Beiträge von Phraates

    Ogulnius Picens hatte sein Wort gehalten, so unglaublich dies auch scheinen mochte. Er hatte tatsächlich den Brief eingeworfen, sodass ihn der stets getreue Briefbote austragen konnte nach Mantua. Dort traf er auch tatsächlich ein. Außer der Anschrift war der ganze Brief auf Parthisch gehalten, in der Pahlawa-Schrift, sodass ihn wohl niemand lesen könnte.

    Ad manum Bashiris servus Ser. Artorii Reatini
    Castra Legionis I
    Mantua
    Italia


    Mein werter Freund Bashir,
    es tut mir Leid, dass ich erst jetzt schreibe, widrige Umstände hielten mich vom Verschicken des Briefes ab. Wie ich schon vermutet hatte, hatte mein Herr, Q. Ogulnius Picens, von dem ich dir in so hohen Tönen erzählt habe, und der, wie du ja weißt, in der Casa Ogulnia in Rom lebt, nichts dagegen, dass ich dir schreibe, und selbstverständlich ist er auch damit einverstanden, dass du auch einen Brief für mich an seine Adresse zurückschreibst.
    Ich hoffe, dir gereicht deine momentane Lage zum Besten. Mir selber geht es gut, ich erfreue mich bester Gesundheit und hoffe wirklich, dass ich dich einmal in Mantua besuchen kann, so wie es mir mein Herr erlaubt. Momentan sieht es jedoch noch nicht so aus, doch ich denke, bald wird mein Herr mir recht geben, wenn ich ihm sage, man müsse Mantua und Umgebung gesehen haben.
    Oh Bashir, zwar hast du mir schon deine Meinung dazu gesagt, doch ich möchte sagen, dass ich es noch immer begrüßen würde, wenn wir, falls ich einmal nach Mantua komme, zusammen eine kleine Erkundung der Gefilde östlich von Mantua unternehmen würden. Ich bin mir fast sicher, am Ende eines solchen Ausfluges würden wir uns beide schon viel heimischer fühlen.
    Mir ist es erlaubt, ein wenig Geld anzusparen, welches ich mir selber verdienen kann durch den Verkauf von Gegenständen, die meine Herren nicht mehr benötigen. Bald werde ich Geld haben, um solch einen Ausflug mir leisten zu können.
    Ich möchte dir noch etwas erzählen, mein Freund, denn ich denke nicht, dass du schon weißt. Mein Herz ist einer ganz wundervollen jungen Dame makedonischen Ursprungs zugeflogen, sie ist ebenfalls Sklavin bei den Ogulniern. Sie heißt Charis, und ich würde sie gerne mitnehmen nach Mantua, wenn es die Zeit erlaubt. Allerdings glaube ich zurzeit noch nicht, dass sie bereit ist, Mantua und seine Umgebung zu sehen, doch hoffe ich, sie davon überzegen zu können, dass sie ganz begeistert sein wird. Selbstredend werde ich dich informieren, wenn sie endlich gewillt ist, Mantua zu besichtigen.
    Wenn du dich fragst, ob mein Herr die Angelegenheit mit dem Turban bemerkt hat, die Antwort ist, Ahura Mazda sei Dank, nein. Ich hoffe, du konntest etwas anfangen mit seinen Überresten. Noch einmal möchte ich dir danken, dass du mich vom elenden Verbrennen errettet hast.
    Der himmlische Segen des Ahura Mazda sei mit dir.


