Beiträge von Duccia Elva

    Verscherbeln? Wieso nur hatten die duccischen Männer allesamt einen schwelenden Minderwertigkeitskomplex? Elfleda ließ ihn reden, wobei ihr Gesichtsausdruck zunehmend strenger wurde. Der Vinicius 'zu groß' für ihn... Elfleda hatte in ihrem Leben dutzende Fürsten auf verschiedenen Things kennengelernt. Jeder war groß gewesen in seinem Gebiet, jeder hatte Einfluss und Männer gehabt. Das hieß aber nicht, dass man sich vor ihnen ducken musste! Man selbst hatte schließlich auch Einfluss, ebenfalls Getreue und es ging bei Politik um die Mehrung von Macht, nicht um das Austesten, wer den nun den Längsten hatte.
    “Witjon Evaxson, jetzt hör mir mal gut zu! Du bist Sippenführer der Duccier, dir gehört der halbe Markt in Mogontiacum, und die andere Hälfte arbeitet mit dir zusammen. Wenn du dich nicht vollkommen idiotisch anstellst, kannst du sicher auf genug Schwertträger zurückgreifen, um auch den Römern ernste Sorgen zu machen. Nicht, dass das deine Absicht wäre, aber das wissen DIE sicher auch. Du bist ein gesunder, kräftiger junger Mann, und nichtmal häßlich. Aber wenn du noch einmal sagst, irgendein Römer wäre etwas besseres als wir, zieh ich dir die Ohren lang und leg dich übers Knie!“ Und ihr Gesichtsausdruck sagte deutlich, das das weder scherzhaft noch metaphorisch gemeint war.
    So, nachdem das gesagt war, kam das Thema auf Ulberts Tochter. “Ulbert selbst kann auf etwa 30 Schwerter zählen, und noch etwa 150 leichter bewaffnete. In den meisten Fällen unterstützt er Rodewini. Auch, was die Römer angeht.“ Auch wenn es nicht nach so viel klang, es war sehr viel. Zumindest für germanische Verhältnisse, wenn auch nicht ganz so viel, wie das, was ihr Vater und ihr Onkel aufstellen konnten.
    Überhaupt begannen Elfledas Gedanken gerade, zu wandern. Warum hatte sie das Mädchen überhaupt eingebracht? War es denn nützlich für sie, wenn er das Mädchen heiratete? Er würde sie mit Liebe überschütten, wie er es mit Callista getan hatte, und sie zur mächtigsten Frau in Mogontiacum machen. Und damit Elfleda auf den zweiten Platz verbannen. Hatte sie eben einen sentimentalen Moment gehabt? Vermutlich, sonst hätte sie weiter gedacht. Und nicht daran, dass sie Lando noch vermisste, so wie Witjon wohl an Callista dachte.
    Daher beschloss sie eine Taktikänderung. Hierbei kam es ihr sehr zupass, dass Witjon sie gerade etwas fragend ansah. “Was ist? Warum schaust du jetzt mich so an?“ stellte sie scheinbar überrascht ihre Frage. Doch ehe er antworten konnte und alles mit einer Erklärung, die ihr nicht in den Plan passte, ruinierte, fuhr sie fort, als hätte sie plötzlich eine Erkenntnis erhalten. “Was? Du denkst doch nicht etwa darüber nach...? Ich meine, sicher, Rodewini hat weitaus mehr Schwerter, und ich bin seine Nichte... und es wär ja auch nicht unüblich, und politisch wär es natürlich auch ein starkes Zeichen...“ Es war immer die beste Taktik, Männer glauben zu lassen, sie hätten die Ideen. Das ersparte einem Diskussionen. Und so stand Elfleda nun auf, lehnte sich ganz leicht gegen den Schreibtisch und legte in einer nachdenklichen Geste den Zeigefinger an ihr Kinn. “Deine Idee ist gar nicht mal so schlecht...“ überlegte sie dabei laut und gab nun Witjon die Gelegenheit, was dazu zu sagen.

