Der Schein des Mondes erlaubte es Charis ein wenig die Physiognomie des Parthers zu erahnen. Aber selbst wenn sie nicht gesehen hätte, wie sehr er mit sich kämpfte und schließlich nur für sie seinen Plan, die Freiheit wieder zu erlangen, aufgab, hätte sie es spätestens in seinen klaren Worten herausgehört.
Charis war nicht weniger traurig als er, denn sie wußte, was er für sie aufgeben wollte. Aber sie wusste nun auch, daß er es Ernst meinte, als er ihr seine Liebe gestand. Endlich umarmte er sie wieder und sie konnte wieder seine Wärme spüren.
"Laß uns wieder hineingehen. Morgen ist ein langer Tag.", meinte sie irgendwann, als sie sich langsam wieder von ihm löst und sich erhob. Das Knie schmerzte noch ein wenig.
"Phraates, bleib bei mir heute Nacht. Wenn wir uns ruhig verhalten, wird niemand merken, wenn du in meiner Kammer bist," flüsterte sie ihm zu, nicht um sich bei ihm zu revanchieren, vielmehr weil sie es von ganzen Herzen wollte.
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Nein, er ließ es dabei nicht bewenden. Er fragte weiter und weiter. Doch seine Fragen zielten nicht wirklich auf das ab, wovor Charis sich so gefürchtet hatte, glaubt sie jedenfalls. Doch schien es ihr, als wolle er auf eine ganz bestimmte Sache hinaus. Offenbar gab es etwas, was ihm sehr wichtig war, weil er immer wieder darauf herumhackte, was Celerina gesagt hatte, was sie sich wünschte und wie sie sich fühlte.
"Die Herrin hat in letzter Zeit eine recht üble Laune. Doch sie sagt mir nicht, was der Grund dafür ist. Es ist bestimmt das Wetter, Herr. Oder.. vielleicht auch der geflohene Sklave, der vor einigen Tagen zurückgebracht wurde und den sie bestrafen ließ." Diese Option hatte Charis die ganze Zeit außer Acht gelassen, denn sie hatte Celerina beobachtet, als man ihr den wieder eingefangen Sklaven vorgeführt hatte. Da war sie hocherfreut gewesen und konnte es kaum erwarten, sein Blut spritzen zu sehen.
"Aber was meinst du Herr, wozu soll sie etwas gesagt haben?" fragte sie schließlich um auf seine Fragen noch genauer eingehen zu können.
Doch dann viel ihr noch etwas ein. Eine Merkwürdigkeit, der sie bisher wenig Beachtung geschenkt hatte und doch brachte sie dies nun in Zusammenhang, mit der Frage, ob die Flavierin sich in ihrem neuen Heim wohl fühlte.
"Aber da wäre noch etwas, was mir aufgefallen ist. Ich habe gehört, wie die Herrin des Nachts ihr cubiculum verlässt und erst in den Morgenstunden wieder zurückkommt. Bisher habe ich es nicht gewagt, ihr hinterher zu spionieren, denn ich habe den Eindruck, sie vertraut mir nicht besonders. Doch ich habe gehört, es gibt Menschen, die in der Nach den Mond betrachten. Man sagt, sie seien mondsüchtig", mutmaßte Charis in ihrer Unwissenheit und versuchte dies auf ihre Herrin zu projizieren. -
Wenn etwas schief zu laufen begann, dann lief plötzlich alles schief! Es war wie verhext. Charis hatte sich wieder auf gerafft und saß nun auf dem Boden, ihr verletztes Knie haltend. In der Dunkelheit konnte sie nicht viel sehen, aber mit ihren Fingern konnte sie ertaste, was geschehen war. Offenbar hatte wohl auch ihre Tunika unter dem Sturz gelitten, denn es schien so, als sei sie zerrissen. Ganz zu schweigen von dem Knie! Kaum hatte sie sich aufgesetzt, da vernahm sie auch schon sich nähernde Schritte. Es war ganz klar, das waren Phraates´ Schritte, der ihren Schrei gehört hatte und sich nun um sie sorgte.
Er kniete sich neben sie hin. Sie konnte ganz deutlich seinen Atem spüren. Er war ganz bestürzt darüber. Vielleicht schwang aber auch ein wenig schlechtes Gewissen mit. Schließlich berührte er ihr Haar und erkundigte sich besorgt nach ihr.
