Beiträge von Duccia Elva

    [Blockierte Grafik: http://img196.imageshack.us/img196/1508/landulfjung.jpg]


    Naha war ja so gemein! Sowas gemeines gab es sonst gar nicht auf der ganzen weiten Welt! Er wollte doch gar nicht bei ihr sein, er wollte doch nur ein paar Schritte weiter, dort drüben zu Gundheri und da mit ihm [strike]spielen[/strike] Abenteuer erleben! Und sie hielt ihn die ganze Zeit fest. Und zwar voll fest! Er versuchte, sich loszumachen, aber es ging nichts. Selbst, als er loskrakeelte und weinte, ließ seine doofe Schwester ihn einfach nicht los. Das war so gemein! Warum war sie nur älter als er? Wenn er ihr großer Bruder wäre, er wär viel liebererer! Außer, sie ärgerte ihn, wie jetzt, dann würde er sie so packen und nicht loslassen!


    Und wie große Schwestern das immer machten, sie machten es schlimmer. Sie zerrte ihn einfach NOCH WEITER von seinem Freund weg und drückte ihn irgendwem in die Hand. Der ihn dann auch gleich weiter festhielt und nicht losließ! Und ihn dann auch gleich irgendwas fragte, was Landulf zwar verstand, wo er aber nicht drauf antworten konnte. “Jaaaaahaaahaa“ kam zwar in breitestem Germanisch die Antwort auf die Frage, ob er verstehen würde, aber der Mann hörte es wohl nicht so wirklich heraus. Und dann zog er Landulf auch gleich NOCH WEITER von seinem Freund weg, zu irgendeiner Frau, die Landulf auch nicht kannte! Erwachsene waren mindestens genauso doof wie seine Schwester! Alle außer Mama und Onkel Witjon auf jeden Fall!

    Das hatte er jetzt nicht wirklich getan? Entgeistert sah Elfleda einen Moment zu Witjon, als dieser sich von ihr freimachte und mit Hadamar beiseite ging. Das hatte er jetzt nicht wirklich getan! Auf einem öffentlichen Fest, wo jeder sie sehen konnte, hatte er nicht wirklich Elfleda so stehen gelassen!
    War das der Dank für alles, was sie getan hatte? Nach Landos Tod war SIE es gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass alles weiter ging. Sie war es gewesen, die diejenigen, die unter Eid standen, an ihre Pflichten erinnert hatte. Sie war es gewesen, die Stärke demonstriert hatte und die wichtigen Anweisungen gegeben hatte. Witjon hatte sich besoffen und zurückgezogen, vollkommen überfordert. Sie hatte ihn wieder gerade gerückt und auf den weg gebracht, ihn an seine Pflichten erinnert, an seine Termine, ihn hergerichtet, damit er wie ein Fürst aussah. Nicht nur einmal hatte sie ihn vom Boden aufgekratzt und verarztet. Und jetzt stellte er sie in aller Öffentlichkeit bloß?


    Sie hatte sich zu gut unter Kontrolle, um ihr Lächeln zu verlieren, aber in ihr tobte es. Bitte, ganz wie er wollte. Einige Dinge waren ihr im Lauf der Zeit, die sie nun nach Landos Tod geblieben war, wohl nicht klar geworden. Aber jetzt im Moment entfaltete sich das ganze Ausmaß ihres Irrtums vor ihren Augen. All die Anstrengungen, die sie unternommen hatte, all die Energie, die sie investiert hatte, waren letzten Endes offenbar nutzlos gewesen. Sie hatte sich ausnehmen lassen. Gut, aber das ließ sich ändern.
    Noch immer lächelnd schlenderte sie los, Ortwini vollkommen ignorierend, an Witjon und Hadamar vorbei. Im Gehen streifte sie ganz kurz den Vetter ihres Mannes. “Ganz wie du willst.“ Mehr sagte sie nicht, ehe sie weiter ging und nach wenigen Schritten in der Menge auch verschwunden war. Heute würde Witjon sie nicht mehr zu Gesicht bekommen.

    Der Bursche war schnell. So schnell hatte Elfleda ihn gar nicht zurück erwartet. Aber wo er schonmal hier war und förmlich um arbeit bettelte, wollte sie uach dieses Mal nicht so sein.


    "Man könnte fast meinen, du hast dich beeilt, wieder hierher zu kommen", meinte sie neckisch und überreichte ihm die Schreiben nach Italia. Darunter auch das von Witjon.




    Ad:
    Tiberia Arvinia
    Villa Tiberia
    Roma


    Salve verehrte Tiberia,


    mein Name ist Numerius Duccius Marsus, bescheidener Eques Imperii. Ich bin kürzlich auf Ackerland aufmerksam geworden, das sich in deinem Eigentum befindet. Das Land liegt in der Nähe des duccischen Familienbesitzes bei Mogontiacum. Ich möchte dieses Land gerne von dir erwerben. Ich bin mir sicher, dass wir über einen Handel übereinkommen können.



    In freudiger Erwartung deiner Antwort verbleibe ich mit den besten Wünschen und freundlichem Gruße aus dem hohen Norden.



    Die Götter ewig mit dir und deiner stets geehrten Gens




    [Blockierte Grafik: http://img192.imageshack.us/img192/7356/sigmarsus.png]
    _________________________________________________________
    Numerius Duccius Marsus
    Casa Duccia - Mogontiacum - Germania Sup.


    [Blockierte Grafik: http://www.kulueke.net/pics/ir/wappenduccia/siegelgruen.png]

    Mürrisch hatte Naha getan, was ihr aufgetragen war, und war ihrem Bruder hinterhergegangen. Elfleda sah ihr noch nach, bis die Menge sie geschluckt hatte. Sie war sicher keine überängstliche Mutter, allerdings beschlich sie doch manchmal ein kleiner Zweifel, wenn die beiden einfach so irgendwo im Getümmel abtauchten. Vornehmlich, weil die beiden meistens mit einer wütend dreinschauenden Begleitung wieder zurückkamen, die mit säuerlichem Gesichtsausdruck zu fragen pflegte, ob das ihre Kinder seien. Und der Hälfte musste dann erstmal ins Gedächtnis gerufen werden, wer sie, Elfleda, war, und ob die Art der Fragestellung daher angemessen sei.


