Beiträge von Prudentia Callista

    Nachdem sie aufgestanden war, schüttelte Callista den Kopf. Besser als ein Kind? Nein, da versuchte Sontje gaz eindeutig ihr Honig um den Mund zu schmieren. Natürlich strengte sie sich an, aber sie machte noch soviele Fehler, dass es ihr fast selbst weh tat in den Ohren. Allerdings fand sie es sehr nett und lieb was Sontje da sagte und sie lächelte etwas schief, genau wie die Blonde. "Ich nicht gut, aber werde besser. Du mir helfen. Ragin hilft mir. Ich bin dankbar, sehr dankbar. Ich bin euch sehr dankbar." Ha, manchmal stimmte sogar ein Satz. Sie lächelte und nickte dann.


    "Du treffe mich vor Bad wieder. Gute Idee. Ich sagen Bescheid zu Sveija und dann hole auch Sachen." Somit reichte sie Sontje die Decke zurück und verließ den Balkon.

    "Du nicht dumm." Callista blickte erschrocken und schüttelte energisch den Kopf. "Du nur nicht denken nach. Du erst denken nach, dann sagen was, dann klingt alles besser. Nicht mehr dumm." Sie lächelte sanft und aufmunternd und legte Sontje sanft ihre Hand auf den Unterarm, als diese wieder neben ihr saß. "Ich dumm, muß reden wie Kind, weil nicht schneller kann lernen germanisch." Sagte sie und grinste. Damit hoffte sie die Jüngere etwas aufzumuntern. Sie lehnte sich zurück und sah einen Moment die Baumwipfel an, als die Stille von kleinen Hustern unterbrochen wurden. Sontje war krank, soviel hatte Callista in der Zeit herausgefunden und sie machte sich Gedanken, weil sie hier in Mantel und Decke saß. Nein, das ging so nicht.


    "Vielleicht wir besser gehen rein? Wir können sitzen drinnen und nähen oder weben? Oder lernen germanisch? Oder gehen in Balneum, muß reinigen mich und wachsen Haare." Callista wies mit einem Finger auf ihre Beine, die unter dem Kleid zwar nicht zu sehen waren, aber dennoch da irgendwo waren. Auch, wenn sie sie schon kaum mehr spürte und daher etwas hin- und herrutschte. "Du besser gehen wo warm. Du krank. Husten. Schlimm? Tut weh?"

    Sie lächelte freundlich und erholte sich von dem Schreck, er könne denken, sie sei dumm. Und unwissend. Sie lächelte besonders, als er die Landschaft erwähnte, denn da gab sie ihm absolut recht, es war wirklich ganz anders als Italia. In Ägypten war sie noch nicht gewesen, hatte allerdings genug gelesen um einen ungefähren Eindruck zu haben. Und mit Germanien hatte es nun wirklich nichts gemein.


    "Nein, nicht aus Rom. Dort lebte ich nur, weil meine Mutter das so gewollt hat. Sie ist gestorben, das ist ungefähr ein halbes Jahr her und hat arrangiert, dass ich zu Balbus komme und er mein Vormund wird. Mein Vater ist ja schon lange tot. Wir haben etwas außerhalb von Mantua gelebt, auf einem sehr ruhigen und schönen Landgut. Mantua kennst du ja bestimmt, oder? Es soll ja die Geburtsstadt von Vergil sein."


    Callista überlegte einen Moment.


    "Also, wenn ich mich recht entsinne dann nicht Mantua selber, aber ein Dorf, ganz in der Nähe. Wie hieß es noch. Irgendwas mit A. Ich glaube Andes, ja, das müsste es sein. Hast du die Aeneis eigentlich gelesen?"

    "Uhm" war Callistas erste, nicht sehr geistreiche, Reaktion und sie beobachtete, wie Sontje ihren Körper zu wärmen versuchte. Sofort sprang sie schuldbewußt auf und reichte ihr die Decke. Es tat ihr leid diese der Jüngeren abspenstig gemacht zu haben und sie bekam ein schlechtes Gewissen.