"Es geht schon wieder! Mein Knie. Ich bin auf mein Knie gefallen. Meine Tunika ist kaputt. Aber das ist nicht schlimm. Viel schlimmer ist, das ich … ich glaube, daß ich dich auch liebe, oder zu mindestens mag. Aber bitte, bitte, laß mich nicht allein!"
Es hatte sie einiges an Überwindung gekostet, dies zu gestehen. Doch jetzt war es gesagt und Charis fühlte sich auf einmal wieder viel besser. -
Natürlich hatte die Makedonierin das Gespräch, welches sie mit Corvinus geführt hatte, bevor dieser sie an die Flavierin weiteverschenkt hatte, nicht vergessen. Allerdings hatte sie es bislang, seitdem sie wieder in der Villa Aurelia lebte, erfolgreich beiseitegeschoben, ja sogar verdrängt. Selbst in dem Moment, als sie das tablinum betreten hatte, hatte sich die Erinnerung daran in keinster Weise zurückgemeldet. Stattdessen trat sie eifrig in Aktion. Machte sich an den Lampen zu schaffen und zog die Vorhänge beiseite, bis sie hinterrücks von der sanftmütigen Stimme des Aureliers niedergestreckt wurde. Zuerst verharrte sie, einer Statue gleich, in der Haltung, in der sie gerade war, als sie ihren Namen hörte.
Langsam, sehr langsam drehte sie sich zu ihm hin, so daß sie gezwungen war, ihn anzusehen.
"Ja, Herr!", antwortete sie eingeschüchtert, denn die Erinnerung, wo immer sie auch in den letzten Wochen gesteckt haben mochte, war wieder präsent, so als wäre die Unterredung erst gestern gewesen.
Wie sehr hatte sie in den Wochen zuvor gehofft, dieser Tag würde niemals kommen, an dem sie gezwungen sein würde, sich entscheiden zu müssen, wem sie loyal dienen sollte, ihrer Herrin oder dem Gemahl ihrer Herrin, dem sie sich auch verpflichtet hatte.
Natürlich gab es ‚Interessantes zu berichten! Und wie interessant das war! Charis wußte zwangsläufig über die dunkelsten Geheimnisse ihrer Herrin Bescheid, auch wenn diese sich anfangs davor gefürchtet hatte, sie ins Vertrauen zu ziehen.
"Ja, Herr," antwortet sie knapp und schüchtern. Ihre Wangen röteten sich zusehends, so als hätte man von ihr verlangt etwas Anzügliches zu vollbringen.
"Die Herrin ist überaus glücklich über die Hochzeit," begann sie und hoffte, er würde sie nicht länger ausquetschen. -
Die Sklavin blieb abrupt vor Pallas stehen, so daß der zwangsläufig mit ihr zusammenstoßen mußte, wenn er nicht ein wenig auf Zack war.
"Wie? Du kennst dich in diesen Dingen nicht aus? Aber ich! Sehe ich so aus, als wüßte ich sowas? Als würde ich bei solchen Leuten ein und ausgehen! He?", rief sie schon wieder so aufbrausend. Das war doch mal wieder typisch Mann, dachte Charis schnaubend uns setzte sich wieder in Bewegung. Hättesie Celerina nur eingeweiht! Dann hätte sie sich vorher umhören können. Aber nein, die vornehme Dame mußte sich einer andere vornehmen Dame anvertrauen, die ihrerseits diesen Tölpel auf sie angesetzt hatte. Charis war einfach nur noch sauer. Aber nichts und niemand konnte ihr helfen, wenn sie nicht endlich Kooperationsbereitschaft zwigte und begann, mit Pallas zusammenzuarbeiten.
"Na schön!" begann Charis nach einiger Zeit des Schmollens. "Dann sollten wir mal überlegen, wo man solche Leute finden kann. Wenn es ein ganz normaler Medicus hätte sein sollen, dann hätte man uns sicher nicht losgeschickt. Wir sollen sicherlich jemand finden, der etwas von seinem Fach versteht, aber auch schweigen kann.", fuhr die Makedonierin fort.
"Wir können uns ja mal umhören und so tun, als wäre ich… äh, naja als wollte ich das Kind eben los werden. Verstanden? Na, wie findest du das?"