    Aber heute sollte erst einmal Jul gefeiert werden. Und es wurde auch gefeiert, mit viel heißem Met. Ortwini, ein Freund Witjons, kam herbei und stieß mit diesem an, ehe er Elfleda bemerkte. Fast ein wenig ärgerlich, weil er sie erst so spät wahrgenommen hatte, begegnete sie seinem blumigen Kompliment mit einem Lächeln und klaute ihm frech seinen Becher. “Lass den Mann reden, Witjon, endlich mal jemand, der weiß, wie man mit einer Frau zu sprechen hat.“ Ein kleiner Seitwärtsblick an den Herrn an ihrer Seite, und sie nahm einen Schluck von dem frisch entführten Met. Ein bisschen kräftig für ihren Geschmack, aber er wärmte gut. Und die Nacht heute würde noch lang und wohl auch kalt werden. Gut, dass die Kinder, wenn auch sehr widerwillig, schon vorgeschlafen hatten. Alle drei – Audaod war da keinen Deut besser als Naha und Landulf – hatten erklärt, sie seien zu groß für einen Mittagsschlaf. Geschlafen hatten sie dennoch wie drei kleine Bären, sobald sie eingekuschelt waren und die Läden das Licht aus den Zimmern schlossen.
    “Ortwini Siguhelmssohn, wie kommt es, dass man dich hier ganz allein antrifft. Hat dir noch niemand die Ohren langgezogen und dich dazu gebracht, mal ein schönes Mädel zu heiraten?“ Dass er dem einen oder anderen durchaus nachstieg, hatte Elfleda durchaus gehört. Da war die neckische frage durchaus gestattet.


    Doch ehe das Gespräch so richtig losging, trat noch jemand zu ihrer kleinen Gruppe. Elfleda kannte den Burschen, er war auch aus der Sippe. Das war... der Sohn von... verdammt. Vergessen. Oder, hah, nein, Sigmar! Das war Sigmars Junge. Seine Mutter stand auch gleich einem lauernden Falken einige Schritte weiter und beobachtete ihren Spross. Irgendwas war da im Busch. Was hieß, dass Elfleda jetzt ganz sicher nicht dezent den Abgang machte, um Witjon nun in Ruhe reden zu lassen. Bis sie ihn dann wieder gefragt hatte, das verzögerte die Angelegenheit nur unnötig. Vor allem vergaß Witjon gern nicht unessentielle Kleinigkeiten. Und schließlich sah sie es absolut nicht ein, einfach beiseite zu treten und ihm das Feld zu überlassen. Sie war eine Fürstentochter, sie hatte genug Geld, um halb Mogontiacum zu kaufen. Da konnte sie schon mal ihre Stellung ein wenig festigen. Oder klar machen, welche sie besaß. Auch dem elenden Mannsvolk der eigenen Sippe.
    “Hadamar. Schön, dich zu sehen. Was gibt es denn?“ Die Frage war unschuldig gestellt, wenngleich sie genau das nicht war. Und um noch ein wenig ihre Haltung zu unterstützen, hakte sich ihre Hand wie zufällig in just diesem Moment bei Witjon unter.

    Es war kalt. Es war sogar richtig kalt. Und es hatte geschneit. Abgesehen von den mit Schaufeln und Muskelkraft geräumten Wegen lag sicher überall eine mehrere Hand hohe Schicht weißer Pracht und brachte jeden Vorsatz, etwas zu tun, damit zum erliegen. Was allerdings auch nicht weiter schlimm war, denn nach heute folgten die Rauhenächte, in denen es ohnehin schlimmes Unheil verhieß, etwas zu arbeiten. Es war die Zeit der Toten wie der Lebenden, eine Zeit der Nornen, Disen und Ahnen ebenso wie der Geschenke, der Lichts und der Geburt.


    Elfleda liebte Jul. Heute war die längste Nacht des Jahres, und sie würden sie gemeinsam wachend verbringen, sich Geschichten anhören, lachen. Auch wenn sie nicht der häusliche Typ war, sie hätte nichts gegen ein etwas weniger öffentliches Julfest dieses Jahr gehabt. Andererseits war es eine hervorragende Gelegenheit, sich zu zeigen. Vor allem: Sich der Stadt zu zeigen. Es wurde zunehmend wichtiger, Präsenz zu zeigen und den eigenen Status zu erhalten. Vor allem in Hinblick auf die Zukunft. Ihre Kinder wuchsen, und bald schon würden Elfledas Bemühungen mehr in die Richtung gehen, die den beiden ihre Stellung in der Stadt sicherte, auch wenn sie noch zu klein dafür waren. Doch wenn sie eines von Rodewini gelernt hatte, dann das, dass kein Kind zu klein und zu unschuldig war, um in politische Überlegungen mit einbezogen zu werden – und auch, um angeleitet zu werden, diese zu verstehen.
    Und so war sie hier im Kreise ihrer Familie zum großen Julfeuer gekommen. Zuhause hatten sie schon das Unglück hinausgejagt und das Glück willkommen geheißen, wie es Brauchtum war, nun folgte der spaßigere Teil. Es würde viel gefeiert und erzählt werden – auch wenn es hier unter freiem Himmel etwas wilder war als zuhause im Kaminzimmer.


    Doch kaum waren sie angekommen und gerade, als Elfleda erhaben die eine oder andere Honoration der Stadt begrüßen wollte, flitzte Landulf mit einem “Bin gleich wieder da, Mama“ auf und davon und war zwischen den Menschen verschwunden. War das noch eine ruhige Zeit, als er weder laufen noch sprechen, geschweige denn mit blutenden Knien wieder zurück nach Hause kommen konnte. Elfleda wollte noch etwas sagen, aber er war schon weg. Ganz der Vater! “Naha, kannst du bitte ein bisschen auf deinen Bruder aufpassen, dass der keinen Blödsinn anstellt?“ Naha war zwar auch ganz der Vater – und Elfleda hoffte nur, dass keines ihrer beiden Kinder heute aus Versehen den Marktplatz abfackelte – aber sie war die ältere. Und sie war nicht schnell genug mit ihrem Bruder geflüchtet.