    "Ich nur gehe zu Tempel, das zu Fuß. Ich nicht brauche Pferd. Wieso ich gehe außerhalb Mogontiacum? Ich warte Witjon nach Hause kommt. Wieso Lando?" Sie war ehrlich verwirrt. Die Freiheiten, die Sontje hatte und gegen die niemand etwas sagte, hatten keinen Reiz für Callista. Sie war, ganz ehrlich, davon ausgegangen in der Casa zu sein oder aber im Tempel. Seit sie hier war und das waren mittlerweile schon vier Monate, war sie kein einziges Mal alleine zum Markt gegangen oder sonst wo hin. Entweder war sie in Begleitung von Witjon, der etwas mit ihr unternahm oder aber sie war mit Phelan im Tempel, alles andere spielte sich mit der Casa an. Und Callista hätte sich nicht angemaßt diese zu verlassen, nur um im Wald oder auf der Hros herumzutollen.


    Ihr wurde bewußt, dass sich Sontje und sie selbst in einem entscheidenden Punkt unterschieden. Denn die Jüngere war bedeutend unternehmungslustiger und aufgeweckter, genoß die Abwesenheit aus der Casa und war viel sozialer, hatte kein Problem damit auf Leute zuzugehen. Sie dagegen war froh, in der Casa ein zu Hause gefunden zu haben und war vollends damit zufrieden hier zu sein und darauf zu warten, endlich schwanger zu werden. Damit die Ehe ihren Sinn auch vollends erfüllte.

    Was die Germanin über Römer sagte ließ Calli nun lieber unkommentiert, an manchen Tagen hatte sie genau dasselbe gedacht. Und sie war nicht selbstbewußt genug sich von deren Worten nun angegriffen zu fühlen. Eine reiche, römische Ehefrau hatte nicht viele Pflichten, außer den wirklich wichtigen und das war nun mal gesunde Kinder zu gebären und in allem eine ehrbare Frau zu sein. Auch zu Silko sagte sie nichts mehr, die Vorstellung mit ihm einzukaufen war irgendwie absurd. Ungefähr so wie sie mit einem Sax in der Hand. Einfach ... seltsam.


    "Wieso brauchen ich Reitpferd? Römerinnen nicht reiten."

    Na das hatte sie ja ganz prima hinbekommen. Callista schlug sich innerlich ein paarmal vor die Stirn und schaute ganz traurig. Sontje war anzusehen, dass ihr erst jetzt klar geworden war, auf was Callista angespielt hatte und das tat der jungen Römerin mehr als leid. Sie stellte ihren Trinkbecher ab und überlegte, ob sie noch was sagen sollte. Einen Moment stand sie unschlüssig da, dann wünschte sie der Germanin ganz leise eine gute Nacht und verschwand schnell aus dem Zimmer.


    Diese kulturellen Fettnäppchen hatten die dumme Angewohnheit immer in den unpassendsten Momenten aufzutauchen, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnete und Callista hasste sich für ihre vorlaute Art. Sie hätte ihren Schrecken einfach herunterschlucken sollen! Sie schloß die Tür leise und ging dann in das Zimmer, dass sie mit Witjon bewohnte. Zurück zu den anderen wollte sie jetzt nicht.

    "Man kommt in neue Familie und macht Kleidung für sie. Als ... uhm ... Beschäftigung. Kleidung wird kauft, wie alles andere. Reiche haben viel Geld, brauchen viel Kleidung. Zum Zeigen. Für Feste." Callista zuckte mit den Achseln, über die Prunk- und Geltungssucht der Römer brauchten sie sicherlich nicht diskutieren. Die Germanen hatten da ein viel bodenständigeres Verhältnis zu Kleidung und deren Verbrauch. Sie besaßen zum Teil nur ein richtig wertvolles Set, das man dann an besonders wichtigen Anlässen und nur dann trug. Diese Einstellung kam Callista sehr viel näher - ihre Mutter hatte sie bescheiden und genügsam erzogen und sie hatte sich in einem ganzen Jahr genau drei neue Kleider geleistet. Etwas, dass andere Frauen in wenigen Sekunden einkauften, nur um sie dann genau ein einziges Mal anzuziehen. Allerdings war sie auch nie auf wirklich wichtigen Festen gewesen, wo der Anschein, den man erweckte wichtiger war als das, was man wirklich leisten konnte. Das war eher der Bereich der Ehefrauen reicher und mächtiger Römer. Und Callista war sehr froh darum.


    "Ja, Silko. Groß. Schwarz. Ich Angst. Nicht spreche mit ihm bevor er weg. War nett?" Callista erinnerte sich nur zu gut an den eindrucksvollen Ägypter, den sie auf Landos Hochzeit zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte sie zutiefst geängist und sie war ehrlich gesagt froh, dass er weg war, auch wenn er sicherlich die richtige Abschreckung für Eindringlinge und anderes Gesindel war, dass Böses im Sinn hatte. Sontje sprang allerdings schon zum nächsten Thema. "Reitpferd? Ich? Ich reiten?" Sie schüttelte den Kopf und lächelte unsicher. Wieso sollte Lando ihr ein Pferd geben!?

