Beiträge von Prudentia Callista

    Es dauerte nicht ganz drei Sätze, dann kam er ihr schon wieder näher und ergriff ihre Hand. Am Anfang hatte sie das noch sehr verwirrt, obwohl es ihr nicht unangenehm war, er hatte nur Talent dafür sie zu überrumpeln. Doch nun fiel es ihr schon leichter es zuzulassen und wenn er ihr nicht grade den Arm um die Hüfte schlang, mochte sie den Kontakt auch. Elfleda und Lando schienen sich da schon viel näher gekommen zu sein, wenn sie da so an den Kuss vor allen Leuten dachte. Sie hoffte nur, dass ihr sowas nicht bevorstand. Vor allen Leuten! Konnte man bei sowas eigentlich was falsch machen? Sie hatte schon mitgekriegt, dass Leute sich küssten und sie wußte auch warum, aber getan hatte sie es noch nicht. Warum auch? Sowas gehörte sich schließlich nicht. Ob Marsus schon Erfahrungen gesammelt hatte? Immerhin war er älter als sie und bei Männern war es üblich, dass sie auch vor der Ehe schon mit Frauen schliefen. Sollte sie ihn fragen? Konnte man sowas überhaupt fragen? Und warum war sie überhaupt auf dieses Thema gekommen!?


    Sie senkte ihren Blick und schaute etwas gehetzt. "Ja, das werde ich." meinte sie dann und gab mit einem ganz klitzekleinen Schmunzeln zu "Dabei kenn ich eure Casa noch gar nicht. Also, ich hab sie noch nie von innen gesehen."

    Ihr Rehaugen schauten wieder in seine Richtung, als er sie korrigierte und die Stadt in der sie sich befanden als ihre gemeinsame Heimat bezeichnete. Das verdeutlichte ihr, dass er durchaus ihren kleinen Wink bemerkt hatte und er ging sogar darauf ein! Sie lächelte und stand auf, als er sie dazu aufforderte. Als er sie dann doch etwas kleinlaut fragte, ob sie noch etwas zu essen wollte, schüttelte sie den Kopf. Ihr war warm von dem Met und sie gab ihre Palla zu Vodafonis. Das große, schwere Tuch war jetzt einfach zu warm, zumal sie ja auch drinnen blieben und sich die Markthalle genauer anguckten.


    Es war einfach überwältigend! Das bunte Mischmasch aus Germanen und Römern gab ein einzigartiges Flair her, sie schnappte germanische Wortfetzen auf, ebenso wie lateinische und die Waren waren ebenso mannigfaltig und interessant wie die in Rom. Nur gab es hier kein Gedränge und aufdringliche Männer, was ihr sehr genehm war und so konnte sie den Rundgang ganz genießen und sich entspannen. Hier und da blieben sie stehen, nahmen etwas genauer in Augenschein, sprachen über die Waren, ihre Herstellung oder ihre Herkunft. Marsus war ein bereitwilliger Redner und erklärte ihr alles so gut er konnte. Überhaupt war er sehr höflich und sie fand seine schüchterne Art wirklich angenehm, denn es lenkte sie von ihrer eigenen ab und hetzte sie nicht durch ein Gespräch, dass sie nicht führen konnte.


    Dann, am Eingang wieder angekommen, standen sie erhöht und Marsus überblickte die Stadt, was ihm dann auch Callista und ihre Leibsklavin nachmachten. Es war für Vodafonis wahrscheinlich genauso interessant, auch wenn sie es hinter ihrem leicht abwesenden Gesichtsausdruck versteckte. Sie nahm ihre Aufgabe als Aufpasserin sehr ernst, auch wenn Marsus ein guter Junge zu sein schien. Daher hatte selbst sie sich etwas entspannt und genoß den Anblick der Stadt.


    "Wieso ist der Hafen verschludert?" fragte Callista. "Ansonsten die Thermen, denke ich. Die Tempel kenne ich schon etwas und dort wollte ich mich morgen in Ruhe umsehen. Das Handelskonsortium wäre natürlich auch interessant." Obwohl, eigentlich war es völlig egal. So neugierig sie auch war und so gerne wie sie Mogontiacum angucken wollte, so angenehm war seine Anwesenheit und sie hätte auch genauso gut mit ihm nur einfach irgendwo sitzen und reden können.

