Beiträge von Iunia Narcissa

    Narcissa nickte. Sollte er ruhig stöbern, ihr würde auf jeden Fall das ein oder andere auffalllen. Spätestens wenn sie es sah und außerdem wollte sie ihn ja auch noch etwas testen. Jeden Wunsch erfüllte er ihr nicht, dass wußte sie ja mittlerweile. Aber das wäre auch langweilig gewesen.


    "Und was hast du heute noch vor?" fragte sie dann, aus Ermangelung eines anderen Gesprächsthemas und weil sie ihn noch nicht verlassen wollte.

    Für eine Weile war es still und Narcissa begnügte sich damit die Leckereien auf ihrem Teller zu essen, noch etwas Wein zu trinken und ihren Verlobten zu beobachten. Sie machte dies ganz ungeniert und versuchte aus seinem Gesicht zu lesen, was er gerade dachte. Sie konnte noch nicht wirklich viel herauslesen, dazu kannte sie ihn zu wenig, aber besonders glücklich sah er nicht aus. Sie schätzte, dass ihre Meinungsverschiedenheit ihn betrübte und er eher der Typ Mensch war, der gerne eine gewisse Harmonie um sich hatte. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass er ein wirklich guter Soldat war. Ein Kommandant noch dazu. Müsste er dann nicht strenger sein? Und bestimmender? Jedenfalls hätte sie das von einem Praefekten so erwartet.


    Nach zwei weiteren Bechern Wein und einem Teller voll mit Obst, Brot und Ziegenkäse setzte auch bei ihr die Sättigung ein und sie strich herrschaftlich zwei Krümel von ihrem Kleid, die es gewagt hatten dorthin zu fallen. Da kam dann auch von Silanus die Frage ob es ihr geschmeckt hatte und sie nickte. Selbst wenn sie es gewollt hätte (was sie natürlich nicht tat) konnte sie den leicht genervten UNterton aus ihrer Antwort nicht weglassen.


    "Danke, ja. Ich bin zwar eine etwas schärfer gewürzte Küche gewöhnt und es gibt in Achaia anderes Obst und Gemüse als hier, aber alles in allem erfüllt es doch seinen Zweck."


    Sie lehnte sich zurück, streckte ihre Arme und legte ihre Beine auf die Kline. Man hätte fast meinen können, sie würde sich nun wie ein Katze räkeln, eine satte, zufriedene Katze, die genau weiß wie anziehend ihr Anblick ist. Dass dabei ein Ärmel ihres Kleider herunterrutschte und ihre rechte Schulter nun völlig nackt dalag und einen Blick auf ihren Brustansatz freigab, schien Narcissa entweder nicht zu merken oder nicht zu stören.

    Im ersten Moment schaute Narcissa noch böse, dann immer überraschter. Silanus war sauer! Und das nicht mal zu knapp, beinahe hätte sie gelächelt, hielt sich im letzten Moment aber noch zurück und schaffte es, ein ausdrucksloses Gesichtchen zu machen. Sie hatte es geschafft und ihn so gereizt, dass er aus der Haut fuhr. Ihr Gefühl von Überlegenheit verhinderte, dass sie allzu genau auf seine Worte achtete, einen Moment noch wollte sie ihren Sieg auskosten. Doch besonders der letzte Teil seines Appells (oder war es eine Zurechtweisung?) kam deutlich bei ihr an. Heimliche Wünsche. Bedürfnisse. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht und lehnte sich wieder an die Cline, ihre Arme nicht länger verschränkt.


    Sie hatte begehrliche BLicke schon gesehen, auch welche die ihr galten und das nicht nur hier im Castellum. Eigentlich waren ihr hier noch keine geschenkt worden, wenn sie so darüber nachdachte. Wahrscheinlich lag es daran, dass ihr Verlobter die Männer vor ihr gewarnt hatte. Kein Wunder, dass Einar und Merowech sie so überstürzt verlassen hatten anstatt mit ihr zu Würfeln. Hatte er etwa die Anweisung gegeben, dass die Männer sie meiden sollten? Sie wußte wie Frauen auch gegen ihren Willen genommen wurden, sie hatte es ja bereits befohlen und dabei zugesehen! Was Silanus wohl von ihr denken würde, wenn er das wüßte? Nichts Gutes, soviel stand fest. Silanus gab ja sogar zu, dass die Germanen hier unzivilisierter waren als Römer! Dabei hatte man ihr wochenlang erzählt, dass es hier keine Barbaren gab und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Und jetzt reichte eine nackte Wade aus, dass sie in Scharen über sie herfallen würden?