    Liebes? Ganz kurz erntete Witjon “den Blick“ auf seine Worte, ehe sie sich wieder den Tafeln zuwandte. Würde er sich nicht ständig wie ein Kind benehmen, würde sie ihn nicht wie eines behandeln. Abgesehen davon, dass Elfleda so ziemlich jeden hier in ähnlicher Weise behandelte, abgesehen von Marga. Mit der Frau hatte sie recht früh eine stillschweigende Vereinbarung getroffen, dass sie beide die Autorität der jeweils anderen einfach ungeprüft akzeptieren würden und niemand in den Bereich des anderen eindringen werde, um das wahre Ausmaß eben jener Autorität zu prüfen. Und sie waren beide in Naha vernarrt, was besagte Abmachung durchaus erleichterte.
    “Du sollst dir auch kein Mädchen aus Rom kommen lassen, aber die römischen Familien hier haben auch Töchter.“ Früher hätte sie nun die Petronier angeführt, aber seitdem sich Petronius Crispus zurückgezogen hatte, waren diese in der politischen Versenkung verschwunden. Und selbst diesen Mann kannte Elfleda fast ausschließlich vom Hörensagen. “Die Germanici fallen hier ja bald in Schwärmen ein. Du kannst beim Essen die Frau ja fragen, ob sie eine Cousine oder so etwas hat.“ Mit 'die Frau' war Germanica Calvena gemeint, die ein paar Abende später zum Essen kommen sollte. Wenn diese Gens selbst schon ihre Senatoren hierher schickte, sollte man sie im Auge behalten. Wobei die Frage war, ob sie genug Einfluss aufbauen würden, um tatsächlich relevant zu werden. “Oder den LAPP“, der – bzw. dessen Gens - definitiv eine lohnenswerte Investition wäre.
    Doch Witjon kam auch schon auf die germanischen Möglichkeiten zu sprechen. Ihre Frage nach seiner geplanten Politik blieb unbeantwortet, was Elfleda durchaus registrierte, aber sie kümmerte sich erst einmal um die Antworten, die er hatte. “Meinst du nicht, durch dich und deine Schwestern ist in ubischer Richtung schon ausreichend gesorgt? Ich würde unsere Macht eher in der Stadt konsolidieren. Ob die Tochter eines Händlers da gut genug ist, weiß ich nicht. Aber einer der Dorffürsten in der Umgebung muss doch eine Tochter haben.“ Sie überlegte, wer in Frage käme, als Witjon mit seiner nächsten Idee rausplatzte. Eine Mattiakerin.
    “Landulf und Naha sind beide gesund.“ Es klang ein ganz klein wenig schneidend, aber nur ganz graduell. Zerschnittenes Band hörte sie nicht so gerne. Immerhin war sie ja auch hier geblieben. Direkt nach Landos Tod hatte Rodewini ihr zwar angeboten, wieder zurück zu kommen mit ihren Kindern – und sicher hatte er bereits einen Hochzeitskandidaten zu seinen Gunsten im Blick gehabt – aber sie war hier geblieben. Und inzwischen war ihr Onkel wohl froh, dass sie die Lage richtig eingeschätzt hatte. Witjon hatte die Macht, auch durch ihre Hilfe, weitestgehend konsolidieren können, und so war sie für ihre Familie noch immer ein wichtiger Anker im römischen Reich.
    “Ich glaube, die Tochter von Ulbert dürfte jetzt 13 oder 14 sein. Er ist ein Verbündeter von Rodewini, etwa eine Tagesreise südlich von unserem Dorf. Wenn sie noch nicht versprochen ist, könnten wir einen Boten schicken.“ Natürlich bestand noch eine andere Möglichkeit. Noch dazu eine, die nichtmal unüblich wäre. Aber Elfleda wollte diese nicht unbedingt so ansprechen, war Witjon doch recht emotional für einen Kerl. Und sie wusste nicht, wie er das aufnehmen würde. Oder wie sie das aufnehmen sollte.

    Natürlich bemerkte Elfleda seinen Blick. Da hätte sie schon blind sein müssen, um nicht zu sehen, wie er sie anblickte. Außerdem hatte sie ja durchaus damit gespielt. Nur hätte sie nicht gedacht, dass es ganz so gut anschlagen würde. Ja, Männer waren primitiv und ließen sich dadurch gut einwickeln, aber da sollte Witjon wirklich noch etwas staatsmännischer werden. Oder schnell wieder verheiratet werden. Wie lang war Callista nun tot? Naha war jetzt vier, Audaod nicht ganz ein Jahr jünger... Götter, die Zeit verging. Selbst Landulf fing nun schon zu laufen an! Es wurde wirklich Zeit, dass er sich wieder eine Frau nahm. Dann ließ er sich auch nicht so leicht einwickeln. Denn wenn Elfleda das konnte, konnten andere das auch.
    “Gut, dann mach das“, meinte sie aber noch immer mit derselben Freundlichkeit wie gerade und tätschelte ihm zweimal mit der flachen Hand auf die Brust, ehe sie sich wieder etwas zurückzog. Sie sollte die Situation definitiv nicht überreizen. In ihrer beider Interesse!
    Sie sah nochmal zu ihm zurück, während sie sich wieder zum Schreibtisch begab. Er war ja eigentlich ein guter und auch stattlicher Mann. Und da er sich den Bart wieder etwas stehen ließ, sah er auch langsam wieder aus wie ein richtiger Germane. Und dieser Blick war schon sehr aufwühlend für sie. “Dann solltest du beim LAPP das ganze unter Dach und Fach bringen. Und vergiss nicht, Hartwig Bescheid zu geben, wenn es geregelt ist. Er hat ja gesagt, Sönke solle dich fragen, aber du solltest es ihm dennoch sagen. Immerhin ist er Vater des Burschen.“
    Am besten, sie sprach es gleich an und holte ihn damit aus seinem Traumland zurück auf den Boden der Tatsachen. “Und wir sollten überlegen, für dich wieder eine passende Ehefrau zu finden. Als Oberhaupt der Sippe solltest du verheiratet sein. Ist nur die Frage, was vorteilhafter ist: Wieder eine Römerin, oder doch eine Germanin. In welche Richtung hast du dir vorgestellt, deine Politik eher zu treiben?“

    Leif:
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    Stute, Fuchs, ruhig. Da hatte Leif zwei Tiere im Auge, die passen könnten. Wär doch gelacht, wenn er die nicht an den Mann bringen konnte. Vor allem, da sein Gegenüber ein wenig davon zu verstehen schien und ein gutes Gebrauchstier suchte und nicht nur was zum protzen, was im nächsten strengen Winter ihm unterm Hintern wegerfroren war.


    “Ich denke, dann könnte dir unsere Sæmingur gut gefallen.“ Er gab dem Mann einen kleinen Wink und führte ihn zu einer der großzügigen Boxen.