    Stille hatte sich über die Lichtung wie ein Tuch gelegt. Kein Vogelsang, kein Rauschen, kein Wind, nur eine feierliche Ruhe, die zum Anlass des Opfers passen wollte. Selbst die Kinder waren ruhig und ließen sich von der Magie des Ortes tragen. Sogar Landulf, zu klein um wirklich zu verstehen, was vor sich ging, hatte aufgehört, im Laub zu spielen und schaute sich gespannt und neugierig um. Fast schien es, als suche er nach kleinen Elfen und Kobolden. Elfleda erinnerte sich an diese Zeit, als sie noch ganz klein war, und diese Wesen viel realer waren, weniger abstrakt als jetzt. Solange man ganz klein war und nichts wusste, nichts verstand und hinterfragte, da war man dieser Welt viel näher, in jeder Beziehung. Nicht nur, dass die Kinder die Disen und Wichte viel körperlicher erfuhren als die Erwachsenen, sie beschwören konnten, sie zu sehen und zu hören; sie waren auch sehr viel häufiger Opfer dieser unsichtbaren Kräfte, dass die Disen ihren Lebensatem mit sich nahmen, oder sie im Wald verunfallten beim Spielen, weil sie irgendwo hochgeklettert und dann abgestürzt waren.
    Dennoch lächelte Elfleda ganz leicht, als sie sah, wie die drei Kinder sich umschauten, beinahe ehrfürchtig, und das Opfer vollbrachten. Keiner tanzte aus der Reihe, jeder wusste um die Wichtigkeit der Aufgabe. Und jeder machte artig mit. Ja, Elfleda war durchaus zufrieden mit ihrer kleinen Meute.


    “Jetzt...“, antwortete sie auf Audaods Frage in einem Tonfall, der recht selten bei ihr zu hören war: verträumt. “... gehen wir langsam nach Hause und hoffen, dass die Disen sich genauso über das Opfer freuen wie die Wichte bei uns zuhause sich über die Milch. Und heute Abend...“ Beim Sprechen nahm sie Landulf wieder hoch auf den Arm und nahm ihm noch ein paar Blätter aus der Hand, was erst zu einem Quängeln und dann zu einem unwilligen Wimmern bei dem Kleinen führte. Aber sie sollten sich langsam auf den Heimweg machen. “...machen wir im Kaminzimmer ein schönes Feuer und wir überreden Marga, ein paar schön unheimliche Geschichten von den Disen zu erzählen. Was meint ihr? Von Yaga, oder von Holle?“ Einige dieser Geschichten würden noch Jahrtausende später als Märchen den Kindern erzählt werden, immer ein wenig angepasst, ein wenig verändert und an die Gegebenheiten der Zeit angepasst. Aber wer würde schon denken, dass man aus einer großen Schicksalsmacht der Winterzeit einmal eine Frau Holle machen würde, die den Schnee brachte, oder aus der weisen Frau der Wälder eine Baba Yaga, eine mächtige (und oft bösartige) Hexe?


    Ein Eichhörnchen kam langsam näher, blieb aber in sicherer Entfernung zu den Menschen. Vor allem im Winter, wenn es wenig anderes gab, gab es durchaus einige Jäger, die auch mal ein Eichhörnchen erlegten, um es auf dem Feuer zu rösten und zu essen. Und Jahrhunderte, bevor Zobel ein Zeichen für Herrschaft war, und Jahrtausende vor Nerz, war das rote Fell der Eichhörnchen Material für viele Herrschaftsmäntel, eben weil es viel Arbeit war, daraus einen Mantel herzustellen, und der Rest des Tieres zum verzehr eher weniger geeignet. Es schmeckte furchtbar.
    Aber es gab noch etwas anderes, für das Eichhörnchen standen, und weswegen Elfleda leicht traurig lächelte, als sie es sah. Sie liefen den Weltenbaum rauf und runter, verbreiteten Gerüchte, stifteten keckernd Streit. Mit ihrem roten Fell waren sie Geschöpfe Lokis, des Listigen, des Tricksers. Des Chaoten, der ihrem Mann seinen Namen geliehen hatte. Sie sah das kleine Wesen einen Moment noch an, ehe sie Landulf auf ihrem arm zurechtrückte.
    “Also, lasst uns heimgehen.“

    Elfleda musste lachen. Ganz offensichtlich hatte dieser Mann keine Ahnung, wen er vor sich hatte. Aber das machte nichts, ein wenig spielen war einmal schön. Auch die weiblichen Künste des Um-den-Finger-wickelns wollten geschult und trainiert werden.


    “Na, vielleicht kannst du das. Wir werden sehen.“ Sie neigte sich ihm diese winzige Kleinigkeit entgegen, die man als gemein durchaus betiteln konnte, und grinste ihn genauso süffisant an, wie er sie. Sie blieb so einen kleinen Moment ehe sie sich von ihm abwandte und mit gekonntem, nicht übertriebenem Hüftschwung wieder zurück zu ihrem Schreibtisch und ihrem Stuhl ging. Sie drehte ihren Kopf nur halb, als sie meinte: “Dann vale, Tabellarius. Verlauf dich nicht.“

    “Heilsa... Kamerad.“ Elfleda tauschte ein breites Grinsen mit Canina, mit dem sie sich mittlerweile gut zusammengerauft hatte. Man könnte auch sagen, er hatte akzeptiert, gegen sie nicht anargumentieren zu können. Erst danach stand sie auf und ging zum Tabellarius hinüber. Der Bursche schien ja voller Tatendrang. Und als 'Kamerad' wurde frau ja schließlich nicht alle Tage begrüßt.
    “Nun, wenn du förmlich so um Arbeit bettelst... Hier haben wir drei... vier... fünf Tafeln, die nach Mantua müssen, hier zwei nach Pisae, einmal Ravenna, einmal Arretium, und die drei hier nach Roma.“