Sie war sich ganz und gar nicht sicher, ob Pallas der optimale Partner für diese Unternehmung war. Allerdings welche Wahl hatte sie denn? Gar keine! Deshalb hatten die beiden nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie rauften sich zusammen und waren erfolgreich oder sie kamen unverrichteter Dinge wieder zurück und waren dann dem Zorn ihrer Herrinnen gewiß. -
Charis´ Traurigkeit verstärkte sich noch, mit jedem weiteren Wort, das aus Phraates Mund kam. Er verstand sie einfach nicht! Lag es nur daran, daß die Sprache immer noch eine Barriere zwischen ihnen darstellte oder war es wirklich so, daß er ganz und gar in seinen Plan, zu fliehen, vernarrt war.
"Phraates, bitte versteh doch, ich kann nicht! Ich kann nicht mit dir fliehen. Ich bin so geboren und so werde ich auch eines Tages sterben und nichts kann daran etwas ändern. Man hat mich gelehrt, ich könne mein Schicksal erleichtern, indem ich immer gehorsam bin und nichts Falsches tue. Wenn ich nun fliehe, dann werde ich keinen Frieden mehr finden, Phraates. Sie werden uns finden, eines Tages."
Das Geständnis seiner Liebe, die der Parther ihr gemacht hatte, rührte die Sklavin zu Tränen, doch sie erwiderte nichts darauf. Niemals vorher hatte ihr jemand ein solches Geständnis gemacht. Zum ersten Mal in ihrem Leben kam es, daß die Grenzen, die das Schicksal ihr auferlegten, sie zu stören begannen. Aber sie fühlte plötzlich auch, daß sie dem Sklaven im Weg stehen würde, bei dem, was er geplant hatte. Drum entschloß sie sich, dem Stelldichein ein unvorhergesehenes Ende zu bereiten und rannte davon, zurück ins Haus. Unterwegs stolperte sie allerdings in der Dunkelheit und schlug mit einem unterdrückten Schrei auf dem Kiesweg auf. -
Die Laune ihrer Herrin hatte sich dem Wetter angepaßt, so schien es. Denn die Flavierin hatte Charis, ihre Leibsklavin, kurzerhand aus ihrem cubiculum geworfen, um allein zu sein. Die Makedonierin folgte geduldig den Anweisungen ihrer Herrin, machte sich aber doch so ihre Gedanken. Etwas merkwürdig verhielt sie sich schon, seit einigen Wochen. Eigentlich hätte sie glücklich und zufrieden sein sollen, denn alles war so gekommen, wie sie es wollte. Nur machte die Flavierin alles andere, als einen glücklichen und zufriedenen Eindruck.
Charis hörte auf, sich noch länger darüber den Kopf zu zerbrechen, stattdessen schob sie Celerinas Übellaunigkeit auf das Wetter und streifte in der Villa umher, auf der Suche nach einer Beschäftigung. Die fand sie auch umgehend, als sie das Rufen des Hausherrn vernahm. Schnell eilte sie in die Richtung, aus der das Rufen kam. Schließlich erreichte sie das tablinum.
Vorsichtig klopfte sie an, bevor sie eintrat. Etwas überrascht dreinblickend sah sie dort Corvinus sitzen, lesend, obwohl dies recht schwierig sein mußte, in Anbetracht der Lichtverhältnisse.
"Herr, womit kann ich dienen? Ist es nicht viel zu dunkel zum Lesen? Soll ich nicht lieber einige Lampen entzünden?“ fragte sie sehr sachlich und doch sehr übereifrig. -
Ja, vielleicht, wollte Charis verträumt antworten, doch dann verschlug es ihr die Sprache. Stattdessen kam nur ein panisch daher geschrienes, "WAAAS?" Die Makedonierin riß ihre Augen weit auf. Sie konnte kaum glauben, was sie eben gerade gehört hatte.
Auf einen Schlag war die ganze schöne Stimmung dahin, die Sterne funkelten auf ein Mal weitaus weniger, der Wind schien stärker und kühler zu blasen und Charis machte verschreckt einen Schritt zurück.
"Was willst du machen? Fliehen? Bist du noch zu retten? Sie werden uns jagen und dann werden sie uns finden. Und was sie dann mit uns anstellen, daran will ich erst gar nicht denken!" Das blanke Entsetzen steckte ihr in den Knochen. Sie begann zu zittern. Allein nur der Gedanke daran, versetzte sie in Angst und Schrecken. Wie konnte er nur an eine Flucht denken, gerade jetzt, da der Thraker geflohen war und die Herrin deswegen außer sich vor Wut war. Chraris war dabei gewesen, als sie den Sklavenjäger auf die entflohenen Sklaven angesetzt hatte."Ich war niemals frei, Phraates. Ich weiß nicht, wie das ist und ich glaube,.... ich will es auch nicht wissen.", sagte sie dann nach einiger Zeit traurig, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte.
