Beiträge von Claudia Sisenna

    Sisenna ahnte böses. Bestimmt wurden alle zusammengerufen, damit sie vor versammelter Familie und den Sklaven wegen ihrem Verhalten beim Tempel gerügt wurde. Vermutlich gab es auch noch eine saftige Strafe. Dem Treffen entziehen konnte sich Sisenna nicht, also schlich sie sich ins Atrium. Sie blieb in der Nähe der Tür, mit dem Rücken an die Wand gedrückt und grüßte auch nicht.
    Ob Silana sie auch wieder beschützen würde?

    Ah, es war eine griechische Göttin. Deswegen kannte Sisenna sie nicht auf Anhieb. Bevor sie am Arbeitszimmer anklopfte, legte sie die Hände an den Mund, wandte sich noch einmal an Magrus und flüsterte: "Ich möchte wissen, was die Göttin erfreut. Ich hoffe, es ist kein Blut." Dann drehte sie sich um, klopfte an und trat schnell ein. Die Antwort konnte ihr Magrus gerne hinterher geben.

    Vielleicht fehlten noch Minuten bis zur vollen Stunde, aber Sisenna hielt es nicht länger aus. Sie klopfte und weil sie erwartet wurde, trat sie auch sogleich ein. Das wird schon so in Ordnung sein, dachte sie bei sich.


    "Lieber Onkel Menecrates. Ich möchte dir etwas erzählen, aber bitte schimpf nicht mit mir." Sie blickte so unschuldig wie sie nur konnte. Gleich losplappern ging nicht, sie musste auf die Aufforderung warten. Wenn das nur nicht so schwierig wäre...

    "Vulcanus, Maia", wiederholte Sisenna. "Glaubst du wirklich Vulcanus?" Sie blickte zweifelnd. "Das ist doch der Gott, der alles wegbrennt."


    Sie nickte zum Vorschlag, jetzt schon zu gehen. Warten gehörte nicht zu ihren Stärken. Die Neuigkeiten wollten aus ihr heraussprudeln.


    "Was macht denn so die Maia?", fragte sie auf dem Weg zum Arbeitszimmer.

    Bilder des Schreckens kreisten in ihrem Kopf. Auch dann noch, als sich Silana ihr zuwandte. So schnell gingen diese Bilder nicht weg, aber Sisenna wurde durch Silana abgelenkt. Das behütete die Kleine davor, gänzlich in Tränen auszubrechen. Sie wollte daran glauben, dass alles gut werden würde und nickte daher heftig. Dummerweise hörte sie nun mehr als sie sonst je gehört hatte und das, obwohl sie sich ja gerade nicht auf das Opfern konzentrieren wollte. Aus Erfahrung wusste Sisenna die jeweiligen Geräusche einer Handlung zuzuordnen. Sie hörte, wie das Blut aufgefangen wurde und wie der Tierkörper zusammensackte.
    Sie starrte Silana mit einem verzweifelten Blick aus aufgerissenen Augen an.

    Ein paar Minuten blieben ihr also noch.


    "Heute ist ein ganz toller Tag. Erst bekomme ich erlaubt, Bienen anzuschaffen, und dann bekomme ich noch einen Getreidehof geschenkt. Was ist heute eigentlich für ein Tag? Ich muss mir den merken." Sie schaute zu Magrus. Er sollte das wissen oder herausfinden.
    Langsam wurde sie unruhig. "Ein paar Minuten noch, ein paar Minuten." Sie lief hin und her, sie hatte sich das bei Erwachsenen abgeschaut. Dann fiel ihr ein, sie hatte sich noch nicht bedankt. Abrupt blieb sie stehen.


    "Vielen Dank für das Geschenk!" Sie lächelte zu Pitholaus Plato.

    Die wichtigen Informationen überschlugen sich am heutigen Tag. Als Magrus die Nachricht überbrachte, galt ihm Sisennas ganze Aufmerksamkeit.