    Und schwupps, weg war Sveija wieder und Callista stand hier mit Marsus, der sie anlächelte. Sie lächelte zurück und wußte einen Moment nicht weiter. Sollte er nun wirklich mit ihr tanzen wollen, würden sie beide ein mehr als klägliches Bild abgeben. Wie sie ihn angucken sollte, war ihr ja schon ein Rätsel, denn meistens wurde sie dabei sehr schnell nervös. Aber ihn angucken und gleichzeitig tanzen, das würde sie nur schwerlich schaffen und deswegen hoffte sie, er würde sie nicht auffordern. Ablehnen konnte sie ja nicht, das wäre unhöflich gewesen, aber darin ermutigen würde sie ihn auf jeden Fall nicht.


    "Sveija ist sehr nett." sagte sie daher und blickte etwas orientierungslos herum. Normalerweise war sie niemand, der die Stille nur mit Wörter füllte, damit eben keine Stille herrschte. Aber ihr war etwas unwohl zu mute und musste das Gefühl irgendwie überlisten.

    Es gefiel ihr also! Glücklich lächelte Callista, die die Idee mit dem geschirr gehabt hatte und einfach geraten hatte ob es den geschmack von Elfleda treffen könnte. So wie sie die Situation einschätzte, war Geschirr eine gute Mischung aus nobler Eleganz (durch die schöne Verschnörkelung und die gute Qualität) und praktischem Nutzen (Geschirr war immer nützlich und in dem großen Haushalt auch sicherlich nötig, zumal es ja auch neue Familienmitglieder gab). Daher lächelte Callista freundlich zurück und nickte Elfleda zu, die sich die Mühe machte sie auf Latein anzusprechen.


    "Bitte sehr, es freut mich sehr, dass es dir gefällt. Die Idee kam von mir aber Marsus hat es ausgesucht." Erklärte sie noch und fühlte sich schon etwas wohler in der Gesellschaft der Duccier. Ihr Onkel war, wie eigentlich immer, etwas zurückhaltender und wortkarger, aber das kannte sie ja schon. Und dadurch wurde der Unterschied beider Familien nur noch deutlicher, denn die Germanen um sie herum schienen viel mehr Körperkontakt zu pflegen. Sie herzten, umarmten, drückten sich viel mehr, gaben kräftige Handschläge und klopften auf Schultern von Freunden und Verwandten. Allerdings hatte auch die Braut etwas überrascht geguckt, dass Marsus sie umarmt und auf die Wange geküsst hatte. Dem würde Callista nachgehen müssen, warum sie überrascht war und was so eine Umarmung überhaupt bedeutete...

    Die Braut nickte stumm und stand auf. Heute würde sie zum letzten Mal ihre "Mädchenkleider" ausziehen und dann in die tunica recta steigen. Das hellweiße Kleid, stolaähnlich und mit vertikalen Kettfäden gewirkt, hatte sie zusammen mit ihrer Mutter gemacht. Sie vermisste Pulchra gerade jetzt sehr und würde heute abend noch, wenn sie alleine war, mir ihrer Mutter sprechen und ihren Ahnen ein kleines Opfer bringen. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Eltern und alle anderen verstorbenen Prudentier ihren Segen zu dieser Ehe gaben und vielleicht sogar etwas Stolz auf den Rotschopf waren, der sich bereitwillig in das kulturelle Abenteuer stürzte einen Germanen zu heiraten. Mit zittrigen Händen öffnete Callista die instita, der Kordelring ihres Kleides, so dass es von den Schultern rutschte. Den Rest ließ sie dann aber doch lieber von Calvina erledigen, deren Hände viel ruhiger waren.


    Während sich als Vespa daran machte den roten Wollgürtel zu knoten, sprach Callista ein Stoßgebet zu Iuno Cinxia, was nur einen Aspekt ihrer "Lieblingsgöttin" darstellte. Der spezielle Knoten sollte Callista schützen und Übel von ihr fern halten, besonders in dieser letzten Nacht, der Zwischenstufe zwischen Mädchen und Frau.


    "Ja, erklär es ruhig noch mal. Ich kenne zwar die römischen Riten und die germanischen wirst du mir wahrscheinlich auch nicht erklären können, aber mich beruhigt deine Stimme." Callista schaute ihre Tante treuherzig an und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. "Besonders was die morgige ... Nacht ... angeht. Da ... uhm ... hab ich ja gar keine Ahnung von."

    Callista nickte schüchtern und begann sich im Takt, der von Sveija wunderbar gehalten wurde, zu bewegen. An und für sich war das Tanzen nicht mal schwer, nur, sobald sie von ihren Füßen wegguckte, klappte es nicht mehr. Keiner der anwesenden Tänzer guckte auf seine eigenen Füße, soviel wußte selbst sie und daher versuchte sie krampfhaft es ebenfalls nicht zu tun. Es dauerte dann doch noch eine ganze Weile, bis sie sicher genug war, das Tempo etwas zu erhöhen und siehe da, kein Fußsalat. Stolz grinste sie Marsus an.


