Seitdem sie aus dem Wald zurückgekehrt waren hatte Elfleda nicht mehr geweint. All ihre Traurigkeit war zu einer Ruhe geworden, die ebenso schweigsam war wie die ihres Mannes. Sie hatte auch kaum etwas gesagt, und wenn doch, war es leise gewesen und nicht so stark und nachdrücklich wie sonst.
Sie hatten Lando gewaschen und gesäubert, bis kein Blut mehr aus der Wunde gesickert war. Danach hatten sie ihn in seine besten Kleider gesteckt und aufgebahrt. Die ganze Zeit war Elfleda bei ihm gewesen. Als der Abend hereingebrochen war, hatte sie noch immer schweigend neben ihm gestanden. Selbst, als ihre Beine schwer vom Wasser waren und der Schmerz darin sich selbst betäubte, war sie einfach nur an seiner Seite gestanden und hatte zu ihm herunter geschaut.
Irgendwann in der Nacht war Marga zu ihr gekommen, hatte sie aus ihrer Trance hochgeschreckt und sie gezwungen, sich hinzulegen. Sie konnte dort nicht stehen bleiben, und sie konnte sich auch nicht zu ihrem Mann dazulegen. Allerdings war es sehr schwer, sich zu bewegen, nachdem sie so lange gestanden hatte, und schließlich hatte auch Lanthilda helfen müssen, damit Elfleda mit den schweren Beinen überhaupt die Treppe in ihr Zimmer hochkam. Erst dort, als sie allein war – Naha schlief bei Ida zusammen mit deren Kindern und auch Audaod – war sie noch einmal zusammengebrochen und hatte so lange geheult und geschluchzt, bis sie schließlich vor Erschöpfung dabei eingeschlafen war.
Der nächste Morgen war gekommen. Wenngleich sie länger geschlafen hatte, als sie wollte und das Bett sich ganz schrecklich leer anfühlte. Im ersten Moment des Aufwachens hatte sie auf Landos Seite mit ihrem Arm gelangt, und ihr war erst wieder zu Bewusstsein gekommen, was geschehen war, als sie nur das kalte Laken berührte und nicht seinen warmen Körper, an den sie sich sonst gerne im Halbschlaf noch ein wenig gekuschelt hatte.
Ihre Beine schmerzten noch immer, aber Elfleda überging es einfach, als sie sich anzog. Ihre Kleidertruhe gab vieles her für so einige Anlässe, aber nur sehr weniges für Trauer. Sie kleidete sich also dem Umstand angemessen und wusch sich die getrockneten Tränen gründlich aus dem Gesicht, ehe sie nach unten ging. Bevor sie um die letzte Ecke ging, holte sie noch einmal tief Luft und wappnete sich für den Anblick, der sich ihr gleich bieten musste. Dennoch durchfuhr sie ein Schmerz, als sie Lando da liegen sah. Sie schluckte kurz und ging dann so würdevoll es in ihrem hochschwangeren Zustand möglich war zu Witjon und ihrem toten Mann hinüber.
“Du bist früh auf“, begrüßte sie ihn nur knapp und leise und stellte sich dann neben ihn. Zärtlich streichelte sie einmal über Landos Bart und seinen Arm. Nicht zum ersten Mal schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, ob sie nicht einfach mit ihm gehen sollte. Es gab immer wieder Frauen, die das machten. Es war nichts verwerfliches daran, im Gegenteil.
Aber Elfleda war jung. Sie war gerade einmal 20 Jahre alt. Und sie war schwanger. Und sie hatte eine kleine Tochter. Und ihr Onkel brauchte sie am Leben, ebenso wie ihr Kind. Jetzt, da die Duccier geschwächt waren, musste sie umso stärker sein und versuchen, so gut die Macht zu erhalten, wie es ging. Und sie musste Landos Erbe nach seinen Wünschen verteilen. Sie konnte sich nicht einfach zu ihm legen und die Welt um sie herum ins Chaos fallen lassen. Denn auch, wenn Witjon sich mühte, den Platz auszufüllen, und man ihm das auch ansah: Elfleda glaubte nicht, dass er das ganz alleine schultern konnte. Es war eine verdammt große Lücke, die auszufüllen war. Er brauchte sie, auch wenn er das vielleicht nicht sah und sie da wohl auch nicht um Hilfe bitten würde.
Elfleda hörte die Tür, und wie Albin jemanden hereinbat. Sie schluckte noch einmal und riss ihren fast zärtlichen Blick von Lando los. Es würden heute sicher viele kommen, die kondolieren wollten. Wenngleich Elfleda nicht gedacht hätte, dass so bald schon jemand kommen würde.