Beiträge von Duccia Elva

    Noch ein wenig verwirrter, aber mit gefasster Miene folgte Elfleda der Prozession. Neben ihr schritt ihr Vater wie ein beschützender Riese neben ihr, ihr Onkel Rodewini hinter ihnen. An ihrer anderen Seite lief Lando, ebenso schweigend und gefasst wirkend. Elfleda konnte nur kurz aus den Augenwinkeln zu ihm herüberschauen, wollte sie doch nicht riskieren, diesen heiligen Moment durch ihre innere Verwirrung zu verderben. Schließlich war dies durchaus etwas Ernstes, also wollte sie ihm auch mit dem nötigen Ernst gegenübertreten.
    Aber dennoch war sie verwirrt. Phelan hatte den Mann an ihrer Seite Loki genannt? Wie den Gott, den Bringer von Schalk und Durcheinander. War das ein Beiname, den er sich irgendwie erworben hatte? Und wenn ja, wodurch? Loki war ja nicht unbedingt der Gott, an den man bei gewaltigen, tapferen Heldentaten dachte. Und weshalb er überhaupt nicht nur einen normalen Beinamen hatte, sondern gleich einen göttlichen? Nun, sie würde es sicher noch herausfinden, aber es ließ sie für den Moment etwas grübeln.


    Doch in dem Moment, da sie bei den Gebetsfelsen ankamen, verdrängte Elfleda alle Gedanken daran. Dieser Moment hier war wichtig, und sie wollte ihn nicht durch Zweifel oder Neugier entweihen. Gefasst betrat sie den inneren Kreis neben Lando und richtete ihren Blick gerade auf den Goden und Phelan, die die Zeremonie wohl abhalten würden.
    Ein wenig Wind war aufgekommen, nicht wirklich kalt, aber doch weit entfernt vom richtigen Frühling. Ganz leicht bewegte er ihre roten Haare und strich über den ebenso roten Pelz an ihren Schultern. Die Haare kitzelten leicht auf ihrer Wange, aber sie blieb dennoch ruhig und gefasst stehen. Elfleda nahm es als Zeichen an, dass die Götter ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkten. Ein gutes Zeichen, wie sie hoffte.

    Immer mehr Familienangehörige und der Rest der Sippe samt Gesinde fand sich auf dem großen Platz ein. Eigentlich war nur ein Bereich frei, wo Elfleda mit ihrem Vater und ihrem Onkel stand und darauf warteten, dass es losgehen würde. Der Gode war mittlerweile wieder aufgetaucht und hatte kurz mit Rodewini gesprochen. Elfleda hatte nicht verstanden, was gesprochen wurde, und so im Zentrum der Aufmerksamkeit ließ es sich schlecht lauschen. Aber vermutlich ging es nur um die Feinheiten des Opfers, wo sie ohnehin nicht mitzureden hatte.
    Sie schob die Silberringe an ihren Handgelenken etwas weiter nach oben, damit diese nicht rutschten. Sie war sich immer noch nicht so ganz sicher, ob ihr dieses Ausstaffieren wirklich gefiel. Natürlich sollte Lando sehen, was sie alles mitzubringen hatte und wie ihr Stand war, aber dennoch fühlte sie sich ein wenig überladen mit dem Schmuck und dem Pelz.
    Doch allzu lange konnte sie sich darüber keine Gedanken mehr machen, denn die beiden Amisvarier betraten den inneren, freien Kreis. Ihr Blick streifte Phelan eher kurz, widmete sich dann ganz ihrem Zukünftigen. Auch er hatte sich umgezogen und herausgeputzt, und doch war Elfleda ein wenig verwirrt. Obwohl er sich wirklich auch durchaus vornehm gekleidet hatte, fehlten doch allerlei Anzeichen, die ihn als Adeligen ausweisen würden. Sie sah keinen Schmuck, nur der Gürtel beinhaltete etwas Silber, und auch kein Schwert. Er sah mehr aus wie ein Ger-Mann. Kurz schaute Elfleda fragend zu ihrem Vater und Rodewini, die aber beide ihren Blick entweder nicht sahen oder nicht sehen wollten. Gänzlich ruhig erwarteten die beiden Landos Ankunft, also blieb auch Elfleda weiterhin ruhig, wenn auch ein wenig verwirrt.
    Lando war doch der Anführer der Amisvarier von Mogontiacum? Ob nun Dux oder Rich oder welchen Titel er genau hatte, das war dabei ja erst einmal nebensächlich. Aber er war doch von Adel? Bei dem, was er zahlen wollte, musste er es ja eigentlich sein, so viele Reichtümer häufte doch kein einfacher Speerträger an? Noch einmal ließ Elfleda ihren Blick über Lando gleiten. Ein wenig seltsam war es schon, aber wenn weder ihr Vater noch ihr Onkel auch nur mit der Wimper zuckten, musste es schon in Ordnung sein. Vielleicht war Lando auch einfach nur ein wenig exzentrisch. Sie würde es schon noch herausfinden, wenn sie dann erst einmal verheiratet waren.


    Über den Platz schien sich eine leichte Spannung zu legen. Alle Augen richteten sich auf die Personen, die nun im innersten Kreis standen. Bestimmt würde der Gode das Opfer gleich eröffnen. Das Gemurmel der Leute, welches sich bei Landos Auftritt erhoben hatte, wurde leiser, in Erwartung des Beginns des Rituals.

