Beiträge von Prudentia Callista

    Zitat

    Original von Tiberius Duccius Lando
    "Ich hoffe, ihr seid heute Abend noch länger unsere Gäste? Ich kann mir vorstellen, dass eine germanische Feier etwas Neues für euch ist, macht euch auf etwas gefasst. Achja, Tiberius, hast du Witjon... ehm... Marsus schon kennenlernen dürfen? Und sowieso... ist Callista mit euch gekommen? Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, die junge Dame kennenzulernen."



    Callista hatte nach der Vermählung in der langen Reihe der Gratulanten gestanden und darauf gewartet, dass auch sie ihre Aufwartung machen konnte und ihre ehrlich gemeinten Glückwünsche aufsagen konnte. Doch wie der Zufall es wollte, fand sie ihre Verwandtschaft wieder und gesellte sich schnell zu ihnen. Gerade bekam sie noch mit, wie der Bräutigam nach ihr fragte und lächelte schüchtern. Sollte sie sich nun selber vorstellen? Oder würde ihr Onkel das übernehmen?


    Ganz zaghaft drängte sie sich etwas nach vorne und schob sich so ins Blickfeld der Anderen. So konnte man entsprechend auf sie reagieren, ohne, dass sie aufdringlich wirkte.

    "Ja, bitte." sagte Callista beinahe augenblicklich, als Vespa ihr das Angebot machte. Ihre Tante war die Ruhe weg und wurde dafür nicht nur von Calvina bewundert, auch Callista fand es ganz erstaunlich. Die beruhigende Stimme war jetzt genau das Richtige, während man sie in die traditionellen Kleider steckte und sich um ihr Haar kümmerte. Denn dabei hatte ihr Kopf zuviel Zeit zum nachdenken und dabei kam im Moment nur Unsinn heraus, da war es viel einfacher, sich unterhalten zu lassen. Dankbar und auch etwas neugierig lächelte sie ihre Tante an.

    Es hatte nicht lange gedauert und doch unendlich lang gedauert, bis Callista soweit fertig war, dass sie ihr Cubiculum verlassen konnte. Alles war entsprechend der römischen Traditionen erfolgt und sie war sich nicht sicher, damit den Geschmack ihres Bräutigams zu treffen. Aber da sie von germanischen Hochzeiten immernoch kaum Ahnung hatte, musste es so reichen.


    Reichlich nervös und mit dem typischen Schleier ausgestattet tapste sie schließlich ins Atrium und beobachtete die wuselnden Menschen um sich herum. Irgendwie wünschte sie sich, dass schon alles vorbei war. Das würde ein sehr langer, aufregender und anstrengender Tag werden.

    Es war soweit! Nachdem sie vor nicht ganz einer Woche ihren Zukünftigen kennengelernt hatte, dann die Hochzeit von Elfleda und Lando (mit-)gefeiert hatten, sich danach nochmal nach germanischen Sitten verlobt hatten und zu dem Schluss gekommen waren, dass sie sich wirklich und wahrhaftig heiraten wollten und würden, liefen die Vorbereitungen für Callista auf Hochtouren. Es war der letzte Tag, den sie als unverheiratetes Mädchen verbringen würde und sie hatte bereits in Anwesenheit von einigen Sklaven Blumen gepflückt. Man würde diese noch heute in ihr Haar flechten und es war Tradition, dass sie und nur sie diese Blumen pflückte. Was in dem frühlingshaften Mogontiacum aber auch kein Problem war.


    Dann, wieder in der Casa, trat Vespa zu ihr, die als Brautmutter auftreten würde, wo ja Callistas eigene Mutter gestorben war. Nun galt es zuerst ihre Spiel- und anderen typischen Mädchensachen den Göttern zu weihen. Danach würden dann die Äußerlichkeiten für morgen vorbereitet werden.


    Callista war sehr aufgeregt und nervös, den ganzen Tag lief sie schon mit einem mulmigen Gefühl im Magen herum. Sie hatte Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und zuzuhören, wenn ihr jemand etwas sagte, aber wirklich übel nahm ihr das niemand. Einmal hieß es noch hier zu schlafen, ab dann war die Casa Duccia ihr neues zu Hause. Heute schlief sie noch einmal allein in ihrem römischen Bett, morgen dann in den Armen von Marsus. Er hatte angedeutet, dass man in das römische Prozedere noch einige germanische Bräuche einstreuen wollte, damit beide Seiten zu ihrem Recht kam, aber sie hatte keine Ahnung woran er da genau gedacht hatte. Sie kannte natürlich nur die römischen Gepflogenheiten, auch wenn sie auf Landos Hochzeiten einen guten Einblick in die Welt ihres Ehemannes erhalten hatte. Der Gedanke, dass morgen der Rest ihres Lebens begann, erschreckte Callista etwas, ab morgen war sie eine Ehefrau und bald Mutter. Es erschreckte sie und sie war sich ganz und gar nicht sicher, ob sie diese Verantwortung tragen konnte, sie hätte gerne ihre eigene Mutter dabei gehabt, damit diese ihr beistand. Aber Vespa war ihr auch ans Herz gewachsen und sie würde auch morgen bei der eigentlichen Heirat noch den einen oder anderen Dienst übernehmen.