    Doch hinter all diesen Argumenten sah Narcissa noch etwas mehr, etwas, dass Silanus zum Schluss auch ganz offen sagte. Er machte sich Sorgen um sie, um ihre Sicherheit, um ihre Unberührtheit. Sie glaubte ihm, dass er ihr eigentlich nichts böses wollte, sondern sie beschützen. Nur machte es das nicht wirklich einfacher für sie. Sein eindringlicher Blick wurde zuerst trotzig erwidert, doch ihre Wut war verflogen, je länger Silanus sprach. Die Hoffnung auf eine Reitstunde musste sie anscheinend wirklich begraben. Aber sie war froh, dass Silanus endlich mal seinen Mann gestanden und ihr etwas verboten hatte. Anscheinend war er längst nicht so weich wie sie gedacht und befürchtet hatte, denn dann wäre ihr Leben zwar weitaus einfacher gewesen, aber auch weitaus unspannender.


    Und wie sollte sie jetzt reagieren!? Verständnisvoll, einsichtig, sich entschuldigen? Oder weiter nörgeln und schmollen? Vielleicht aufspringen und die cena unvollendet verlassen?


    Er fand sie hübsch. Sie grinste leicht.


    "Ich danke dir, dass du sich um mich sorgst. Anscheinend bist du der einzige Ehrenmann hier." meinte sie etwas spitzfindig und griff zu ihrem Becher mit Wein, von dem sie nippte. Sie spannte ihn absichtlich noch etwas auf die Folter und ließ sich mit ihrer weiteren Antwort Zeit. Sie wäre wirklich gerne geritten, aber im Grunde war es ihr darum gegangen ihren Kopf durchzusetzen. Wahrscheinlich war ihnen das beiden klar. "Wenn es dir soviel bedeutet, dann fahre ich eben im Wagen. Und mach die Vorhänge zu."

    Da ihr ja nicht viel anderes übrig blieb, nickte sie. Dann schauten sie sich morgen eben die Stadt an, die sich außerhalb des Castellums erstreckte. Das Wetter war tatsächlich besser, wenn auch nicht nach Narcissas Geschmack. Aber der war, erfahrungsgemäß, eh nur schwer zu treffen oder zufrieden zu stellen. Daran würde sich Silanus einfach gewöhnen müssen.


    "Einverstanden. Gibt es etwas bestimmtes, dass du kaufen möchtest? Phila braucht neue Sandalen, sie ist in den vergangenen Wochen etwas gewachsen und hat ihre durchgelaufen."


    Überlegte die Schwarzhaarige laut, ihre Leibsklavin, das stumme Mädchen aus Nubien, war immer noch beim Säubern von Narcissas Cubiculum. Aber die Römerin hätte auch von ihr wie von einem Gegenstand gesprochen, wenn sie im Raum gewesen wäre.

    Dadurch, dass sich Silanus hinsetzte, brachte er noch mehr Distanz zwischen sie und auch wenn sich der größte Teil von Narcissa darüber freute, war da auch etwas in ihr, dass gerne noch eine Weile getröstet worden wäre. Sie war enttäuscht über sich und sauer auf sich selbst, dass sie diese Schwäche zugelassen hatte - gleichzeitig tat es aber auch gut sich einmal nicht unter Kontrolle haben zu müssen. Und normalerweise wurde sie auch nicht so von ihren Gefühlen überrollt wie gerade eben. Sie sah wie Silanus sie ansah und lächelte ihn an, ungewollt und eher aus einem Reflex heraus, denn er sollte sehen, dass es ihr besser ging. Die Gefühlsduselei war vorbei.