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Charis hörte es rumpeln und krachen. Das mussten die Möbel der Herrin sein, dachte sie sich. Schnell eilte sie zum cubiculum der Flavia, das eher noch einer Baustelle glich. Derjenige, der die Sachen hereingebracht hatte, wollte sich auch gleich wieder aus dem Staub machen. Charis sah nur noch, wie er um die Ecke verschwand. Aber geistesgegenwärtig, wie sie nun mal war, rief sie ihn sofort zurück.
"He, du! Bleib sofort stehen! Meinst du etwa, damit ist alles getan? Lädst das Zeug hier ab und verduftest gleich wieder??? So geht´s aber nicht!!! Komm sofort zurück! Aber dalli!!! Sonst lernst du mich kennen, mein Freund!"
Hätte Charis nur geahnt, daß es Phraates war, den sie in diesem Ton zurück pfiff… -
"Ja, Herrin", rief Charis. Nachdem Marei ihr kleines Gespräch mit Leone zu Ende geführt hatte, nahm sie die Kleine bei der Hand und führte sie erst einmal in den Sklaventrakt, um ihr alles zu zeigen, was wichtig zu wissen war. Angefangen von der Frage, wo sie in Zukunft schlief, bis hin zur Küche und dem Waschraum. Genau dort, sollten beide die Nächsten Stunden verbringen, um sie dann später zur Herrin zu bringen.
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Geschlagene zwei Stunden hatte es gedauert, bis Charis die neue Sklavin einigermaßen hergerichtet hatte, so daß es der Herrin gefallen würde. Zuerst hatte sie sie gewaschen. Oder sollte man besser schrubben sagen? Selten hatte sie ein so schmutziges Kind gesehen! Dann hatte sie ihr die neuen Kleider angezogen, die sie von ihrer Herrin erhalten hatte. Ein rot-gelbes Kleid, so wie es sie sich gewünscht hatte. Zufrieden beäugte Charis ihr Werk. Doch ganz zufrieden war sie nicht. Die Haare des Mädchens gefielen ihr überhaupt nicht. Sie waren viel zu kurz, wie bei einem Jungen. Kopfschüttelnd fuhr sie immer wieder mit ihrer Hand über Mareis Kopf. "Du siehst aus, wie ein Junge! Zum Glück wachsen die bald wieder!" Allerdings so lange wollte sie die Herrin nicht warten lassen. Wahrscheinlich saß sie schon ganz ungeduldig im Garten und wartete auf sie.
Nachdem sie Mareis Schuhe zugebunden hatte, richtete sich die Makedonierin wieder auf und lächelte dem Kind zu. "So, jetzt bist du fertig! Laß uns gehen!"
Sie nahm Marei bei der Hand und führte sie hinaus in den Garten. Der süßliche Duft der Blumen lag in der Luft und lud ein zum verweilen. Doch Charis lief immer weiter. Die Flavia hatte sich einen besonderen Platz im Garten auserkoren, an dem sie gerne die schönsten Stunden des Tages, auf einer Kline liegend, verbrachte. Oft hatte sie eine oder mehrere Schriftrollen dabei, um darin zu schmökern. Diesmal jedoch nicht! Diesmal stand nur eine Schale mit frischem Obst auf einem Tischchen neben ihrer Kline. Genüßlich kaute sie gerade auf einer Weintraube, als Charis mit dem Kind vor ihr auftauchte.
"Herrin, entschuldige bitte! Die neue Sklavin!" hauchte Charis leise und verbeugte sich dabei leicht. -
Langsam öffneten sich wieder ihre Augen. Sie sah in das von Freude erstrahlte Gesicht jenes Mannes, den sie noch am Morgen für den größten vertrottelten Pechvogel gehalten hatte. Unglaublich, wie ein Mensch sich doch wandeln konnte. Oder hatte sie sich gewandelt? Wie auch immer, sie genoß jeden Atemzug, den sie in Phraates Nähe machten durfte und wünschte sich nicht sehnlicheres, als daß es niemals enden würde. In diesem Augenblick war sie eine junge Frau, die bei einem jungen Mann war, den sie liebte. Ja, siespürte es ganz deutlich, so mußte sich Liebe anfühlen. Sie war nicht länger nur ein Besitzgegenstand, dem man Befehle erteilen konnte. Sie lebte und sie hatte Gefühle, wie jeder andere Mensch auch. Das wurde ihr nun richtig bewußt. Heute Nacht war sie keine Sklavin, sie war Charis und er Phraates.