    Al Sveija endlich stehen blieb, hörte auch Callista auf und blickte die junge Frau dankbar an. "Panka" sagte sie schüchtern, ein weiteres germanisches Wort, dass sie aufgeschnappt und hoffentlich richtig verstanden hatte. Es müsste eigentlich danke bedeuten.

    Callista hörte das sanfte Gespräch zwischen den dreien und lächelte still, was aber natürlich niemand sehen konnte. Sie trat unmerklich näher zu Marsus, als der Augur begann und alle ihm die nötige Aufmerksamkeit schenkten. Ganz leise, so dass es wohl nur Marsus und ganz vielleicht Crista noch hören konnte, erklärte sie sein Handeln.


    "Der Augur führt ein sogenanntes Auspicium durch, das heißt er versucht herauszufinden ob die - römischen - Götter unserer Hochzeit gewogen sind. Er blickt durch das Compluvium, die typische Öffnung die römische Häuser haben, und beobachtet den Himmel. Das ist das sogenannte augurium ex caelo, wobei ich glaube er wartet eher auf ein auspicium ex avibus. Also er wartet auf vorbeifliegende Vögel, wobei es da sehr viele Unterschiede gibt, viele Vögel sind ein gutes Zeichen und selbst der Gesang von Singvögeln wird gedeutet." Sie lächelte schon wieder. Ihre Unruhe verflog etwas, jetzt, da sie von etwas sprach, womit sie sich auskannte und sich auch etwas ablenken konnte. "Nun heißt es nur noch abwarten." Sie wußte nicht in wie weit Marsus mit diesen Riten vertraut war und ob ihm vielleicht Verus erklärt hatte was heute geschehen war, aber es konnte nicht schaden es noch einmal zu erklären. Sie betete, dass er es ihr nicht übel nehmen würde und betrachtete durch den rötlichen Schleier ebenfals den Himmel. Ihre Gedanken schweiften zu Iuno und sie sandte ihr ein Stoßgebet, dass alles gut verlaufen würde.

    Callista nahm Crista sanft bei der Hand und bahnte sich den Weg vorsichtig durch die umherwuselnden Sklaven, darauf achtend, dass Crista nicht gegen etwas oder jemanden stieß. Die beiden älteren Frauen, Vodafonis und Nanta, folgten und plauderten leise miteinander, immer ein wachsames Auge auf Braut und Begleiterin. Doch die ausgelassene Stimmung hatte auch sie bereits angesteckt und so was gerade die Ägypterin etwas ausgelassener als sonst. Als Callista bei den beiden Männern ankam, die sich wohl gerade begrüßt hatten, drückte sie kurz Cristas Hand. "Wir stehen jetzt genau vor ihnen." flüsterte sie und blickte erst zu Marsus, dann zu ihrem Onkel und wieder zurück.


    Noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Marsus schon gesprochen und das Gesagte trieb Callista eine tiefe Röte ins Gesicht. Er sah so nervös aus wie sie sich fühlte und sie vermochte beinahe seinen tastenden Blick zu spüren, war sie etwa die erste römische Braut die er sah? Aber er sah sie ja an! Erschrocken weiteten sich Callistas Augen! Sie war ja so dumm, so dumm. Sie hatte den Schleier vergessen! Der hätte eigentlich runter sein müssen, oh wie dumm, wie dumm. Verlegen drehte sie sich zur Seite und schaute auf den Boden, sollte sie ihn nun herunter ziehen? Oder war es jetzt eh schon zu spät. Für einen Moment schossen ihr Tränen in die Augen und sie blickte hilfesuchend zu Vodafonis, die ihr mit einem Audruck mütterlicher Güte den Schleier herunter zupfte. Das lange, rote Stück Stoff reichte ihr sowohl hinten wie vorne bis weit über die Schultern und war so gewirkt, dass sie hindurch sehen konnte, man aber sie nicht mehr erkannte. Es war sehr dunkel darunter, wie in einer Höhle und Callista brauchte einen Moment sich darunter zurecht zu finden.


    Eigentlich wollte sie jetzt Crista vorstellen, doch als sie ihren Mund öffnete kam nur ein klägliches Krächzen heraus. Ach, wenn der Tag doch schon vorbei gewesen wäre!?!? Sie räusperte sich und wandte sich wieder zu den anderen. "Darf ich vorstellen, dass ist Tiberiana Crista, eine gute Freundin von mir. Sie hat mich aus Rom hierhin begleitet und ist Schneiderin." Was für ein komisches Bild sie abgeben mussten, die Brünette mit ihrer schwarzen Augenbinde und die Rothaarige mit dem roten Schleier. "Crista, das sind Tiberius Prudentius Balbus, mein Onkel und Numerius Duccius Marsus, mein Verlobter."