    "Ist die eine Stunde Wartezeit schon um oder fängt sie jetzt erst an?" Sie wusste, ihr Onkel liebte Pünktlichkeit.

    Als die Frage nach der Durchführung der Opferung kam, zog sich Sisennas Kehle zu. Kein Schlucken half und Räuspern durfte sie nicht. Vor lauter Aufregung begann sie nun auch noch zu zittern. Die Angst vor dem Anblick des sterbenden Tieres lähmte sie einerseits, andererseits würde sie am liebsten davonlaufen. Doch das durfte sie nicht, sonst zürnten die Götter und nicht zuletzt der Onkel.


    Sie öffnte zwar die Lippen, aber kein Laut drang heraus. Stattdessen traten ihr Tränen in die Augen. Sie wusste nicht, ob sie dem Anblick würde standhalten können.

    Sisenna erlebte ein Auf und Ab der Gefühle. Zuerst erstaunte es sie, dass hier jemand explizit auf sie wartete, und nicht etwa ein Spielgefährte, sondern ein Mann. Sie machte große Augen, während ihr Kopf nach hinten ruckte. Anschließend ärgerte sie sich über seinen Versuch, sie zu erschrecken. Sie versuchte sich darin, eine Falte zwischen ihre Augenbrauen zu produzieren, so wie es ihr Onkel tat, wenn ihm etwas missfiel. Was danach folgte, schlug aber dem Fass den Boden aus. Der Mann wollte ihr was schenken und zwar keine Kleinigkeit.


    Unwillkürlich öffnete sich ihr Mund und sie glaubte, sich verhört zu haben. Dann jedoch folgten Erklärungen, die keinen Zweifel ließen. Sisenna schlug die Hand vor den geöffneten Mund, um etwas zivilisierter zu wirken.


    "Da... da... das nehme ich gerne an", brachte sie schließlich mühselig hervor. Sie starrte den Mann noch Augenblicke an, dann löste sie sich aus ihrer Erstarrung und ging auf ihn zu. "Dann könnte ich mir sogar später einen Ponyhof kaufen und hätte das Futter für die Ponys gleich selbst angebaut." Sie schwelgte in schönsten Tagträumen.

    In der Villa durfte Sisenna Kind sein und musste nicht wie eine kleine Dame auftreten. Sie hopste von einem Bein auf das jeweils andere durch den Eingang des Atriums und blieb dann abrupt stehen, als sie den Mann bemerkte. Sie kannte ihn nur flüchtig. Er kam öfters und blieb nie lange.


    Sie versteckte beide Arme hinter dem Rücken und legte den Kopf schief.
    "Naaa, was machst du denn hier?"

    Wird meine Imkerei schon freigeschaltet oder muss mein Onkel erst seine Zustimmung geben? Er wollte eigentlich warten, bis der Scato im Amt ist, damit der gleich was zu tun bekommt. :)

    Mit einer kindlichen und doch würdevollen Neigung des Kopfes verabschiedete sich Sisenna. "Vale, Aedilis Curulis." Sie lächelte, dann drehte sie sich um.


    Vor ihr stand Magrus und gratulierte ihr spontan. Sie fühlte sich wundervoll.


    "Ja, bring mich nach Hause und such dann gleich meinen Onkel. Sag ihm, ich müsse ganz dringend mit ihm reden." Sie ließ sich nach draußen führen, während das Lächeln auf ihrem Gesicht blieb.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    "Sprich mir nach", [...]


    Ihr wurde von einem Sklaven die Patera gereicht.


    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie von ihrem Onkel nach vorn gebeten wurde. Sie versuchte zu schlucken, aber es gelang nur wenig, denn Hals und Mundraum fühlten sich vollkommen ausgetrocknet an.


    "Vater Ianus.“ Ihre Stimme klang hoch und dünn. Sie räusperte sich und fuhr flüsternd fort. "Wie mein Onkel durch das Opfern des Weihrauches ein gutes Gebet gebetet hat, möge dir von meiner Seite für dieselbe ehrsame Sache dieses Trankopfer angeboten werden."