"Vielleicht wird es in der Villa Aurelia besser für uns", sagte sie nach einer Weile, sich daran erinnernd, was am morgigen Tag anstand. Morgen würde ihre Herrin heiraten und sie beide eine neue Heimstatt bekommen. Sie hatte für kurze Zeit dort gelebt und wußte, was sie dort erwartete. Vielleicht war das eine Chance für sie beide.
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Charis wäre sogar eher im Boden versunken, als sie hörte, mit welchen vorlauten Bemerkungen die junge Sklavin auffiel. Am liebsten hätte sie ihr Einhalt geboten, aber noch gefiel es der Herrin. Fragte sich nur, wie lange noch. Sie war zwar noch nicht lange bei der Flavierin doch wußte sie nur zu gut, wie schnell sich ihre Laune ändern konnte. ‚Gerade noch quietschfiedel konnte sie blitzschnell zur gefährlichen Giftschlange werden, die es sich besonders zum Spaß machte, ihre Sklaven, die sich gerade in ihrer Umgebung aufhielten zu quälen.
Nachdem Celerina nun endlich außer Hörweite war, empfand es die Makedonierin als weitaus besser, sich mit der Neuen zu unterhalten. "Im Augenblick ist sie nett. Das kann sich aber auch ganz schnell wieder ändern. Wenn du auf meinen Rat hören willst, dann bringe sie ja nicht dazu, sich zu ärgern. Damit machst du dir unter den anderen Sklaven keine Freunde!" Sie betrachtete die Neue von der Seite und ihr wurde plötzlich bewußt, wie gut sie es doch in ihrer Kindheit gehabt hatte, durfte sie doch die ersten Jahre ihres Lebens mit ihren Eltern zusammenleben.
"Hast du Hunger?" -
Sieh mal an, dachte sich Charis, woher kennt dieser Knilch nur meinen Namen. Ob ich mir jetzt Sorgen machen muß? Sie hatte ja schon einiges gehört, seitdem sie in den Besitz ihrer neuen Herrin übergegangen war. Da sollte es doch tatsächlich Sklaven in der Villa Flavia geben, denen es besonderen Spaß machte, Ihresgleichen bis aufs Blut zu quälen. Einer davon war wohl auch der bereits erwähnte Sklave Sciurus. Nun ja, Pallas sah nicht gerade danach aus, als könne er auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun. Aber vielleicht war das ja auch alles nur Fassade! Wieder einmal ermahnte sie sich selbst zur Vorsicht. Die Villa, so schien es bei genauem hinsehen, war das reinste Schlangennest. Und wenn Charis etwas auf den Tod nicht leiden konnte, dann waren es Schlangen.
"Ja, was sollte ich?", fragte sie und wußte haargenau, daß sie ihn mit dieser Frage völlig aus seinem Konzept brachte. Chris war nicht blind, sie sah es ihm an, wie er neben ihr litt. Und genau das, fing an, ihr Spaß zu machen. Zum ersten Mal in ihrem Leben entdeckte sie diese masochistische Ader an sich. Ja, sie war nun mal eine flavische Sklavin, ganz ohne Zweifel. Sie konnte es nicht verleugnen. Diese Villa und ihre Insassen verleiteten jeden dazu, so zu werden, wie sie.
"Natürlich hast du das nicht gesagt! Aber ich bin ja auch nicht blöd! Mir hat zwar keiner etwas gesagt, aber ich kann ein und eins zusammenzählen!" Es kränkte sie immer noch, von ihrer Herrin so in Unkenntnis gelassen worden zu sein, weswegen sie nun schmollte. Celerina ahnte doch hoffentlich nichts, welchen Auftrag ihr Verlobter ihr mit gegeben hatte. Und Phraates? Dem hatte sie auch kein Sterbenswörtchen davon erzählt. Ganz sicher nicht!