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    Ganz ruhig hob die Stute den Kopf, als der Besuch näher kam, und hob ihn schließlich über die Tür hinaus in den Gang in der Hoffnung auf einen Apfel oder ähnliches.
    Leif kraulte ihr ein wenig unter dem Kinn und ließ den Kunden sie ansehen. “Sie ist fünf Jahre alt. Kräftiges, ausdauerndes Tier. Ruhiger Charakter, aber nicht zu ruhig. Sie macht schon, was sie soll, da brauchst du dir keine Gedanken machen. Und sie ist im besten Alter. Einige unserer Tiere werden bis 18 Jahre alt. Die meisten werden so zwölf, dreizehn. Wirst also noch lange deine Freude an ihr haben, wenn du sie nimmst.“

    Leif:
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    “Das wär dann wohl ich“, meldete sich Leif aus dem Inneren des Stalles. Er hängte das Zaumzeug, das er gerade gerichtet hatte, an einen Haken und trat dann auf den Besucher zu. Der Stallbursche, der angesprochen wurde, nickte nur und ging dann weiter seiner Arbeit nach.
    “Und wenn du ein gutes Pferd brauchst, bist du hier genau richtig. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie das Tier sein soll?“ Ein temperamentvoller Junghengst war eben was anderes als eine gesetzte Stute.

    Auch, wenn es nicht ganz das gewünschte Ergebnis war, es war ein Anfang. Und Elfleda würde schon dafür Sorge tragen, dass das angestrebte Ziel möglichst rasch umgesetzt werden würde. Und so lächelte sie höflich, aber nicht übertrieben, als der Senator meinte, er würde alles weitere in die Wege leiten.
    “Dann danke ich dir, ehrenwerter Senator Germanicus, dass du dir die Zeit für mich genommen hast. Ich muss sagen, es war mir eine große Freude, mich mit einem so kultivierten und angenehmen Gesprächspartner unterhalten zu dürfen.“ Ein paar Komplimente konnten sicher nicht schaden. Elfleda hatte bereits im Alter von vielleicht 5 Jahren festgestellt, dass sich Männer ganz wunderbar lenken ließen, wenn man sie zuvor nur fest genug um den Finger wickelte. Die einen mehr, die anderen weniger, aber so ein bisschen doch alle.
    “Mögen die Götter dir stets gewogen sein.“ Und damit verabschiedete sich die Mattiakerin.

    Gut, er lenkte ein. Und schien dabei eher traurig als vorwurfsvoll, sofern Elfeda an seinem durchaus gut inszenierten Gesichtsausdruck das denn festmachen konnte. Und auch seine Frage ließ darauf schließen, dass sie wohl trotz allem zufrieden sein konnte. Das siegesgewisse Lächeln aber verkniff sie sich vorerst einmal.
    “Nein, Senator, das war mein einziges Anliegen. Ich nehme an, in die Arbeit selbst werden mich die früheren Untergebenen meines Mannes schon gut einweisen. Und ich weiß auch schon einiges, was er mir darüber erzählt hat.“ Aufgrund seiner Fragestellung nahm sie doch an, dass sie zumindest den Posten des Stationarius nun sicher hatte. Aber allzu euphorisch wollte sie deshalb dann doch nicht wirken.

    Umziehen? In eine andere PROVINZ? Elfledas Augenbraue zuckte kurz eine Winzigkeit nach oben, aber sonst war ihr nicht anzumerken, wie sehr sie diesen Gedankengang ablehnte. Statt dessen lächelte sie milde und entschuldigend, legte den Kopf auf unschuldige Weise etwas schief, als müsse sie ihre Worte erst genau bedenken und hätte Befürchtung, der Germanicer könne sie dafür verurteilen.
    “Ginge es nur um mich, wäre es sicherlich vorstellbar. Aber du musst wissen, dass ich Mutter zweier Kinder bin, die sicherlich alt genug sind, um im Schoße der Familie ohne meine ständige Anwesenheit aufzuwachsen. Doch sicherlich kann ich sie nicht hier aus ihrem Umfeld reißen, noch dazu wo es gewiss nicht der Wunsch ihres Vaters gewesen wäre. Von daher muss ich das wohl leider verneinen, so leid es mir auch tut.“

    Sim-Off:

    Entschuldigt, hatte ganz vergessen, mich abzumelden


    Um den Graben zwischen den Kulturen nicht ganz so tief zu ziehen, nahm sich auch Elfleda Wein. Ihr Kopf würde es ihr am nächsten Tag nicht danken. Ebensowenig die Menschen in ihrer Nähe, allen voran wohl Witjon. Doch das sollte jetzt nicht ihr Problem sein.
    Dass der Quintilier ihren germanischen Namen benutzte, fiel Elfleda erst eine Sekunde zu spät auf, so dass es zu spät war, ihn dezent aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass sie das römische Bürgerrecht inne hatte. Wenn die Römer schon so einen Klamauk darum veranstalteten, ob man nun Bürger war oder nicht und einen römischen Namen trug oder nicht, anstatt den Stand eines Menschen anzuerkennen – immerhin war Rodewini nicht irgendwer. Ein Wort von ihm, und dreihundert Schwertkämpfer standen bereit. Ein paar Worte mehr, und es waren fünfhundert aus den umliegenden Sippen und Dörfern – dann wollte sie auch darauf bestehen, dass sie diese Ehrungen, die damit einher gingen, erhielt. Sie war ja nicht irgendwer. Sie war eine der reichsten Frauen der Stadt, wenn nicht die reichste. Wären sie ein paar Meilen weiter östlich, niemand hätte gewagt, ihr einen Platz an der politischen Spitze abzuerkennen. Nur die Römer verweigerten sich dem Gedanken, dass auch eine Frau eigenständig Macht innehaben konnte. Aber dann bitteschön sollten sie ihr wenigstens das zugestehen, was sie ihr nicht verweigern konnten.
    Nur war der Moment vorbei, es charmant verpackt rüberzubringen, und sie hatte den Quintilier schon einmal vor den Kopf gestoßen, indem sie ihm eben jenen zurecht gerückt hatte. Also beließ sie es – erstmal – dabei und konzentrierte sich lieber auf das Gespräch.
    Zu den reisen sagte sie nichts. Sie kannte reisende Händler, ab und an kam mal einer in ihren Dorf vorbei. Nur hatten die normalerweise ihre Familie nicht bei sich. Händler waren meist ein lohnendes Angriffsziel. Auch wenn sie Wächter dabei hatten, im Grunde war das ein Leben, als wäre ein Kopfgeld auf einen ausgesetzt. Was Eltern dazu treiben mochte, da ihre Kinder mitzunehmen, wusste Elfleda nicht. Allerdings konnte sie es sich auch nicht vorstellen, was einen dazu treiben mochte, selbst durch die Gegend zu reisen, um Plunder zu verkaufen. Allerdings hatte sie auch nach all der Zeit noch recht wenig Bezug zu Geld als wirklichen Wertgegenstand, bestand ihre Wertauffassung noch immer in Land, Hof, Getreide, Vieh, Stoff, Einfluss. Nicht in Münzen. Aber gut, so langsam hatte sie sich daran gewöhnt, dass die Römer einfach anders waren. Nicht besser, das definitiv nicht. Eines Tages, wenn die Stämme aufgehört haben würden, gegeneinander zu kämpfen, würden sie die Römer überrollen, davon war Elfleda überzeugt. Aber sie waren anders, und im Moment war diese Andersartigkeit die vorteilhaftere Art, an Macht zu gelangen.
    “Ich fürchte, ich habe nicht einmal wirklich ein Bild davon, wie weit es nach dort ist. Meine Reisen waren doch allesamt etwas kürzer, kaum mehr als fünf Tagesreisen von meiner Heimat entfernt.“ Sie war nur zu den Things oder ähnlichen Veranstaltungen mitgekommen, wenn Rodewini damit den anderen Fürsten zeigen wollte, wie sicher er sich seiner Sache war und wie gut es den Seinen ging.


    Doch man war ja nicht nur zum Reden hier, sondern vornehmlich, um zu essen. Elfeda hatte sich sagen lassen, die Römer reichten dazu mehrere Gänge, immer nur kleine Häppchen hiervon und noch kleinere davon. Sie fand diese Art schrecklich dekadent. Lando hätte wohl nur Hohn und Spott für diese Verschwendung über gehabt, und auch sie hatte im Herzen nicht eingesehen, warum man das so machen sollte. Vor dem Problem, zwischen Verschwendung und Höflichkeit wählen zu müssen, entschied sie sich für den einfacheren Weg: Sie verpackte ihr Missfallen der römischen Tischsitten einfach gut.
    So wurde aufgetragen, und zwar für germanische Verhältnisse opulent. Ein Ferkel, das am Vortag extra geschlachtet worden war, war kross geröstet worden und lag nun in Scheiben angerichtet da, dazu Pastinakpüree, Zwiebeln, Möhren. Von den Markknochen war eine kräftige, dunkle Soße gekocht worden, die Separat in einem extra hierfür zugelegten Schälchen stand. Dazu Brot, heute extra gebacken. Um den Römern etwas entgegenzukommen, hatten sie diese Fischtunke besorgt, mit der diese alles würzten. Auch diese stand in einem Schälchen. Ebenso wie noch etwas Olivenöl bereit stand. Hungern mussten ihre Gäste sicherlich nicht.


    Lächelnd wandte sich Elfleda ihren Gästen zu, die sicher etwas römischere Vorgehensweisen erwartet hätten, indem man sie erstmal mit Eiern als Vorspeise hungrig machte und dann den Hauptgang servierte. Aber Elfleda hielt nichts von dieser Dekadenz.
    “Ihr seht, wir haben gedacht, da ihr hier nun in Germania erstmal heimisch werdet, bringen wir euch ein wenig der hiesigen Küche näher. Damit es allerdings nicht ganz so ungewohnt ist, haben wir selbstverständlich auch Garum.“ Mit einem charmanten Lächeln deutete Elfleda auf das Schälchen. “Bedient euch, ich hoffe, es schmeckt.“ Na, war das nicht gut verpackt gewesen? Elfleda dachte dabei natürlich nur an die Gäste, dass diese sich mit ihrer neuen Heimat anfreunden konnten. Das sagte doch schon ihr freundliches Lächeln.