    Die Zeremonie war zu Ende und bald waren sei von allerlei duccischen Leuten umzingelt, die ihnen ihre Glückwünsche übermittelten. Jedenfalls schloß Callista das aus den freundlichen, teilweise auch sehr herzlichen Mienen, die allesamt fröhlich aussahen und Marsus auch die Hand schüttelten. Elfleda schenkte ihr ein liebes Lächeln und Callista erwiderte es glücklich, stellte es doch einen willkommenen Kontrast zu Marsus ernster Miene dar. Erst jetzt, wo es vorbei war, lockerten sich seine Gesichtszüge wieder. Doch während der zeremonie war er so konzentriert gewesen, wie ihn Callista noch nie erlebt hatte, ihr wurde schlagartig bewußt wieviel ihm daran gelegen hatte. Sie hatte zwar den Sinn einer germanischen Verlobung nicht verstanden, aber allein die Tatsache, dass sein Herz daran hing machte sie unvermeidlich. Dadurch, dass er ihre Hand hielt, spürte sie genau wann er sich verkrampfte und wann diese Verkrampfung abebbte. Wie gerne hätte sie mehr verstanden, von dem was hier wirklich vor ging, denn dann hätte sie auch Marsus besser einschätzen können. Ob sie Elfleda mal danach fragen konnte? Vielleicht würde Ragin übersetzen? Vor Marsus war ihr das irgendwie zu peinlich. Doch sie kam nicht dazu ihren Wunsch zu äußern, denn erstens war es hier ein zu dichtes Gedränge und zweitens stand Lando plötzlich vor ihr. Der große Germane vor ihr, mit seinem rotbraunen Haar und den grünen Augen war allemal eine Erscheinung und schüchterte sie immer noch etwas ein, obwohl sie ihn bereits auf seiner Hochzeit kennengelernt hatte. Er nickte ihr zu und klopfte Marsus auf die Schulter, gönnerhaft, und sagte dabei etwas, dass sie nicht verstand. Allerdings mochte sie am Klang erkennen, dass es ein Lob war, Marsus Reaktion auf das Gesagte bestätigte ihren Verdacht. Als er sie dann auf germanisch ansprach, runzelte sie die Stirn und blickte fragend zu Marsus. Sie hatte das dringende Gefühl, dass es etwas wichtiges war und wunderte sich, dass er nicht Latein verwendete. Es versetzte ihr einen Stich, dass er es ihr so schwer machte und sie lächelte tapfer um sich nichts anmerken zu lassen. Sie musste ganz schnell Germanisch lernen!


    Doch noch war da ihr Verlobter der freimütig übersetzte und das Gesagte sogar noch erklärte. Er konnte ja nicht wissen, dass sein Bruder Eburnus ihr bereits etwas über die Sippen der Germanen erklärt hatte. Wenn sie damals auch nicht alles verstanden hatte, das Wort an und für sich kannte sie schon. Dann legte Marsus plötzlich seine Hand um sie, seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie näher. Im ersten Moment glaubte Callista tatsächlich ihr Herz hätte für einen kurzen Augenblick aufgehört zu schlagen nur um dann in doppeltem Tempo wieder aufzuholen, sie glaubte fast, dass die Umstehenden es hören konnten. Sie konnte nicht anders, als sie zu versteifen und hoffte, ihr Lächeln würde nicht aufhören, denn sie musste ihre Angst schließlich überspielen. Da Marsus sich mit Lando unterhielt, hoffte sie, er würde es nicht bemerken und versuchte durch Willenskraft ihren Herzschlag zu normalisieren. Er hatte sie vorhin schon so verliebt angeblickt, doch da war es ihr noch möglich gewesen so zu tun, als hätte sie es nicht bemerkt. Sie wußte nämlich nicht im geringsten wie sie damit umgehen sollte. Und sie hatte auch keine Ahnung wieso er so war, so ... so ... liebevoll. Ständig fasste er sie an, strich ihr über die Wange oder drückte sie an sich. Natürlich war ihr aufgefallen, dass die Germanen im Allgemeinen mehr Körperkontakt pflegten, aber das machte es nicht einfacher für sie.