    Sie gab ihm nach und nach einige Tafeln und Schriftrollen an, unter welchen sich auch der Brief von Quintilius Valerian befand:



    Ad
    Sp. Purgitius Macer
    Kommandeur der Academia Militaris
    Academia Militaris
    Roma
    Italia



    Salve Senator Purgitius,


    hab Dank für die Nachricht. Ich sage hiermit meine Teilnahme an der mündlichen Prüfung zum Examen Tertium zu. Die Erlaubnis meines Kommandeurs habe ich bereits erhalten, ich werde so bald wie möglich nach Rom aufbrechen. Ich werde mich bei der Academia melden, sobald ich in Rom eingetroffen bin.


    Vale,


    Lucius Quintilius Valerian




    Dabei wurde Elfledas Lächeln immer breiter, je beladener der arme Tabellarius wurde. “Soll ja keiner sagen, wir hätten nicht genug Arbeit für unsere Tabelarii.“


    Sim-Off:

    Ich verlass mich dann mal auf deine Zustellung :D

    Kurz lächelte Elfleda Witjon zu, als er die Erklärung übernahm. Ja, die Disen sah man nicht, nur ihr Wirken. Am Eindringlichsten, wenn sie einen Menschen verließen und damit jeden Hauch von Leben mit sich nahmen. Ein Grund mehr, sie milde zu stimmen, auf dass sie als helfende Geister einen lange bei Gesundheit hielten und nicht entschwanden.
    Und Audaod war auch ansprechend beeindruckt und wollte, dass jetzt geopfert würde. Und das kam der Mattiakerin genau entgegen, denn solange die Kinder da aufmerksam wären und mitmachen wollten, war alles perfekt. So musste sie schon nicht schimpfen und irgendwie Ordnung in diesen Bündel junger Katzen hineinzubringen versuchen.


    Elfleda stand also mit einem Lächeln auf und hielt Witjon den ausgestreckten Arm entgegen. Immerhin trug er alles, was geopfert werden sollte, bei sich. “Gut, und ihr drei, helft mir. Naha, magst du gleich die Milch opfern? Und Audaod, du das Brot? Ja? Und du Landulf, passt auf, dass alle alles richtig machen.“ Letzterer zumindest verstand wohl ohnehin nicht, aber er hörte seinen Namen und grinste seine Mama an, bevor seine Aufmerksamkeit vom raschelnden Laub gefangen wurde. Das war gerade so spannend, dass Elfleda hoffte, dass es ihn lange genug ablenkte.
    Sie ließ sich von Witjon also auf dem mitgebrachten Beutel alles anreichen. Als erstes gab er ihr den Schlauch mit Rahm, den Elfleda an Naha weiterreichte. Danach das Brot, das sie Audaod in die Hand drückte. Sicher, ein Opfer war eine ernste Angelegenheit. Aber die Kinder hatten schon zig Mal zugesehen, sie wussten, wie ernst es war, und dass Elfleda wie ein Donnerwetter unter sie fahren würde, sollten sie daran denken, das ganze nicht mit der nötigen Ehrfurcht zu behandeln.
    Als alle schließlich soweit versorgt waren, konnte es auch losgehen. Elfleda sah noch einmal zwischen allen umher – Landulf spielte gerade mit Begeisterung mit zwei Händen voller Laub – und trat dann zum Stein. Ihr Blick richtete sich auf den Baum, der wie ein lebendiges Monument der Ewigkeit in den Himmel ragte.
    “Kleines Volk, die ihr im Verborgenen wirkt und lebt! Geister der Erde, die ihr uns Kraft gebt! Hört uns an! Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende. Ein Jahr, für das euch unser Dank gebührt. Eine reiche Ernte ist gewachsen, die uns durch die kalte Jahreszeit bringen wird.
    Disen, weise Frauen, die ihr das Leben gebt und mit euch nehmt, helfende Geister, die ihr alles bewahrt. Wir danken Euch für dieses Jahr. Für die vielen kleinen Dinge, die im Verborgenen stattfanden, für das Wachsen des Getreides, für das Wachsen der Kinder, für jeden guten Tag. Jetzt, da der Winter naht und ihr euch mit allen Dingen schlafen legt, bringen wir euch unseren Dank, und bitten darum, dass ihr das nächste Jahr so fruchtbar sein lasst wie das vergangene. Seid milde zu uns in diesem Winter, und erweckt im Frühjahr alles zu neuem Leben. Wir bringen euch gutes, frisches Brot, gebacken aus dem letzten Korn des Jahres, und den süßen Rahm der Milch, wie es Tradition ist. So war es, und so soll es immer sein.“

    Sie gab Audaod einen kleinen Wink, er solle das Brot auf den Stein legen. Dann nahm sie Naha hoch. Zwar würde Witjon sie viel leichter hochheben, denn mit ihren vier Jahren wurde Naha doch langsam schwer. Aber Elfleda wollte jetzt kein Theater, und aus irgendeinem Grund machte Naha bei Witjon immer Theater. So also nahm sie sie hoch, damit sie die Milch über den Stein in eine kleine Mulde gießen konnte, damit das Opfer vollzogen wurde.