    Ah, gut, er wusste, worauf sie hinaus wollte. Wenn er nicht gerade besoffen von der Taverna heimkam und im Kaminzimmer dann auf dem Boden nächtigte, war er als Sippenführer ja eigentlich ganz brauchbar. Auch wenn Elfleda ihm das nie sagen würde, dann bekam der Junge noch einen Höhenflug von dem Lob. Aber es war doch sehr beruhigend, zu wissen, dass er nicht auf den Kopf gefallen war und selbsttätig mitdachte.
    “Was bringt uns ein weiterer Bauer auf den Feldern?“ fragte sie einfach zurück und gab ihm damit etwas neues, um darüber nachzudenken. Einen Augenblick wartete sie, ehe sie sich nach nunmehr sortiertem Papierkram schlicht erhob und ihren Rock glattstrich. Ganz beiläufig redet sie weiter, während sie den Stuhl wieder an den Tisch schob und um eben jenen herumging. “Du weißt so gut wie ich, dass der Junge zur Ala will, und dass er früher oder später dahin gehen wird. Noch hält ihn sein Eid und der Gehorsam seinem Vater gegenüber. Er ist aufrechter Germane und wird das nicht brechen. Aber je länger er darauf verzichten muss, umso mehr wird das in Groll übergehen. Er ist ein Hitzkopf. Warum also ihn nicht in eine Position bringen, wo er bekommt, was er will, und uns dafür ewig dankbar sein wird? Ich will ja nicht, dass du es ihm schenkst und ihn dann mit besten Wünschen entlässt. Aber sicher ist uns sein Tatendrang weit nützlicher, wenn er sich bei der Legio verdient macht und dort beispielsweise dann zu gegebener Zeit unsere Handelsverträge erneuern kann?“
    Inzwischen stand Elfleda direkt vor Marsus und blickte etwas durchtrieben zu ihm hoch. Vielleicht kannte er sie inzwischen zu gut, um sich von einem solchen Blick um den Finger wickeln zu lassen, vielleicht aber machte es ihn nervös genug, um nicht weiter nachzubohren, sondern ihr einfach zuzustimmen.

    Elfleda hatte nicht angenommen, dass es einfach würde, aber ein wenig hatte sie darauf spekuliert, den Germanicer vielleicht erweichen oder einwickeln zu können. Sie wusste ja, dass die Römer generell Probleme damit hatten, wenn eine Frau bei irgendetwas das Kommando übernahm. Widersinnig in ihren Augen, bedachte man, dass eine germanische Frau ihren Mund einfach auch aufmachte, wenn es sie etwas anging. Aber gut, wer mit den Wölfen jagen wollte, musste mit ihnen heulen.
    Auch wenn ihr das 'auf gar keinen Fall' nicht einmal ansatzweise gefiel, lächelte sie milde und nickte bedächtig, als würde sie seine Argumentation einsehen. Im Grunde war es eine Farce, ein Schauspiel nach außen, das hier angeboten wurde. Landos Posten war unbesetzt, und es würde kaum jemand aus einer anderen Stadt herkommen. Wenn sie also auf einer niedrigeren Rangstufe, als es ihr eigentlich nach persönlichem Rang ihrer Meinung nach zustehen würde, anfing, machte sie de facto dennoch dieselbe Arbeit. Und von den Leuten hier würde ihr wohl auch kaum einer reinreden, wenn sie dennoch den ein oder anderen einfach herumscheuchte. Außer eben besagte Römer mit Frauenproblem. Natürlich wäre es Elfleda lieber, auch für die römische Welt den entsprechenden Titel und das entsprechende Papier zu erhalten. Den Römern waren diese Papiere ja so ungemein wichtig. Aber gut, bevor sie gar nichts erhielt, ging sie eben auf diesen Kuhhandel ein.


    “Stationarius also... als solcher habe ich doch dann sicher die Möglichkeit, durch Erfahrung und gute Arbeit in den Rang, den mein Mann innehatte, aufzusteigen?“ Sie gab sich betont unwissend und unschuldig. Immerhin war es sie, die hier etwas wollte, dem Germanicer konnte sie im Moment egal sein. Elfleda hasste es zwar, ihren Stolz hinunterschlucken zu müssen, aber niemals würde sie sich das nach außen anmerken lassen.

    Selbstverständlich bekam Elfleda diese Musterung mit. Sie war auch kaum zu übersehen. Dennoch lächelte sie, als sei es ihr nicht im Mindesten unangenehm, ja vielleicht sogar ein wenig auffordernd, als sie sich setzte. Wäre der Germanicer nur irgendjemand unter ihrem Kommando gewesen, er hätte einen Kommentar zu seinem Blick erhalten, der weitere Blicke überdenkenswert gemacht hätte. Wäre er unbedeutend gewesen, hätte sie ihn seine eigene Nichtigkeit nur zu sehr spüren lassen. Aber sie wollte etwas von ihm, und es war geradezu erschreckend, wie lieb sie sein konnte, wenn sie etwas wollte. Aber so wurden eben Geschäfte gemacht.
    “Mein verstorbener Mann, um genau zu sein“, fing sie an, und ließ dem Senator die Sekunde Zeit, um die in diesem kurzen Satz enthaltenen Informationen kurz zu registrieren. “Mein Ehemann, Tiberius Duccius Lando, war lange für den Cursus Publicus hier in Mogontiacum zuständig. Es ist mein Wunsch, nach Möglichkeit seinen Platz einzunehmen. Da deine Familie ebenfalls aus dieser Gegend stammt...“, sofern ihre Informationen da nicht falsch waren. Für ihren Informanten wäre es gut, wie wären richtig. “...verstehst du sicher, dass es meiner Familie ein besonderes Bedürfnis ist, für die nötige Nachfolge hierbei selbst zu sorgen.“ Natürlich war das nur eine nach außen hin gut klingende Erklärung, hinter der nicht viel steckte. Natürlich wäre es ehrenvoll, wenn die Duccier diesen Posten behalten würden, vor allem aber sicherte es ihre Stellung. Und das war der eigentliche Grund, weshalb Elfleda diesen Posten überhaupt in Erwägung zog, anstatt den ganzen Tag Haus und Heim zu überwachen.