    “Er bezahlt wieviel?“
    Elfleda stand nur mit offenem Mund zwischen ihren Cousinen, die ihr grade brühwarm die neuesten Informationen zukommen ließen. Das konnte nicht stimmen, was Elke da gerade erzählt hatte. Für den Preis, den Lando für sie geboten hatte, hätte er das halbe Dorf kaufen können, wenn nicht das ganze. Allein die zwei Barren Eisen hatten in etwa den Wert eines kompletten Hofes, und obendrauf gab er auch noch vier Pferde, dazu noch jede Menge Keramik, sogar Glaswaren, Stoff und angeblich sogar einen Silberkelch. Das war ein Schatz! Für sie! Sie wäre damit die Frau, für die der höchste Muntschatz seit Jahren ausgehandelt wurde. Achwas, Jahre, Generationen! Wie konnte ihr Vater Lando nur so hochtreiben?
    “Das passt gar nicht zu Vater, dass er so verhandelt. Sonst lässt er lieber Rodewini selber verhandeln.“ Ob es ihm nicht recht war, dass sie heiratete, und er deshalb den Preis so hoch getrieben hatte?
    “Oh, hat er wohl auch gar nicht, aber Lando hat das wohl von sich aus gleich geboten. Smilla war vorhin total durch den Wind und hat es erzählt. Na, Elfi, was sagst du?“
    Elfleda war erstmal ziemlich perplex. Entweder war ihr zu werdender Ehemann wirklich verdammt reich, oder er war ein Schwachkopf, der sein Vermögen verschwendete. Sie wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte, also schüttelte sie nur verwirrt den Kopf.
    “Aber jetzt müssen wir dich erstmal herrichten für die Verlobung! Der soll ja sehen, was er an dir hat, da kannst du nicht in diesen Sachen hingehen.“
    “Och neeeeein, bitte. Ich mag meine Sachen. Ich will mich nicht ausstaffieren und aufplustern wie ein Spatz im Winter.“
    Aber ihre Cousinen kannten keine Gnade. Also wurde sie umgezogen, aus ihren zwar durchaus für Stammesverhältnisse gehobenen Kleidungsstücken in die richtigen Vorzeigekleider. Sie trug ein langes, fast weißes Kleid mit umgenähtem, verzierten Saum, das an den Schultern von zwei schönen Goldfibeln zusammengehalten wurde. Das Kleid fiel bis fast auf den Boden, nur die Spitzen ihrer Schuhe schauten heraus. Darüber kam der Mantel aus rotem Pelz, Fuchs am Rücken, aber an den Schultern Eichhörnchen. Es war ein teurer Übermantel, weil er aus mehreren Teilen vernäht war, ohne dass man es aber so direkt sah. Er war schwerer als ihr vorheriger Wollmantel, aber auch wärmer. Darüber hinaus bestanden ihre Cousinen auf schmuck, auch wenn Elfleda sich damit fast schon unwohl fühlte. Sie wollte sich nicht so ausstaffieren, trug sie so ja schon ihre halbe Aussteuer mit sich herum. Aber Elke und vor allem Emma hatten kein Erbarmen, und so trug sie den silbernen Halsreif, der rote Pelz wurde von der silbernen Fibel gehalten, und auch an den Armen trug sie je einen schmalen Reif. Elfleda war das fast ein wenig viel, aber ihre Cousinen meinten, es sehe großartig aus, wie es sich einer Edlen aus der Sippe des Rodewini eben geziemt.
    Nachdem sie also hergerichtet war, was bestimmt einige Zeit gedauert hatte, und auch ihre Cousinen sich ein bisschen in Schale geworfen hatten, gingen sie wieder nach draußen zu dem großen Platz. Elfleda schaute, ob sie Lando irgendwo sehen konnte. Sie hätte wirklich gerne noch ein wenig mit ihm gesprochen, ihn noch ein wenig zu seiner Familie gefragt. Er hatte gemeint, seine Sippe umfasse nicht einmal zwanzig Leute. Hatte er denn dann Geschwister? Tanten, Onkel? Würden sie sich freuen, wenn er heiratete? Wussten sie bereits davon? Elfleda hätte sich gerne ein wenig vorbereitet, immerhin wäre sie bald Teil dieser kleinen Sippe, wenn ihre Munt von ihrem Vater auf Lando überging.
    Aber sie konnte ihn nirgends sehen, nur ihren Onkel Rodewini und ihren Vater. Also gesellte sie sich zu den beiden Männern, die sie strahlend begrüßten. Auch wenn ihr Vater ein wenig aussah, als würde er gleich in eine Schlacht ziehen, denn sein Gesicht hatte so einen angespannten Zug um die Augen. Es war nur ein Hauch, aber sie kannte ihn ja schon ihr Leben lang und wusste es, wenn ihm etwas zu schaffen machte. Aber sie sprach ihn nicht darauf an, denn auch da kannte sie ihren Vater gut genug. Er würde ihr doch nichts sagen, ein Mann jammerte auch nicht.
    “Wo ist denn der Gode? Und die Amisvarier?“ Elfleda wollte, dass dies bald offiziell war. Am liebsten hätte sie gleich geheiratet, wenn die Tradition nicht ein wenig Wartezeit eingerichtet hätte.

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    Rodewini hoffte doch sehr, dass Landos Sippe nun wieder etwas mehr Aufschwung erhalten würde. Je mehr die Amisvarier in Mogontiacum erstarkten, umso mehr profitierte er letztendlich durch diese Verbindung davon. Und er war auch davon überzeugt, sonst hätte er Elfleda doch anderweitig verheiratet. Vielleicht hätte man dann die Verbindung nach Confluentes, die ebenfalls mit einer Hochzeit gebildet wurde, durch eine zweite verstärkt. Oder Elfleda hätte noch ein wenig länger warten müssen und ihrem Onkel früher oder später den Hals deswegen umgedreht.
    “Nun, das hoffe ich auch, für unsere beiden Sippen. Aber das wird schon sein, du wirst sehen. Die Nornen wollten nicht ohne Grund, dass du Elfleda heiratest, wenn du diese Entscheidung schon in ihre Hände gelegt hast und sie so überdeutlich gesprochen haben.“
    Drei Einsen zu würfeln war wohl wirklich sehr deutlich. Noch dazu, wo die Zahl Drei, die das zusammengezählt ergab, ebenfalls von nicht geringer Bedeutung war. Rodewini war wirklich zuversichtlich, was dieses Zeichen anging.