    Bald machten sich alle wieder auf den Weg nach Mogontiacum und während sie und Marsus darüber redeten, wie man beide Kulturen in die Zeremonie einband, nahm sie vorsichtig von sich aus seine Hand und lächelte ihn an. Das war nun das erste Mal, abgesehen von dem einen Mal in der Curia wo sie ihn hatte trösten wollen, dass sie von sich aus den Kontakt suchte und sie hoffte, er würde das bemerken und auch erkennen, was es implizierte.

    Ein kurzer Anflug von Mitgefühl und sogar etwas Mitleid schlich sich über Callistas sommersprossiges Gesicht, als Crista in einem Nebensatz erwähnte, dass Cato etwas ... Unlust zu haben schien. Er war anscheinend nicht sehr begeistert in Mogontiacum zu sein und Callista erinnerte sich, dass die Idee der Reise ganz alleine von Crista ausgegangen war. Anscheinend war das dann wohl doch keine so gute Idee gewesen und die Prudentia hoffte inständig, dass die beiden noch zueinander finden und schließlich heiraten würden. Ihrer Meinung nach passten sie gut zusammen und vor allem wie liebevoll er mit ihr umging, war herzerweichend. Oder war das nur sein Mitgefühl? Fühlte er sich für sie verantwortlich, weil sie blind war? Callista war froh, dass Crista den bekümmerten Ausdruck in ihrem Gesicht nicht sehen konnte und straffte dann wieder ihre Haltung. Es war ein glücklicher Tag und sie sollte versuchen, dieses Glück auch auszustrahlen, wie man das von einer Braut erwartete! "Wenn es soweit ist würde ich mich sehr geehrt fühlen als deine Brautmutter aufzutreten. Dann helfe ich dir bei allen Vorbereitungen, flechte dein Haar, knote den nodus Herculi und bereite dann auch das Hochzeitsbett vor. Das alles macht eine Brautmutter und bei der Hochzeit selbst legt sie die Hände des Brautpaares ineinander und besiegelt somit die Verbindung." Sie wudnerte sich etwas, dass Crista sowenig mit den Hochzeitsriten vertraut zu sein schien, denn eigentlich kannte jedes Mädchen diese in- und auswendig. Vielleicht lag es dran, dass sie eine Freigelassene war? Kam sie überhaupt aus Rom? Da hatten sie schon soviel Zeit miteinander verbracht und kannten sich doch so wenig...


    "Die Hochzeit dauerte auch einen ganzen Tag, aber sie war viel festlicher. Mit viel mehr Worten und Gesten und Riten, da gab es das austauschen der Waffen, die Eheleute haben sich Versprechen gemacht, es wurde geopfert und sie sprangen über ein Feuer. Dan wurde Met getrunken und getanzt und es war alles sehr laut und fröhlich. Insgesamt war es sehr romantisch, glaube ich, leider habe ich ja nichts verstehen können. Aber Elfleda schien sehr glücklich, sie ist wirklich nett." Da fiel Callista noch etwas anderes ein. "Ab morgen werde ich übrigens in der Casa Duccia wohnen, wobei du und Cato und natürlich auch Laris gerne noch hierbleiben könnt. Falls mein Onkel nichts dagegen hat, aber das glaube ich nicht. Aber nur unter einer Bedinung, Crist,a du musst mich oft besuchen kommen, ja?" Callista schmunzelte, sie hoffte die gelegentliche Anwesenheit der von ihr so liebgewonnen Scheniderin würde ihr die Eingewöhnung erleichtern. Denn bei der Verlobung und auch an einigen anderen Stellen hatte sie feststellen müssen, dass es einiges für sie zu tun gab. Allem voran das Erlernen des Germanischen!


    "Eigentlich war ich grade auf dem Weg zu meinem Onkel und Marsus, komm, wir gehn zusammen. Du kennst ja beide noch nicht."

    Als Crista so traurig seufzte, legte ihr Callista kurz die Hand auf die Schulter und strich tröstend über sie. Für eine herzliche Umarmung, die in diesem Fall wohl der bessere Trost gewesen wäre, fehlte Callista der Mut und die Gelassenheit. "Vielleict kann Cato nachher mit dem Auguren sprechen, dann kann sich dieser um einen Termin kümmern. Spätestens dann könnt ihr euch ins Eheregister eintragen lassen." Meinte sie erklärend, wobei sie aber eher das gefühl beschlic, dass Cato nicht wirklich interessiert war. Sie hütete sich aber, auch nur ein Wort von ihrem bösen Verdacht kundzutun. Sie kannte sich mit diesen Dingen zu wenig aus um einen Mann wirklich einschätzen zu können und gönnte ihrer Bekannten von ganzem Herzen, dass sie falsch lag.