    "Nein, alles in Ordnung mit mir. Ich ... also ... so wie ich erzogen wurde ist es sehr ... unsittlich ... wenn Bruder und Schwester sich so nahe kommen. Das ... also ... uhm ... versteh das nicht falsch bitte, ich will ja nichts unterstellen, ich ... das würde ich nie annehmen ... es tut mir leid."


    Die arme Römerin kam völlig ins Stammeln, als Sontje sie bat es zu erklären. Wieder einmal spürte man die verschiedenen Kulturen und Callista hoffte sehr, dass Sontje nicht böse werden würde.

    "Die Familie." beantwortete Callista erstmal die direkte Frage der Blondine. Sie rückte sich etwas zurecht und zupfte die Decke wieder in Position. "Kleidung man macht für eigene Familie, nicht Verkauf. Frau nicht braucht eigenes Geld. Mann bezahlt ... versorgt ... Frau nicht kümmern Finanzen. Manche Frau Ahnung Finanzen und hilft, wenn Mann Geschäft besitzt. Kommt drauf an, was Mann macht und welchen Stand Familie hat. Reiche brauchen nicht machen sowas. Nur leben und gebären und schön aussehen."


    Dann runzelte sie die Stirn. Wieso liegenbleiben? Die Hausarbeit? "Nein, man hat Sklaven. Sklaven machen Essen, sauber ... Hausarbeit. Nichts liegen bleiben. Alle Arbeit Sklaven." Sie schaute fragend und wurde hellhörig. "Du reiten alleine? Mit Pferd? Ohne Mann?" Sie hatte auch mal ein Pferd besessen, nun ja, ein Pony eher, ein kleines weißes. Aber sie konnte sich noch gut erinnern wieviel Spaß sie immer mit ihm hatte, als sie auf dem kleinen Platz auf dem Landgut ihrer Eltern geritten war. Das war zwar nicht unbedingt ein Wald gewesen, aber immerhin, sie konnte schon ein bisschen reiten. Obwohl sie es sicherlich über zehn Jahre nicht mehr getan hatte. Vielleicht... ? Nein, nein, das gehörte sich nicht. Sie war jetzt eine verheiratete Frau und auf bestem Wege Mutter zu werden, diese Erschütterungen konnten nicht gut sein und es war gefährlich. Wenn sie nun stürzte. So wie Aquilia. Nein, Witjon hatte damals sehr traurig ausgesehen, nie würde sie ihm das antun können. "Was für Vergnügen du draußen gehen?"

    "Aber ... das ... schickt sich nicht." Callista schaute sie völlig perplex an und machte große Augen. Selbst wenn sie nur mit ihrer Mutter aufgewachsen war, wußte sie sehr wohl (oder vielleicht gerade deshalb!?) was sich gehörte und was nicht. Nur schien es, als hätte man in Germania wirklich eine ganz andere Idee davon. In keinem römischen Haus, in dem sie bisher gewesen war und bei keiner römischen Familie, die sie kannte, hätten Geschwister im selben Bett geschlafen, nun gut, Schwestern vielleicht. Aber niemals Bruder und Schwester. Nicht mal Eheleute schliefen im gleichen Bett, nicht mal im gleichen Raum! Das war ... einfach ... unsittlich. Bilder von Inzest und Verrat und alldem waberten durch ihren Kopf und sie hielt sich einen Moment an der Stuhllehne fest. Durch regelmäßige Atmung versuchte sie ihren beschleunigten Puls zu beruhigen und schaute auf Sontje, die völlig entspannt und bequem da lag. Mit einem absolut ruhigem Gewissen. Natürlich nahm Callista nicht an, dass die beiden etwas unschickliches miteinander taten, nein, bei allen Göttern! Das taten sie nicht!


    Aber ... aber ... aber! Sie schüttelten den Kopf und fragte sich ernsthaft, warum hier anscheinend völlig unterschiedliche moralische Vorstellungen herrschten. Besser, sie sagte nichts mehr dazu.