    "In Achaia hatte ich einen Hund, Zenon, der war so groß wie ich, wenn ich auf dem Boden gesessen habe. Ein riesiger, weißer Fellberg, sozusagen. Er hat in meinem Bett geschlafen, am Fußende, da war mir nie kalt."


    Erzählte sie in einem angenehmen Plauderton, während sie sich Silanus gegenüber hinsetzte. Der erste Schmerz über den Verlust von Zenon war vorbei, hinterließ aber eine große Lücke. Sie vermisste ihren Freund, den treuen Vertrauten, der immer zu ihr gehalten hatte egal wie fies sie war. Aber das passte hier auch nicht wirklich hin und überhaupt - Silanus war doch der Feind. Der Böse! Der Verwandte, den sie heiraten und sich somit einer gewissen Schande hingeben musste! Wieso sollte er wissen, dass sie Zenon vermisste oder das er in ihrem Bett geschlafen hatte!? Das ging ihn doch gar nichts an.


    Narcissa richtete sich auf und langsam, ganz langsam, kam ihre kühle Aura zurück und das leicht gereizte Gesicht, dass sie immer zur Schau trug. Der Themenwechsel kam ihr da nur recht und etwas trotzig gab sie zur Antwort:


    "Das wäre schön. Ich mag Germanien nicht und kann es kaum erwarten wieder abzureisen."

    Was? Das war alles? Ein lapidares "Wir werden sehen" und die Sache war für ihn erledigt? Narcissas Augenbraue wanderte ebenso nach oben, gefolgt von fest zusammengepressten Lippen, so dass sie wie ein dünner hellrosa Strich aussahen. Glaubte er allen Ernstes, dass sie sich mit so einer Antwort würde abspeisen lassen? Sie verschränkte die Arme und beobachtete ihn, wie er weiter aß als wäre nichts passiert. Für einen Moment überlegte sie, denn wenn sie nun zu streiten anfangen würde, dann würde sie sich auch aus der Geschichte mit dem gemeinsamen Bad retten. Obwohl sie sich ja irgendwie sogar fast darauf freute. Natürlich nur um ihn zu ärgern. Allerdings wollte es einfach nicht in ihren hübschen Kopf, warum hier niemand sie auf ein Pferd lassen wollte. Sie konnte schließlich reiten. Nun ja, sie konnte sich oben halten, wenn sie an ein liebes Pferd geriet - aber sie würde niemals zugeben eine schlechte Reiterin zu sein. Schon gar nicht vor Silanus, den sie im Moment mindestens soviel hasste wie ihren Vater. Obwohl das schon schwer zu übertreffen war. Ach, wäre sie doch nur bei Vestina geblieben. Plötzlich machte Silanus einen Gedankensprung, dem Narcissa aber nicht folgte. Diese neuen Gesichter würden sie noch von einer ganz anderen Seite kennenlernen! Pah! Mal sehn was Silanus so richtig peinlich war... sie würde seine Autorität untergraben, sich absolut liebenswürdig geben oder, ja, oder einfach ein Kotzbrocken sein. Kratzbürste war sozusagen ihr zweiter Vorname, wenn sie nur wollte. Die Frage war einfach, wollte sie?


    "Ist das deine Antwort?" fragte sie, das neue Thema völlig ignorierend. Ihre Arme waren immer noch verschränkt, sie hatte sich aufgesetzt und ihr Gesicht glich einer erstarrten Maske, so undruchdringlich war ihr Ausdruck. Aber man brauchte kein Philosoph und Menschenkenner zu sein um zu erkennen, dass sie stinkwütend war und ihre Wut nur lapidar unterdrückte. "Ich will nach Mogontiacum reiten und es ist mir egal, ob sich das schickt oder nicht. Du kannst mir nicht alles verbieten." sagte sie klipp und klar. Das war keine Frage, das war keine Forderung, sondern eine Tatsache.