    "Marsus? Oh, ich würde sagen er sieht nicht wie ein typischer Garmane aus. Aber mir ist bisher sowieso nur ein blonder Germane begegnet, dass ist mein Lehrer Verus. Marsus ist größer als ich, aber das ist ja auch kein besonders Kunststück. Er hat braune Augen und dunkelbraune Haare, heute trägt er sogar einen kurzen Bart. Seine Haare sind kurz, aber sie sehen irgendwie immer etwas wild aus, weil sie so wuschelig sind. Ich finde er hat ein sehr männliches Gesicht und auch einen männlichen Körper." Callista stockte, das hörte sich ganz anders an als sie es gemeint hatte und sie korrigierte sich schnell. "Also, dafür dass er ja in der Verwaltung tätig ist und den ganzen Tag im Officium ist, ist er doch sehr muskulös und nicht dick, meinte ich. Er kann auch kämpfen und trainiert mit dem Sax, das ist eine Art germanisches Schwert oder so. Das kommt auch bei den germanischen Hochzeitsriten vor, jedenfalls haben Elfleda und Lando zwei ausgetauscht. Aber ich weiß nicht warum, weil deren Hochzeit komplett auf germanisch abgehalten wurde." Ja, das klang schon besser. Schnell griff sie den Becher mit Saft und stürzte die erste Hälfte seines Inhaltes hinunter, doch auch das beruhigte sie kaum. Je näher die Zeremonie rückte, desto ruheloser wurde sie. Am liebsten hätte sie sich irgendwo versteckt. Doch Cristas letzte Frage wollte noch beantwortet werden.


    "Mhh, besser nicht. Bis der Augur nicht verkündet hat, dass die Götter dieser Ehe gewogen sind, mag ich nicht darauf trinken. Das wäre, als würde man von ihrem positiven Urteil schon ausgehen und das würde ich vermessen finden." Callista überlegte einen Moment, worauf konnten sie denn sonst trinken!? "Lass uns anstoßen auf die Tatsache, dass wir hier sind, dass es uns gut geht und dass von nun an alles anders wird." Zu kitschig? Zu poetisch? Zu mädchenhaft? Callista hoffte ihr Trinkspruch würde Anklang finden,e s war der erste, den sie sich jemals hatte einfallen lassen müssen.

    Ach herrje, dass man sie gleich so stürmisch begrüßte, damit hätte sie nicht gerechnet. Elfleda war so nett und lieb zu ihr, Callista hätte die Braut spätestens jetzt in ihr Herz geschlossen. Auch wenn es ihr schwer fiel, so ihm Mittelpunkt zu stehn. Vor allem, da Balbus sie so lobte. Wo sie doch noch gar nichts geleistet hatte! Sie konnte nicht verhindern, dass sie verlegen schmunzeln musste und blickte schüchtern zu Lando, dem sie nun zum ersten Mal gegenüber stand.


    "Heilsa" sagte sie schlicht und hoffte, damit den richtigen Ton getroffen zu haben.

    Jetzt war anscheinend sie an der Reihe und Callista blickte gehetzt von Sveija zu Marsus und zurück. Es war zu spät um sich noch heimlich aus dem Staub zu machen und sie glaubte auch nicht, dass die zwei ihr das hätten durchgehen lassen. Sie biss sich auf die Lippe, so dass sie wieder mal ihren Lippenstift angriff, aber das fiel mittlerweile kaum auf. Mit der Zeit war er eh verblasst. Und sie war nun mal nervös und wenn sie nervös war, biss sie sich auf die Lippe. Das hatte sie schon immer getan, Schminke hin oder her...


    Zögerlich ging Callista einen Schritt auf die blonde Germanin zu und lächelte schüchtern. Obwohl sie die ganze Zeit zugeguckt hatte, wußte sie nicht wie sie anfangen sollte.

    Auch Marsus schien vom tanzen an und für sich nicht sonderlich begeistert, wie Callista bemerkte. Das Schmunzeln blieb ihr im Halse stecken, als sie den kurzen Schlagabtausch zwischen ihm und Sveija hörte. Eigentlich wollte sie bereits abwimmeln und beiden sagen, dass man sich wegen ihr nicht solche Arbeit zu machen brauche, vor allem weil Marsus ganz und gar nicht begeistert aussah, bei der Idee, dass sie mit ihm tanzen wollte. Was sie ja eigentlich gar nicht wollte! Doch da hatte Sveija bereits angefangen und ermahnte sie, gut aufzupasen. Mit einem innerlichen Seufzer beobachtete Callista also angestrengt die Füße der zwei, verlor aber schnell den Überblick. Es waren nicht viel, unterschiedliche Schritte und die Reihenfolge veränderte sich nicht, zwei nach links, zwei nach rechts, einen nach vorn, einen weg, links herum, rechts herum... zwei nach links, zwei nach rechts, einen nach vorn, einen weg, links herum, rechts herum...zwei nach links, zwei nach rechts, einen nach vorn, einen weg, links herum, rechts herum...zwei nach links, zwei nach rechts, einen nach vorn, einen weg, links herum, rechts herum...