    Mit stoischer Gelassenheit begann Vodafonis die rotbraunen Haare ihrer Herrin zu kämmen, bis sie völlig knotenfrei waren. Die tunice recta war auch schon rausgelegt, im grunde war alles soweit vorbereitet. Jetzt galt es nur noch das junge, pochende Herz in der Mädchenbrust zu beruhigen.

    Callista war diesmal eher als ihr Lehrer am vereinbarten Treffpunkt, es würde nicht mehr lange dauern und Verus würde zu ihr stoßen. Aber das gab Callista noch etwas Zeit ihr Schriftstück zum unzähligsten Mal gegenzulesen. Ihre Aufgabe war nicht sehr schwer gewesen, dennoch las sie es noch einmal durch, nur zur Sicherheit. Gerade bei einer einfachen Aufgabe wollte sie keinesfalls einen Fehler machen.


    Mit ihrer schönsten Schrift hatte sie ihre Liste überarbeitet und dann nochmal sauber abgeschrieben:


    Dii consentes
    Iuppiter
    Höchster Gott, Gott des Lichts und der Himmelerscheinung, Schutzgott des Staates und des Gesetze, bevorzugt weiße Opfertiere, Blitze sind seine Attribute und er nutzt sie zur Strafe der Sterblichen
    Iuno
    Göttin des Heims und der Mutterschaft, Schutzgöttin aller Frauen, weiße Opfertiere sind typisch, vor allem Gänse und man bringt sie auch mit Schlangen und Kuckucken in Verbindung
    Minerva
    Göttin der Weisheit, Arzneien, der schönen Künste, Musik, Wissenschaft und des Krieges, Schutzgöttin der Heilberufe, bevorzugt ebenfalls weiße Opfertiere (kein bestimmtes Tier), die Eule symbolisiert ihre Weisheit, man stellt sie auch mit Lanze, Schild und Rüstung dar
    Vesta
    Göttin des Herdfeuers, der Hauswirtschaft und der häuslichen Angelegenheiten, der Esel ist ihr Kulttier, ihre Dienerinnen bewachen das ewige Feuer
    Ceres
    Göttin des Landbaus, der Liebe und der Mutterliebe, ihr Attribut ist die Ährenkrone, Mohn und Getreide sind ihr heilig, ebenso das Schwein, manchmal trägt sie auch eine Fackel
    Diana
    Göttin der Natur, Fruchtbarkeit und Geburt, gilt als Mutter der wilden Tiere, ist ebenso Mondgöttin wie Jagdgöttin, sie trägt stephane und venabulum, Hunde und Jagdtiere begleiteten sie, wenn sie nicht mit Pfeil & Bogen dargestellt wird, dann mit einer Lanze
    Venus
    Göttin der Liebe, Schönheit und des sexuellen Begehrens, sie wird mit der Ankunft des Frühlings in Zusammenhang gebracht und bringt den Menschen und Göttern Freude, Venus ist die Ahnherrin der Römer und auch Göttin der Gärten, ihre Opfertiere sind weiß und ihr Symbol ist der Gürtel, in dem ein starker Liebeszauber eingeschlossen ist
    Mars
    Gott des Krieges, er symbolisiert Schutz, Kraft, Gesundheit und Energie, man nennt ihn auch Mamars oder Marspiter, seine bevorzugten Opfertiere sind rot (Lamm, Ferkel, Kalb) und man stellt ihn mit Speer, Schild und Rüstung dar, Specht, Pferd, Stier und Wolf sind ihm heilig
    Merkur
    wird auch Mercurius genannt, er ist der Gott des Handels, der Kommunikation, der Reisenden und der Gesundheit, außerdem tritt er als Götterbote auf, sein Symbol sind ein geflügelter Helm oder geflügelte Schuhe, dazu ein Stab und ein Geldbeutel, weiße Opfertiere werden ihm dargeboten, er ist auch der Führer der toten Seelen in der Unterwelt
    Neptun
    Gott des Meeres und Gewässer, Herr über Sturm und Flaute, Schutzgott aller Seefahrer, seine Opfertiere sind Stiere, sein Symbol ist der Dreizack, mit dem er Quellen entstehen lassen kann, in dem er ihn in den Boden rammt, Er wird oft mit Bart dargestellt, Pferde, Delphine und Stiere waren ihm heilig
    Vulcanus
    Gott des Feuers, im besonderen des zerstörerischen Feuers und des Handwerks, er ist Schmied und der Amboss und der Hammer sind seine Symbole, er wird gerne mit halbseitig freier Brust und Filzkappe dargestellt
    Apollo
    Gott der Musik, der Gesundheit, der die Menschen lehrte, Arzneien zu fertigen, Gott des Lichts und der Wahrheit, weil er selbst nicht lügen kann, weiße Opfertiere, er wird mit Kithara oder Lorbeer dargestellt