    Ja ja ja ja. Das hatte sie alles schon gehört, diese Argumente kannte sie zur genüge. Sowas macht man nicht, das gehört sich nicht oder auch Was sollen denn die Nachbarn denken? Typische Antworten die sie von ihrer Familie erwartet hätte, aber nicht unbedingt von Silanus. Bisher hatte er eher den Eindruck gemacht ihr jeden Wunsch erfüllen zu wollen, aber diesen einen anscheinend nicht. Gefährliche Blitze zischten durch Narcissas blaue Augen, als sie ihre Augen zusammenkniff. Ihr wurde auch wirklich alles genommen was Spaß machte! Sollte sie nun etwa für den Rest ihres Lebens in Wagen herum transportiert werden?


    "Wenn das Kleid weit genug ist, geht das gut. Oder ich ziehe es etwas hoch, das geht auch." Antwortete sie schnippisch und funkelte ihn an.

    Endlich! Silanus trat zurück und Narcissa schaffte es ihren angespannten Körper zu einer Bewegung zu überreden. Mit einer verstohlenen Handbewegung wischte sie die Träne von ihrem Kinn und die nasse Spur von der Wange, die ihr Kullern verursacht hatte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie die Luft immer noch anhielt und begann wieder zu atmen. Ruhig und flach, so dass es nicht aussah als sei sie außer Atem. Was sie ja war. Sie straffte sich und drehte sich dann um, ein zaghaftes Lächeln im Gesicht. Bestimmt sah sie jetzt voll jung und zerbrechlich aus und innerlich hasste sich die junge Römerin dafür. Sie wäre gerne stärker gewesen, aber die Situation hatte sie verwirrt. Zuerst war es nur das Heimweh gewesen, dass sie so traurig gestimmt hatte. Aber als Silanus sie getröstet hatte war da noch mehr gewesen.


    "Es geht schon wieder." sagte sei knapp mit leiser Stimme. Sie schaffte es nicht ihm in die Augen zu gucken und blickte stattdessen nach unten. Ihre verkrampften Finger sagten einem aufmerksamen Beobachter, wie nervös sie war und überhaupt, aus der trotzigen und teilweise recht unberechenbaren Frau war für ein Augenblick jemand ganz anderer geworden. Der kurze Blick hinter die Kulissen, wenn man so wollte. Und jetzt hatte sie Angst, was Silanus daraus machte, was er von ihr dachte.

    Das ausdauernde Grinsen auf Silanus Gesicht sah regelrecht kindisch aus, er freute sich gerade wie ein kleiner Junge über ein neues Spielzeug. Er freute sich darüber für sie Geld auszugeben! Narcissa musste schmunzeln, das konnte er haben, wenn er wollte. Geld ausgeben konnte einfach jede Frau gut und wahrscheinlich würde er früher oder später merken, dass er ihr dieses Angebot nicht hätte machen dürfen. Eher später, so lieb wie er war.


    "Ja, mit dem Wagen. Aber zu Pferde ist man viel schneller. Ich kann reiten, weißt du? Natürlich nicht so gut wie du, aber ich kann mich sehr gut oben halten, auch wenns schneller wird. Wir könnten ja nach Mogontiacum reiten?"


    Und dann kannst du mir da ein schickes Pferd kaufen! dachte sie noch. Aber sagen würde sie darüber erstmal nichts, sie wußte ja gar nicht was er davon hielt, dass sie reiten konnte. Sie kannte genügend Männer, denen das nicht gefiel, ihrem Vater zum Beispiel. Aber als sie noch Kind war, ging sie immer zu einem Bauern der in der Nähe gewohnt hatte und ritt dort die Pferde. Das waren zwar schwere Arbeitstiere gewesen und eigentlich gar nicht zum reiten gedacht, aber wenn sich so ein Muskelberg erstmal in Bewegung gesetzt hatte und der Boden unter ihm zu donnern anfing. Das war mit nichts auf der Welt zu vergleichen.