    Für eine Weile hatte Callista alleine herumgestanden, dicht bei ihr Vodafonis, die wie immer die Ruhe in Person war. Callista hatte das flammeum, den leuchtendrotend Schleier, zurück geschlagen. Er hatte als Sinnbild der Vitalität der Braut eine lange Tradition, doch behinderte er auch und so lange es noch nicht richtig losging, wollte Callista noch viel sehen. Vor allem blieb ihr Blick an Marsus hängen, der mit ihrem Onkel sprach. Auch er hatte sich herausgeputzt und sie fand, er sah sehr stattlich aus. Das Kulturengemisch seiner Herkunft spiegelte sich auch heute in seiner Erscheinung, ganz so wie bei ihrer ersten Begegnung. Sein Bart fiel ihr auf, etwas, dass er bisher noch nicht getragen hatte und sie war sich nicht sicher, ob sie das gut fand. Eigentlich sah es gar nicht mal schlecht aus, nur ungewohnt, weil er sich sonst immer sehr ordentlich rasiert hatte, bevor sie sich begegneten. Ob er das nur wegen ihr getan hatte? Und sonst immer Bart trug? Wie sich das wohl anfühlte? Es machte den Eindruck, dass er alleine hierher gekommen war und Callista nahm an, dass die anderen hinzustoßen würden, sobald klar war, ob die Hochzeit auch tatsächlich stattfinden würde. Etwas, worüber der Augur später entscheiden würde.


    Gerade als sie zu ihm gehen wollte und ihn begrüßen, erklang eine bekannte Stimme, die Callista sofort mit ihrem Gast in Verbindung brachte. Auch Tiberiana Crista war schon anwesend und bestürmte die Braut in ihrer neugierigen Art mit Fragen, was aber Callista schon gewöhnt war. Es war der Blinden zu verdanken, dass sie schon um einiges lockerer geworden war, denn Crista machte es einfach mit ihr zu reden. Und so antwortete Callista auch prompt, wenn auch etwas leiser um nicht die Aufmerksamkeit aller zu erregen.


    "Salve Crista, ja, ich bin sehr aufgeregt. Es wundert mich, dass ich überhaupt noch ein Wort rauskriege, in meinem Hals klemmt ein riesengroßer Stein, der einfach nicht rutschen will." Ehrlich gab Callista zu, wie sie sich fühlte. Die leichten Magenschmerzen blieben nur unerwähnt, weil sie kein Mitleid erheischen wollte. Da war das nächste Gesprächsthema schon viel angenehmer. "Im Moment trage ich die tunica recta, also das weiße, lange stolaähnlcihe Kleid, was jede Braut traditionell trägt. Man schläft auch die Nacht vor der Hochzeit darin. Meine Mutter und ich haben es zusammen gewirkt, das bringt Glück. Dazu trage ich einen wollenen Gürtel, den mir Aelia Vespa geknotet hat. Eigentlich müsste das meine Mutter machen, wenn sie noch am Leben wäre. Es gibt da einen speziellen Knoten, den nodus Herculis, mit dem man den Gürtel bindet. Dieser Knoten hält Übel fern und stärkt und schützt mich gegen alle schädlichen Einflüße." Erklärte sie ausführlich und rief sich nochmal alle Details selbst in Erinnerung. Ihre Hand langte zu ihren Haaren, deren Aufmachung auch ganz traditionell war. Aber alles saß noch an Ort und Stelle. Es trübte ihre Freude etwas, dass Crista sie nicht sehen konnte. "Das Kleid, dass du für mich geschneidert hast, werd ich erst morgen anziehen. Wenn alle Feierlichkeiten abgeschlossen sind und ich ganz offiziell mein Leben als Ehefrau beginne. Heute werde ich den ganzen Tag die tunica recta tragen." Callista lächelte und wurde rot. Den ganzen Tag und die Nacht oder wenigstens den Anfang der Nacht dachte sie und lächelte eisern. Sie war ja sooooo nervös.