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    Auch Rodewini sah sich auf Landos Worte hin um, ob er den Goden denn schon sehen konnte. Den alten Mann erkannte man normalerweise immer sofort, da musste man nicht erst schauen, ob er auch wirklich seinen goldenen Armreif trug. Seine ganze Erscheinung strahlte so sehr die Verbindung zu den Göttern und Geistern aus, manchmal glaubte Rodewini ja, er müsse mit der Seherin verwandt sein. Auch wenn sich die Voraussagen ihres Goden meist nicht so schrecklich und auch selten so präzise waren.
    Landos Magenknurren lenkte Rodewini kurz ab, und er grinste kurz.
    “Harte Verlobungsverhandlungen machen wohl hungrig? Nach dem Verlobungsbrimborium feiern wir.“ Und natürlich gab es dabei wieder etwas zu essen. Vorgestern erst hatten sie ein Kalb geschlachtet, da sollten alle Teile nun auch gut abgehangen und ausgeblutet sein, sofern sie nicht schon im Rauch hangen. Eigentlich ein Festessen, aber das dumme Tier hatte sich ein Bein gebrochen und musste geschlachtet werden. Sonst kam Fleisch nicht so häufig auf den Tisch. Doch für diese Gelegenheit und bei dem Preis, den Lando für die Braut zu zahlen gedachte, konnten sie auch mal auf den Putz hauen. Musste nur seine bessere Hälfte ihm dabei zustimmen, denn bei den Vorräten hatte seine Holde das letzte Wort. Deshalb versprach er lieber nicht zuviel.
    “Aber wohin Hakon mit deinem Vetter verschwunden ist, würde mich auch interessieren. Goden lassen sich zwar ungern hetzen, aber so lange braucht das ja normalerweise auch wieder nicht.“
    Auch Rodewinis Magen meldete sich grummelnd und leise, was seine Ungeduld erklärte. Neben der Tatsache, dass er gerne den Segen der Götter auf dem Vertrag nun hätte, damit wirklich alles geregelt war und nicht doch noch irgendwas dazwischenkam.

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    Mit dreißig würde Rodewini besser rechnen können. Er überlegte schon mal so grob, wen er dann alles mitbringen würde, während er seinen Blick auch über die Dorfgemeinschaft schweifen ließ.
    “Ja, wir haben einen. Wir können dann planen. Was meinst du, eigentlich wäre die Zeit zur Sommersonnenwende gut geeignet? Je nachdem, wie der Vollmond dann fällt.“
    Rodewini sinnierte schon über die perfekte Zeit, während Lando etwas über römisches Recht erzählte. Natürlich war dieses Rodewini nicht gänzlich unbekannt, wenn er dessen Feinheiten auch noch nie studiert hatte. Schließlich musste man ja wissen, welche Eigenheiten die Verbündeten so mitbrachten. Gerade zum Thema Ehe war er aber nicht ganz so tief in der Materie, immerhin waren sie beides auch Germanen und für sie beide zählte daher auch vorwiegend ihr eigenes Recht. Da war es relativ egal, was die Römer da alles wollten, solange ihre Bräuche dabei eingehalten wurden und alles rechtes blieb.
    Doch dann platzte Lando mit etwas heraus, was Rodewini im ersten Moment überhörte, weil er das gar nicht gehört haben konnte! So nickte er noch immer kurz vor sich hin, bis der Satz seinen Weg in sein Bewusstsein gefunden hatte, um den Germanen sehr rau von seinen Plänen der Zukunft in die Gegenwart zurückzuschleudern
    “Du willst was machen?“ Das musste er nochmal nachfragen. Er ließ die Worte von Lando noch einmal Revue passieren. Gut, zwischen Brautlauf und Hochzeit waren nur ein paar Tage, aber eigentlich sollten die Brautleute da nicht zusammen sein. Rodewini sah Lando daher doch etwas missmutig an.
    “Na, wenn das für die Römer sein muss, geht es wohl nicht anders. Ich will nicht, dass irgendjemand an der Rechtmäßigkeit dieser Ehe zweifelt, oder der der Kinder später, vor allem die Römer nicht.“
    Ihm gefiel diese Sache nicht wirklich, und er verschränkte leicht die Arme vor der Brust. Lieber wäre ihm gewesen, wenn er die Kontrolle über alles gehabt hätte und damit hätte planen können. Aber wenn dann endlich alles unter Dach und Fach wäre, wollte er zufrieden sein.

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    Darüber hatte sich Rodewini auch schon Gedanken gemacht. Einerseits wollte er schon eine möglichst große Hochzeit am liebsten feiern, um aller Welt auch zu zeigen, was für eine Verbindung hier geschlossen wurde. Andererseits wollte er Lando ja durch die Heirat an sich binden, weil er Einfluss bei den Römern hatte, also wäre es natürlich sehr gut, wenn vor allem seine römischen Freunde das mitbekämen. Und das sprach wiederum mehr für Mogontiacum, auch wenn es bedeutete, dass er die meisten seiner Sippe hierlassen musste. So eine Reise, auch wenn sie an einem Tag zu schaffen war, war auch nichts für alle, denn schließlich mussten auch genug für den Fall der Fälle hierbleiben und einige konnten nicht verreisen, weil sie zu alt, zu jung oder schlichtweg krank waren.