    Zufrieden las sie den Text und rollte das Papyrus wieder zusammen. Nun hieß es nur noch auf ihren Lehrer warten.

    "Ja, in Ordnung." sagte sie und konnte die Erleichterung nur schwer aus ihrer Stimme halten. Sie wollte nicht unhöflich sein, ganz und gar nicht, aber ihr schwirrte schon etwas der Kopf. Es gab soviel, dass sie heute gelernt hatte, teilweise waren ihr die Dinge schon bekannt gewesen, aber sie hatte auch ganz Neues erfahren. Und es würde gut tun, es sacken zu lassen und sich später noch einmal in Ruhe damit zu beschäftigen. Sie sollte als Hausarbeit eine Liste der zwölf olympischen Gottheiten schreiben, mit den dazugehörigen Attributen der Götter, was keien unlösbare Aufgabe darstellte.


    Nachdem die zwei einen Termin bestimmt hatten, wann die zweite Unterrichtsstunde stattfinden sollten, verabschiedeten sie sich und Callista machte sich auf den Weg nach Hause.

    "Aber natürlich, Crista. Komm herein und setz dich, da steht eine Kline ziemlich genau einen Meter vor dir."


    Die Stimme der jungen Prudentia war freundlich und auch, wenn sie nicht so recht wußte, ob es Crista peinlich war so wollte sie ihr doch sagen wo die Möbelstücke standen. Schließlich war die blinde Schneiderin noch nicht lange genug in der Casa, dass sie sich hätte alleine zurechtfinden können und Nanta war gerade auch nicht in der Nähe. Nach der gemeinsamen reise hierhin, hatten Crista und Cato überlegt sich in eine Herberge einzumieten, doch Callista hatte das nicht gelten lassen und die beiden zu sich eingeladen, den kleinen Laris selbstverständlich auch. Sie hatte die junge Frau ins Herz geschlossen und wollte ihr bei ihrem Start in Mogontiacum gerne behilflich sein, außerdem war ihre Gesellschaft sehr angenehm.


    "Drusus, darf ich vorstellen, das ist Tiberiana Crista, die mich von Rom aus hierhin begleitet hat. Sie wird eine Weile hier in der Casa bleiben und mir Gesellschaft leisten." Dann blickte sie wieder zu Crista und erklärte auch für sie, mit wem sie da sprach. "Crista, mein Besuch ist Tiberius Iulius Drusus, seineszeichens Centurio der Legio II Germanica."

    Es war soweit! Callista folgte dem Alten und spürte, wie sich die feinen Härchen an ihren Unterarmen aufstellten, die Gänsehaut wanderte von dort dann weiter die Arme hoch und landete schließlich an ihrem Nacken, wo sich ihr die Haare auch etwas aufstellten. Sie war sehr aufgeregt und dennoch gleichzeitig ruhig, es war mehr wie eine Mischung aus Vorfreude und Genugtuung, gepaart mit der Angst den Göttern vielleicht nicht gerecht werden zu können. Allerdings schien der Pontifex ihr das durchaus zuzutrauen und sie lauschte ihm geflissentlich, bevor sie die Worte wiederholte.


    "Ego, Prudentia Callista, deos deasque imperatoremque Romae in omnibus meae vitae publicae temporibus me culturum, et virtutes romanas publica privataque vita me persecutorum esse iuro."