    Ja, so konnte man sich das Gefallen lassen. Sveija schien instinktiv zu begreifen, was Callista wollte und die sprachlichen Hürden waren schnell vergessen. Callista stürzte einen großen Schluck Wasser hinab und blickte dann wiederum zu Sveija, die in gebrochenem Latein erklärte, dass germanische Tänze einfach seien. Zweifelnd blickte die junge Römerin nochmal zu der Tanzfläche und empfand das Ganze, schon allein vom zusehen her, als wirklich nicht einfach. Die Menschen sprangen lustig und fröhlich durcheinander, fassten sich an, wirbelten sich herum und ließen sich - kurz gesagt - vom Takt der Musik lenken und antreiben. Es sah wild aus, fand die schüchterne Römerin, richtiggehend losgelöst und sie wußte nicht, ob sie auch so sein konnte. Das Tanzen war eindeutig etwas was sie sich nicht traute.


    Gerade als sie zu einer weiteren kleinlauten Antwort ansetzen wollte, stieß Marsus zu ihnen. Irgendwann zwischen Vermählung und dem Beginn des Festes hatten sich die Wege der beiden getrennt und Callista hatte angenommen, er wolle seine Zeit lieber mit seiner Familie verbringen. Was sie auch verstehen konnte und so hatte sie sich im Hintergrund gehalten. Aber anscheinend wollte er sie nun doch um sich haben und daher lächelte sie ihn verlegen an. Sie wußte immer noch nicht so recht damit umzugehen, dass sie den Fremden mochte, den sie heiraten sollte. Es verkomplizierte die Sache genauso stark, wie es alles einfacher machte.


    "Sveija hat mir gerade angeboten die ubischen Tanzschritte zu zeigen." Sagte sie leise, wobei sie nicht die geringste Ahnung hatte was ubisch überhaupt bedeutete.

    "Er hat was!?" Callista blickte ungläubig und kicherte dann ebenso. Vespa schien gerne eingewilligt zu haben ihren Onkel zu heiraten, auch wenn er sie angerempelt hatte. Da konnte man mal sehen.


    Wie würde es jetzt weitergehn? Callista blickte interessiert zu der tunica recta, in der sie heute schlafen würde. Sie hatte sie zusammen mit ihrer Mutter hergestellt, noch in Mantua und es galt als besonderes Glück, wenn die Braut ihr Hochzeitskleid selbst hergestellt hatte. Und Glück wollte sie wirklich gerne haben, zusammen mit Marsus.

    Da der prudentische Rotschopf die Tanzenden beobachtet hatte, war ihr die immer näherkommende Gestalt kaum aufgefallen. Demnach erschrocken blickte sie auf, als Sveija sie ansprach, noch dazu auf Latein. Denn vor ihr stand eine ganz eindeutig als Germanin zu erkennende junge Frau. Es dauerte einen Moment bis Callista ihr Lächeln wiederfand. Doch dann empfand sie die andere Frau als durchaus nett, denn sie nahm sich die Zeit nach ihr zu sehen und das, wo doch eigentlich alle feierten und sie das wahrscheinlich auch viel lieber getan hätte.


    "Salve Sveija." Sie nickte ihr zu und nahm sich ein paar Mandelkerne. Für das Wasser, welches sie gerne gehabt hätte, hatte sie nur leider keine Hand mehr frei. "Ich kann nicht tanzen. Jedenfalls nicht so." gab sie dann kleinlaut zu. Ihre Mutter hatte ihr viel begebracht, nur gehörten germanische Hochzeits-Met-Tänze nun wirklich nicht dazu. Und wie immer war die Angst, sich zu blamieren, höher als der Bedarf nach ausgelassenem Spaß.

    Für eine ganze Weile hatte sich Callista nun zuguckenderweise an einem Becher Met festgehalten und das germanische Treiben um sich herum beobachtet. Es war ein lautes, fröhliches Gewirr aus Menschen, die mit ihren ausgelassenen Stimmung die schüchterne Callista nicht grade ermutigten. Daher stand sie einfach nur in einer der eher hinteren Ecken und schaute zu. Das war ihr viel lieber, dabei konnte man sich nicht blamieren. Jedenfalls nicht sehr. Blieb zu hoffen, dass sie niemandem auffiel und weiterhin spartanisch an ihrem Met nippen konnte, bevor noch jemand auf die Idee kommen würde, ihr nachzuschenken.


    Irgendwo in dem Gewirr war ihr Onkel mit seiner Frau, auch Marsus musste hier irgendwo sein, Verus ebenfalls. Aber sehen konnte sie gerade jetzt niemanden. Und damit war die Palette an Leuten, die sie hier kannte, auch schon fast erschöpft.