    Erst als Silanus die Umarmung löste fühlte sich Narcissa wieder etwas sicherer und erlaubte sich einen tiefen Atemzug, doch sie bewegte sich nicht. Die körperliche Nähe war ihr schwer gefallen und sie war sehr froh, dass er sie nicht sehen konnte, denn sie wollte nicht, dass er das wußte. Sie, die immer so stark und herrisch war, bekam Angst, wenn man sie berührte! Nein, das ging so nicht, das durfte er nicht wissen. Obwohl sie nicht annahm, dass er dieses Wissen gegen sie verwendet hätte, dazu war er einfach zu ... zu ... weich. Er hatte sie tatsächlich trösten wollen! Bei ihrem Vater wäre sie mit ihrer schlechten Laune nur aus dem Zimmer geschickt worden, im besten Fall. Dann hätte sie sich Zenon geschnappt, wäre ausgebüxt und durch die Stadt gestreift bis der Hunger sie wieder nach Hause getrieben hätte.


    Doch Silanus holte sie aus ihren Gedanken als er sie leise fragte, ob alles in Ordnung war. Während er sprach kitzelte sein Atem sie sanft am Ohr und sie bekam eine Gänsehaut, ihre Haut kribbelte und sie hielt schon wieder den Atem an. Etwas, dass sie sich wie eine Hitzewelle anfühlte, schwappte durch ihren Körper. Sie fragte sich erstaunt, was das war, als sie auf einmal seinen Geruch wahrnahm. Es roch nicht unangenehm, nur völlig anders und neu, irgendwie herb, männlich und ... gut. Seltsam. Das alles hier war absolut seltsam und sie hätte am liebsten Reißaus genommen, doch so sehr sie sich auch darauf konzentrierte, ihre Beine bewegten sich einfach kein Stück.

    Silanus war zu nett! Diese Feststellung hatte Narcissa bereits einige Male gemacht und jetzt gerade wieder. Er wollte ihr eine neue Sklavin kaufen, jemand mit Bildung, der ihr die Zeit vertrieb. Entweder hatte er keine bessere Verwendung für sein Geld oder er wollte tatsächlich, dass sie sich besser fühlte. Wobei Narcissa beide Beweggründe nicht nachvollziehen konnte, es war der berühmt-berüchtigte goldene Käfig. So sehr er sich auch bemühte und ihr Geschenke machte, Narcissa fühlte sich trotzdem alleine. Unverstanden, einsam, benachteilt, gegen ihren Willen gezwungen ihr Leben mit ihm zu verbringen und alles woran er dachte war eine neue Sklavin. Sie hätte ihn wahrscheinlich schnell um den Finger wickeln können um sich ihre (materiellen) Wünsche erfüllen zu lassen und sie dachte auch daran, es zu tun. Doch im Grunde würde sie das auch nicht glücklich machen. Sollte sie ihm den Versuch anrechnen oder als das abstempeln, dass er war? Nur ein Trostpflaster...


    "Danke. Das wäre vielleicht eine Idee, gibt es denn in Confluentes einen Sklavenmarkt?"

    Eine Weile passierte gar nichts und Narcissa schaute hinaus, mit den Gedanken noch ganz bei Vestina und Zenon und auch dem Rest ihrer Familie. Wobei nur die blonde Schwester es geschafft hatte das Herz der störrischen Narcissa zu erobern, so fehlte sie ihr am meisten. Auf den Rest ihrer Familie konnte die junge Römerin gut verzichten. Dann hörte sie wie sich Silanus erhob, das typische Kratzen des Stuhls über den Boden war unverkennbar und auch seine schweren Schritte. Sie hörte wie er näher kam und wollte sich eigentlich schon umdrehen, als sie plötzlich und für sie völlig unerwartet spürte, wie er sie umarmte. Im ersten Moment versteifte sie sich total und riss erschrocken die Augen auf, was er aber nicht sehen konnte. Jedenfalls hoffte sie, dass er es nicht sah. Sie hielt die Luft an und drückte ihren Rücken durch, wodurch sie noch steifer da stand. Außer ihren Brüdern oder früher auch mal ihr Vater war sie noch nie von einem Mann umarmt worden, mit dem sie nicht nah verwandt war. Und umarmt wurde sie schon lange nicht mehr, dafür war sie viel zu sehr eine Kratzbürste. Nur Zenon, ihr Hund, war immer zum kuscheln und knuddeln bereit gewesen und der riesige, weiße Fellball hatte die Streicheleinheiten sehr genossen. Bis ihr Vater ihn mit einem Knüppel erschlagen hatte. Damit sie in das Schiff stieg um Silanus zu heiraten.