    Mit ein wenig gemischten Gefühlen sah Elfleda Audaod dabei zu, wie er die Luft um sich herum verdrosch. Sicher war sie dafür, dass die Kinder allesamt möglichst bald groß, stark und auf das Leben vorbereitet wären. Und dennoch verging die Zeit so schnell. Sie konnte sich noch an Audaods Geburt erinnern, wie schwer sie Callista gefallen war und wie die Mutter dabei schließlich gestorben war. Und jetzt war der Knirps schon vier Jahre alt, wie Naha. Selbst Landulf konnte schon laufen. Und sie selbst wurde auch nicht jünger.
    Sie merkte, wie Witjon sie anstrahlte, nachdem sein Großer mit dem Stock abzischte und schonmal vorlief. Sie lächelte leicht zurück. Eines der wenigen Male, wo sie lächelte, in letzter Zeit machte sie das nicht allzu oft. Ihre Gedanken waren zu sehr bei dem, was sie tun sollte und was es alles zu bedenken galt. Und nun auch noch, wie sie Witjon von 'seiner' Idee, sie zu heiraten, überzeugen sollte.
    Sie hatte ja versucht, etwas netter zu sein. Zuvorkommender. Und ihn nicht mehr gar so sehr herumzuscheuchen. Aber manchmal ging es einfach nicht anders. Außerdem schaute er immer nur verwirrt, wenn sie ihn mal nicht herumscheuchte. Und überhaupt, er machte nicht, was er sollte. Und Elfleda hatte schon genug andere Sorgen, und wann sie das letzte mal so richtig, also so RICHTIG entspannt war, davon wollte sie lieber gar nicht erst anfangen. Kurzum, sie hatte ihre Taktik rasch verworfen.


    Nun aber war die Situation etwas anders. Freier. Und der Ort, zu dem sie gingen, tat sein übriges dazu.
    Elfleda strich einmal über den rauen Stein, als Nahe ihre Frage stellte. Auch Audaod kam hinzu und hing an ihren Lippen. Wie alle Kinder, wenn es um die Naturgeister und ihre Geschichten ging. Selbst Landulf, der kaum mehr als 'Mama, da!' sagte, wenn er etwas interessant fand, sah sie mit neugierigen Augen an und wartete auf eine Antwort.
    “Die sind schon hier“, meinte sie mit geheimnisvollem Unterton in der Stimme und ließ sich zu ihren Kindern runter in die Hocke. Sie wollte Landulf absetzen in das tiefe, raschelnde Laub, aber der machte mit einem “Äh-äh“ und einem Klammern an ihrem Kleid deutlich, dass er auf ihrem Arm bleiben wollte und sich nicht traute. Also ließ sie ihn einen Moment noch im Arm, streichelte ihn kurz ermutigend, und setzte ihn dann vorsichtig ab. Das gefiel Landulf zwar nicht, aber er wusste, wie wenig Erfolg Gequängel versprach. Elfleda verhätschelte ihre Kinder nur in Maßen.
    “Wir sehen sie nur nicht, weil sie sich vor unseren Blicken verbergen. Sie bleiben in den Schatten, rascheln durch das Laub, wirken im Geheimen.“ Sie ließ einen Moment den Moment und die Atmosphäre wirken, ehe sie ihren Blick von den Kindern zu dem Baum lenkte. “Aber an solchen Orten wie hier, da können wir sie fühlen, wenn wir nur ein bisschen aufpassen. Hier stößt unsere Welt an ihre.“
    Elfleda hatte die Geschichten geliebt, als sie ein Kind war. Selbst die vom Herbst, von der Disenzeit, vom Winter und den Raunächten. Elfleda, die Elfenschöne, selbst in ihrem Namen trug sie diese Kräfte der Natur. “Und deshalb bringen wir ihnen hierher auch unsere Opfergaben. Für die Rumpelwichte, Irrlichter, Feen, und die Disen. Denn den Disen gehört der Herbst. Sie machen, dass die Blätter fallen und die Welt einschläft, und im Frühjahr dann wecken sie wieder alles auf.“ Das war hoffentlich eine kindgerechte Erklärung. Eigentlich kannten die Kinder die Geschichte. Sie waren auch das letzte Jahr mit hier gewesen, aber wie das bei kleinen Kindern war, sie erinnerten sich nicht daran. Ein Jahr war in einem so jungen Leben eine unendlich lange Zeit.

    Die Tagundnachtgleiche war schon lange vorüber, der Herbst hatte alles fest in seinem Griff. Die Ernte war eingefahren und überall begannen die Arbeiten, Haus und Hof winterfest zu machen. Alles Lebende wusste, der Winter nahte. Und er würde so unerbittlich sein wie immer und die strafen, die sich nicht vorbereitet hatten. Die Zeit des Zwielichts war angebrochen.


    Und deshalb war Elfleda heute mit den Kindern hier heraus gekommen. Witjon begleitete sie – Elfleda hatte ihn mit einem knappen “Du kommst mit“ höflichst darum gebeten – und so waren sie zu fünft unterwegs. Sie trug Landulf auf dem Arm. Nahas kleiner Bruder konnte sich mittlerweile an dem ein oder anderen Stuhl schon hochziehen und wenn man ihn an beiden Händen festhielt, laufen, aber Mamas Arm war noch immer der schönste Platz. Naha und Audaod liefen selbst, auch wenn Naha immer wieder eifersüchtig auf ihren kleinen Bruder blickte und selbst wohl zu gerne getragen worden wäre.
    Witjon wiederum durfte immer wieder Audaod tragen – Naha weigerte sich beharrlich, sich von Witjon tragen zu lassen – und natürlich die Opfergaben. Heute morgen hatten sie Brot gebacken, doch nicht wie üblich. Sie hatten gesungen, Marga, Lanthilda und sie selbst, und Naha zum Mitsingen überreden wollen. Die Lieder waren so alt wie die Zeit selbst und für die Elfen und Waldgeister. Immer wieder hatten sie gesungen 'Kein Kümmel ins Brot, der bringt Elfen große Not'. Und sie hatten auch keinen Kümmel hineingetan.


    Danach waren Irrwichte im Haus versorgt worden. Schälchen waren aufgestellt worden und der Boden mit dem obersten Rahm der Milch bedeckt worden. Diese waren verteilt worden, in die Ecken des Hauses, die kleinen Nischen zwischen den Steinen, auf das Gebälk der Decke. Für die Hausgeister und Kobolde, all die kleinen Wesen, die im Dunkeln wirkten.