    Vorsichtig schüttete sie den Inhalt in den Foculus hinein.
    Gemeinsam mit ihrem Onkel versuchte sie die folgenden Sätze: "Manen, möget ihr durch dieses Festopfer geehrt werden!“ Sie richtete die Patera wieder waagrecht hin und ein Sklave nahm sie ihr ab. Sie drehte sich so gut wie es andere vorgemacht hatten nach rechts und stellte sich wieder zwischen die Schwestern. Ihre Hände suchten bei ihnen Halt.



    Die Manen waren nun befriedigt - nun mussten die Laren und die Genii gesättigt werden!

    Als Sisenna die Hand ihrer zweiten Großnichte bemerkte, hob sie den Blick und lächelte Silana an. Ihre Hand hob sich und kuschelte sich in die dargebotene. Dabei atmete sie einmal tief durch. Wenn es später hässlich werden würde, konnte sie sich hinter einer der beiden Nichten verstecken. Vorher würde sie aber noch einmal opfern müssen. Sie hatte Milch und Blüten dabei, die auf die Verwendung in den Händen von Slaven warteten.


    heimlich linste sie zu Livineia. Diese Großnichte bescherte ihr manchmal Unsicherheit. Sie bildete sich ein, dass Livineia sie nicht mochte.

    Sie musste sich noch einmal kurz vor dem Aufbruch umziehen, weil das erste weiße Kleid einen Fleck abbekommen hatte. Befleckt durfte sie nicht sein, das wusste sie. Im Grunde wusste sie viel zu viel von dem, was vor ihr lag. Die Opferung von Weihrauch, Wein, Plätzchen und Blumen stellte kein Problem dar, aber sie wusste, dem Ganzen würde noch ein Tieropfer folgen. Artig schritt sie im Gefolge und als der Tempel erreicht war, wusch sie sich wie alle vor ihr.


    Sie hatte bemerkt, dass ihr Onkel draußen nie die Reinheitsverse sprach, aber da Sassia dies machte, schloss sie sich an. Ihr Murmeln konnte kaum jemand verstehen, aber die Götter hörten alles, das wusste sie. Ein letzter Windzug streifte ihre Haare, die sie heute offen trug, dann spürte sie, wie jemand ein Tuch aus feinen Stoff darüber legte.


    Sie trat ein. Irgendwann war auch sie an der Reihe, eine Gabe darzubringen. Sie legte ein paar Körner Getreide und eine Frucht in die Feuerschale, bevor sie sich wie Sassia wegdrehte. Danach stellte sie sich neben ihre Großnichte. Und obwohl sie als Großtante viel älter klang, fühlte sie sich doch unsicher und schob ihre kleine Hand in die von Sassia.

    Bereits bei der Aussage, es gäbe noch ein erfreuliches Geburtstagsgeschenk, erstrahlte Sisenna. Als dann jedoch die Zusage kam, sie könne sich die ersehnten Bienen anschaffen, kannte ihre Freude keine Grenzen. Sie vergaß, dass sie in der Öffentlichkeit immer beherrscht auftreten sollte und klatschte stattdessen mehrfach schnell in die Hände. Am liebsten hätte sie den freundlichen Herrn umarmt, aber an dieser Stelle erinnerte sie sich wieder an ihre Erziehung. Einmal gestattete sie sich noch das freudige Zusammenkneifen der Augen, während die geballten Hände neben ihrem Kinn erzitterten. Dann atmete sie tief durch und ließ die Arme sinken.


    "Heute ist ein schöner Tag", stellte sie fest. "Vielen Dank! Ich nehme an, Onkel Menecrates soll direkt zu dir kommen. Ich müsste dann aber deinen Namen wissen." Sie legte den Kopf ein wenig schief.