    Während ihre Worte sanft Richtung Altar getragen wurden, ebbte die Gänsehaut langsam ab und Callista wurde ruhiger. Der zweite Teil des Eides klangschon weit aus sicherer und sie wirkte nicht mehr so versteift-konzentriert. Es fiel ihr leicht, den Eid zu leisten, sie war sich wirklich sicher.


    "Ego, Prudentia Callista, religioni romanae me fauturum et eam defensurum, et numquam contra eius statum publicum me acturum esse, ne quid detrimenti capiat iuro."


    Stille. Ihre Worte verhallten und sie lächelte glückselig.

    Als es an der Zeit war, der eigentlichen Hochzeit beizuwohnen, ließ sich auch Callista von der allgemeinen Aufregung mitreißen und gesellte sich zu all den anderen Zuschauern. Sie hatte sich fest vorgenommen genau aufzupassen, um vielleicht einige Dinge in der Zeremonie zu verstehen und Marsus fragen zu können, wenn sie etwas nicht verstand. Dabei hatte sie allerdings nicht daran gedacht, dass man sie auf Germanisch abhalten würde. Selbst Eburnus sprach germanisch und Callista verstand nichts, rein gar nichts. Obwohl Marsus an ihrer Seite war, traute sie sich nicht, ihn jetzt flüsternd zu fragen, was gerade geschah, sondern schwieg und schaute nur zu.

    Oh, da war ja Balbus! Erfreut begann Callista zu lächeln und ließ sich von Marsus mehr als bereitwillig zu ihrem Onkel geleiten. Die beiden hielten irgendwie immer noch Händchen und es hätte wohl reichlich dämlich ausgesehen, wäre Callista nun zielstrebig losgelaufen und hätte Marsus hinter sich hergeschliffen. Obwohl - sowas hätte sie sowieso nicht gemacht. Sie wartete einen Moment, bis Balbus und Vespa in ihre Richtung schauten, dann grinste sie die beiden an und umarmte sie schnell, aber herzlich.


    "Salve! Es freut mich so, dass ihr gekommen seid, ich hoffe die Reise war angenehm?" Callista blickte zu ihrem Onkel, dann zu ihrer Tante und wieder zurück. Bevor ihr einfiel, wessen Hand sie losgelassen hatte um ihre Familie umarmen zu können. "Darf ich vorstellen? Mein Verlobter Numerius Duccius Marsus." Sie lächelte ihm zu, diesmal war sie an der Reihe mit den aufmunternd gemeinten Gesichtsausdrücken und meinte dann an ihn gewandt. "Marsus, das sind mein Onkel Tiberius Prudentius Balbus und seine Frau Aelia Vespa." Und dann war sie auch schon wieder still und überließ es den Männern sich zu begrüßen. Sie lächelte allerdings auffallend fröhlich und offen, beinähe hätte man meinen können sie würde grinsen, doch das wäre nun doch etwas zu unhöflich gewesen. Alles in allem würde man ihr wohl aber doch anmerken, dass sie ausgesprochen glücklich war. Nicht zuletzt, weil die Ankunft ihrer Tante bedeutete, dass diese ihr am Tage ihrer eigenen Hochzeit beistehen würde, ganz so, wie es sich Callista gewünscht hatte.

    Während Callista ihren Verlobten fragend ansah konnte sie erkennen, dass er über irgendetwas nachdachte. Allerdings konnte sie nicht erraten über was und er schien sich auch nicht erklären zu wollen, stattdessen schaute er einen Moment etwas dumm. Noch ganz in Gedanken versunken brauchte er einen Moment, bis er ihre Frage beantwortete und sie folgte seinem Blick zum Bräutigam. Sie kannte Lando aus den Erzählungen ihres Onkels, aber noch nicht persönlich und sie hätte ihn gerne kennengelernt. Nur kam sie leider nicht dazu, diesen Wunsch zu äußern, denn Marsus überrumpelte sie völlig und strich ihr über die Wange. Für den ersten Moment war Callista sehr überrascht, was man ihr sicherlich auch ansah. Ihre dunklen Augen wurden groß und sie hielt die Luft an. Und dann trat er auch noch einen Schritt näher! Callista versuchte die Mischung aus Panik und Verlegenheit herunterzuschlucken und zu lächeln, sowieso die beste Reaktion auf alles und jeden. Immer Lächeln! Die Frage, ob sie sich wohl fühlte, offenbarte eine gewisse Ironie in sich. Denn wo Marsus besorgt war, dass Callista durch das Kulturen-misch-masch überfordert sein könnte, war er es im Moment, der sie überforderte. Sie wusste nicht, ob sie seine Berührung und seine Nähe schön finden sollte!? Es ehrte sie sehr, denn er machte dadurch deutlich, dass er ernstgemeintes Interesse an ihr hatte. Allerdings war sie noch nie von einem Mann so berührt worden und es lenkte ihre Gedanken zu den Berührungen, die noch kommen würden. Bald. Wenn sie verheiratet war. Sehr bald.


