Beiträge von Phraates

    Hätte man Phraates noch am frühen Abend dieses Tages, als er von diesem unmöglichen römischen Weibsstück humiliiert wurde, als er sich selber unfreiwillig zum Kasperle gemacht hatte, jemand gesagt, dass diese Nacht die beste sein würde für ihn, seitdem er seiner Heimat den Rücken kehren musste, hätte er gelacht. Niemals hätte er es geglaubt. Doch nun war es so. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte er wieder die zärtlichen Hände einer Frau an seiner Haut. Zum ersten Mal wieder die.. ja, die Liebe, nach der er sich so gesehnt hatte. Und jenen Kuss.
    Die Zähne des Parthers und der Makedonierin machten ein leises Klack, als sie aufeinandertrafen. Phraates schloss, ebenso wie Charis, die Augen voller Genuss, Wonne, er war einfach nur noch selig vor lauter Freude und Lust. Seine Zunge suchte die ihre, umschlang sie. Welch Gefühl. Welch Genuss. Er fühlte sich näher zu Charis hingedrückt, und er tat das selbe. Eng umschlungen blieben sie nun, wie eine Ewigkeit fühlte es sich an.
    Irgendwann lösten sie sich voneinander, Phraates konnte nicht sagen, wann, und wie lange der Kuss gedauert hatte. Er wusste nur, dass die Sterne noch heller zu funkeln schienen als vorher. Er blickte kurz hinauf mit seinen Augen. Danke, oh Herr über alle Götter, oh allmächtiger Ahura Mazda, dass du mich nicht alleine lässt in dieser Misere. Danke, dass du mir diese Minuten der absoluten Freiheit schenkst.
    Er blickte Charis in ihre Augen hinein und schenkte ihr sein schönstes Lächeln, welches er nur hervorbringen konnte, wenn er voll und gänzlich glücklich war. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er wollte nichts sagen. Ein Wort in seinem erbärmlichen Latein hätte einiges zunichte gemacht. Doch in seinen Augen strahlte nun etwas, was man in Rom bei ihm vorher noch nicht gesehen hatte. Was er zum letzten mal in den Augen gehabt hatte, als er Parthien verlassen hatte.
    Der Ausdruck eines – im Herzen – freien Mannes.

    Statt Ekel über seinen Rülpser zu zeigen, bewies Bashir genug Anstand, darüber hinwegzusehen und ihm sogar Mitgefühl angedeihen zu lassen. Nicht jenes herablassende, besserwisserische, sondern jenes von herzen kommende, ehrlich gemeinte. „Ich muss dir danken, und zwar soviele Male, wie ich es niemals in meinem Leben könnte.“, meinte er. Vor einiger Zeit hätte er so einem Mann aus niedrigem Stand kaum einen wohlmeinenden Blick geschenkt, doch nun nun drückte seine ganze Haltung unendliche Dankbarkeit aus. Wie ein Sklave, der von seinem Herrn ein paar Brotkrumen hingeworfen kriegt.
    „Ich glaube fast, dass du recht hast, wir werden voneinander gehen müssen.“, machte er bedauernd. „Die Ehre war ganz auf meiner Seite, und so verhält es sich auch mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.“ Er strahlte Bashir an, glücklich, einen neuen Freund gefunden zu haben. „Ich werde dir schon bald schreiben. Es wird vielleicht noch eine Zeit dauern, aber sei dir gewiss, ich werde schreiben. Bis dahin, möge Ahura Mazda seine Hand über dich halten, und möge sein ewig währendes Feuer dir den Weg erleuchten. Ba’adan mibinamet!”, entbot er den traditionellen Abschiedsgruß seiner Sprache, bevor er sich erhob, Bashir noch einmal warm herüberlächelte, und sich dann umwandte, um zu gehen.

    Phraates bemerkte kaum etwas davon, dass er Bashir alles wegaß. Hastig stürzte er hinein, was vor ihm war. Käse? Schon weggemampft. Trauben? Schon hinuntergegurgelt. Lukanische Würste? Schon sicher im Magen lagernd. Oliven? Tschack, tschak, tschak, hinuntergewürfelt. Er schlag das Brot hinunter wie ein Wolf, und am Ende seiner Fressorgier ließ er einen feinen, seiner noblen Abstammung sehr gerecht werdenen Rülpser erklingen.
    „Ufftz.“, meinte er am Ende, gierig etwas vom Saft der Trauben, welches ihm aus den Mundwinkeln rann, mit der Zunge in seinen Mund schleckend. „Ein Festmahl! Danke! Danke, Bashir! Ich werde dir dies nie vergessen, niemals.“, rief er enthusiastisch aus. Auf seine Frage hin aber musste er leider den Kopf schuetteln. "Tut mir echt Leid... ich haette es gern getan... aber es geht sich nicht aus. ich muss noch Briefe austragen, und vor einer gewissen Zeit wieder in der Villa sein! Ich haette es gerne getan... es tut mir Leid...", entschuldigte sich Phraates mehrere Male.