    Bei der Frage erhellte ein Leuchten das Gesicht der zarten Claudia. Sie hob beide Hände. Eine Hand zeigte sofort die gewünschte Zahl, denn sie brauchte nur alle fünf Finger wegzustrecken. Bei der zweiten Hand wollten die Finger nicht so wie sie und mehrmals war entweder einer zu wenig oder ein bis zwei Finger zu viel ausgestreckt. Sie nahm die andere Hand zur Hilfe, hielt drei Finger fest und hob die Hand mit den beiden aufgestellten Fingern. Als sie die Hilfehand löste, um die dortigen fünf Finger ebenfalls anzuzeigen, flutschte wieder ein unerlaubter Finger der schwierigen Hand nach oben. Jetzt zeigten acht Finger nach oben.


    "Ich bin vor zwei Tagen sieben Jahre alt geworden", erklärte sie mit stolzem Unterton und strahlte erneut. Sie wusste, dass dieser Geburtstag ein besonderer war.

    Sisenna fühlte sich ernst genommen und trat einen Schritt vor. Ihre übertrieben aufrechte Haltung lockerte sich, sodass sie nun wie ein normales Mädchen aus gutem Hause wirkte, dem die Verwandtschaft stets sagte, es soll gerade stehen.


    Auch schöpfte sie Hoffnung. Wenn jemand sagte, es wäre nicht einfach, konnte das nur bedeuten, dass es ging, aber kompliziert war.


    "Ich habe einen Vormund", antwortete sie, weil sie das genau wusste. Das mit der Patria potestas hatte ihr noch niemand erklärt. "Onkel Menecrates...", sie wollte sagen, versucht sich in der Erziehung, ließ es aber lieber, "...passt auf mich auf."


    Und bevor der Mann mit der Entscheidungskraft zuu schnell sein Urteil bildete, holte sie weiter aus. "Mein Onkel verwaltet mein Vermögen, denn er hat versprechen müssen, es mir später wieder zurückzugeben. Er kann mir aber keine Bienen kaufen, weil er nicht mehr Betriebe haben darf, als die, die er jetzt schon hat. Es ist aber sehr wichtig, dass ich einmal eine gute Aussteuer habe, wenn ich heiraten werden." Sie nickte heftig, während ihre Augen bedeutungsvoll an Größe gewannen. "Wenn das Geld meiner Eltern nur rumliegt, wird es nicht mehr. Und außerdem: Ich möchte Bienen." Ihr Blick nahm einen bittenden Ausdruck an. Bienchen waren fleißig und nützlich und süß anzusehen. Ihr Honig schmeckte unglaublich lecker. Außerdem lebten sie in einer Großfamilie, was Sisenna sehr gefiel, da ihre kleine Familie nicht mehr existierte.

    Guuut, dachte Sisenna bei sich. Der Ort und die Person stimmten schon einmal. Obwohl sie sich freute, blieb sie ernst. Sie glaubte, mit einem ernsten Gesichtsausdruck würde sie ernster genommen werden.


    "Ja, also es ist so", begann Sisenna und wusste nicht, wo sie hinblicken sollte. Der direkte Augenkontakt verunsicherte sie. Sie musste sich erst in Erinnerung rufen, dass dieser Mann, offensichtlich der Aedil, dazu im Amt war, ihr und anderen zuzuhören und nach Möglichkeit zu helfen. Ihr Blick hielt dem seinen stand, als sie weitersprach. "Ich möchte Bienen." Sie schluckte, damit die Stimme fest klang. "Jeder, der möchte, darf einen Betrieb kaufen und ich möchte auch einen. Ich möchte Bienen", bekräftigte sie. Sie wollte keine Ablehnung riskieren und sprach schnell weiter. "Ich bin zwar noch ein Kind, aber ich habe Geld und kann einen Angestellten bezahlen, der mich berät und der die Arbeit macht. Meine Eltern haben mir Geld hinterlassen und ich möchte es anlegen."


    Sie überlegte kurz, ob sie lieber trotzig entschlossen oder lieblich lächelnd blicken sollte und entschied sich für letzteres.
    Gut, dass Magrus hinter ihr stand. Er konnte als der potentielle Angestellte gelten.