    Eine dicke Träne rollte unaufhaltsam über Narcissas Wange, bis sie es nicht mehr aushielt und einfach atmen musste, denn sonst wäre sie wahrscheinlich erstickt. Silanus hatte starke, muskulöse Arme, ganz anders als ihr Vater. Und er war sehr sanft, auch ganz anders als ihr Vater. Narcissa wußte immer noch nicht ob sie das jetzt gut finden wollte oder nicht und sie war völlig überfordert. Daher machte sie es wie ein Reh, sie hielt still und stellte sich tot, tat gar nichts und hoffte darauf, dass die Situation einfach schnell vorbei sein würde.

    "Ein Ausflug wäre nett. Ich würde auch gerne noch ein paar Kleinigkeiten für das Haus hier kaufen." Das mit dem Wirtschaftsräumen wußte sie noch gar nicht und zog überrascht eine Augenbraue hoch. Waren das jetzt gute Neuigkeiten? Selbst wenn zivile Angestellte hier waren, die mussten erstens arbeiten und zweitens nur aus reiner Höflichkeit nett zu ihr sein. Damit sie nichts böses zu Silanus sagte, das kannte sie schon. Die Verlobte zu sein hatte eben auch Nachteile, denn man würde sie nur in Bezug auf Silanus wahrnehmen. Da machte sie sich nichts vor. Aber wenigstens waren dann noch ein paar Menschen mehr im Haus und sie hatte Zerstreuung, wenn auch nur kurzweilige. Die Sache mit den Wachen hatte auch einen entscheidenden Nachteil, denn neben der Sicherheit hieß das vor allem Überwachung. Noch mehr Augen und Ohren im Haus die jeden Schritt von Narcissa sehen würden. Nicht, dass sie in den nächsten Tagen etwas schlimmes geplant hätte, aber es war nunmal so, dass sie sich dann noch weniger erlauben konnte. Sie seufzte kurz und trank noch mehr Wein. Einen großen Schluck Wein, so dass Phila den Becher direkt nochmal füllte.


    "Nur leider gibt es hier keine anderen Frauen in der Nähe, das fehlt mir. Zu hause war da meine Schwester Vestina mit der ich viel Zeit verbacht habe und mit Zenon natürlich, meinem Hund. Und hier habe ich nur die stumme Phila und dich und du hast anderes zu tun."


    Sagte sie kleinlaut, überrascht darüber wieviel sie eigentlich von sich preisgegeben hatte. War es ihr nicht eigentlich egal ob er ihre Situation verstand oder nicht? Er war schließlich der Feind, Schuld daran, dass sie ihre Familie verlassen musste, dass man sie verheiraten wollte. Und jetzt sympathisierte sie doch nicht etwa mit ihm? Narcissa senkte den BLick und griff noch mal nach etwas zu Essen, mit der fließenden Bewegung konnte sie einen Teil ihres Unwohlseins verstecken.

    "Aber Agyptus ist viel ähnlicher zu meiner Heimat. Hier friere ich den ganzen Tag, egal wie viel ich anziehe oder mich bewege. Ich hoffe sehr, dass der Frühling und der Sommer halten, was du versprichst."


    Das Lächeln von Silanus wurde erwidert, aber Narcissa war nicht fröhlich. Nein, sie war sogar traurig, wenn man es genau nahm und das sah man ihr auch an. Wo sie sich eigentlich immer sehr unter Kontrolle hatte und ihren Unmut hinter einem eisigen Gesicht versteckte, so hatte sie heute Heimweh und die Langeweile verstärkte das noch. Da sie jetzt wieder an ihre Heimat dachte, an ihre Familie und nicht nur das Wetter, versetzte ihr einen Stich. Wahrscheinlich würde sie sie nie wieder sehen und das war ja auch das, was sie gewollt hatte. Was sie ihnen an den Kopf geworfen hatte, als man sie gegen ihren Willen nach Rom verschiffte um dort Silanus zu heiraten. Wenn sie doch nur Zenon noch hätte, der riesige Fellball hätte ihr über das schlimmste weghelfen können.