    Zusammen mit Bashir zog Phraates los, auf der Jagd nach lukanischen Würsten. Nach einem kurzen Trott fanden sie an einer Straße einen Wurstverkäufer. Nach allen Standards des Mannes von Welt wären diese Würstchen erbärmlich gewesen – vor allem komplett ungewürzt – doch Phraates nahm sie mit einem begeisterten „Danke“ von Bashir an, nachdem sie einen halbwegs ruhigen Platz gefunden hatten, wo sie nicht vom Lärm der Straßen belästigt wurden, und verschlang sie. Und nicht nur dass Bashir Würste hatte, nein, er hatte auch diverse Grundnahrungsmittel gekauft, die Phraates wie Nektar und Ambrosia deuchten. Er entgegnete nur auf Bashirs Ansage: „Ich glaube, so hungrig wie ich bin, würde mir sogar der Fraß, den die Sogdier immer haben, schmecken. Und ob es mir schmeckt? Ja. Danke.“ Er machte einen herzhaften Bissen in den Käse hinein.

    „Damit hast du auch wieder Recht. Wenn es wirklich das Potenzial gibt, dass dein Herr dies erlaubt, dann solltest du offen damit umgehen, dass er keinen Verdacht schöpft. Ich werde mir irgendetwas suchen. Irgendeinen Römer muss es doch in Rom geben, der Briefe für mich empfängt. Vielleicht kann ich irgendjemanden verpflichten. Ich... ich werde schon irgendetwas finden können. Mach dir da mal keine Sorgen. Es wird etwas funktionieren.“ Wenn Ahura Mazda auf meiner Seite ist, dachte er sich beklommen. Wobei, so sicher war er sich dieser Tage auch nicht mehr.
    Nun hoffte er, dass die Briefe, selbst wenn sie geschrieben werden würden, ihm etwas bringen würden. Zwar vertraute er Bashir, doch was, wenn er ihn dann doch noch verraten würde? Was, wenn seine Herrin dies herausfinden würde? Was, wenn...? Viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf herum. Aber, was das wichtigste war – er hatte einen Strohhalm von Hoffnung gefunden, an den er sich festklammern konnte.
    „Ja, der Stoff ist an manchen Stellen noch nicht komplett kaputt.“, meinte er. „Ich weiß nicht, ob du daraus so viel herstellen kannst, aber versuchen kannst du es auf jeden Fall.“ Er zuckte die Achseln, er hatte das Gefühl, er hatte dies schon mehrere Male an diesem Tag gemacht. Doch es war einfach eine seiner Gesten, vielleicht ein Widerhall von jenen tagen, als er noch als der Sohn eines adeligen landbesitzer auf die Frage eines Bittststellers über dessen Zukunft mit einem gleichgültigen Achselzucken antworten konnte. Was nun in der weiten Vergangenheit lag. Was für ein Schnösel war er damals gewesen! Und jetzt... ein Sklave.
    „Äh... sag... hast du gerade... lukanische Würstchen erwähnt?“, fragte Phraates erstaunt. „Aber... das wäre einfach nur... zu großzügig... danke. Danke. Es gibt Stände am Markt. Nicht allzu weit entfernt von hier.“, informierte er Bashir. „Ich kann dir leider nicht allzu viel empfehlen, ich bin bisher nur in wenige kulinarische Genüsse von Rom gelangt. Aber am Markt gibt es sehr gute Wurststände, hat man mir gesagt.“ Ihm rann das Wasser im Mund zusammen.

    „Dein Herr scheint liberal zu sein. Zwar überhäuft er dich nicht mit edlen Geschmeide, doch lässt er dir unglaubliche Freiheiten!“, erstaunte sich Phraates. „Briefe mit einem Freund von Pferden? Nun, er ist Legionär. Also ein braver römischer Bürger. Da ist sicherlich keine Gefahr. Aber anders wird es ausschauen, wenn du einem Parther schreibst, wie mir, in einer Schrift, die er nicht lesen kann. Das riecht doch förmlich nach Komplott! Wenn dein Herr dies erlauben würde, wäre er entweder unglaublich großherzig, oder lächerlich dumm. Mit diesen zwei Eigenschaften wird man kein Tribun.“ Phraates zweifelte. „Ich habe keinen Platz, an die du Briefe schreiben kannst. Weißt du was? Ich werde dir heimlich einen Brief schreiben, wenn ich einen Platz gefunden habe. Wenn keiner zurückkommt, nehme ich einfach an, dass du ihn erhalten hast, aber nicht zurückschreiben durftest.“, meinte er.
    Doch über Bashirs Frage war er doch einigermaßen verblüfft. „Oh. Äh. Sicher doch. Nimm nur, nimm ihn!“ Er händigte das Bündel an Bashir über. „Wenn du damit was anfangen kannst, sollst du es auch haben! Aber sei... ach, vergiss es. Nimm es einfach, du kannst es sicher besser brauchen als ich.“ Er nickte auffordernd.