"Ja natürlich weiß ich, wie man schwanger wird! Das muß ich dir doch hoffentlich nicht auch noch erklären!" Das wäre mit Sicherheit peinlich geworden. Sie war ja schon ganz froh darüber gewesen, daß sie keine Kinder beaufsichtigen mußte, die in diesem Alter waren, in dem man über solche Dinge sprach.
"Ja stimmt eigentlich. Uns kann es völlig egal sein, wieso sie schwanger ist! Also laß uns weiter gehen."
Charis machte bereits einige Schritte, wandte sich aber dann wieder Pallas zu. "Gehen wir zu jemand bestimmten?", fragte sie in einer fast kindlichen Neugier. -
Charis nickte zustimmend. Es gab in der Tat noch schlimmere Namen. Allerdings konnte sie seinem ursprünglichen Namen auch nicht viel abgewinnen, weil er einfach so exotisch klang. Diesem Eichhörnchensklaven war sie bisher nicht begegnet, was sie durchaus als positiv betrachtete, hatte sie doch viele Gerüchte um die Grausamkeit dieses Sklaven gegenüber Seinesgleichen gehört. Da konnte sie direkt von Glück sprechen, daß Pallas ihr Begleiter war und nicht Sciurus.
Aber Pallas nun direkt einen angenehmen Zeitgenossen zu nennen, wäre wohl auch sehr vermessen gewesen. Die Makedonierin fühlte sich doch recht unbehaglich in ihrer Rolle als ahnungsloses Dummchen. Da taten die Kommentare des Sklaven nur noch ihr übriges. Sie konnte doch nichts dafür! Am liebsten hätte sie ihm das lautstark mitgeteilt. Das tat sie aber dann doch nicht, denn sie wußte ja, daß sie beide nur Marionetten in einem Spiel waren, deren Handlung sie nicht mitbestimmen konnten. Die Fäden zogen ihre Herrinnen und es machte zumindest Celerina einen Heidenspaß, sie auflaufen zu lassen. Aber wie immer würde sie nur tun, was von ihr verlangt wurde, auch wenn es der größte Schwachsinn war. Vielleicht bekam sie es ja eines Tages vergolten. Charis mußte sich das einfach nur immer und immer wieder vorsagen. Irgendwann glaubte sie dann fest daran.
Es schien, als hatte Pallas doch endlich Mitleid mit ihr, denn er schickte sich an, das große Geheimnis zu lüften. Er bemühte sich zumindest. Anfangs schwächelte er etwas, doch mit jedem Wort schien er sich mehr zutrauen zu wollen. Was so Stück für Stück zum Vorschein kam, ließ die Sklavin regelrecht erblassen.
"Was?", schrie sie erst, merkte aber schnell, wie unangebracht diese Lautstärke war. Auch wenn Pallas nicht direkt Namen genannt hatte, so begriff sie doch schnell, wer von den beiden Damen in der delikaten Situation war, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.
"Was sagst du da? Sie ist… SCHWANGER? Aber .. aber wieso? Sie .. sie ist doch... sie heiratet doch erst… Sie heiratet doch demnächst den Aurelier!" Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde ihr bewußt, wie naiv ihr Denken doch war. Um schwanger zu werden hatte es noch nie einer Ehe bedurft! Glücklicherweise hielten sich die beiden Sklaven in einer Seitenstraße auf, in der kaum jemand vorbei kam. denn auch wenn Charis nun leise sprach, so sprach doch ihre Gestik eine Sprache für sich. -
Endlich ließ sich der Sklave einmal herab, sich nach ihr umzudrehen und ihr wenigstens einen Teil seiner Aufmerksamkeit zu widmen. Allerdings schien es so, als habe er ihre Frage nicht richtig oder nur teilweise verstanden, wenn man nach seinem fragenden Gesichtsausdruck urteilen sollte. Das wäre ja auch zu viel verlangt gewesen, dachte sich Charis eingeschnappt. Niemals hätte sie es aber gewagt, sich lauthals zu beschweren, denn wenn der Sklave ihr böse wollte, dann ließ er sie hier einfach schutzlos stehen, mitten in dieser unschönen Gegend. Was das zu bedeuten hatte, konnte sie sich an drei Fingern abzählen.
