehte sich um und floh aus der Tür zur Diele hinaus.

    Als Glabrio sie zum zweiten Mal küsste und sie seine Lippen auf den ihren spürte, ging es Sontje durch Mark und Bein. Sie hatte das Gefühl, als würde eine Ameisenarmee über ihren Körper wuseln. Ein bombastisches Gefühl! Als würde sie auf einer riesigen rosaroten Wolke schweben... Der zweite Kuss übertraf ihren allerallerersten Kuss bei weitem. Sontje löste ihre verschränkten Hände, begann Glabrios Nacken zu streicheln, fuhr mit der anderen Hand durch seine Haare am Hinterkopf. Nun, sie war kleiner als sie, aber das machte nichts, dann stellte sie sich eben auf die Zehenspitzen auf und lehnte sich noch mehr an ihn an. Das wäre jetzt, in diesen glückseligen Momenten, schön blöd das Gleichgewicht zu verlieren, aber sie fühlte sich sicher festgehalten.


    Ganz vorsichtig tastete sie sich mit ihrer Zunge langsam und behutsam in seinen Mund vor, wo sie viele aufregende Spiele erfand. Sie streifte sanft an seinen Lippen und über seinen Zähne entlang, kitzltee seine Lippen und seine Zungenspitze mit der eigenen und umspielte seine Zunge. Mal sanft, mal heftig. Obwohl andere Leute das duccische Küken bei diesem leidenschaftlichen Kuss beobachten konnten, hatte Sontje alles um sich herum vergessen... Der leidenschaftliche Kuss liess ihre Hormonproduktion auf Hochtouren laufen. Dabei wurde das Glückshormon Endorphin sowie viele, viele Liebeshormone frei gesetzt. Gleichzeitig nahm die Produktion des schlechten Stresshormons Kortisol ab.


    Sie gab seine Lippen zum einem tiefen Atemzug frei, und demonstrierte an ihm selbst wo sie außerdem geküsst werden wollte. Nämlich am Ohrläppchen. Empfänglich für heißen Atemhauch, neckende Lippen, knabbernde Zähne forschende Zungen und natürlich verheißungsvolles Geflüster. "Der Spruch 'Ein Kuss ist der Austausch der Seelen.' stammt von Platon. Und ich sage, ich habe dich zum Fressen gern!“ flüsterte Sontje in Glabrios Ohr. Noch anschaulicher ging es nun wirklich nicht...

    Glücklich darüber keine Unterbrechung seines fesselnden Augenkontakts zu erfahren schaute Sontje stur zu ihm auf und liess sich mitziehen vom Hin- und Herwippen. Es war eine einfache und sehr gemütliche Schrittfolge... auf und ab... auf und ab... mal seitwärts... mal nach hinten oder vorneweg. Ganz einfach! Da brauchte sie wirklich nicht auf die eigenen Füße zu schauen. Sontje liess sich von Glabrio lenken und im Kreise drehen, kam ihm näher oder entfernte sich durch den Schwung eines Kreises wieder von ihm, nur um im nächsten Moment ihm wieder nahe zu kommen. Ihre Wangen röteten sich bei seinem wunderschön gesagten Kommentar und der gehauchten Version ihres Namen.


    Ehe sie es sich versah, spürte sie seine Lippen auf den ihren und konnte nicht anders als ihren Tanzpartner ebenfalls zu küssen. Sontje schloß verzückt über diese Überraschung die Augen und verliess sich auf die übrigen Sinne. Dies war ihr allerallererster Kuss! Glabrio dagegen hatte sicher schon viele Frauen wie sie geküsst. Sanft erwiderte sie den Lippendruck, atmete durch die Nase und forderte spontan aus einem unbestimmten Impuls heraus noch mehr vom diesem ersten Kuss zwischen ihnen. Ihre Schritte verharrten und bleiben schlussendlich stehen. Sie standen irgendwo am Rand der Tanzfläche... eien Fackel brannte in der Nähe und liess ihrer beider Haarfarben in deren Fackelschein leuchten.


    Leise keuchend löste sich Sontje von seinem Lippen, erwiderte atemlos und lächelnd zugleich. "Du hast fantastische Augen, Glabrio! Und du schmeckst gut... ziemlich gut sogar!" Diese zwei Sätze mussten für ihre Wahrnehmungen und Empfindungen reichen. Bereitwillig reckte sie ihm ihre Lippen für einen zweiten Kuss entgegen. Sontje lechzte nach der Erfahrung ihres ersten Kusses nach mehr von diesem unbekannten Gefühl des Verliebtseins..

    "In den Händen des was?" Sie musste überlegen, bis ihr einfiel was Arbjon meinte. ""Achso, jetzt verstehe ich. Ich habe ihm, du weisst schon wer, übrigens geschrieben. Nun mal schauen ob Antwort zurück kommt."" berichtete sie das letzte leise flüsternd in verschwörerischem Ton das neueste ihrer Briefe schreiberischen Tätigkeiten. Sie sah in die Runde, hoffte, dass keiner der Duccier gerade die Ohren gespitzt hatte und sprach in normalem Ton weiter. "Natürlich werde ich dir aller zuerst zurück schreiben. Phelan habe ich nichts nach Rom geschrieben, weil ich seine Anschrift nicht wusste. Hm, ich und Rom besuchen? Ich weiss nicht so recht... Mogontiacum ist groß genug." fügte sie zögernd hinzu. Das Landei sollte die riesige Stadt besuchen?

    Das ihr bekannt vorkommende Gesicht nahm sie wahr, löste die starre Faust und bewegte sie zu einer Hand Phelans hinüber, um diese dann richtig fest festzuhalten, so fest sie konnte, um den Halt nicht zu verlieren im Strudel der Tranen und Panik. Sontje blieb zitternd an Ort und Stelle liegen. Sie schlief nach mehrmaligem 'Nein'-Flüstern wenig später ein. Das stete Weinen hatte sie erschöpft, ihre Augen und Lippen waren ganz trocken durch den Flüssigkeitsverlust. Langsam löste sich der Griff um Phelans Hand. Ganz sicher würde sie aufschrecken, wenn etwas zu hören war, was den Geräuschen und Worten in der Taverne ähnelte und erneut zu weinen anfangen.