    Phraates‘ Augen weiteten sich. „Wie? Du denkst wirklich, dein Herr wird es dir erlauben, dass wir uns Briefe schreiben?“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist direkt unglaublich. Ich frage mich, ob irgendein Flavier bereit wäre, dies bei mir durchgehen zu lassen. Vielleciht, wenn... ach, bei mir wird das wohl eher eine Nacht- und Nebelaktion werden. Aber das kriege ich schon hin.“, überlegte er laut. „Auf jeden Fall... dein Angebot ist großzügig und barmherzig. Es tut gut zu sehen, dass du die Tugenden eines echten Parthers noch nicht vergessen hast.“ Er dachte kurz darüber nach, was der betretene Blick seines Gegenübers, was seine Bemerkung mit dem Bein anging, wohl zu bedeuten hatte. Es musste wohl damit zusammenhängen, dass er die Wahrheit getroffen hatte. Irgendwie fühlte sich phraates schuldig, dass er diesen Punkt aufs Tapet gebracht hatte, und er versuchte, sich ins nächste Gesprächsthema, welches Bashir nun anschlug, zu retten.
    „Ja, der Turban. Ist schade um den guten Stoff, aber ich habe ein paar davon.“ Dass ihr Sklave gut bestückt war an Kleidern, war seiner Herrin wichtig gewesen. „Ich werde ihn verschwinden lassen, und hoffen, dass sie ncihts bemerkt. Ich habe einen, der genau so ausschaut wie dieser hier. Wenn alles gut geht, weiß sie auch nicht mehr die Anzahl meiner Turbane... ich hoffe, ich werde Glück haben, obwohl ich nicht drarauf bauen kann.“, meinte er verdrießlich.

    „Ich danke dir, dass du dies sagst.“, meinte Phraates ehrlich. Ihm war nicht entgangen, dass sich sein Gegenüber kurz unwohl gefühlt hatte, als Phraates ihn nicht, wie er es wohl erwartet hatte, nach lobenden Worten den Römern gegenüber nicht zum Ahriman gejagt, sondern Verständnis gezeigt hatte – auch wenn er sich überwinden musste. Schließlich war er stolzer Patriot und hatte doch Schwierigkeiten damit, anzuerkennen, dass ein anderer Soldat nicht mehr zurück nach Parthien wollte, um dort weiter gegen die Römer zu kämpfen. Er nickte kurz. „Dein Knie.“, sagte er. „Ich weiß, dass dies der der Grund ist, wieso du alle deine Träume, zurückzukehren, begraben hast. Du wirst kaum weit mit ihm kommen.“, entfuhr es ihm, womöglich ein wenig unsensibel, aber dennoch, wie er fand, hatte er das Zünglein an der Waage gefunden, welches für Bashir den Ausschlag gab, nicht zu fliehen.
    Er hörte sich Bashirs Plan an. „Das klingt gut! Sehr gut sogar! Und wenn dein Herr versiegelte Wachstafeln auf Parthisch bekommt, wird er sie natürlich dir geben! Wenn du jemals solche bekommst von mir, dann kannst du ihm aber natürlich nicht sagen, was der Inhalt der Tafel wirklich ist. Du musst ihm sagen, die Tafeln bezögen sich auf, was weiß ich, vielleicht wären sie eine erbeutete Liste aller Besitztümer der Artorier, welche durch unsere Truppen im Feldzug beschlagnahmt wurden.“, überlegte er laut. „Oder so etwas. Und ich werde mich vage halten.“, versprach er.
    „Ja, mein Turban.“ Zähneknirschend rollte er den Stoff zu einem Knäuel zusammen. „Ich glaube, das war es wohl damit. Die Brandflecken sind zu groß, man wird sie nicht mehr raus bekommen.“ Traurig blickte er auf seinen ehemaligen Kopfschmuck. „Das wird wieder eine Schererei geben. Verdammt.“, murrte er und drehte das Kn;auel in der Hand herum, als ob er daran irgendwas ändern könnte.

    „Da magst du recht haben. Echter Stolz kann nur mit Ehre verbunden sein, dieser Stolz ist aber mit Niederträchtigkeit verbunden. Ich werde sie alle irgendwann... ach was. Ich verlange keine Rache, ich verlange nur ein Grundrecht. Freiheit.“ Er schüttelte den Kopf. „Das muss ich aber nicht betonen, denke ich. Wie dem auch sei, du bist gut beraten, wenn du denen nicht traust. Traue am besten keinen Römer.“, meinte er, noch bevor Bashir etwas zu seinem Herr sagen konnte.
    Er horchte aufmerksam zu, und schüttelte den Kopf. „Du hast die Möglichkeit gehabt, zu fliehen. Die Mücke zu machen. Aber du hast sie nicht genutzt.“ Er überlegte. Er schätzte Bashir nicht als Geistesgestörten ein, sodass nur eine Möglichkeit blieb. „Du übertreibst nicht. Dein Herr behandelt dich wirklich gut. Ich freue mich für dich deshalb.“, meinte Phraates. „Ich kann sehen, dass du nicht fliehen willst. Das Risiko ist zu hoch. Du hast wenig zu gewinnen in Parthien, und viel zu verlieren hier in Italien. Ich aber habe wenig zu verlieren – was sollen sie mir nehmen, die Pampe? Eine Erleichterung wäre das! – und ich habe viel zu gewinnen, wenn ich abhaue. Meine Ehre, meinen Stand, den Hof meiner Familie. Ich würde wissen, wie es um meine Familie steht. Es ist eine Überlegung wert.“ Ja, er konnte sehen, wieso Bashir weniger die Neigung hatte, auszubüxen, wie er. Er war ihm nicht sauer deswegen. Es war einfach so.
    „Das ist gut, das ist sehr gut! Dann kann ich dir eine Nachricht zukommen lassen in einer Sprache, die nur wir verstehen.“, freute er sich. „Wenn ich mal nach Mantua komme.“ Er unterließ es, zu sagen, dass auch sein Vater ihm die beste Bildung angedeihen hat lassen, die er sich hatte leisten können, es war selbstverständlich. Nur hatte Phraates sich nicht so auf latein konzentriert, wie er es sollen hätte, und so hatte er jetzt noch immer Kommunikationsschwierigkeiten.
    Er blickte nach unten. „Uh! Da liegt ja noch immer mein Turban.“, murmelte er und kniete nieder, um den Stoff aufzuheben.