    Dem Unfreien folgend betrat Elfleda also das römische Haus und ließ sich zu dem Arbeitszimmer geleiten. Auch nach all der Zeit, und auch wenn die Casa Duccia ebenfalls sehr römisch durchhaucht war, waren ihr diese Häuser immernoch etwas suspekt. So viel Stein! So wenig Natur! Es war einfach anders.
    Dennoch ruhig betrat sie das Arbeitszimmer und schenkte dem Mann hinter dem Schreibtisch ein freundliches Lächeln beim eintreten. Die Tür schloss sich hinter ihr, aber sie drehte sich nicht um, sondern schritt einfach auf ihren Gastgeber zu. “Senator Germanicus Avarus, danke, dass du einen Moment Zeit für mich findest. Mein Name ist Duccia Elva.“ Sie war bislang nicht nach eben jenem gefragt worden, und so blieb ihr nichts übrig, als sich selbst vorzustellen. Natürlich mit ihrem römischen Namen.

    Junge Dame. Elfleda konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so angesprochen worden war. Im Grunde war es auch ganz gleich, denn sie war hier aus rein politischen Gründen. Und diese hatten es an sich, dass egal was kam, sie freundlich und besonnen reagieren wollte. Auch wenn Römer im allgemeinen gern dazu neigten, auf ihre germansichen Nachbarn herabzublicken.
    “Ich würde gerne den Senator Germanicus Avianus sprechen. In seiner Eigenschaft als Legatus Augusti Cursu publico.“ Warum auch immer die römischen Titel und Ämter solche Zungenbrecher zu sein hatten. Elfleda hatte bestimmt eine halbe Stunde lang zuhause nur diese vier Worte geübt, bis sie flüssig von den Lippen kamen. Doch es hatte sich gelohnt, mit der Andeutung eines Lächelns sprach sie ohne zu zögern aus, zu wem sie wollte, und wartete nun darauf, dass dieser Mann hier vor ihr sie da hin bringen würde. Nachdem er sie schon so lange vor verschlossener Tür hatte warten lassen.

    Es hatte lange gedauert, bis sich Elfleda zu diesem schritt entschlossen hatte. Aber es war ein nötiger Schritt, und wenn sie ewig darauf wartete, dass die Männer ihn tun würden, dann würde sie mehr Geduld mitbringen müssen, als sie hatte. Lando war tot, und sie war nicht die letzte, die das akzeptieren musste. Aber ihre Kinder lebten, und für die sippe war es wichtig, die Macht, die er inne gehabt hatte, zu erhalten. Dazu gehörten eben auch seine Posten. Und für eben jenen Posten war zufällig gerade der richtige Mann in der Stadt.
    Landulf war inzwischen alt genug, dass er seine Mutter nicht mehr so zwingend brauchte. Natürlich brauchte er eine Aufsicht, aber Marga und Lanthilda hatten da genügend Kompetenz. Und mittlerweile hatte ihr Sohn die Vorzüge von Brei entdeckt und musste folglich nicht mehr gestillt werden, was Elfleda jede Menge neuer Freiheit gewährte. Unter anderem eben jene, hierher zu gehen und an die Haustür zu klopfen.
    Angezogen war sie entsprechend fürstlich, auch wenn es für einen Römer noch etwas schlicht wirken mochte wie alles germanische. Aber ihr Kleid war aus feiner, blauer Wolle, mit feiner Borte, und gegen die Kälte trug sie einen Mantel aus Eichhörnchenfell, wie es einer Fürstentochter zustand.


    Und so wartete sie, dass ihr die Tür geöffnet werden würde und sie mit diesem Römer über Geschäftliches reden konnte.

    Landulf war versorgt und sicher, nun konnte Elfleda auch etwas mehr entspannen. Den Kommentar des Quintiliers beantwortete sie nur mit einem wohlwollenden Lächeln, einen Kommentar sparte sie sich wohlweislich. Ihres Wissens nach hatten die Römer ein sehr seltsames Verhältnis zu ihren Kindern, ließen fremde Frauen ohne Notwendigkeit diese stillen und großziehen und behandelten sie weitestgehend wie Geschäftsinvestitionen. Von daher hatte es eine gewisse Grundironie, einen Römer von Kindern als Reichtum der Familie sprechen zu hören.
    Doch heute war sie nicht hier, um zu zanken oder jemandem den Kopf gerade zu rücken. Heute sollten neue Kontakte geknüpft werden, vielleicht sogar eine vorteilhafte Freundschaft. Da ersparte sie ihren Gästen solcherlei Maßregelungen, wie sie ihre Familienmitglieder postwendend erhalten hätten. Und so setzte sie sich einfach auf eine Kline und überließ Witjon den Hauptteil der Gesprächsführung. Was die Germanica mit ihren vielen Reisen meinte, verstand Elfleda auch nicht so recht. Wer reiste schon viel, wenn es nicht unabdingbar war? Elfleda war auch viel gereist. Allerdings zu den benachbarten Dörfern, oder auch mal zu einem Thing. Einmal im Jahr irgendwohin zu gehen war für sie schon viel reisen, allerdings klang es bei der Frau des Quintiliers so, als meine sie zum einen weitere und zum zweiten noch häufigere Reisen. Und das war ihr dann doch etwas suspekt.
    “Aber diese Reisen solltest du vielleicht doch mit deinem Mann unternehmen. Es ist hier sicher nicht so wild wie in den Geschichten, aber jede Reise allein über Land birgt ihre Gefahren.“ Elfleda wäre es auch nie eingefallen, allein in den Wald zu gehen, ohne nicht irgendeinen der Männer hier zwangszurekrutieren. Und dabei war sie dank des verdammt hohen Muntschatzes, den Lando gezahlt hatte, nach germanischem Recht wohl sicherer als die meisten. Es konnte sich einfach niemand finanziell leisten, ihr etwas anzutun, wenn er sich nicht gleichzeitig sicher sein konnte, von den Ducciern dafür nicht belangt zu werden.