    "Danke." Callista trat ein und sah sich um. Bis auf Witjons Zimmer hatte sie hier noch keins gesehen, aber sie entdecke schnell die Übereinstimmungen. Es gab ein Bett, einen kleinen Tisch, einen Stuhl, zwei Truhen, alles sehr sorgsam gearbeitet und von guter Qualität. Allerdings nicht so protzig wie es römische Möbel gerne waren, kaum Zierrat und Schnörkel, stattdessen sprach die Machart für sich selbst.


    "Du tust was?" fragte die Römerin verdutzt und sah Sontje mit großen Augen an. Sie schlief im gleichen Bett wie ihr Bruder? Verwirrt und etwas peinlich berührt runzelte Callista die Stirn. Sowas wäre absolut undenkbar, dort wo sie herkam! Die Zeichnung nahm sie, immer noch mit den Gedanken woanders, dankbar lächelnd entgegen.

    "Nein, Mädchen nicht gehn Schule. Lehrer kommen nach Hause ... mhhhh ... Hauslehrer." Ja, das müsste ungefähr hinkommen, Callista suchte nach Wörtern um es für Sontje so deutlich wie möglich auszudrücken. Aber insgeheim dachte sie bei sich, dass es selbst auf perfektem germanisch wohl für die junge Frau nur schwer zu verstehen war. Germanen als solches und besonders die duccische Familie ging recht frei mit Rollenverteilung um. Um nicht zu sagen unsittlich. Ihre Mutter oder auch Balbus und der Rest der Familie hätte sicherlich nie geduldet, dass sie eine Taverne führte! Niemals! Noch dazu als unverheirates Mädchen. Aber Lando schien es nichts auszumachen, dass Sontje die Taverna führte. Und Sontje war auch noch stolz drauf!


    "Gute römische Frau ist ... Tugend. Nett und höflich, gute Gastgeberin, muß nicht selbst kochen, dafür man hat Sklaven. Muß können Lesen und Schreiben, soll sagen kluge Sachen und Gäste unterhalten, soll hübsch sein und ... uhm ... nett. Soll können Weben und sticken und natürlich, das Wichtigste, machen Söhne. Viele Söhne, gesund und stark." Sie überlegte noch eine Weile und setzte ihre Erklärungen dann fort. "Man soll sein züchtig und bescheiden und nur sein im Haus und machen gutes Heim für Mann und Kinder. Das Wichtigste. Dann man ist Matrona. Man nicht gehn vor Türe, alles kommt ins Haus. Händler, Lehrer, Sklaven, Besuch, alles. Man nicht braucht einkaufen selbst." Callista lächelte schwach. "Daher ich dankbar darf werden Priesterin. Nicht immer sein zu Hause, auch haben Aufgabe in Tempel. Witjon guter Mann." Ja, das war er wirklich. Da sie nun ihm unterstand und nicht mehr ihrem Onkel, jedenfalls nicht direkt, hätte er es ihr verbieten können. Aber ihm war diese Idee wohl nie gekommen und sie dankte Iuno sehr dafür. Auch wenn sie kein Problem gehabt hätte, ihr Leben in der Casa zu verbringen, freute es sie ungemein den Dienst an ihrer Göttin antreten zu können.


    "Dein Bruder tot? Wie traurig. Mein Beileid." Die junge Römerin biss sich auf die Unterlippe, das hatte sie nicht besprechen wollen und es tat ihr unendlich leid, dass sie alten Wunden aufriss. Klammheimlich blickte sie zu Sontje, ob diese besonders traurig wirkte. "Ich nicht wollte sprechen über Tote. Entschuldigung. Mein Eltern auch tot, erst Vater, dann Mutter. Nicht lange her. Deswegen ich zu Balbus, gelebt in Rom. Nachdem Mutter tot geworden, das ist her ein Jahr, ungefähr."

    "Man lebt schon vorher beim Mann und dann mit zwölf Hochzeit. Damit neue Familie zahlt Essen und Schule. Mädchen nicht beliebt, Söhne besser. Alle wollen Söhne. Mädchen gehen früh weg und Söhne kriegen ... Geld ... Förderung ... Erziehung."


    Oh, das musste ein grausames Bild sein, dass sie hier von den Römern zeichnete. Aber es kam vor, viel zu oft sogar, wie Callista fand. Noch etwas, dass sie an den Germanen zu schätzen wußte und sie hoffte sehr, dass sie auch eine Tochter bekommen würde. Irgendwann einmal, wenn Witjon seinen Erben hatte. Dann würde sie diese zu einer freien und schönen Frau heranziehen, nicht so ein scheues reh wie sie selber war. Und sie würde ihre Kinder auch selbst stillen, ganz egal wie normal Ammen in Rom waren. Den Göttern sei Dank war sie selbst ganz anders aufgezogen worden und ihre Kinder sollten es mindestens ebenso herzlich haben!