    Und jetzt waren die Geister der Natur an der Reihe. Daher waren sie hierher gekommen in den Wald. Die Stelle, die sie gesucht hatten, war nicht schwer zu finden. Die Eiche war alt. Sehr alt. Ihre Äste breiteten sich so weit aus, dass um sie herum kein kleinerer Baum stand. Jetzt, wo das Laub gefallen war, sah es aus, als stünde sie inmitten einer Lichtung, auch wenn dies im Sommer anders war. Schon vor Urzeiten hatte jemand hier einen Stein aufgestellt, ein einzelner Monolith, der sich aus dem gefallenen Laub grau erhob. Er reichte Elfleda etwa bis zur Hüfte und war gerade so breit, dass sie ihn noch mit beiden Händen hätte fassen können. Sein Gewicht musste gewaltig sein, und er stand hier schon so lange, dass er wie mit der Erde unter ihm verwachsen schien. Moos wuchs an seiner Seite, nun im Herbst auch fahl und gräulich wirkend. Jeder Mensch mit etwas Verstand spürte, dass dies hier ein Ort der Geister war und diesen so sehr gehörte, dass niemand auch nur daran denken konnte, daran etwas zu ändern. Zumindest kein Germane mit Augen und Ohren.


    Elfleda trat zu dem Stein und ließ ihre Hand kurz darauf ruhen. Landulf war das ganze etwas unheimlich und er fing auf ihrem Arm an, zu quängeln. Mit einem leisen Summen brachte sie ihn aber zur Ruhe, und den Kopf sicher an ihrer Schulter bergend besah er sich die hersttote Umgebung.

    Das war es also. Ihr neues Reich! Ein schöner, luftiger Raum, ein großer Schreibtisch, ein bequemer Stuhl. Ein bisschen viel Stein rundherum, ein bisschen zu sachlich tot alles, aber: Es war IHR Reich. Zumindest fast, denn da gab es ja noch einen Untergebenen, der von seinem Glück noch nichts wusste.


    “Also, bislang habe ich ja, versucht, alle Listen weitestmöglich fortzuführen und vor allem die Wertkartenguthaben immer aktuell zur Hand zu haben. Ich denke, ich werde dir...“ Sextus Matius Canina war wieder aus Borbetomagnus zurückgekehrt. Nachdem seine Geschäfte in seiner alten Heimat nicht so gut gelaufen waren, hatte er sich wieder zurückbesonnen und war nach Mogontiacum zurückgekommen. Und hatte auch prompt gleich wieder seine alte Stelle beim Cursus Publicus zurückerhalten, immerhin war er schon eingearbeitet, und nach Landos Tod brauchte es dringend jemanden, der die Übersicht behielt.
    Doch Elfleda hielt sich mit solchen Kleinigkeiten wie Amtsjahren nicht lange auf. Der Matier war ein Niemand ohne Einfluss, zwar ein Kollege ihres verstorbenen Mannes, aber dennoch niemand, vor dem sie zu kuschen gedachte. “Es ist kalt, findest du nicht? Du könntest uns vielleicht etwas Warmes zum Trinken organisieren und ein wenig Holz nachlegen. Hier friert man ja.“ Elfleda unterbrach ihn mitten in seinen Ausführungen und setzte sich auf den ihrer Ansicht nach schöneren der beiden Stühle, rückte ein wenig die Wachstafeln zurecht und besah sich ihr kleines Reich. Erst nach ein paar Momenten sah sie auf und blickte in ein überaus verdutztes Gesicht. “Den Mund würde ich zumachen, das sieht albern aus.“
    Canina erwachte aus seiner Starre, die ihn eben befallen hatte, und er holte kurz Luft, um etwas zu sagen. Aber es bedurfte eines zweiten Versuchen. “Nun, als Dienstältester hier habe ich natürlich die Verantwortung, und daher denke ich, teilen wir...“
    Ach, Papperlapapp. Du warst vier Jahre lang in Borbetomagnus und hast hier wieder Fuß gefasst, weil meine Sippe dir geholfen hat. Lando hat dich sehr gern gehabt. Und ich denke, ich werde dich auch gern haben. Sofern du dich nun einmal entspannst, dich setzt, und wir gemeinsam mal sehen können, wer von uns welche Aufgabe übernimmt.“ Elfleda hatte mitnichten vor, so zu tun, als hätte sie keine Ahnung und würde Anweisung von einem ach so großen und starken Mann benötigen. Wenn der Matier aber mehr Gehirnschmalz bewies und sie wie eine Gleichgestellte behandelte, würden sie prima miteinander auskommen.
    “Ich konnts ja nicht glauben, aber er hatte recht...“, murmelte Canina ein klein wenig hilflos. Er sah noch einmal recht fassungslos zu seiner neuen Kollegin, dann setzte er sich hin. Elfleda hingegen überging den Kommentar und fragte auch nicht, womit werauchimmer recht hatte. Sie konnte es sich schon denken.
    “Gut. Dann Canina, erzähl mir doch mal von den eben erwähnten Listen. Vielleicht holst du sie auch gleich her.“ Ein entwaffnendes Lächeln bedachte ihren Kollegen. Während dieser also sich mit seinem Schicksal abfand, nicht der Leitwolf zu sein, ließ Elfleda noch ein wenig dezent ihren Charme spielen. Sie würden hier ein Weilchen zusammenarbeiten, und je reibungsloser das vonstatten ging, umso besser würde diese letztendlich werden.

