Callista lehnte sich zurück und sah auf die junge, blonde frau da vor ihr. Sie machte einen weitaus strapazierteren Eindruck, als sie bei ihrer Ankunft und Callista war sich nicht sicher, wie viel man dabei wirklich der Reise zuschreiben konnte. Sie war geradezu kurz angebunden und ihre Antworten klangen genervt, wahrscheinlich fragte Callista zu viel. Ihre Neugier war manchmal groß, größer noch als ihre Schüchternheit. Und gerade bei der Familie war sie nicht so schüchtern wie bei Fremden, das hatte ihr ihre Mutter so beigebracht. Doch sie wollte nicht allzu vorschnell urteilen, sie hoffte einfach, dass Thalna nach einem guten Essen und einem Bad und einem langen Schlaf etwas freundlicher wurde. Gegen ihre zwei Tage in einer Reisekutsche musste der Weg von Germanien bis hierhin unendlich sein.
"Wusstest du, dass Balbus Land in Germanien besitzt? Sein Vater und auch er selbst haben in Germanien im Militär gedient. Balbus sagt, dass das Land sehr schön ist, wenn auch das Wetter härter als hier in Rom. In der Acta stand, dass man in Germanien zwei Fuß hohen Schnee erwarten kann." Beinahe hätte Callista gefragt, ob sich Thalna sowas vorstellen konnte, aber sie kam ja aus Germanien. Daher wäre ihre Frage dumm und kindisch gewesen. Und nun ergriff Thalna erneut das Wort und stellte sich selbst eine Frage, die sicher noch von Callista gekommen wäre.
Sie war also auch Waise, genau wie Callista! Traurig senkte diese ihren Blick und nippte an ihrem Wein, wie schade. Es schien, als währte in ihrer Familie das Familienglück niemals lange. Aber wenigstens hatte sie einen Bruder, auch wenn dieser nicht in ihrer Nähe war. Als Callista jünger war, hatte sie sich auch immer Geschwister gewünscht. Mindestens eine jüngere Schwester, aber dazu war es nie gekommen. Sie seufzte ebenso schwer, wie es noch vor Sekunden ihr Gegenüber getan hatte und zwang sich dann, ihren Blick zu heben.
"Meine Eltern sind auch tot, mein Vater starb als ich fünf war und meine Mutter war lange Zeit krank. Als sie gestorben ist, vor etwas mehr als einer Woche, war ich sehr traurig, aber sie hatte arrangiert, dass ich zu Balbus komme. Es gab einige Dinge zu regeln, wegen dem Haus und den Sklaven, aber als das erledigt war habe ich mich sofort auf den Weg gemacht. Die Reise hat nur zwei Tage gedauert und, nun ja, jetzt bin ich hier. Balbus hat mir gestattet, mich dem Cultus Deorum anzuschließen und eine Priesterin der Iuno zu werden."
Sie geriet schon wieder ins Plaudern und war froh, dass sie durch die Ankunft eines Sklaven unterbrochen wurde. Er brachte Brot, Garum, kalten Fisch, etwas Schinken, Puls und auf einem anderen Tablett waren vielerlei Früchte angerichtet, unter anderem getrocknete Aprikosen und Feigen, eingelegte Datteln, frische Birnen und Äpfel, sogar einige Nüsse und natürlich Weintrauben, dunkellila und von erstaunlicher Größe. Callista war nicht hungrig, dennoch griff sie sich eine Handvoll Nüsse. Sie brauchte wohl keine einladende Geste machen, denn es war klar, dass auch Thalna zugreifen sollte.