Aber einiges schien doch in den Gehörgang des Sklaven vorgedrungen zu sein, denn es begann zu arbeiten in der ganzen Haltung des Sklaven. Er schien etwas nervös zu werden, warum auch immer. Sie hatte doch nichts Falsches gesagt?! Jedenfalls fragte er noch einmal nach, so als habe er sich gerade verhört.
Würde ich sonst fragen, dachte Charis als sie unschuldig zu nicken begann. "Ja, so ist es!" Charis war das alles so furchtbar peinlich! Ihre Herrin stellte sie damit als inkompetente unzuverlässige Sklavin hin, der man nicht vertrauen konnte und die man nur mit einem Aufpasser losschicken konnte.
Wenigstens besaß der Sklave den Anstand, sich doch noch vorzustellen, damit die Makedonierin nicht ganz im Dunkeln tappen mußte. "Pallas?", echote sie und begann zu stutzen. "Pallas… wie Pallas Athene?" Wer war denn auf diesen Namen gekommen?
Die beiden Sklaven hatten sich die beste Stelle für ihre drohende Konversation ausgesucht, die engste Stelle der eh schon engen Gasse. Pallas zog Charis in eine Seitengasse, in der weitaus weniger los war und sie daher auch viel ungestörter waren. Der Sklave glaubte wohl, Charis würde nur scherzen und hätte sich diese Geschichte am Ende nur selbst ausgedacht.
"Wir suchen nach... etwas?" fragte sie ganz vorsichtig, als habe sie panische Angst davor, mit ihrer Antwort völlig daneben zu liegen und dafür den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden. -
Tue das, was man dir sagt. Dann wird es dir gut gehen. Mit dieser Maxime war Charis bisher immer gut gefahren. Sie war ordentlich, gewissenhaft und zuverlässig. Was dazu führte, daß ihre Herren immer sehr zufrieden mit ihr waren. Bisher war es auch für sie selbst ein Leichtes gewesen, nach dieser Maxime zu leben. Doch seit sie nun in die Dienste ihrer neuen Herrin, Flavia Celerina getreten war, sah sie sich plötzlich im Konfliktmit sich selbst gefangen. Natürlich wäre es einfach für sie gewesen, die Anordnungen der Flavia zuverlässig zu befolgen. Wäre da nicht dieses vertrauliche Gespräch gewesen, welches sie mit dem Verlobten und zukünftigen Gatten ihrer Herrin geführt hatte, einige Tage bevor sie als lebendes Saturnaliengeschenk in den Besitz der Flavia gelangt war. In zuvorkommenden freundlichen Worten hatte er sie eingewickelt und sie dazu gebracht, seinen Wünschen entsprechend, die Bedürfnisse seiner zukünftigen Frau zu ergründen. Was im Klartext bedeutete, sie sollte die Flavia für ihn ausspionieren. Am Anfang schien dies nicht problematisch zu sein. Doch je länger sie bei Celerina war, sie mehr und mehr kennenlernte, alles über ihre Gewohnheiten erfuhr, wurde es zunehmend schwerer für sie, loyal zu bleiben. Niemals zuvor traf die Weisheit, man könne nur einem Herrn dienen, besser zu, als hier.
Und die Flavia? Sie hatte vor einigen Monaten ihre Leibsklavin, also ihre engste Vertraute verloren. Immer wieder zog sie Vergleiche zwischen der toten Ylva und ihr, mit dem Resultat, daß Charis ihr nie etwas wirklich recht machen konnte. Als dann noch ihr Leibwächter das Weite gesucht hatte, war sie noch unleidlicher geworden. Charis spürte ihr Mißtrauen, so als wüßte sie genau über ihr Übereinkommen mit dem Aurelius Bescheid. Die Makedonierin warte nur noch darauf, daß die Flavia sie diesbezüglich eines Tages zur Rede stellen würde. Die letzten Tage war sie schon so eigenartig gewesen. Sie ließ niemanden zu sich und sie übellaunig zu nennen war die reinste Untertreibung. Umso mehr hatte es sie verwundert, als ihre Herrin sie zu sich rief und ihr erklärte, sie solle zusammen mit dem Sklaven der domina Claudia Antonia etwas in Erfahrung bringen. Was das sein sollte, sagte sie nicht. Sie tat ganz geheimnisvoll und meinte, sie solle sich nur an diesen Sklaven halten und ihre Sache gut machen. Nur welche Sache das sein sollte, konnte sich Charis nicht erklären.