    “Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Ich denke, wenn wir nach Mogontiacum kommen, ist es besser. Dann nur im kleineren Kreis, versteht sich. Zwanzig könnt ihr unterbringen?“
    Soviel musste Rodewini wohl mitnehmen. Sarwolf würde wohl alle seine Kinder mitnehmen wollen, ging es doch um die Schwester, ebenso seine Schwester, da konnte er ja auch seine Kinder nicht daheim lassen. Und dann noch hier und da ein paar ausgesuchte Männer. Aber viel weniger ging wohl nicht, sonst würden die Amisvarier und ihre römischen Freunde wohl wirklich nach Magna kommen müssen. Oder seine Verwandtschaft würde ihm wochenlang zeternd in den Ohren liegen. Er wusste nicht, was ihm weniger gefiel.

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    Landos Gezeter nahm Rodewini mit einem Lachen auf. Er war Politiker, wenn auch nicht in einer Halle in Mogontiakum, sondern eher in seiner doch viel einfacheren Welt, wo er sich zum Glück mit weniger Problemen und weniger Meinungen herumschlagen musste. Beim Thema Elfleda aber wurde er wieder etwas ernster, wenn sein Gesichtsausdruck auch weiterhin freundlich blieb.
    “Welche Macken soll sie schon haben? Die, die wohl jede Frau hat. Mal ist sie süß wie Honig, und dann blitzen ihre Augen, dass selbst ein Gott sich in Deckung begeben würde. Aber mach dir keine Sorgen, sie wird dir eine gute Frau sein. Sarwolf hat sie schon gut erzogen.“
    Die Sache, warum sie nicht verheiratet bislang war, war schon schwieriger zu beantworten. Aber nun war die Sache ohnehin unter Dach und Fach, und da Lando bald sozusagen zur Verwandtschaft gehörte, konnte er auch ein wenig ehrlicher mit ihm diesbezüglich sein.
    “Sarwolf wollte sie vor drei Jahren verheiraten, aber ich hab es ihm ausgeredet. Elfleda ist ein kluges Mädchen, die verheiratet man nicht einfach so, nur damit sie Kinder kriegt. Für sie wollte ich einen passenden Partner haben. Kannst dich also geehrt fühlen, sie hat nun drei Jahre auf dich gewartet.“
    Rodewini erlaubte sich sogar ein neckisches Zwinkern, gefolgt von einem dunklen, volltönigen Lachen. Dass Lando dachte, er wollte ihm ein widerborstiges Wesen andrehen oder vergleichbares, war irgendwie typisch für ihn. Und dabei war Elfleda nur deshalb nicht bislang verheiratet, weil einfach keine Partie dabei gewesen war, die bedeutend genug gewesen wäre, eine so nahe Verwandte von ihm zu heiraten, die noch dazu nicht auf den Kopf gefallen war.

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    Das nächste Thema war nicht wirklich viel besser als das alte, wenn auch nicht ganz so unheimlich. Rodewini überlegte einen Moment deutlich sichtbar, schließlich sollte Lando auch sehen, dass er darüber nachdachte. Mit völlig unbeteiligtem Gesicht, dass in späteren Jahrtausenden wohl beim Kartenspiel recht nützlich sein könnte, meinte er dann achselzuckend: “Ja, da gibt es ein paar Berichte, aber nichts beunruhigendes. Und lassen sie in Ruhe, also haben wir bislang auch nichts gegen sie unternommen. Und die Chatten… kann schon sein, dass die von denen geplagt werden. Aber das wäre noch weniger ein Grund für mich, dagegen vorzugehen.“
    Rodewini zuckte leichthin die Schultern. Die Chatten waren einer ihrer bevorzugten Streitpartner, und immer wieder kam es zu Übergriffen von der einen oder anderen Seite. Daher wäre Rodewini wirklich der letzte, der gerade diesen zur Hilfe kommen würde, zumindest bei sowas.

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    Das war nun wirklich etwas ganz anderes als die Hochzeit. Einen Moment klappte Rodewini doch tatsächlich die Kinnlade runter, doch er fing sich schnell wieder und schenkte dem Mädchen, das Lando so anhimmelte, kurz einen strengen Blick. Weil er soviel für eine Frau gezahlt hatte, wie manch anderer für fünf Frauen, hieß das ja nicht, dass er fünf Frauen mitnehmen sollte. Erstmal sollte er die eine bezahlen.


    “Nein, gehört habe ich darüber nichts. Unser Gode hat auch nichts gesagt. Aber du kennst sie ja, sie sagt auch nicht alles, was sie sieht und weiß. Bei Odin, ich will gar nicht so genau wissen, was sie alles sieht und weiß.“
    Jetzt war Rodewini doch ein wenig besorgt. Die Seherin schickte nicht einfach so nach irgendwelchen Leuten, weil sie sich nach Gesellschaft sehnte. Wenn sie einen holen ließ, tat man gut daran, das zu tun, was sie wollte. Meistens waren es durchaus wichtige Neuigkeiten, die sie für einen dann hatte, und nicht nur gute. Und wenn die Seherin schlechte Nachtrichten für die Amisvarier hatte, waren das nun auch unter Umständen schlechte Nachrichten für ihn. Na hoffentlich schickte die Alte nun nicht auch noch nach ihm.

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    Natürlich hatte Rodewini schon mitbekommen, welch enormen Preis Lando für Elfleda zu bezahlen gedachte. Dafür, dass er ihn vorhin noch fast hatte zwingen müssen, zeigte sich der Herute überaus spendabel beim Muntschatz. Daher warf er ihm ein durchaus fragendes Lächeln entgegen, als er sich auf dem Platz zeigte und zu ihm herüberkam. Doch als Lando gleich etwas besprechen wollte, wurde der große Germane sofort ernst und ging mit Lando ein Stück abseits.
    “Natürlich. Worum geht es?“
    Da Lando nicht so klang, als ob alle es sofort mitbekommen sollten, gab Rodewini mit seiner bloßen Körperhaltung auch schon zu verstehen, dass er nicht gestört werden wollte bei diesem Gespräch, und so wandten sich auch neugierigere Ohren wieder anderem zu. Ganz allein war man hier zwar nie, dafür hätten sie schon ausreiten oder dergleichen müssen, aber sie waren nun so ungestört, wie man eben in einem Dorf von hundert Menschen sein konnte.