    „Sie besitzen Stolz, zuviel davon.“, gab Phraates zurück. „Und wollen nicht, dass andere jemals so etwas verspüren. Aber mich werden sie nicht brechen können. Mich nicht, bei Ahura Mazda.“, meinte er ernst, kurz in den immer dunkler werdenden Himmel schauend.
    „Ich finde es einfach Schade für dich, dass du dich mit einen Drecksrömer herumschlagen musst. Und dann noch so lange. Ist er wenigstens in Ordnung, oder ist er so wie alle Römer, die ich bisher kennen gelernt habe?“, fragte Phraates.
    Und er spürte, wie sehr seine Idee vom Abhauen sein gegenüber verwunderte. Es war kein Wunder, das es dies tat, war doch die Abstusität dieser Idee dem Erfinder selbst gerade eben klar geworden.
    Er spürte eine freundschaftliche Berührung rund um seine Schultern. Phraates schenkte Bashir ein dankbares Lächeln. „Ach, das sagst du so... irgendwann werde ich mich dann doch damit abfinden müssen, dass das letzte, das ich in meinem Leben jemals von meiner Heimat gesehen haben werde, diese abgebrannte Hütte am Euphrat ist... ein winziger Punkt am Horizont, dort verschwindend...“ Er hörte sich Bashirs Angebot mit einem müden Lächeln an. „Ich danke dir. Artorius Reatinus in Mantua. Eine Überlegung wert, durchaus.“ Er dachte kurz nach. „Eine Nachricht schicken... wenn dies irgendwann gelingt... kannst du lesen? Ich meine, in der parthischen, der pahlawischen Schrift? Kann es irgendjemand von den Römern lesen, die du kennst?“, fragte er, ein Plan entstand schon in sienem Kopf.

    „Haben sie ja jetzt auch nicht mehr! Zumindest nicht mehr über einfach alles hier. Ihre Macht ist auf die vier Wände ihrer Villa beschränkt. Wenig konsolierend für mich.“, gab er zu. „Und wohl deshalb halten sie die Zügel so straff. Sie wollen das Gefühl der absoluten Macht.“ Ein guter Psychologe war er sicher nciht, doch nur so konnte er sich dies erklären. Oder war es der mysteriöse flavische Wahn, der jedes familienmitglied zu betreffen scheint? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass es in Parthien unmöglich war, dass solch eine Sippe jemals an die Macht gelangen würde. Ja, er war sehr wohl ein politisch denkender Mensch, und er hätte gerne in Parthien ein Amt mit einem gewissen Maß an Macht übernommen, in der Regionalverwaltung oder sogar am königlichen Hof. Doch dies war nun hinfällig.
    „Ich habe mit nicht so vielen Soldaten Kontakt gehabt wie du. In Rom habe ich kaum welche gesehen. Aber wenn du dies sagst, will ich deinen Worten gerne Glauben schenken.“, meinte Phraates, der hauptsächlich an römische Fußsoldaten gewohnt war. Doch das Wort Prätorianerkavallerie schien eine Art Schrecken in Bashir auszulösen. „Ich habe sie am Schlachtfeld gesehen, doch damals war ich nicht mit ihnen in Kontakt gekommen. Viel eher waren es die Speere... diese verdammten Pilae... sie haben den Himmel verdunkelt. Sie töteten mein Pferd, und der Schwerthieb eines Legionärs tat meinem Bauch etwas an, was du nicht sehen willst. Die Legionen sind die, die ich...“ Er unterbrach sich. Fast hatte er „Fürchte“ gesagt, doch dies war einem Adeligen nicht angemessen. Er ließ deshalb den Schluss des Satzes in der Luft stehen.
    „Oh, du wirst begleitet werden... was für eine Schande. Aber...“ Phraates kam nicht weiter, er hörte gebannt zu. „Was redest du dir ein. Ich habe mir die Freiheit verdient, du nicht? Wie kommst du darauf? Das ist doch Humbug, bei Ahriman!“ Seine Phantasie ging mit ihm durch. „Wir sollten irgendwo einbrechen, Pferde und zwei Schwerter klauen, und dann ausbrechen! Sie...“ Er hielt inne, als ihm die Wahnwitzigkeit des Plans bewusst wurde. Sein blick wurde dunkel. „Wir sind in der Scheiße. Ich will nach Hause, Bashir... ich...“ Seine Augen wurde wieder wässrig.
    „Ich habe Heimweh.“