    In der Hoffnung, nicht rot angelaufen zu sein, fand Callista dann ihre Stimme wieder.


    "Ähm, ja. Rufus ist sehr nett und ich finde es sehr schade, dass ich mich mit Elfleda und Oda nicht so gut verständigen kann." Viel mehr hatte sie dann eigentlich auch nicht zu sagen, obwohl ihr zig Gedanken im Kopf herumschwirrten. Das Problem war nur, wann immer sie versuchte einen zu fassen, entwand er sich wieder und verschwand. Sie war so schrecklich nervös und musste sich dann eingestehen, dass sie seine Nähe genoss. Da war etwas, dass sie so bisher nicht mal erahnt hatte und es wunderte und freute sie zugleich, dass es Marsus war der diese Gefühle in ihr wach rief.

    Es würde natürlich Sinn machen mit jemandem Germanisch zu lernen, der es ihr auf Latein erklären konnte. Da kamen nicht nur Marsus und Rufus in Frage, sondern wohl auch noch andere in der Casa, nur vielleicht eben Elfleda nicht. Obwohl auch Callista der Gedanke kam, dass sie vielleicht zeitgleich schwanger werden würden. War immerhin möglich und dann wäre es sicherlich schön, sich gegenseitig zu erzählen, wie man sich fühlte. Und das ginge nur, wenn wenigstens eine die Sprache der anderen lernte. Man konnte ja nicht immer auf einen der Männer zum übersetzen zurückgreifen. Oder man sagte vielleicht etwas, dass diese gar nicht hören sollen. Callista schmunzelte. Sie taute nun immer mehr auf und fühlte sich etwas wohler. Ihr nervöser Blick zu Vodafonis fehlte beinahe gänzlich und sie lächelte still vor sich hin. Wie sollte man in dieser Gesellschaft auch nicht permanent lächeln!?


    "Natürlich, geh ruhig deine Familie begrüßen. Du wirst dich bestimmt sehr freuen, sie alle wiederzusehen. Und sie freuen sich auch." sagte sie und kam ihrem Verlobten zuvor, der sicherlich auch etwas hatte sagen wollen. So mutig war sie sonst nicht, aber Rufus hatte sie schnell ins Herz geschlossen. Er schien sehr nett und war hilfsbereit, wie eigentlich alle hier. Fragend blickte sie dann zu Marsus.


    "Und jetzt?" Wahrscheinlich würden sie sich einfach zu den nächsten Leuten dazustellen und Marsus würde sie vorstellen. Aber das bisschen Ruhe dazwischen war eigentlich auch sehr angenehm.

    Verus sprach sehr feierlich und auch wenn Callista hier und da einem Wort keine Bedeutung zumessen konnte, hörte sie sehr gespannt zu. Frigg hatte sie schon mal gehört, Asen dagegen sagte ihr immer noch nichts. Allerdings verstand sie sehr wohl, was man von nun an von ihr erwarten würde, denn wie Frigg sollte sie Heim und Herd verwalten. Sollte für alle sorgen. Sollte Kinder kriegen. Brot wurde an sie gereicht und langsam aß sie ihren Teil, es schmeckte sehr gut. Sie verstand zwar die Bedeutung nicht ganz, das zuvor Gesagte schon. Das war ja im Grunde genau wie bei den Römern, dachte sie noch, bevor sie besonders aufmerksam zuhörte, was er zu Marsus sagte.


    Er sollte sie versorgen, sie ehren und sie beschützen. Callist lächelte ihm kurz zu, das waren Dinge die sie ihm ohne weiteres zutraute. Und es fühlte sich irgendwie richtig an, der Grundgedanke war doch derselbe, egal ob Römer, Germane oder was auch immer. Sie beiden waren verlobt, würden einander bald heiraten, zusammen leben, Kinder kriegen und wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens Eheleute sein. Wenn es nach ihr ging, jedenfalls. Wieder einmal dachte sie an Balbus, der Marsus als ihren Ehemann ausgesucht hatte, ohne diesen zu kennen. Schon komisch, dass er dennoch eine hervorragende Wahl getan hatte.