    So richtig konnte Elfleda sich das nicht vorstellen. Nur zwanzig Leute? Nicht mehr? Nungut, zwanzig in einem Haus konnte auch recht eng werden, je nachdem, wie groß das Haus war. Aber worin genau der Unterschied zwischen römischen Häusern und germanischen lag, wusste sie auch nicht zu sagen. Ihr Vater und auch vor allem ihr Onkel waren schon beide jenseits des Rhenus gewesen, sie aber nicht. Sie kannte nur die Erzählungen von den großen Steinhäusern der Römer, in denen es angeblich zehn Zimmer gab, einen Raum für eine jeweils andere Gelegenheit. Selber gesehen hatte sie sowas aber noch nicht. Nicht, dass sie Angst davor hätte, eher war sie neugierig, zu sehen, was davon nun wirklich stimmte und was nicht.
    “Nun viel Trubel haben wir hier eigentlich nicht…“ wollte Elfleda grade anfangen, als sie hinter sich doch sowas wie einen leichten Trubel hörte. Sie blickte missmutig über ihre Schulter und sah ihre Cousine Elke, die sie wohl suchte, denn sie winkte zu ihr herüber, als sie Elfleda da stehen sah. Sie sah ganz aufgeregt aus, noch euphorischer als vorhin, als sie sie mit den anderen Cousinen allein gelassen hatte. Doch in diesem Moment interessierte Elfleda zum ersten Mal überhaupt gar nicht, was die Cousine zu sagen hatte, vielmehr wollte sie ihr am liebsten den Hals umdrehen. Sie winkte einmal kurz eher herrisch zurück, als wolle sie sagen „Geh weg, komm in fünf Minuten wieder“.
    Elke sah stirnrunzelnd zu ihr herüber und kam sogar näher. Die dumme Nuss! Verdammt, das war’s mit trauter Zweisamkeit, schoss Elfleda durch den Kopf.
    “… wenn nicht grade ein Wachhund vorbeikommt“, vollendete sie also daher ihren Satz etwas missmutig.
    “Elfi, ich hab dich schon gesucht. Wir sollten zu den anderen gehen. Du wirst nicht glauben, was… huch!“ Jetzt erst hatte Elke auch Lando bemerkt und vollführte an fast derselben Stelle wie Elfleda vorhin einen kleinen Hüpfer vor Überraschung.
    “Ja, ich komm gleich nach, geh ruhig schon mal vor“, versuchte Elfleda das ganze noch ein wenig herauszuzögern. Sie wollte so gern noch ein wenig mit Lando sein und ihn noch ein wenig kennenlernen.
    Elke sah ein wenig fragend zwischen den beiden hin und her, legte dann den Kopf fragend leicht schief, tat aber wenigstens dieses eine Mal, was Elfleda wollte und ging wieder in Richtung Langhaus. Auch wenn sie sich dabei immer wieder umdrehte und zu den beiden zurückschaute.
    “Ich denke, ich sollte dann gleich zurückgehen, damit gefeiert werden kann. Es war schön, mit dir vorher einmal sprechen zu können, Lando.“
    Sie sah ihn noch einmal an, und ihr Blick war beinahe schon milde. Lando hatte ihr ja ziemlich viel versprochen, und sie suchte immer noch nach dem Haken an der ganzen Sache und fand keinen.

    Irgendwo musste dieser Mann doch einen Haken haben. Er sah gut aus, war wohl so einflussreich, dass ihr Vater wirklich zugestimmt hatte, noch dazu erstaunlich schnell, war nicht dumm, soweit sie das nach dem kurzen Gespräch beurteilen konnte, und jetzt meinte er auch noch, sie habe die Freiheiten, dass sie glücklich werden könne. Irgendwo musste da doch ein Haken an der Sache sein, Elfleda glaubte nicht an grenzenloses Glück einfach so. Und bislang schienen die Nornen es ja ausgesprochen gut mit ihr zu meinen, was ihren Mann so anging.


    “Ja, ich bin die Älteste. Ich weiß wohl, wie man einen Haushalt führt, auch wenn Smilla das meiste selbst macht. Sie ist ja auch noch keine dreißig. Vaters zweite Frau, meine Mutter Ratlinta starb, als ich noch ziemlich klein war.“
    Sie beobachtete ihn, wie er sich um das Pferd kümmerte. Er machte es sorgfältig und gewissenhaft. Wenn er bei allen Dingen solche Sorgfalt walten ließ, musste sie sich wirklich nicht sorgen. Irgendwo musste da doch ein Haken sein?
    “Aber ich helfe Smilla natürlich bei allen Dingen, auch mit meinen Schwestern und meinem Bruder. Ob ich sie gut im Griff habe, musst du sie fragen, ich würde sagen, dass es so ist.“ Als ältere Schwester übernahm sie natürlich auch alle Aufgaben einer eben solchen, das war für sie ganz selbstverständlich. Mit dem Kochen hatte sie es zwar nicht so, aber sie wusste schon seit Jahren eigentlich alles, was man als Ehefrau und spätere Mutter wohl wissen musste. Sie wartete ja schon seit vier Jahren darauf, endlich verheiratet zu werden, das war eine lange Zeit, sowas zu lernen.
    “Kann ich dich auch ein wenig fragen? Deine Sippe wohnt im römischen Reich, richtig?“
    Wenn er sie fragen durfte, gestand er ihr sicher dasselbe Recht zu. Und sie wusste bislang noch reichlich wenig über die Sippe, in die sie einheiraten sollte.