    Das wollte sie ihm auch geraten haben, dass er das notfalls organisiert bekäme. Auch wenn Elfleda von allem Schriftlichen nach wie vor noch immer nicht begeistert war, wollte sie wenigstens sicher sein, dass die, die lesen konnten, die Inschrift auch sehen würden.
    Dann kam Witjon mal auf ein wenig Politik zu sprechen, wenn auch so oberflächlich, dass es Elfleda nicht schwer fiel, ihren skeptischen Blick beizubehalten. Witjon erwähnte die Feinde und Freunde so nebensächlich, als wäre es nicht weiter wichtig. Und dabei war das mit das wichtigste, was es überhaupt zu wissen gab. Wie sollten sie denn ihre Freunde halten und ihre Feinde vernichten, wenn sie diese wie eine Beiläufigkeit behandelten? Ihre Augenbrauen wanderten ein klein wenig nach oben.
    “Nun, dann hoffe ich, dass du dir unserer Freunde auch sicher sein kannst. Nach Landos Tod gibt es sicher einige, die nochmals überzeugt werden müssen, dass es gut ist, uns auch weiterhin gewogen zu bleiben.“
    Sie wandte sich wieder kurz den Papieren zu und sortierte diese kurz. “Vielleicht ein guter Zeitpunkt, um ein paar besonders treue Familien zu belohnen. Zum Beispiel die von Hartwig.“ Natürlich wollte Elfleda da auf etwas bestimmtes hinaus. Sie wusste von Sönkes Besuch am Tag von Landulfs Geburt, und auch, was er gewollt hatte. Nun aber wollte sie von Witjon hören, was er hierbei tun wollte. Oder ob er überhaupt darüber nachgedacht hatte.

    Elfledas Blick wanderte von dem verhassten Papierkram auf den neuen Sippenführer und blieb skeptisch auf ihm haften. Sie sagte keinen Ton, nicht einen einzigen, sie schaute ihn einfach nur mit dem Blick an, bis er geendet hatte und auch geschluckt hatte. Natürlich war seine Idee gar nicht schlecht. Im Grunde war sie sogar ziemlich gut, denn die Römer legten auf solchen Schriftkram ja jede Menge wert. Gerade Inschriften waren etwas, das bei ihnen ganz hoch im Kurs stand. Die Acta hatte für Lando auch eine Inschrift gemacht, und man hatte Elfleda darüber aufgeklärt, dass das eine große Ehre sei. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, diesem Mannsvolk hier kritisch entgegenzublicken, als müsse sie erst darüber befinden, ob ihr diese Idee auch gefalle.
    “Hast du dafür denn auch schon den passenden Platz gefunden?“ Was nützte eine Kritzelei auf einer Bronzeplatte irgendwo in einer Ecke? Da waren ja die anzüglichen Zeichnungen an den benachbarten Häusern dann interessanter. Elfleda kam da noch eine Idee. “Du könntest auch im Ordo fragen, ob die für die großzügige Spende sich nicht auch ein wenig erkenntlich zeigen wollen.“ Wahrscheinlich würde das auch wieder so ein Gekrakel werden, das vier Fünftel der Leute nicht lesen konnte, aber irgendwie könnten sie Ihre Dankbarkeit schon ausdrücken. Lando war ja nicht irgendwer gewesen. Schon zweimal nicht aus Elfledas Blickwinkel.

    Etwas schneller als erwartet kamen dann die beiden Römer auch. Zu schnell, wenn man es genau nahm. Elfleda wollte ihr Kind vor deren Ankunft zu Ida gebracht wissen, doch meinten die Nornen es wohl anders. Geradezu herrschaftlich stellte Albin den Besuch vor, ehe er eben jenem Platz machte. Elfleda blieb also nicht viel mehr übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu beten, dass ihr Sohn sich nicht gleich von seiner schlechteren Seite zeigen würde.
    “Es freut mich, dich kennen zu lernen, Germanica Calvena. Und Quintilius Valerian, schön, dich wieder zu sehen.“ Nachdem sie ihn bei ihrer ersten Begegnung kurzerhand abgefertigt und zu Witjon geschickt hatte, waren ihre Worte jetzt vielleicht geradezu grotesk freundlich. “Und danke für die Wünsche. Ich denke aber, ich werde meinen Sohn dennoch schnell nach draußen bringen, ehe er an diesen Abend seine Gesundheit durch eindringliche Lautstärke unter Beweis stellt.“ Anders ging es leider nicht, wenngleich Elfleda es geschickter gefunden hätte, hätte sie Landulf schon zuvor wegbringen können. So entstand eine kleine Unterbrechung in der Begrüßung, aber es war wirklich besser, ihren Sohn wegzubringen, ehe er von diesem ganzen Trubel noch aufwachte und dann erstmal losbrüllte.
    Mit einem gewinnenden Lächeln und einem leichten Nicken ließ Elfleda also ihre Gäste einen Moment allein, um schnurstracks in Richtung Küche zu gehen. Ida wartete auch schon und bekam den im Aufwachen begriffenen Säugling vorsichtig übergeben. “Nicht brüllen, Schatz. Einen Abend nicht brüllen...“, beschwor sie ihren Sohn und gab ihm noch einen kleinen Kuss auf die Stirn.