    Sim-Off:

    Kein Thema


    Leif:
    [Blockierte Grafik: http://farm2.static.flickr.com/1093/804561443_03fb01d2a3_t.jpg]



    Da hatte sein Kunde wohl ein Problem mit seinem Arm. Leif aber nahm das ganz gelassen hin und tat, was der andere ihn gebeten hatte.
    “Komm her, Mädchen“, sprach er die Stute nur leise an, und mit einem geschickten Griff in die Wangen des Tieres wurde das Maul aufgedrückt. Die Stute zog ein wenig die Lippen hoch und wollte sich kurz aus dem Griff befreien. Nicht grob, sie blieb dabei ganz ruhig und lieb, aber der Druck am Kiefer gefiel ihr genausowenig wie jedem anderen Pferd auch.
    Zum Vorschein kam eine gute Reihe perfekter gelber Pferdezähne, nicht mehr als üblich verfärbt und alles in allem gesund. Und das Alter passte auch.
    “Wie du siehst, alles gesund. Kräftiges Gebiss, keine faulen Stellen.“


    Leif ließ den Mann ausgiebig gucken, ehe er das Pferd wieder losließ und ihm einmal über die Nase streichelte. Die Stute stuppste ein wenig nach mehr Liebesbezeugungen und wieherte ganz ruhig.
    "Wenn dir deine Hand Probleme macht, die Hausherrin ist auch Heilerin. Kannst vielleicht mal zu ihr gehen..." Es war nur ein Vorschlag, und Leif hatte keine ahnung, ob der Mann sich behandeln lassen wollen würde.

    Was hatten die nur alle? Waberte um Elfleda beim Sprechen unbemerkt irgendwo schwarzer Schwefel und züngelten Flammen um sie herum, oder weswegen flüchteten die Männer alle vor ihr? So furchtbar konnte die Vorstellung, sie zu heiraten, ja wohl bitte auch nicht sein.
    Jedenfalls betrachtete sie mit scheinbar unschuldigem Gesichtsausdruck, wie Witjon plötzlich in hektisches Herumfuchteln verfiel, ehe er die Flucht antrat. Nemeter und so, schon klar. Das würde ihm nicht einmal seine eigene Großmutter glauben. Elfleda war so kurz davor, ihn aus reiner Schikane aufzuhalten, um ihn jetzt ein wenig mit “seiner“ Idee zu quälen. Minimal davor. Aber sie ließ es bleiben. Wenn sie das wirklich durchsetzen wollte – und im Moment erschien es ihr als beste Möglichkeit, ihre eigene Stellung hier in Mogontiacum damit auszubauen und die ihrer Kinder gleichsam zu sichern – dann durfte sie nicht zu hektisch werden. Wenn sie ihn zu sehr drängte, sagte er vielleicht am Ende ja, vielleicht aber ging er ihr dann auch nur ganz aus dem Weg und sie verlor ihren Einfluss auf ihn. Abgesehen davon, dass sie nicht als verbitterte, alte Schachtel enden wollte, die den männlichen Mitgliedern des Hausstandes ein Nudelholz schwingend hinterherlief. Nein, das ganze musste subtiler angegangen werden. Sollte er einen Tag darüber nachdenken. Das gab ihr die Zeit, ebenfalls darüber nachzudenken. Und dann konnte sie ihm ja ein paar visuelle Anregungen geben, was durchaus positiv daran wäre, sie zu heiraten – wobei es fast schon einer Frechheit gleich kam, dass er das noch nicht von selbst bemerkt hatte. Sie hatte zwar zwei Kinder geboren, aber sie sah dennoch gut aus. Oder? Verdammte Axt, ja!
    Und so ließ sie ihn gehen und schüttelte nur den Kopf, als er aus dem Zimmer gestolpert war. Männer! Da tat man alles, um ihnen zu helfen, und sie hatten Angst vor einem. Da konnte er ja wirklich froh sein, dass sie auf seiner Seite stand. Wenn er jetzt schon so in Panik verfiel, mochte sie sich nicht ausmalen, wie das ausähe, würde sie ihm wirklich böses wollen. Wobei das auch zu der Frage führte, was er machte, wenn eine Frau ihm böses wollte...
    Elfleda räumte noch alles beiseite und verließ dann selbst das Arbeitszimmer. Es gab einiges, was sie durchdenken musste.

    Für eine Frau, die mit Männern wie Rodewini großgeworden war, war es immer wieder erstaunlich, wenn andere in ihrer Gegenwart so einknickten. Nicht unbedingt negativ, Elfleda war es durchaus gewohnt, dass gemacht wurde, was sie wollte. Aber doch bemerkenswert. Wenn sie mit ihrem Onkel so gesprochen hatte, hatte er mit ihr diskutiert, seinen Willen gegen ihren ausgetestet. Da war einfach eine Wand, gegen die sie drücken konnte und ihre Stärke austesten konnte. Rodewini hatte einen sehr starken Willen, und wenn sie ihren da hatte durchsetzen wollen, hatte einiges versuchen müssen. Hier war kurz gesagt luftleerer Raum, und wenn Elfleda drückte, fiel sie am Ende noch vornüber. Hier befahl sie, und alle sagten widerspruchslos ja.
    Im ersten Moment sah sie ärgerlich zu Roderik rüber. Sie brauchte jemanden, mit dem sie zanken konnte. Sie hatte eindeutig zu viel Energie in letzter Zeit, und nichts, an dem sie diese auslassen konnte. Aber als sie sah, wie schuldig er da stand und zu seinen Füßen schaute, wurde ihr Ausdruck weicher. Das war, wie wenn man ein Kind schimpfte. Elfleda war ja nicht absichtlich gemein und herrisch.
    Sie ging zu Rodrik rüber, legte kurz ihre Hand an seine Wange, um sein Gesicht etwas anzuheben, und gab ihm einen ganz leichten, geschwisterlichen Kuss auf die andere Wange. “Die Brosche ist wirklich sehr schön.“ Sie lächelte ihn einen Moment sanft an, dann ging sie wieder zum Fenster. Genug der Sentimentalität. “Falls du unten irgendwo Naha siehst, sag ihr bitte, dass wir zu Sonnenuntergang essen und wir vorher noch baden. Sie soll also nicht so weit weg.“