    Sein Gesichtsausdruck sah einen Moment gequält aus, ja beinahe verlegen. Je mehr er über diese Frage nachdachte und je mehr Elfleda so Zeit hatte, ihn dabei zu beobachten, umso skeptischer wurde nun auch wieder ihr Blick. Es war eine recht einfache Frage gewesen, auch wenn diese vielleicht etwas mehr implizierte. Aber dass er sich so gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wunderte sie schon ein wenig. Immerhin war er doch hergekommen, um um sie zu werben? Da machte man sich doch vorher Gedanken ums heiraten? Seine Antwort aber entschädigte Elfleda für das Zögern, und sie lächelte wieder. Wenn auch nur für einen Moment, denn die folgenden Worte waren ernst und klangen irgendwie erwartungsvoll.
    War das ein Test? Oder warum erwähnte er nun Freiheit und Pflichtgefühl so sehr? Wollte er damit den Unterschied zwischen Römern und Germanen klarmachen, wollte er testen, wie gut sie erzogen war, oder hatte diese Römerin, von der Elfleda nichts wusste, wirklich etwas so schlimmes angestellt, dass Lando deshalb grundsätzlich misstrauisch nun war? Nun, falls es ein Test war, würde sie ihn wohl bestehen, denn im Brustton der Überzeugung fing sie an zu sprechen.
    “Natürlich nicht, sind doch beides Bestandteile der Ehre. Erfüllen wir unsere Pflichten nicht oder brechen unser Wort, verlieren wir an Ehre. Geben wir unsere Freiheit völlig auf, verlieren wir an Ehre.“
    Elfleda mochte diese Art von Tests nicht. Sie fühlte sich dann immer, als würde von ihr eigentlich erwartet, sie wollte das Gegenteil von dem sagen, was sie meinte. Aber sie meinte das wirklich so, sie kannte es gar nicht anders. Niemals würde sie ihre Freiheit ausnutzen und damit die Ehre ihrer Familie gefährden. Daher war sie mit ihren achtzehn Jahren und durchaus auch weiblichen Bedürfnissen auch noch unberührt, obwohl es dank der Freiheit, auch ausreiten zu dürfen, durchaus Gelegenheit zu anderem gegeben hätte.
    Dennoch war sie eher ruhig und gefasst als wütend und kraulte auch weiterhin seelenruhig dem Pferd über den Hals. Von so einer Kleinigkeit ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen, erst recht nicht, wo sie sich noch so sehr über den Umstand freute, bald zu heiraten. Daher lächelte sie doch wieder leicht und legte den Kopf leicht schief, während sie Lando mit unergründlichem Blick anschaute.
    “Und schließlich sagen sogar die Römer, wie wichtig uns Germanen unsere Ehre ist, nicht? Ich weiß es nicht, ich kenne nicht so viele davon. Es ist eine Weile her, dass sie bis zu uns persönlich kamen.“
    Nur, weil man mit Rom verbündet war und auch mit ihnen kämpfte hieß das ja nicht, dass ständig und überall Römer waren, die einen besuchten. Und wenn einer kam, wollte der ohnehin zu Rodewini und Elfleda hatte damit nichts zu tun. Auch wenn sie Latein zumindest bruchstückhaft reden konnte. Hier und da fehlte doch einmal ein Wort, aber so wichtig war das bislang nicht gewesen.

    Zwar lachte Elfleda nicht, aber sie musste bei dem Namen doch kurz schmunzeln. Nicht jeder benannte sein Pferd nach dem Boten der Götter, der die Helden begrüßte. Aber sie hörte in Landos Stimme, dass er große Zuneigung für das Tier empfand und sehr ernst meinte, was er sagte. Das war nicht bloß Aufschneiderei, um sie damit zu beeindrucken. Abgesehen davon, dass sie auch kein kleines Dummchen war, dass sich naiv schon allein von der Erwähnung großer Gefahren beeindrucken ließ.
    Sie streichelte weiter dem Tier übers Fell und kraulte leicht am Hals entlang, um die Blutzirkulation dadurch anzuregen. Sie wusste, Pferde mochten das recht gerne, vor allem im Winter, wenn es doch recht kalt war und diese sanfte Berührung etwas mehr Wärme brachte.
    “Ich kann reiten. Aber es ergibt sich nicht mehr allzu oft eine Gelegenheit dazu. Früher war ich mit meinem Bruder Arndt öfter reiten, aber nach seinem Tod hab ich niemanden mehr, der mich für einen bloßen Ausflug begleiten will. Und allein reite ich nicht aus.“
    Allein als Frau bei nicht gerade wenig Feinden wäre auch nicht nur verrückt, sondern geradezu selbstmörderisch gewesen. Zwar war die Umgebung des Dorfes eigentlich sehr sicher, so nahe kam eigentlich kein Gegner ihres Stammes oder speziell ihrer Sippe, aber man musste es ja nicht herausfordern. Und auch, wenn sie zur Not verstand, sich mit der Waffe zu wehren – wenigstens ein bisschen – musste sie das nicht unbedingt prüfen.
    Sie hatte ehrlich geantwortet, denn immerhin nützte es nichts, sich zu verstellen, wenn sie beide noch eine ganze Weile miteinander auskommen würden müssen. Sie schaute ihm wieder in die Augen, um herauszufinden, ob es ihn störte, dass sie reiten konnte. Für sie war es eigentlich eher normal, die Fähigkeit dazu zu haben. Nicht reiten zu können wäre für sie eher unverständlich, brachte es doch auch viele Nachteile mit sich, so dass man zur Not auch nirgends helfen konnte, nur weil man mit einem Pferd nicht umzugehen wusste.
    “Allerdings ist meine Stute bei weitem nicht so groß und kräftig und mittlerweile auch schon recht alt. Und durch Gefahren musste sie mich auch niemals tragen.
    Und wie willst du es halten mit dem Reiten?“

    Das wäre jetzt etwas, bei dem Elfleda durchaus nachzugeben bereit wäre, wenn er nicht wollen würde, dass sie ritt. So wichtig war es ihr nicht. Und es wäre schon mal gut zu wissen, was er sich da so dachte, um sich eventuell darauf vorbereiten zu können. Auch wenn ihr Blick das nicht zeigte, der war eher neugierig und forschend.