    Als sie wieder das Kaminzimmer betrat, fühlte sie sich souveräner als ehedem. Ein gekonntes Politikerlächeln zierte ihr Gesicht, als sie scheinbar hoch erfreut auf ihre Gäste zuschritt. “Entschuldigt noch einmal. Da plant man einen ganzen Abend, und doch passt die zeitliche Reihenfolge nicht ganz.“ Auch Witjon erhielt dasselbe Lächeln, nur in seinem Fall war es die unausgesprochene Frage, was sie verpasst hatte. Oder ob er die Zeit genutzt hatte, auch wenn es nur wenige Momente gewesen waren.
    “Habt ihr euch denn in Mogontiacum schon gut eingefunden?“ begann sie ein belangloses, kleines Gespräch. Alles in der Sprache der Römer, in welcher sie schon erheblich besser geworden war. Ihr Akzent hatte sehr stark nachgelassen, und sie musste kaum mehr überlegen, sofern sie sich auf die gebräuchlicheren Worte und Floskeln beschränkte. Aber auch, wenn die Germanica sie in einem germanischen Dialekt begrüßt hatte, würde Elfleda heute nicht germanisch reden. Zum einen, weil sie nicht wusste, ob das nur ein auswendig gelernter Satz gewesen war, und zum anderen, weil sie nicht wusste, was die Germanica wirklich verstand. Sie würde also sämtliche spitzen Bemerkungen, die ihr eventuell in den Sinn kamen, und sämtliche Hinweise an Witjon unterlassen müssen. Aber sie war die Nichte von Rodewini, sie wusste, wie man sich präsentierte und wie man den Mund hielt.

    Elfleda hasste es, Dinge schriftlich festzuhalten. Sie hasste es wirklich. Sie verstand zwar durchaus den Nutzen davon, aber sie mochte es dennoch nicht. Ihr Gedächtnis war gut, damit relativierte sich der Nutzen, dass man sich nicht mehr daran erinnern musste, was man aufgeschrieben hatte. Man konnte es ja nachlesen. Aber man musste es nicht, wenn man es sich sowieso merkte. Und jeder andere konnte es ebenso nachlesen wie man selbst. Außerdem war sie der festen Überzeugung, dass es nachlässig machte, wenn man seinen Verstand ausruhte.
    Nur leider teilte die römische Rechtsprechung ihre Auffassung nicht und verlangte für alles schriftliche Belege. Wie etwa über die Verteilung des Erbes ihres Ehemannes. Und das war der zweite Grund, weshalb sie sich vor dieser Aufgabe hier ein wenig gesträubt hatte. Indem sie Landos letzte Angelegenheiten regelte, ließ sie es zu, ihn als tot anzusehen. Wenn sie dies getan hatte, dann war wirklich alles von dem gemeinsamen Leben mit ihm geregelt und in gewisser Weise vorbei. Und so sehr sie nach außen auch zur Schau trug, dass sie es gefasst aufnahm und den Tod ihres Mannes verwunden hatte, es tat noch immer weh. Und das machte ihr diese Aufgabe hier nicht unbedingt leichter.


    Aber es nützte nichts. Sie musste es machen. Das war zum einen ihr Recht, zum anderen aber auch ihre Pflicht. Nachdem sie also die vielen kleinen Dinge auf Freunde aufgeteilt hatte, fehlte noch eine Aufteilung der Betriebe und das leidige Thema des Geldes.
    Die Wachstafel in der Hand wurde immer wieder aufgeschrieben, wieder ausgestrichen, neu geschrieben, wieder verworfen. Das Problem waren hauptsächlich die vielen rechtlichen Beschränkungen, die es ihr beinahe unmöglich machten, die Dinge so zu verteilen, wie sie es auf der anderen Seite des Rhenus getan hätte. Schließlich aber fand sich folgendes Schriftwerk vor Elfleda.





    Hros - Alrik
    Hwanhu Skraena - Dagmar
    Smaidra Stana - Maecenas


    Das Geld würde sie nach Notwendigkeit verteilen, abgesehen von dem Teil, der an die Stadt ging. Sie überlegte, was ihrem Mann lieber gewesen wäre: Es mit Pomp zu verkünden, wie viel er hinterlassen hatte, oder still einfach das Geld zu übergeben und auf jegliche Lobhudelei zu verzichten. Wahrscheinlich eher zweiteres, er hatte jegliche Ausschmückung verachtet. Allerdings wäre es vielleicht angesichts der jetzigen Lage nicht schlecht, dennoch darauf aufmerksam zu machen und so die Bevölkerung an die Stellung der Duccier zu erinnern. Keine leichte Frage.


    Elfleda tippte zweimal auf die Wachstafel vor sich mit dem Stylus. Wenn sie schon dabei war, konnte sie auch gleich noch andere Dinge regeln und ein wenig ordnen. Roderik machte sich langsam als brauchbarer Handwerker, sollte er auch gleich ein wenig Verantwortung lernen.



    Hros (Pferdezucht Stufe I)- Alrik
    Hwanhu Skraena (Altarbauer Stufe I)- Dagmar
    Smaidra Stana (Steinmetz Stufe I)- Lucius Purgitius Maecenas
    Hwanhu Mandula (Schreiner Stufe III) - Rodrik
    Smida Guldani (Goldschmied Stufe I) - Rodrik




    Sie überlegte noch eine Weile, ehe sie das Ding nahm und sich daran machte, den nötigen Papierkrieg dafür in Angriff zu nehmen.