    Gerbod hatte sich die Hand gebrochen? Wieso wusste sie nichts davon? Kurz überlegte Elfleda, wem sie dafür das Fell über die Ohren ziehen sollte, auf der anderen Seite: Offenbar war alles unter Kontrolle. Man musste nicht jeder Sache nachspüren, und sie konnte immer noch wie eine Walküre unter die Männer fahren, wenn es später deshalb noch Probleme geben würde.
    “Wieso sollte das nicht so gut ankommen? Du musst ja nicht unbedingt zu unseren Gegnern gehen und dich dort umschauen.“ Was hatten die duccischen Männer nur für Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein? Kein Wunder, dass Elfleda sie so herumkommandieren konnte, die schienen das ja beinahe zu erwarten. Elfleda schüttelte den Kopf. “Die Duccier werden ja wohl genug Einfluss geltend machen können, damit du dir das ansehen kannst.“
    Jetzt war sie wieder in ihrem Element. Von der vorangegangen beinahe jugendlichen Freude war nur noch ein Hauch übrig. Schimpfen lag ihrem Gemüt näher, und irgendwer hier im Haus musste ja für das nötige Selbstbewusstsein sorgen. “Am besten fragst du Gerbod, an wen man sich da am Besten wendet.“ Reden ging ja auch mit gebrochener Hand. Ja, das klang doch schonmal gut. Den Einwand, Rodrik könne nicht so gut mit Menschen, überging Elfleda dabei völlig.

    Anscheinend war das wirklich alles gewesen, was er gewollt hatte. Elfleda sah ihn kurz einmal fragend an, als er auch schon wieder flüchten wollte. Sie kam sich kurz so vor wie vor etlichen Jahren, wenn sie mit ihren Cousinen im Pulk dagestanden war und dann und wann ein Junge vorbeigekommen war, der mit hochrotem Kopf einem der Mädchen etwas geschenkt hatte, ehe er panikartig geflüchtet war. Woraufhin die ganze Mädchenbande in helles Lachen ausgebrochen war. Wobei der ein oder andere auch mal einen Kuss bekommen hatte, bevor er geflüchtet war... Aber das war albern in diesem Zusammenhang.
    Elfleda beschloss, die Situation zu nutzen, wenn sie Rodrik schon einmal ganz allein erwischte und er nicht so wirklich flüchten konnte. Immerhin hatte er sie gefragt, ob sie Zeit hatte, was implizierte, dass er welche hatte. “Bleib doch noch einen Moment. Ich weiß gar nicht, ob ich dich schon gefragt habe, wie es dir in der Schmiede denn gefällt? Jetzt, wo sie deine ist?“ Naja, auf dem Papier.

    “Rodrik, das ist wunderschön!“ Ihre Stimme nahm eine gänzlich unbekannte Tonlage an. Elfleda war freudig überrascht. Das war selten. Aber es kam schon dann und wann mal vor, zu seltenen ausgesuchten Anlässen wie dem, wenn sie eine goldene Brosche geschenkt bekam. Einfach so. Es war doch einfach so, oder? Sie sah ganz kurz leicht skeptisch zu Rodrik auf, verwarf den Gedanken dann aber gleich wieder. Ihm fehlte der Sinn für Verschlagenheit, um ihr so ein Geschenk aus Kalkül zu machen.
    Sie nahm also die Brosche und fuhr mit den Fingern über die Wellen und das kleine Kind. Sie erinnerte sich noch an den Tag, Naha war noch so klein, dass sie nichtmal richtig laufen konnte. Es kam ihr so unendlich lange her vor. Ganz kurz ertappte sich Elfleda bei einem sehr sentimentalen Moment, während sie etwas traurig vor sich hinlächelte, ehe sie sich wieder fing und zusammen riss. Es nützte nichts, in Erinnerungen zu schwelgen. So bekam Rodrik nur ein hocherfreutes Lächeln. “Eine wirklich sehr schöne Arbeit. Ich danke dir.“ Jetzt war ihre Stimme wieder normal, zwar immernoch viel freundlicher als gewöhnlich, aber frei von diesem erstaunten Jauchzen.

    Irgendwannmal musste Elfleda ihm eins übergebraten haben. Also, so richtig, nicht nur die verschiedentlichen leichten Schläge auf den Hinterkopf, die jeder der Männer hier ab und an erhielt, damit sein Denkvermögen sich steigerte. Elfleda erinnerte sich nur nicht, wann das gewesen sein mochte, aber Rodrik sah sie immer an, als wäre sie eine ausgewachsene Bärin und er ein Kaninchen, das auf dem Speiseplan stand. Vielleicht einmal früher noch als Kinder... vielleicht hatte sie ihm bei einem Thing mal eine reingehauen... sie wusste es nicht. Sie beobachtete nur fasziniert, dass dieser Bursche ihr mit noch mehr Respekt gegenübertrat als die restliche Männerschaft des Hauses.
    “Nein, ich habe grade Zeit. Du störst nicht.“ Was er wollte, hatte er aber nicht gesagt, obwohl sie ihn schon danach gefragt hatte. Elfleda beschloss, mal ein wenig lieb zu tun, um es aus ihm herauszukitzeln. Im Moment war sie ganz entspannt, da konnte sie das auch einfach mal so sein, ohne etwas bestimmtes zu wollen. “Und was führt dich zu mir?“ fragte sie also mit scheinbar unbekümmerter Leichtigkeit.

    Ruhe. Unendlich süße Ruhe. Landulf schlief, Naha war mit ihren Freunden draußen am Spielen, für das Essen war alles bereitet, die Ernte war so gut wie eingefahren und es gab nichts, was dringend ihrer Aufmerksamkeit bedurft hätte. Einfach. Nur. Ruhe.
    Elfleda saß in dem Stuhl im Zimmer, eine Decke mehr aus Behaglichkeitsgründen denn aus Kälte. Noch war es angenehm, wenn es auch zunehmend frischer wurde. Und sie sah aus dem Fenster, ließ einen Moment einfach die Gedanken schweifen, ohne wirklich aktiv darauf zu achten, wohin sie denn schweiften.
    Es klopfte und Rodrik fragte nach ihr. Ein letzter Blick in die herbstlich goldene Gegend und Elfleda stand auf, legte die Decke auf den Stuhl. “Ja, komm rein. Was gibt es denn, Rodrik?“ So ohne Decke war es dann doch mit einem Mal etwas frisch, aber nur ein Kind würde darüber jammern.