    "Phelan ich kenne, aber wer anderer Bruder? Lebt hier?" Callista staunte, ihr war nicht bewußt gewesen, dass Sontje noch einen weiteren Bruder hatte. Wer das wohl war?

    "Nein, Nein, Nein. Du musst sprechen richtige Germanisch. Wie ich lernen, wenn du spricht wie ich?" Callista zog die Stirn kraus und schüttelte den Kopf. Sontje war so nett, manchmal sogar zu nett. Es half ihr leider nicht, wenn jeder in dem Säuglingsgermanisch mit ihr sprach, dass sie mittlerweile ihr eigen nannte. So würde sie die Feinheiten nie richtig machen. Hoffentlich verstand die Blondine das und war jetzt nicht eingeschnappt.


    Allerdings war ihre Idee gut gewesen. Auf Latein hätte Callista zig Vorschläge und Ideen gehabt, aber es war schwer, diese auszudrücken.


    "Ich kenne Kind nicht, hatte keine Bruder oder Schwester. Vielleicht gut, so kann ich lernen und weniger nervös, wenn ich selber Kind. Was heißt Kind kriegen auf germanisch? Heißt `schwanger` auf Latein."


    Danach kamen sie darauf zu sprechen, warum Sontje noch nicht verheiratet war und Callista zog wieder die Stirn kraus, aber diesmal, weil sie das Gesagte nicht verstand.


    "Natürlich du heiraten vor Phelan. In Rom heiratete mit zwölf, aber lebt oft schon vorher bei Familie von Mann. Mann heiratet später, vielleicht 20 oder manchmal älter. Muß sein 14, aber oft älter."

    Callista saß eine Weile ruhig da und beobachtete die Menschen um sich herum, wobei sie versuchte so wenig wie möglich aufzufallen. Was auch immer Vala da gesagt hatte, sie hatte weniger als die Hälfte verstanden und konnte sich keinen rechten Reim darauf machen. Mittlerweile war sie zwar schon eine ganze Weile hier im Haus, ungefähr so alnge wie Elfleda, aber ihr germanisch war eher schlecht als recht. Sie machte Fortschritte, das war ja klar und hatte in Ragin und Sontje zwei fleißige Helfer gefunden, aber es war dennoch viel schwerer, als sie angenommen hatte. Demnach enthielt sie sich eines Kommentars und aß still wie ein Mäuschen weiter.


    Viel interessanter dagegen war die Ankündigung von Elfleda. Schwanger! Das Wort kannte Callista! Sie war schwanger! Callista freute sich und versuchte den kurzen Dämpfer, den ihr das verpasste, runterzuschlucken. Neid war eine schlechte Angewohnheit, geradezu hässlich, hatte ihr ihre Mutter immer wieder erzählt. Es war nur das Recht der höhergestellten Frau auch zu erst ein Kind zu bekommmen. Außerdem hatte sie Lando eher geheiratet als sie selbst Witjon. Ein Kind würde sich auch in ihrer Ehe bald einstellen, da war sie sich sicher. Dennoch nahm sie sich zur Sicherheit vor, mehr zu beten und mehrere Opfer zu bringen. Man konnte ja nie wissen.


    "Herzlichen Glückwunsch!" sagte sie kleinlaut und lächelte Elfleda und Lando an, der seine Fassung anscheinend so langsam wieder fand. Ob Witjon auch so reagieren würde?

    "Das war sicher sehr aufregend, dieses Thing. Also habt ihr doch sowas wie eine Regierung, weil die wirkich wichtigen Dinge auch zusammen entschieden werden. Ich denke doch, dass das ungefähr der Grundgedanke einer Regierung ist. Nur, dass im römischen Reich das nur ein Einzelner entscheidet."


    Callista überlegte und nickte dann sanft.


    "Römische Familien wohnen oft weit auseinander, vor allem wenn die Männer Karriere machen. Dann werden sie vielleicht versetzt und die Frau und Kinder folgen, soweit es möglich ist. Aber es kann auch gut vorkommen, dass sie jahrelang alleine sind, während der Mann den Willen des Kaisers erfüllt."


    Wobei das bei Witjon eher unwahrscheinlich war. So wie sie ihn verstanden hatte, wollte er sowieso hier in Germanie bleiben.