Kurz und gut, sie tat, was man ihr sagte. Zusammen mit dem Sklaven der Claudia verließ sie die Villa. Man konnte nicht gerade behaupten, daß der Sklave sehr redselig war. Stumm lief Charis hinter ihm her und sie kam sich mächtig dämlich dabei vor. Denn wie sollte sie etwas suchen, wenn sie nicht wußte, wonach sie suchen sollte. Einige Fragen stellten sich ihr. Warum schenkte ihre Herrin ihr kein Vertrauen und wußte dieser komische Kauz eigentlich, wohin sie gehen sollten?
Sie waren schon weit gelaufen und befanden sich mittlerweile in einer der weitaus weniger anspruchsvolleren Wohngegenden der urbs aeterna - mitten in der Subura.
"Entschuldigung!" Charis hatte es wirklich gewagt, den Sklaven anzusprechen. Jetzt nachdem sie schon fast eine halbe Stunde unterwegs waren. "Wonach suchen wir eigentlich? Und wenn wir schon dabei sind, wie heißt du?" Nicht einmal vorgestellt hatte sich der Sklave! Aus diesem Grund hatte Charis ihren Namen auch erst einmal für sich behalten. -
Charis´ Augen wichen nicht mehr von Phraates Lippen. Auch wenn sie von seiner Poesie kein Wort verstand, erfasste aber zumindest ihr Herz den Kern dessen, was er ihr sagen wollte. Dies war der perfekte Moment, genau wie für sie gemacht.
Dann beugte er sich noch näher zu ihr hinüber, bis ihre Lippen sich schließlich trafen. Charis sträubte sich nicht dagegen. Insgeheim hatte sie diesen Augenblick so sehr herbeigesehnt.
Ihre Lippen begannen, miteinander zu verschmelzen. Charis schloß ihre Augen und jegliche Anspannung fiel einfach von ihr ab. Es war, als wandele sie auf weichen flauschigen Wolken. Vorsichtig umfasste sie ihn mit ihren Armen und schmiegte sich an ihn. Sie fühlte sich gut aufgehoben bei ihm. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie ein so intensives Gefühl erlebt, wie in diesem Augenblick. Was hätte sie dafür gegeben, damit dieser Kuß niemals enden müsste? -
Es konnte nichts Schöneres gebe, als dieser Augenblick. Phraates hielt sie nun ganz umschlungen. Seine Hand wanderte zu ihrem Nacken hinauf. Früher hätte sie wahrscheinlich laut los gekichert, weil sie in bestimmten Situationen sehr kitzlig war. Nun aber widerstand sie dem Reflex.
Phraates flüsterte ihr einige Worte ins Ohr. Sie verstand rein gar nichts davon. Allerdings fand sie, hörte sich das Parthische sehr reizvoll an. Der Klang seiner Worte hatte etwas Magisches an sich. Es verzauberte sie. Jetzt nachzufragen, was die Worte bedeuteten, hätte den herrlichen Moment für immer zerstört.
"Das ist wunderschön!", flüsterte sie leise.
Sie sah ihn mit ihren leuchtenden Augen an, in denen sich das Mondlicht spiegelte und wartete darauf, dass er sie küßte. Längst waren ihr Ärger und ihre Abneigung, die sie in den ersten Tagen gegen ihn gehegt hatte, vergessen. Dafür empfand sie nun Verständnis für ihn. Und noch etwas anderes war da. Etwas, was sie nicht so richtig in Worte fassen konnte. Etwas undefinierbares, was sie bisher bei noch keinem anderen Menschen in dieser Art gespürt hatte. -
Charis gelang es endlich mit dem Sklaven Schritt zu halten. Er hatte sein Tempo verringert, was ihr sehr entgegen kam. Schließlich gingen sie auf den Markt und rannten nicht.
Die Antwort des Sklaven aber überraschte sie trotzdem. Bisher hatte sie noch keinen Freigeborenen getroffen, der scheinbar so mit Herz und Seele Sklave war, wie Olin. Aber die Makedonierin vermutete schon, daß dies alles nur Fassade war. Was sich tatsächlich dahinter verbarg, war für nichts und niemanden sichtbar.
"Ach komm, mach mir doch nichts vor! Du sprichst so, als ob es nichts anderes mehr für dich gibt. Ich bin schon mein Leben lang Sklavin, aber ich weiß, daß auch ich ein menschliches Wesen bin, das Bedürfnisse hat."