    Mit einem unterdrückten Seufzer ging Narcissa vom Tisch weg und schaute aus einer Fensteröffnung hinaus in den Hof, so dass Silanus nur ihren Rücken sah. Sie wollte nicht, dass er mitkriegte wie traurig - und somit verletzlich - sie eigentlich war.

    Auch Narcissa griff zu, bevor ihr Magen sich noch lautstark bemerkbar machen konnte, denn sie war wirklich hungrig. Auf der Reise hierhin hatte sie zwar auch gegessen, aber nicht viel und vor allem nicht sowas leckeres wie hier. Sie blickte einen langen Augenblick über die Teller und Schalen und Töpfe und Platten, bevor sie sich entscheiden konnte und zugriff. Da auch Silanus erstmal etwas aß, war es für wenige Augenblicke ruhig. doch er unterbrach die Stille und Narcissa blickte ihn an. Er saß mehr auf der Cline als das er lag und er trug nur eine Tunika, relativ schlicht und wahrscheinlich war das seine Freizeitkleidung für im Haus. Ganz anders als Narcissa, die als Inbegriff einer römischen Herrin in einem edlen Kleid steckte, feine Sandalen trug und sowohl sich selbst als auch ihr langes Haar ausgiebig gepflegt und herausgeputzt hatte. Eigentlich schade, dass das alles im Bad nachher wieder verschwinden würde. Sie lag bequem ausgetreckt und beugte sich nur gelegentlich vor, wenn sie etwas zu essen nahm. Doch das war etwas, dass sich Narcissa auch genauso vorgestellt hatte. Wenn sie schon Silanus heiraten mußte, was sie immer noch nicht wollte, dann konnte sie ja immerhin alle Vornehmlichkeiten mitnehmen, die das ergab. Sie war mal ein einfaches und liebes Mädchen gewesen, schließlich war sie keinesfalls im Luxus aufgewachsen und auch nicht sonderlich verwöhnt, aber die Umstände ihrer Anreise nach Rom hatten sie verändert. Wenn sie schon nicht ihren Willen bekam, dann wollte sie es wenigstens so angenehm wie möglich haben.


    "Einen kleinen Rundgang habe ich schon gemacht, ja. Aber leider habe ich noch nicht alles sehen können. Es macht einen guten Eindruck, das Haus hier, sehr geräumig und gepflegt. Die Sklaven sind ein eingespieltes Team und alle sehr höflich. Nur Schade, dass man hier so fernab von allem ist."
    Sie trank einen großen Schluck Wein und ließ Phila nachfüllen.
    "Vielleicht kannst du dir ja mal einen Vormittag Zeit nehmen und wir erkunden Confluentes?"

    Obwohl Narcissa wußte, dass da noch mehr war, ließ sich Silanus nicht so einfach aufs Glatteis führen. Sie hatte gehofft sie könne mehr aus ihm rauskitzeln, aber er war beherrscht genug und verplapperte sich nicht. Die Schwarzhaarige liebte Geheimnisse, oder besser gesagt, sie liebte es Geheimnisse von anderen Leuten zu wissen. Doch was Silanus und Axilla betraf würde sie sich gedulden müssen.


    "Verstehe. Auf jeden Fall hat Axilla das Land mit dem besseren Wetter erwischt."

    Narcissa nickte erfreut, dass er ihr zum Schluss noch so liebe Worte mitgab. Sein Dank war aufrichtig gewesen, er schien sich sehr gefreut zu haben und dann versuchte er auch noch sie aufzumuntern. Wie nett! Sie lächelte ihn an und ging dann ebenfalls. Vielleicht hatte er ja Recht, vielleicht war es gar nicht so schlimm hier. Nur kalt.