    „Das haben sie, ja.“, informierte Phraates seinen Landsmann. „Bis vor 10 Jahren. Doch dann ist der Kaiser gestorben, unter die damnatio memoriae gestellt worden, und ein anderer Kaiser ist eingesetzt worden. Die Flavier haben dann keine Bedrohung mehr dargestellt. Niemand hätte ihnen noch erlaubt, weiter den Thron zu besetzen. Ich denke, allgemein sagt man, dass die Flavier ihre Chance gehabt haben, und sie nicht genützt hätten. Wenn sie alle ihre Untertanen so behandeln, kann man nur froh sein für unsere syrischen und kappadokischen Brüder, dass sie nicht mehr unter deren Herrschaft stehen.“, sagte der großparthisch denkende Patriot.
    Phraates knubbelte sich an der Nase herum, als er Bashir zuhörte. „Germanien. Scheint definitiv eine Reise wert zu sein. Freundliche Römer, sowas sollte man in ein Museum stellen.“, meinte er. Er grinste. „Die Römer können schon reiten. Sie sind gewitzter, wie man denkt. Ich denke, der größte Fehler, den man machen kann, ist, die Römer zu unterschätzen. Hast du schon mal die Prätorianerkavallerie gesehen? Uns Kataphrakten natürlich nicht ebenbürtig, aber durchaus zähe Gegner. Aber berittene Bogenschützen haben sie nicht. Ein großer Fehler.“ Er grinste wieder.
    Interessiert hörte er zu. „Oh, Mantua! Das ist ja... oh, ja, stimmt. Wenn du im Castellum bist...“ Er räusperte sich beschämt und blickte kurz gen Boden. „Mantua! Die Alpen sind nur einen Katzensprung entfernt. Wenn du über den Aplen bist, hast du das Ärgste überstanden. In Illyricum gibt es nur noch einen Bruchteil von der Anzahl der professionellen Sklavenjäger hier in Rom. Immer noch viele. Aber man kann hie und da durchatmen. Aber stimmt, aus dem Castellum herauskommen... du könntest ja auf deinem Heimweg kurz vor Mantua falsch einbiegen und unvermittelt am Isonzo wieder rauskommen.“, schlug er vor mit einem Lächeln. „Von dort aus ist es nicht schwer, zum Bosporus zu kommen... und von dort aus nach Armenien... und dann in die alte Heimat.“

    Bashir schien peinlich berührt zu sein ob der Laudation, welche Phraates ihm angedeihen ließ, doch Phraates hatte nur die Wahrheit gesprochen. „Ich danke dir für deinen Zuspruch.“, meinte Phraates. „Ich denke, du wirst gut daran tun, dich nicht mit ihnen anzulegen. Sklaven sind absolute Lachobjekte für sie. Es ist absolut lächerlich, dass sie ihre Untergebenen so behandeln... ich glaube, sie wollen alle einfach nur einen Komplex, der damit zu tun hat, dass sie nicht mehr die Kaiser stellen, unterdrücken.“ Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen.
    Bashir hatte andere Ansichten als Phraates, und er konnte es ihm nicht verdenken. Doch er war gut behandelt worden. Wenn man nur behandelt wird wie ein Tier, verbittert irgendwann einmal das Herz eines Mannes. Selbst eines Mannes, der sich selber immer eines gewissen Optimismus gerühmt hatte, wie Phraates. So entgegnete er nur: „Freundliche Römer. Hm, das muss ein kruder Winkel des Imperiums gewesen sein, wo du sie kennen gelernt hast. In Rom gibt es sowas nicht.“, meinte Phraates bestimmt.
    Bashirs Interesse daran, ihn ein bisschen aufzuheitern, als er sah, dass Phraates im Begriff war, die Contenance zu verlieren, rang jenem ein Lächeln ab. „Wie ich das machen will, weiß ich nicht. Vielleicht in einem Schiff. Oder vielleicht ist das keine gute Idee. Italia ist wie eine Festung, mit dem Meer und den Alpen. Voll mit Sklavenjägern. Wer da entfliehen kann, weiß ich nicht. Vielleicht flüchte ich in die Alpen oder die Apenninen und suche dort eine Weile Unterschlupf, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Aber ob das funktioniert... oder ich nehme mir ein Schwert und ein Pferd und kämpfe mir meinen Weg hinaus.“ Düster war der Ausdruck in seinen Augen, da jedes Wort die Unmöglichkeit eines Unterfangens dieser Art unterstrich. „Lebst du auch in Rom? Weiter oben, in Norditalien müsste man sein, von dort aus wäre Fliehen um vieles einfacher.“

    Phraates entglitt ein sanftes Lächeln, als sein Mitsklave mit ihm sprach. Vor ihm stand, endlich, nach all diesen Jahren, wieder ein Mann, der sich wirklich um ihn sorgte. „Du bist ein Mann von wahrer Größe, Bashir, deine Worte ehren dich. Doch leicht werden die Flavier einen Sklaven nicht gehen lassen. Sie haben genug Geld, doch der Verkauf von Sklaven würde anderen das Signal geben, dass sie vielleicht schon am Verarmen sind. Keiner der Patrizier will einen solchen Eindruck erwecken.“ Er schüttelte den Kopf. Bashirs Herr sah aus wie ein netter Kerl, soweit man Bashir Glauben schenkte, doch würden sich die Flavier von nichts weniger trennen als von ihren Sklaven.
    „Das Töten...“, wiederholte Phraates. Er dehnte seine Worte und schlug seine Augen kurz nieder, bevor er aufblickte. „7 Römer habe ich getötet in meiner soldatischen Laufbahn. Ich bin von den Römern so behandelt worden, dass ich zur Auffassung komme, dass sie alle dies verdient hatten. Ich habe bisher keinen Römer je gesehen, der mir Gutes wollte, und ich habe die Hoffnung aufgegeben, nach jemanden zu suchen. Vergiss nicht, dass, wenn du deine Opfer nicht getötet hättest, sie alle eingefallen wären und unsere Familien gemeuchelt hätten. Der Feind ist nie nach Assur gekommen, aber in die Nähe jener Stadt schon. Stelle dir vor, was gewesen wäre, wenn du nicht getötet hättest, und die Römer gezwungen hättest, sich zurückzuziehen. Es hatte seinen Sinn. Es war notwendig.“, meinte Phraates und legte, erschüttert von den Tränen, mit denen der Mann vor ihm so aussichtlos kämpfte, ihm den Arm um die Schultern. „Die Pferde... ein guter Pferdezüchter wirst du sicher, bei Ahura Mazda. Einst wirst du es werden. Ich bin mir sicher. Irgendwann werden wir nach Hause zurückkehren. Irgendwann...“ Nun war es Phraates, dessen Augen feucht wurden, ein Zeichen, welches seinen Worten Lügen strafte.