    Elfledas Gesicht erhellte sich nicht nur, es strahlte, als Lando meinte, es gäbe dann etwas zu feiern. Sie war schon fast versucht, vor Freude zu tanzen und zu jubeln. Endlich! Sie würde also doch vor Elke heiraten! Hah!
    Sie versuchte, ihr Lächeln zurückzudrängen und verfolgte Landos Blick, wie er sie musterte. Wenn er schon dabei war, ließ sie ihren Blick auch einmal kurz über ihn gleiten. Nur, weil sie bei ihrer eigenen Hochzeit eigentlich nicht mitzureden hatte, hieß das ja nicht, dass sie sich keine Meinung über ihren zukünftigen Mann bilden durfte. Und er gefiel ihr wohl. Ja, er gefiel ihr sogar durchaus sehr.
    Bei seinem Kompliment kehrte das Lächeln wieder in ihr Antlitz zurück und blieb dort auch erst einmal. Wunderschön fand er sie? Sollte sie eigentlich bei ihrem Namen auch sein, bedeutete er doch nicht weniger als elfenschön. Auch wenn das eher darauf zurückzuführen war, dass sie zu dem Zeitpunkt, als es daran war, ihr einen Namen zu geben, sehr zierlich gewesen war, und weniger mit ihrer jetzigen Erscheinung zu tun hatte.
    “Danke. Du bist auch sehr stattlich.“ Männer waren nicht schön, selbst wenn sie es waren. Aber Lando gefiel ihr wirklich, und sie ließ noch einmal kurz den Blick an ihm auf und abgleiten. Wo sie doch jetzt ohne Wachhund war, der ihren Blick missbilligen könnte.
    Sie trat näher zu Lando, auf die andere Seite seines Pferdes, und streichelte über das winterdicke Fell des Tieres an seinem Hals und seinem Rücken. Das Pferd ruckte bei der Berührung kurz mit dem Kopf, und Elfleda schaute einen Moment aufmerksam, ob sie sich in Sicherheit bringen musste. Manche Pferde schnappten und traten bei Fremden, aber der hier wollte damit wohl nur sagen, dass er sie bemerkt und im Blick hatte. Sie klopfte ihm auf den Hals und sah dann wieder zu Lando.
    “Ein schönes Tier. Sehr kräftig.“
    Soviel Ahnung von Pferden hatte sie ja nun auch nicht, dass sie ernsthaft darüber fachsimpeln wollte. Aber sie wollte sich noch ein wenig mit ihrem Zukünftigen unterhalten, soviel Gelegenheit würden sie dazu nicht mehr in absehbarer Zeit haben, so ganz allein miteinander zu sein.

    Nach der kurzen Vorstellung und nachdem Sarwolf mit Lando und Phelan nach draußen gegangen war, hatte sich Elfleda wieder aufgeregt zu Elke gesellt. Die beiden Cousinen bedienten sich einer nonverbalen Art der Kommunikation – man könnte auch sagen, sie grinsten und quietschten dabei – um ihre Freude auszudrücken und machten sich dann daran, die Neuigkeiten ausführlich mit den anderen Mädchen zu erörtern. Elfleda hörte nur mit halben Ohr hin, viel lieber hätte sie nun den Verhandlungen beigewohnt und gehört, was dabei nun herauskam. Nicht unbedingt, dass sie wissen wollte, für wie viel sie nun verkauft wurde, denn nichts anderes war das im Grunde genommen, sondern eher um auch sicher zu wissen, dass es wirklich wahr war und passieren würde.
    Schließlich hielt sie das Geschwätz nicht mehr so wirklich aus, sie war zu nervös und die Umgebung im Langhaus schien ihr zu stickig. Sie entschuldigte sich von ihren Cousinen, um sich draußen ein wenig die Beine zu vertreten und überließ die Hühner ihrem Gegacker. Sie überlegte, ob sie rein zufällig in der Näher ihres Vaters vorbeischlendern sollte, entschied sich dann aber dagegen. Da wäre er sicher böse. Statt dessen ging sie mehr in die andere Richtung, mehr zu den Gesindehäusern, um nicht noch in Versuchung zu kommen, doch zu lauschen zu versuchen. Die Verhandlungen würden ja sicher noch eine Weile dauern.
    Sie packte den Mantel, der um ihre Schultern lag und mit einer dicken Fibel vor ihrer Brust zusammengehalten wurde, kurz fester, als sie in die winterkalte Luft hinaustrat. Ihr Atem dampfte ein wenig, und einen Moment blieb sie einfach stehen und beobachtete die weißen Dampfwölkchen. Erst dann ging sie gedankenverloren los und staunte nicht schlecht, als sie nach ein paar Schritten die Pferde der Gäste draußen stehen sah und jemanden, der hinter dem großen Hengst stand und gerade die Hufe untersuchte. Na, ob das den Amisvariern so recht war, wenn ihre Pferde hier draußen standen und befingert wurden? Sie glaubte zwar nicht, dass irgendjemand hier den Tieren etwas tun würde, aber trotzdem machte sie das stutzig.
    Sie ging energischen Schrittes näher an denjenigen, der sich so geschickt hinter dem Pferd versteckte, dass sie gar nicht sehen konnte, wer das war. Sonst hätte sie wohl einfach gerufen, aber für „He, du da“ fühlte sie sich grade nicht in Stimmung. Dafür war sie doch zu gut aufgelegt, trotz aller Anspannung. Sie lief also zügig und stolperte beinahe, als der Unbekannte sich aufrichtete und sie Lando erkannte. Der Hüpfer, den sie dabei vollführte, sah wohl etwas ungeschickt aus, und sie überspielte es mit einem kleinen Lächeln und einem Schulterzucken. “Eis unterm Schnee“, war die knappe Ausrede, die ihr als erstes eingefallen war. Langsamer kam sie näher an den großen Mann und die beiden Pferde heran und schaute dabei irgendwo zwischen fragend und skeptisch.
    “So schnell schon fertig mit verhandeln?“
    Das konnte sie sich eigentlich gar nicht vorstellen. Hatten sie so schnell abgebrochen? Ihr Vater konnte manchmal ein ganz schöner Sturkopf sein, und dann war es besser, ihm erstmal aus dem Weg zu gehen. Aber das konnte Lando ja nicht wissen. Eine andere Angst beschlich sie, weil er so bei den Pferden stand. Er wollte doch nicht schon abreisen?! Das wäre wirklich eine Katastrophe, ihr erst die Hoffnung zu geben, endlich verheiratet zu werden, und dann über die Munt so zu streiten, dass alles wieder verworfen wurde. Ihr Blick wurde noch ein klein wenig skeptischer.