    Nachdem sie die Beeren gegessen hatte, war das Ritual auch schon fast beendet. Verus beglückwünschte sie noch einmal und Callista lächelte ihn dankbar an. Er war der geborene Priester und imponierte ihr sehr, vor allem, weil er es schaffte beide Götterwelte zu verbinden. Obwohl sie hier ausschließlich germanische Götter angebetet hatte, genau genommen sogar nur eine einzige Göttin, hatte sich Callista sehr heimisch gefühlt und gut aufgehoben. Wie überhaupt bei den Ducciern als solches und bei Marsus im Besonderen. Iuno würde es sicherlich gut heißen, dass sie ihrem Ehemann so wohlgesonnen war und es ihr verzeihen können, dass sie eine germanische Verlobung erhalten hatte.

    "Ja, das möchte ich." sagte die junge Prudentia ernst und feierlich und es war - zu ihrer eigenen Überraschung - keinerlei Nervösität herauszuhören. Bei dieser Sache war sie sich absolut sicher und das merkte man ihr auch an.


    Der alte Mann da vor ihr, der Pontifex, machte trotz seiner Blindheit oder auch gerade deswegen einen sehr würdevollen Eindruck. Was er wohl alles schon erlebt hatte? Und gesehen? Er musste ein langes Leben voller kleiner Interessantheiten hinter sich haben, doch Callista war nicht gekommen um ihre Neugierde zu stillen. Es gab soviel, dass sie noch lernen musste und darauf sollte sie sich konzentrieren. Sobal sie den Eid abgelegt hatte konnte es sofort losgehen.

    Ja, die germanische Lebensweise interessierte sie schon. Allerdings aus ganz pragmatischen Gründen, denn sie musste sich dieses Wissen aneignen um Marsus besser verstehen zu können. Auch wenn die Unterschiede in vielen Dingen nur minimal waren, würden sie immer wieder und vielleicht auch mal in entscheidenden Situationen auftreten und es war ihr Pflicht als Ehefrau ihrem Mann bei allem beizustehen. Und so würden die Götter in ihrer Ehe sicherlich eine große Rolle einnehmen, denn sie war sehr götterfürchtig und Marsus hoffentlich auch.


    Im Grunde konnte sie Verus Erklärung gut folgen, auch wenn ihr "Asen" und "Wanen" noch nicht wirklich etwas sagten. Sie versuchte sich die Namen der Göttinnen und die ihnen zugeschriebenen Attribute einzuprägen, allerdings merkte sie bereits, dass es viel wurde. Sie wußte ja noch nicht mal alles zu den römischen Göttern und würde nun wohl alles doppelt lernen. Einmal für jede Kultur. Dennoch nickte sie und lächelte.


    "Ja, fürs Erste danke ich dir. Es war zwar nur ein kurzer Einblick, aber ich denke ich habe es soweit verstanden."

    Anscheinend hatte es funktioniert! Marsus wirkte viel entspannter und schon gar nicht mehr so traurig wie noch vor Minuten, was Callista ein ehrliches Lächeln entlockte. Es freute sie sehr, dass sie sich so schnell und direkt mit ihm verstand. Natürlich konnte man eigentlich noch gar nichts sagen, denn sie kannten sich nicht mal einen halben Tag, allerdings war er ihr sympathisch. Und das war doch schon mal eine gute Basis, fand Callista. Außerdem bekam sie immer mehr den Eindruck, sie würde ihm auch gefallen. Wie zum Beispiel jetzt, wo er ihre Hand festhielt. Eigentlich hatte sie ihn nur trösten wollen und ihre Finger auf seine gelegt, aber jetzt hielt er sie fest und es störte sie nicht im geringsten. Wenn man so darüber nachdachte, dann konnte man ja fast meinen, dass sie sich sehr zugetan waren und Callista blickte verlegen zur Seite. Sie hatte keine Ahnung wie sie sich zu verhalten hatte, ob sie ihm schöne Augen machen sollte oder nicht. Vor allem, selbst wenn, sie hätte ja gar nicht gewußt wie. Und getraut hätte sie sich schon dreimal nicht! Sie hatte auch einmal gehört wie Frauen sich absichtlich uninteressiert zeigten um das Interesse des Mannes anzufachen. Aber ihr kam das etwas unehrlich vor und vor allem war das die Kategorie "Spielchen" von denen sie nun wirklich keine Ahnung hatte. Sie war nämlich ein ehrliches, schüchternes und vor allem unwissendes Mädchen, dass sich nicht wirklich verstellen konnte. Wenn es jemandem nicht gut ging, dann half sie diesem jemand, wenn jemand einen Rat brauchte, dann erteilte sie ihn, sofern sie konnte und wenn jemand Gesellschaft brauchte oder jemanden zum zu hören, dann konnte sie auch das. Ihre kranke Mutter hatte ihr das und noch viel mehr beigebracht und Callista fand das auch ganz gut so. Eine reiche, verwöhnte Römerin wollte sie nicht sein. Davon gab es sicherlich schon genügend. Und zu Marsus hätte so eine sowieso nicht gepasst.