    „Vor allem ist es unmenschlich.“, knurrte Phraates, der gutes Essen sehr schätzte. Und der es überhaupt nicht brauchen konnte, dass ihm gesundes, gutes Essen vorenthalten wurde. „Hie und da kriegen wir Überreste. Die Flavier behandeln uns überhaupt nicht gut. Sie sagen, sie wären die schlechtesten und strengsten Herren in ganz Rom. Du warst wohl nur in sehr kleinen Haushalten, wo Sklaven für gewöhnlich äußerst gut behandelt werden. Ich bin aber in einer riesigen Villa. Die Herrens cheren sich kaum um uns, und wenden sich nur an uns, wenn sie etwas brauchen. Wir haben Sklavenaufseher. Die Peitsche ist uns nicht unbekannt. Das Loch ist nur eine der Strafen, die sich die Flavier für uns ausgedacht haben. Manche Sklaven sind den Flaviern nahe, das sind die Leibsklaven, doch dazu gehöre ich nicht. Noch nicht. Aber vielleicht bald.“, meinte er. Besseres Essen würde das heißen, bessere Unterkunft und bessere Behandlung. „Ich glaube, bald wird meine Herrin...“, er spuckte das Wort aus, „mich zum Custos Corporis ernennen. Dann wird hoffentlich alles besser.“, meinte er mit hoffnungreicher Stimme, welche jedoch sofoert wieder einer realistischeren, nüchterneren Perspektive in seinen Augen wich.
    „Bashir, ich sage dir, effektiv ist die Drohung des Loches. Ich wünsche dir, dass du niemals die Augen der Sklaven sehen musst, die eine Nacht dort drinnen verbracht hatten.“ Ihm schüttelte es. Fast schon froh war er, dass sie über etwas anderes zu sprechen kamen.
    Er blickte ihn mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an, als er sah, dass Bashir rot wurde, als er sagte, was er gewesen war. „Das ist nichts, weswegen du dich schämen musst, wenn du das denn wirklich tust!“, meinte Phraates. „Die berittenen Bogenschützen, die wir haben, sind die feinsten der Welt, und zusammen mit uns Kataphrakten, der größte Schrecken der Römer! Sage nur Carrhae, und siehe die Römer um dich erbleichen! Sei stolz darauf, was du warst, nein, was du noch immer bist!“ Phraates dachte absolut soldatisch-stolz in jenem Moment.
    Doch wie Bashir die Rüstung ansprach, schwand jener kurze Stolz in den Augen des adeligen Parthers. „Sie haben es mir gesagt, ich kann nicht sicher sein, ob sie lügten oder nicht. Vielleicht haben sie es an vorbeikommende Karawanen verschachert. Die Panzerrüstung, äh, sie war...“ Er kratzte sich verlegen am Kopf, „ein Erbstück... von meinem Großvater. Vologases, Sohn meines Urgroßvaters Phraates, nach dem ich benannt wurde. So ist sie auch gekennzeichnet, ich habe es nicht gewagt, diese kunstvolle Kennzeichnung zu übermalen. Ein Fehler, doch es wäre mir als Sakrileg vorgekommen. Immerhin stand der Name unserer Sippe drauf. Doch ob das hilft?“ Er konnte es einfach nicht so optimistisch sehen wie sein Mitsklave.
    Bestürzt reagierte er auf Bashirs Worte. „Sicher wollen sie dich zurück! Das redest du dir nur ein!“, machte er, im selben Moment innehaltend. Vielleicht war dies nur eine Reaktion, geboren aus der Sklaverei, eine selbstverneinende Einstellung, welche dazu führen sollte, die Sklaverei nicht als so fürchterlich zu sehen? Womöglich. Wenn dies so wäre, wollte Phraates diese Kreise nicht stören.