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    Jetzt musste Sarwolf noch einmal stutzen. Er hatte gedacht, dass Lando ihn wieder etwas runterhandeln würde, waren seine Forderungen doch wirklich sehr hoch gegriffen. Aber da sagte der Herute nur kurz „Abgemacht“, und damit war es eben das. Smilla und er sahen sich nur einen Moment an. Sie waren eben sehr reich geworden, obwohl das gar nicht so geplant war, und sie beide waren eigentlich nur kurz sprachlos.
    Allerdings konnte Sarwolf das so natürlich nicht zeigen. Schließlich musste er weiterhin Stärke zeigen, auch wenn Lando einem das gar nicht einfach machte. Auf seine Frage also überlegte er nur kurz, aber mehr, was er sagen sollte als daran, ob Lando noch etwas für sie tun konnte.
    “Dann bekräftigen wir das doch mit einem Opfer. Dein Vetter ist doch Priester. Willst du das Opfer an Frigg leiten, junger Phelan?“
    Die letzten Worte richtete Sarwolf direkt an den jungen Duccier, der sonst bislang so wenig sagen konnte. Fehlte eigentlich nur noch das, auch wenn das ein wenig Vorbereitungszeit brauchen würde, und ein Termin für die Hochzeit. Sarwolf hätte ja nicht gedacht, dass das so schnell ginge, er hätte eher gedacht, dass sie den ganzen Tag über würden verhandeln müssen. Rodewini hatte noch gemeint, Lando könne sich ein wenig zieren, aber im Moment erschien es Sarwolf eher, als könne er es gar nicht erwarten, verheiratet zu werden.

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    Da hatte Sarwolf sich wohl geirrt, was Lando anging. Für den Preis konnte er das halbe Dorf hier kaufen, und er bot das in der ersten Verhandlungsrunde für eine einzige Frau. Also, entweder wollte Lando demonstrieren, dass seine Sippe nicht weniger reich – ja sogar reicher, wie es schien – war wie die von Rodewini, oder er hatte die Verhandlungen um den Muntschatz falsch verstanden. Oder Elfleda hatte ihn mit ihrer kurzen Begrüßung vollkommen verzaubert. Während seine Frau also einmal kurz hörbar nach Luft schnappte, weil dieses Angebot doch schon sehr großzügig war, zögerte Sarwolf kurz. Das Angebot war eigentlich mehr, als er als Gesamtpreis erwartet hätte, aber er konnte ja schlecht gleich sagen, dass das so in Ordnung gehe. Schon allein der Anstand verlangte, dass er noch ein wenig mehr herauszuholen versuchte. Wenn er auch nicht wusste, wie er das noch hochhandeln sollte, ohne als gierig zu gelten.


    “Das ist ein großzügiges Angebot. Das mit dem Bürgerrecht ist uns bewusst, aber wir sind aufrechte Germanen, wenn du ihr also die Rechte zugestehst, die sie nach unserem Recht hat, übergeb ich sie in deine Hände.“
    Da seine Tochter mit der Hochzeit ohnehin in seine Sippe nach ihrem Recht mit überging, war es auch kein Problem, das mit den Händen auch durchaus nach römischem Recht wörtlich zu nehmen. Solange sie beide wussten, nach wessen Recht sie sich in erster Linie hielten, und darüber Einigkeit herrschte.
    “Beim Muntschatz… sagen wir vier Pferde. Zwei Stuten, zwei Hengste. Und drei Lagen Grobkeramik, anstatt zwei.“
    Seine Frau stupste ihn kurz an und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ihr Gesichtsausdruck verriet aber, dass sie vom ersten Angebot noch völlig überrascht war.
    “Und zwei Ballen gut gewebter Stoff.“ Ein kurzer Blick zu seiner Frau, die wohl zufrieden war. Was auch immer sie mit dem vielen Stoff schneidern wollte.
    “Der Rest kann so bleiben.“
    Er wollte ja nicht völlig gierig wirken. Für den Preis hätte Lando wirklich jede Frau im Dorf wohl kaufen können. Sarwolf wusste immer noch nicht so recht, ob er da stolz auf seine Tochter sein sollte, oder was er von dieser Sache halten sollte.