    Als er sie dann anlächelte, wurde sie doch wieder rot. Hoffentlich hatte er ihren gedanklichen Exkurs nicht bemerkt, sie wollte nicht abgelenkt wirken, wo er sich doch so anstrengte ihr den Tag zu versüßen.


    "Stimmt genau, Mogontiacum. Meine neue Heimat."


    Callista blickte wieder zur Seite. Sie wußte nicht, wie sie es anders ausdrücken sollte, was sie empfand. Sie hatte Mogontiacum bereits als ihre neue Heimat angenommen und sich darauf eingestellt hier und an der Seite von Marsus ihr Leben zu verbringen. Sie war, kurz und knapp gesagt, mit der Wahl ihres Onkels sehr zufrieden. Vielleicht waren Männer nicht so gut, sowas aus den Worten einer Frau herauszuhören, aber sowas konnte Frau ja auch schließlich nicht direkt sagen.

    Während das Gespräch wieder auf germanisch geführt wurde, schaute sich Callista etwas um, immer noch brav an der Hand ihres Verlobten natürlich. Der Schutz, den er damit schon jetzt ausstrahlte, machte es ihr einfacher ihrer Neugier nachzugehen. Außerdem würden wahrscheinlich sowieso die meisten verstanden haben, was es mit ihr auf sich hatte, also, wer sie war, meinte sie natürlich. Erst, als Rufus sie noch einmal ansprach, widmete sie ihre Aufmerksam wieder den anderen.


    "Ich glaube nicht, dass es für mich eine andere Möglichkeit gibt als Germanisch zu lernen. Es wird den Kontakt erheblich vereinfachen und ich kann ja nicht von allen erwarten, dass sie Latein sprechen ... im eigenen Haus ... meine ich. Also ... mhhh ... du weißt schon. Es wäre sehr unhöflich, wenn alle Duccier nur wegen mir Latein sprechen müssten."


    Callista hatte sich irgendwann mittem im Satz verheddert, falsch gedacht und musste sich korrigieren. Sie hoffte, Rufus verstand trotzdem was sie meinte und nahm ihr das kurze Zögern nicht übel. Aber es war ihr wichtig, dass sie die Dinge treffend formulierte, damit es keine Missverständnisse gab. Und niemand sollte denken sie sei eingebildet oder unhöflich und würde jetzt verlangen, dass jeder latein sprach, nur weil sie kein Germanisch konnte. Griechisch hatte sie schließlich auch gelernt, wenn auch nur ein ganz kleines bisschen. Hier allerdings, mit den vielen Möglichkeiten zum üben und auf Fehler hingewiesen zu werden, würde es sich viel schneller und einfacher lernen.

    So ganz hatte Callista den Sinn dieser Zeremonie nicht verstanden, obwohl Marsus es ihr erklärt hatte. Immerhin waren sie schon verlobt, alle schriftlichen Angelegenheiten hatte ihr Onkel erledigt und somit gab es - von römischer Seite aus - keinen Bedarf an weiteren Bekräftigungen. Aber der jugnen Frau mit dem fast dreifarbigen Haar war klar geworden, dass ihrer neuen Familie viel daran zu liegen schien und so hatte sie natürlich ohne Umschweife eingewilligt. Besonders da ihr Lehrer und Mentor Verus diese Verlobung abhalten würde, wer konnte da noch bedenken haben? Vor allem hielt er sie in zwei Sprachen ab, was bedeutete, dass sie alles verstehen würde und das machte es gleich viel angenehmer.