    Ein Kreisel? Sontjes Leben war ein Kreise, dem der Griff fehlte? Callista guckte einen Moment verwundert und setzte sich. Sie lehnte die Milch mit einem freundlichen Kopfschütteln ab, nahm allerdings das Stück der Decke gerne an um sich damit zu umwickeln. Jedenfalls so gut es ging. "Du meinen, Leben ist zu schnell? Das kenne ich gut. Ich fühle so auch." Die junge Römerin war nachdenklich und enttäuscht, dass ihr Sprachvermögen wahrscheinlich nicht ausreichen würde, all ihre Gefühle zu erklären. "Ich leben hier vier Monate, Elfleda ist Kind und ich nicht." Callista machte eine typische Handbewegung die einen dicken Bauch darstellte, um zu verdeutlichen was sie meinte. Das germanische Wort für schwanger fiel ihr gerade nicht ein, aber sie war sicher, dass Sontje verstehen würde.


    "Ich Angst, dass nicht Kind ich. Wünsche, Leben wäre auch langsamer, dann nicht so schuldig fühle." Ja, da war es raus. Sie hatte noch mit niemandem darüber gesprochen, allerdings fiel es ihr bei Sontje leichter. Die jüngste Frau hier im Haus war zwar noch unverheiratet und kannte daher die Nöte vielleicht nicht, die eine Ehefrau sorgten, wenn sie nicht schwanger wurde. Allerdings mochte das auch ihr größter Vorteil sein, brauchte Callista doch nicht befürchten von ihr verurteilt zu werden. Sie hoffte nur stark, dass Sontje nicht direkt zu Witjon rennen und ihm alles erzählen würde. Er würde zwar sowieso wissen, dass sie noch nicht schwanger war, aber sie wollte vermeiden, dass er den Eindruck kriegen konnte sie sei unfruchtbar. Dann war vielleicht eine Scheidung vonnöten... und sie war gerne seine Frau. So weit wollte sie es also keinesfalls kommen lassen. "Warum du nicht Hochzeit, Sontje?"

    "Ja, das mit dem Stämmen hat mir Arbjon zu erklären versucht. Er meinte auch, dass es stammesübergreifende Gemeinsamkeiten gibt, wie die Religion und die Freiheitsliebe. Außerdem soll ich alles probieren, was mir angeboten wird, um nicht unhöflich zu erscheinen und die Füße abtreten, wenn ich ein Haus betrete." Callista versuchte sich zu erinnern, was sie an diesem Nachmittag noch gelernt hatte. Es fühlte sich an, als läge dieser schon Jahre zurück, so exotisch war ihr damals Arbjon vorgekommen und nun lebte sie hier unter seinen Verwandten und war mit seinem Bruder verheiratet. "Arbjon und Witjon sind Ubier, aber die meisten anderen hier sind Amisvarier. Und einen Cherusker gibt es, aber ich weiß nicht, wer das ist." Dann fiel ihr noch etwas wichtiges ein. "Wenn ich das richtig verstanden habe, besteht eine Sippe aus mehreren verwandten Familien. Also wie die römischen Gents. Und ein Stamm besteht aus mehreren Sippen. Und jede Sippe hat einen Führer und jeder Stamm auch, also der Anführer der Anführer, sozusagen. Glaube ich zumindesstens."

    Oh oh, die Blondine ließ schon wieder einen Schwall auf Callista los, dem diese im ersten Moment überrumpelt und überfordert gegenüberstand. Rätselnd blickte sie zu Sontje, die Anstalten machte zu gehen und dann blickte sie unwillkürlich zu Lando. Er hatte die jüngste Frau der Familie schon einmal zurück rufen lassen, aber nun schien es in Ordnung zu sein, die meisten hatten aufgegessen und unterhielten sich noch sporadisch. Callista sah ihren Mann fragend an und da dieser nickte erhob sie sich.


    Da sie erst einige Nächte hier war, kannte sie die Casa noch lange nicht gut genug und war neugierig, wo und vor allem wie Sontje leben würde. Ob sich ihr Zimmer von dem von Witjon unterscheiden würde? Ando, Zimmer, das Wort kannte sie schon. Und es freute sie insgeheim sehr, wenn sie die Bedeutung des Gesagten verstand, auch wenn es geraten und nicht wirklich gewußt war. Man setzte es sich eben aus allem zusammen, einige Wörter die man schon konnte, die Gestik und Mimik des Gegenübers und die allgemeine Situation.