    Richtig erschrocken hatte er sich zu dem Bedauern der Schwarzhaarigen nicht, er machte zwar einen gehetzten Gesichtsausdruck, beinahe sogar etwas argwöhnisch, aber sie hatte auf eine stärkere Reaktion gehofft. Ein irritierter Blick und ein Räuspern, dieser Mann war einfach zuuuuuu langweilig. Innerlich verdrehte sie die Augen, doch dann war es an ihr sich zu wundern. Er sagte zu! Damit hätte sie nun wiederum nicht gerechnet und sie hatte auch gar nicht vorgehabt mit ihm das Bad zu teilen! Natürlich. Gerne. Äffte sie ihn in Gedanken nach. Doch einen Rückzieher wollte sie jetzt auch nicht machen und lächelte daher brav weiter. Dann würde sie eben mit ihm baden müssen. Da hatte sie sich selbst reingeritten, auch wenn es schwer fiel zuzugeben. Ob er sie wohl anziehend fand und deswegen mitwollte? Ob er annahm, dass mehr geschehen würde als ein Bad? Narcissa schnaubte kurz und wollte gerade losreden, als die Sklaven kamen und ihr Essen auftrugen. Was für Narcissa richtig gutes Timing war, denn sie wußte noch gar nicht genau, was sie sagen wollte. Wie konnte er es nur wagen, sie so zu überrumpeln!?


    Erst als alle Leckereien auf dem Tisch waren, winkte sie wieder nach der kleinen, schwarzen Sklavin Phila, die ihrer Herrin etwas unverdünnten Wein einschenkte.


    "Ja, aber natürlich. Das Bad ist äußerst luxeriös und geräumig, wir dürften uns nicht in die Quere kommen. Und es ist doch angenehmer, wenn man jemanden zum reden hat, oder nicht?"

    Das kaufte er ihr jetzt wahrscheinlich eh nicht ab, aber daran störte sich das junge Mädchen nicht. Sie freute sich viel lieber darauf, wie nervös er sein würde, wenn sie dann tatsächlich baden würden. Sie ging davon aus, dass er schon mal mit Frauen geschlafen hatte und sie wußte selbst auch wie sowas von statten ging. Aber sie war Jungfrau, das war ihr selbst wichtig. Dennoch würde sie ihn etwas foltern, er konnte sich auf etwas gefasst machen. Sie lächelte ihn süffisant an.


    "Ich wünsche dir einen guten Appetit."

    ALexandria, da wäre sie jetzt auch gern. Da war es warm und sonnig und die griechischen Sklaven liefen oben ohne herum. Diese Axilla hatte wirklich Glück! Doch sie wollte sich nicht ablenken lassen, denn da gab es noch was, wo sie nachhaken wollte. Ihre Stimme war immer noch ruhig, denn sie wollte nicht zu erkennen geben, wie interessiert sie in Wahrheit war. Das Silanus auch ruhig war, störte sie etwas, sie hatte irgendwie angenommen er hätte ein schlechtes Gewissen und würde sich vielleicht verplappern. Daher bohrte sie noch nach.


    "Und wieso vermisst sie dich so? Klingt ja fast als hätte sie dich wirklich sehr gemocht."


    Und damit war Narcissa schon nah an der Wahrheit.

    "Ja, sehr schade."


    Narcissa trank noch etwas von eben jenem Wein, aus ihrer Heimat Greichenlands mitgebracht und sie an das erinnernd, was sie verlassen hatte um in diesem kalten und regnerischen Teil der Welt zu versauern. So jedenfalls kam es ihr vor und nun ihrer Gesellschaft beraubt war es noch schlimmer. Sie stand auf und ließ Phila alles wieder zusammenräumen, doch dann entschied sie sich anders. Sie nahm die Knabbereien; etwas Brot, Schinken, gekochte Eier, Ziegenkäse und Trockenfrüchte und reichte das alles an Merowech.


    "Vielleicht hast du ja nachher noch etwas Zeit dafür, lass es dir schmecken."


    Narcissa wartete noch darauf, wie er reagierte, bevor sie sich zurückziehen und den restlichen Tag drinnen verbringen würde.