    Also war wieder ein Tag aufgezogen, an dem sich Callista herauszuputzen hatte. Dieser Meinung war jedenfalls ihre Skalvin Vodafonis, die ihr mittlerweile wie ein Schatten folgte und ihr ganzes Können auf immer phantasievollere Kleider-Schmink-Kombinationen aufwendete. Am Tage ihrer Verlobung hatte sie Callista in ein grünes Kleid gesteckt, da sie herausgefunden hatte, dass man die Zeremonie in einem Wald abhalten würde. Das grüne Kleid mit den unzähligen Falten war an allen Nähten mit Blüten und Blättern bestickt, deren Farben von Rot in Gelb und Orange wechselten. Nachdem die Ägypterin nun auch etwas geguckt hatte, wie sich die jungen Germaninnen zurecht machten, hatte sie auf eine Hochsteckfrisur verzichtet und Callistas lange Haare nur in einen Mittelscheitel gezogen. Links und Rechts hatte sie dann mehrere Strähnen abgeteilt und diese nach hinten festgebunden, so dass Callista keine störenden Haare im Gesicht hatte und außerdem konnte man so schöne Haarspangen verwenden. Für Callista selbst war es ungewohnt, ihr langes Haar weder gelockt noch aufgesteckt zu tragen und sie hoffte sehr, dass ihr etwas "natürlicheres" Äußeres bei den Ducciern ankam. Auf Schminke hatte man auch größtenteils verzichtet, nur etwas Glitzerstaub auf die Haut und etwas Lidschatten um die Augen. Beim Schmuck hatten die beiden Frauen dann bescheidenen Goldschmuck ausgesucht, bestehend aus einem Paar Ohrringen, zwei Armreifen und zwei Ringen.


    Die meisten anderen Anwesenden kannte Callista schon von der Hochzeit her, obwohl sie noch lange nicht alle beim Namen nennen konnte und auch noch nicht mit allen wirklich viel gesprochen hatte. Die letzten Tage waren für alle sehr hektisch und ereignisreich gewesen und noch war kein Ende in Sicht. Immer, wenn sie zu Marsus blickte, mußte Callista lächeln, er schien sehr nervös und war sehr ernst. Er hatte auch ihre Hand nicht ergriffen, wie sonst immer, sondern war nur ganz nah neben ihr gelaufen. Für ihn musste das hier eine Menge bedeuten und Callista betete zu Iuno, dass ihr kein Fehler unterlaufen würde. Bisher war alles so schön rund gegangen und sie hatte schon soviele Situationen gemeistert, da durfte nun einfach nichts mehr daneben gehen.


    Dann, als Verus sie nach vorne bat, trat sie neben Marsus auf den Priester zu und wartete gespannt, was als nächstes passieren würde.

    Ihr blieb nicht viel übrig als bedauernd den Kopf zu schütteln, denn sie konnte auch nach seinen Ausführungen nicht ganz folgen. Zwar verstand sie die Fakten, aber es fügte sich nicht so recht zu einem Gesamtbild zusammen. Bis jetzt verstand sie aber sehr wohl, dass er traurig war und sie legte ihm mitfühlend die Hand auf seine. Wie immer, wenn andere in ihrer Gegenwart Schwäche zeigten oder es schafften, noch unsicherer zu sein als sie, wurde sie dadurch etwas stärker. Und so schaffte sie es auch, sich den Tag nicht vermiesen zu lassen. Sie hoffte nur, dass sie es auch schaffen konnte ihn etwas aufzumuntern, er schien wirklich betroffen und er schien ihre Verwandte auch näher gekannt zu haben. Im Gegenteil zu ihr.


    "Balbus hat mit keinem Wort erwähnt, dass ich eine Verwandte hier in Mogontiacum hatte. Und weder die Sklaven noch sonst wer hat etwas gesagt, in der Casa ist bereits nichts mehr zu erkennen. Es tut mir sehr leid, dass du sie verloren hast." Das in umständliche Worte eingepackte Kompliment erkannte die junge Prudentia zwar, ließ es aber erstmal unbeachtet. "Wenn ich es recht bedenke, war es vielleicht nicht das Schlechteste in eine Schlucht zu stürzen. Du erzähltest doch, dass es dort Menschenfänger gibt. Es ist zwar sehr schade und sehr traurig, dass sie tot ist, aber ... nun ja ... besser als eine Sklavin, oder?" Mhh, das klang jetzt nicht wirklich sehr aufbauend, oder? Sie blickte ihn mit großen Rehaugen an und dachte darüber nach, was sie noch sagen könnte. Mit ihren, doch recht kalten Fingern, drückte sie seine Hand einmal kurz, sie fand seine Scham völlig unnötig. Allerdings wußte sie von sich selber, dass man nur wenig dagegen tun konnte. Sie hätte gerne gewußt, warum diese Aquilia alleine ins freie Germanien gereist war und auch, ob Balbus mittlerweile davon in Kenntniss gesetzt wurde. Nur machte Marsus nicht den Eindruck, als wollte er noch weiter darüber sprechen. Daher sagte sie erstmal nichts mehr.