    “Da scheint es dir gut zu gehen.”, ließ Phraates von sich vernehmen. Irgendwie war es fast schon ungewohnt, wieder Parthisch zu reden, aber er genoss es aus vollen Zügen. „Ich kriege Pampe. Am Morgen, zu Mittag, am Abend. Nicht einmal Brot kriegen wir, schon gar kein Fleisch, doer Eier, oder frisches Obst. Nur Pampe, aus den Essensresten der Herren zusammengemischt.“ Sein Blick wurde noch trauriger wie vorhin. Phraates liebte es, gut zu essen, doch die Brühe, die man ihnen in der Villa Flavia gab, war zum vergessen. „Kochen lenen wäre eine Idee, aber ich habe nie die Gelegenheit dazu. Unser Koch ist ein Bastard und ein Tyrann, der würde sich niemals mit normalen Sklaven abgeben. Er kocht für uns auch nur sehr ungerne. Für die Flavier, ja, da legt er sich ins Zeug.“ Er murrte und knirschte mit seinen Zähnen, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. „Und das Loch? Ja, das Loch. Es existiert. Ich habe es gesehen. Ein Loch im keller. Tief und voll mit Schlamm. Dort sperrt man uns eine Nacht lang hinein, oder sogar noch länger, wenn wir etwas anstellen. Es ist eine furchtbare Strafe.“ In seinem Gesicht zeichnete sich das Grausen ab. „Und sehr effetiv. Hat man mir gesagt.“
    Er war froh, als sie wieder über ihre Heimat redeten. Ja, er wusste sehr wohl, dass das gemeine Volk nicht viel herumkam. Er, als Adeliger, war das eigentlich auch nicht. In Ecbatana, in Susa und in Ktesiphon war er gewesen, bevor er zur Armee kam, weiter aber auch nicht. Er nickte, als Bashir auf die Germanen zu sprechen kam. „Ich habe auch einige kennen gelernt. Skalven. Ich schätze sie, auf ihre Weise. Sie sind die Feinde unserer Feinde, und deshlab wohl Waffenbrüder.“, meinte er und wiegte seinen kopf nachdenklich hin und her. „Was du über die Wälder erzählst, ist erstaunlich. Vielleicht komme ich einmal dorthin.“, meinte er, vielleicht ein wenig gedankenverloren.
    Aufgerüttelt wurde er durch die Erwähnung des Wortes „Rüstung“. Er lachte heiser. „Bashir, oh Leidensgenosse, meine Rüstung liegt dort, wo die Römer sie mir ausgezogen haben. Irgendwo in Mesopotamien, auf einem Schlachtfeld. Sie war zu schwer, als das die Römer sie hätten mitnehmen können. Mittlerweile müsste der Wind schon lange die Dünen darüber geweht haben.“ Er senkte seinen Kopf zu Boden. „Ich weiß nicht einmal mehr, wo das war. In der Nähe von Dura Europos. Aber ich werde diese Stelle nicht mehr finden.“ Mit einem traurigen Lächeln schaute er Bashir an, als er über die Unmöglichkeit zu fliehen redete. „Die Hoffnung stirbt zuletzt, Bashir. Doch auch sie droht in mir zu sterben. Doch klammere ich mich noch immer an die Vorstellung, dass ich irgendwann wieder Glück haben werde. Und nach Hause kehren kann. Und vorher auf wundersame Art und Weise meine Rüstung wieder erhalte.“
    Er seufzte. "Du hast wohl keine Rüstung gehabt. Warst du bei den berittenen Bogenschützen? Oder bei der Infanterie?", fragte er.

    Wie Phraates vermutet hatte, war Bashir auf ihn wegen seiner Kleidung aufmerksam geworden, und wie erwartet, kannte er seine Herrin nicht. Er musste grinsen, als er hörte, was Bashir sagte. „Glück? Dass ich hier in Rom Kleider aus der Heimat kaufen durfte und nun tragen kann, ist der einzige Funken von Glück in meinem Unglück! Weißt du, wie ekelig das Essen ist, das wir hier kriegen? Auf die lange Frist gesehen kriegt man davon ja Skorbut...“, meinte er und blekte seine Zähne. „Nicht gut! Und dann gibt es noch die Aussicht des Loches...“ Der Name wurde mit einem gewissen Grauen ausgesprochen.
    Und trotz allem musste Phraates schmunzeln, als Bashir plötzlich loslegte mit seinem Enthusiasmus, was Schnee anging. Schnee! Als ob das ein Problem wäre. „Warst wohl noch nie im Zagros-Gebirge, hm? Ich bin aus der unmittelbaren Nähe von Aspadana, in der Oberpersis. Bei uns schneit es immer wieder, dann und wann. Manchmal bis in die Stadt hinunter. Das ist dann immer sehr schön.“ Seine Augen blitzten auf vor Sehnsucht. „Was du von Germanien erzählst, klingt aber erstaunlich. Riesige Bäume? Und ich habe geglaubt, die Bäume hier in Italien sind gewaltig.“, meinte er und stellte sich vor, wie riesig diese Bäume wohl sein müssten.
    „Die Landadeligen sind natürlich, überall mächtig!“, meinte er voller ständischen Stolzes. „Aber, nun ja, meine Familie ist ein wenig... verarmt. Wie viele adelige Familien weiter östlich in Parthien, wo die Ernten oft kärglich sind. Wir können mit euch Flachländern nicht so gut mithalten.“, seufzte er. Und abermals. „Meine Rüstung. Ich habe sie verloren. Man hat sie mir abgenommen. Das ganze Geld der Familie wurde in meine Rüstung, mein Pferd, und dessen Panzerung gesteckt. Wie soll ich ihnen bloß wieder unter die Augen treten?“, fragte er, mehr sich selbst, als den anderen.

    Phraates war natürlich ein Pechvogel, doch auch schien immer wieder Glück in seinem Pech zu liegen. Er demolierte unabsichtlich das Zimmer seiner Herrin, doch direkt danach folgte eine seiner schönsten Abende, die er jemals gehabt hatte. Er verzog sich den Rücken, machte jedoch eine sehr nützliche Bekanntschaft. Sein Turban ging in Flammen auf, doch seine Haare blieben verschont, und zusätzlich lernte er jemanden aus seiner Heimat kennen. „Du mich angestarrt? Du meinst wegen meiner Kleidung. Meine Herrin, das ist Flavia Celerina, sicher kennst du sie nicht, lässt uns Sklaven die Heimat ihrer Kleidung tragen. Immerhin etwas, da habe ich sofoert zu den feinsten Sachen gegriffen.“ Er schaffte ein Grinsen.
    Die nächste Bewegung vom anderen Parther hätte Phraates kommen sehen müssen, aber er reagierte trotzdem erst, als die Verbeugung abgeschlossen war. „Ist doch nicht nötig.“, meinte er, obwohl das Funkeln in seinen Augen verriet, das er diese Geste sehr gern gesehen hatte, nach den vielen Demütigungen und Zurückstufungen, die er in der Villa Flavia erlitten hatte. „Aber... danke trotzdem, Bashir. Was meinst du, ein Mann wie ich? Ich bin einer der Landadeligen. Wir stellen die Panzerreiter. Ich war auch einer davon.“ Er seufzte. „Und meine Einheit ist in einen römischen Hinterhalt geraten. Fernab der anderen Schlachtenschauplätze am Chaboras oder in Edessa. Sie haben mich gefangen genommen, und der Großkönig hat nicht das Geld aufgebracht, um für meine Freilassung zu zahlen. Meine Familie auch nicht, es hing mit... diversen finanziellen Schwierigkeiten zusammen.“ Er zuckte mit den Achseln. „Deshalb haben sie mich nach Rom gebracht. Bist du auch in der Schlacht gefangen genommen worden?“ Sein Blick lastete für einen Moment auf dem Knie des Bashir. „Woher kommst du eigentlich?“

    Phraates hörte gar nicht mehr die Worte des Hinkenden, sondern war vollends damit beschäftigt, entsetzt auf seinem Turban herumzutrampeln. Die Flammen wurden langsam erstickt, das Entsetzen darüber, sich fast den Kopf verbrannt zu haben, spornte ihn zu athletischen Meisterleistungen an. Schlussendlich waren die Flammen erstickt. Schwer atmend stützte der Parther seine Arme an seinen Oberschenkeln auf. Wie von weit her hörte er die Stimme des anderen.
    Er keuchte schnell ein, zweimal, bis er zu einer Antwort ansetzte. „Du musst dich nicht entschuldigen... ich muss das tun. Tut mir Leid, dass ich dich so angefahren habe. Und ich muss mich bedanken. Ohne deine Hilfe hätte es mir das Gehirn verkohlt.“ Er grinste dem anderen zu. „Was für eine Freude, einen Landsmann an diesem elenden Ort zu finden. Bist du denn auch in die römische Sklaverei gepresst worden, oh Bruder?“, fragte er jenen. Sicher hätte er jetzt seine Freude auch noch physisch mit einer großzügigen Geste untermalt, doch fehlte ihm jetzt die Puste dazu. So beschränkte er sich nur auf ein dankbares Lächeln mit einem freudigen Blitzen in seinen Augen.
    Er schnaufte nochmals aus, bevor er sich vorstellte. „Ich bin Phraates, Sohn des Tiridates, aus der Sippe Babak. Savaran des Reiches, Kataphrakt und römischer Sklave. Was ist dein Name?“

    Phraates war komplett im Frieden mit sich selbst und der Welt, als er plötzlich angerempelt wurde, und zwar ziemlich stark. Er stieß einen Schreckensruf aus und ruderte mit den Armen herum, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Geschockt, wie er war, merkte er aber dennoch, wie ihm auf einmal seine Kopfbedeckung vom Kopf gerissen wurde. Ein Dieb! Er hatte es sicher auf den feinen Stoff abgesehen! Er wirbelte herum, um dem vermeintlichen Verbrecher hinterherzujagen, da sah er, dass der Fremde nicht damit beschäftigt war, mit dem Turban davonzurennen. Vielmehr stand er auf der Stelle und trampelte auf dem Turban herum. Phraates war entsetzt von diesem grausigen Akt des Vandalismus, welcher sich hier vor ihm (so dachte er zumindest) offenbarte. Er stellete sich breitbeinig vor dem sichtlich verrückt gewordenen auf.
    „Was du machst mit meiner Turban!“, brüllte er. Sein latein hatte sich verbessert. Hie und da haperte es noch an der Wortstellung und am Vokabular, aber er konnte sich schon viel besser verständlich machen. „Unseliger! Wieso du zerstörst ihm?“ Er reichte mit seinen Armen vor und wollte dem Fremden brutal an den Armen packen... da bemerkte er sie.
    Die Flammen, die von seinem Turban emporzüngelten.
    Dies war der Moment, wo Phraates ins Parthische verfiel. „Sch***e!“, rief er gellend und sprang ebenfalls auf den schon platt getretenen Turban, knapp vor dem Fremden hektisch auf ihn herumspringend. „Das gibt es doch nicht... verdammt, bei Ahriman und seinen Höllenkreaturen!“ Sehr edel klang das ja nicht, doch Adel verpflichtete erwiesenermaßen genau dann nicht, wenn der eigene Hut brannte.
    Abwechselnd mit dem rechten und den linken Fuß stampfte er in atemberaubender Wechselfolge auf den ehemaligen Turban, welcher jetzt nur noch mehr ein an den Rändern in Flammen stehendes langgezogenes, ausgerolltes Leintuch war.