    Mit brüderlichen Grüßen,
    Phraates

    Geschmäht als dummer Mann (die Kleine hatte wirklich keine böseren Schimpfwörter auf Lager) landete Phraates, der keine Wahl hatte, als die Kleine zu ignorieren, auf der Katze oben. Gut gepackt, musste er sich selber innerlich loben, als er die Katze, in einem starken Klammergriff eingezwängt, hochhob. Mühevoll stand er auf und grinste. Katzenfleisch! Wie sehr hatte er diese Delikatesse vermisst. Es war zart und weich, wie köstlich müsste es von diesem verhätschelten Vieh sein! Wie Schwein war das Fleich, das wusste er, nur würziger. Wundervoll. Er malte sich, triumphierend auf die Katze blickend, schon aus, wie er sie zubereiten würde. Braten oder doch kochen? Hm, vorsichtig gesottene Katze würde gut sein. Oder sollte er sie doch braten? Durch ein nettes kleines Feuerchen würde sie ohne Zweifel in Bälde in Kürze en point sein. Oder vielleicht war es doch besser, die Katze zu panieren und zu backen. Oder zu dünsten. Doch letztere beide Vorschläge verwarf er. Katzenschnitzel, oder pikant gedünstete Katze, waren wundervoll, doch er hatte weder die materialien noch die Zeit für so etwas.
    Er würde sie wohl braten, das würde den Geschmack am Besten... „He! Stoße mir nicht!“, erboste sich Phraates, als die Kleine in seine Richtung zu stochern begann. Nicht, dass es weh tat, aber es war unangenehm. Und jetzt begann sie auch noch zu heulen. Großer Ahura Mazda, schmeiß Hirn vom Himmel! Er wandte sich zu ihr und seufzte. „Schau, nicht weinen! Ich werde der Katze braten! Du kannst mit wir essen! Es wird sehr gut!“, versicherte er ihr und lockerte die linke Hand von der Katze, unbewusst, um eine Geste zu machen. „Es ist die Natur, wir essen... aaaaaahhhh!“ Hatte ihm das blöde Vieh tatsächlich jetzt in den Finger seiner linken Hand gebissen? Er machte einen Schritt zurück, wieder unbewusst, stolperte über eine Wurzel und flog nach hinten, knickte dabei einen weiteren Strauch um, und landete inmitten von einem Haufen von Blättern und Zweigen, den die malträtierte Pflanze ließ, weich am Boden. Wieso so weich?
    Er hob den Kopf und sah es. Es war sorgfältig aufgelockerte Erde. Rund um ihn herum standen exotische Pflanzen. Er erkannte sie sofort, Orchideen. Was pflanzt man bloss Orchideen an? Im Hochland von der Persis gab es sie nicht, aber an der Küste des persischen Golfes gab es Stellen, wo dieses Unkraut, diese Schmarotzer alles überwucherte. Dort wurden sie abgehackt, damit sie sich nicht weiter ausbreiten konnten. Auf jeden Fall war das nichts, was man im Garten haben sollte, dachte sich Phraates.
    Als er sich erhob, sah er, dass er schon ein paar Blumen durch sein Körpergewicht zerquetscht hatte. Wo war jetzt bloß die Katze hin? Er hüpfte auf, seine blauen Flecken standhaft ignorierend. Er war jetzt schon so weit gekommen, jetzt würde er nicht aufgeben!

    Während Corvinus verzweifelte Gebärden machte, mehrere Stoßseufzer von sich gebend, stand Phraates einfach nur vor ihm, wie ein Soldat vor einem General, und rührte sich überhaupt nicht. Wozu denn auch. Man musste jede Minute Ruhe, die man hatte, auskosten, und selbst wenn dies bedeutete, dem Geschwafel eines Römers zuzuhören. Immerhin war es nicht gänzlich uninteressant. Titus Aurelius Ursus, hmm, kannte er den Namen? Nein. Nun, er würde ihn schon noch kennen lernen. Was er aber nun hörte, ließ ihn seine Lauscher spitzen. „Im Kastellum?“, fragte er nach. Dort lebte doch auch Bashir! Bei Ahriman, und gerade hatte er 50 Sesterzen ausgegeben, um einen Brief an seinen Leidensgenossen zu schicken! Durch seinen Kopf marschierte ein herber parthischer Fluch, der allerdings nicht aus Phraates unverschlossenen Lippen kam. Nun ja, er sollte sich freuen, einmal von Rom wegzukommen... obwohl, das hieß auch, von Charis getrennt zu sein. Er schluckte beim Gedanken daran.
    Mit eher halbem wie ganzem Ohr hörte er Corvinus zu. Die allgemeine Botschaft bekam er mit, und schaute bestürzt drein, als er hörte, wie sie gestorben war. Er machte den Mund auf, und das Wort, dass daraus kam, schien fast schon herauszutropfen. „Magersucht.“ Er klappte die Klappe wieder zu. Er kannte den lateinischen Ausdruck, und er wusste, dass es eine verbreitete Krankheit bei den jungen Dingern in Rom war. Er wusste auch, dass man in Parthien effektive Arten und Weisen hatte, sie zu behandeln. Er nickte nur zu Corvinus‘ letzten Worten. So tat man dies in Parthien, ohne Federlesens hätte man das bei Minervina in Ktesiphon, Ecbatana oder Aspadana gemacht. In Rom, Dyrrachium oder sonstwo war sie mit diesen feinfühligen Kurpfuschern, die ihren Patienten bloß keinen Schmerz zufügen wollten, hier herumliefen, verloren.
    Er hörte sich den letzten Satz des Aureliers an und nickte. „Gern.“, sagte er. Er meinte es.
    „Wo ist eine... ein Pferd?“, fragte er. „Und wann muss ich los?“

    Fast hätte er losgeheult, so viele Emotionen schwirrten in seinem Kopf herum. Da bist du also, armer Phraates. Der Aussicht auf Freiheit für immer entzogen. In Rom, einer Stadt, von der dir die Leute beigebracht hatten, dass du sie hassen solltest. In den Armen einer Frau, in der du deinS chicksal gefunden hast, jedoch niemals imstande sein wirst, es zu genießen.
    Er hielt die Tränen jedoch zurück. Es war nicht die Zeit zu weinen. Es war niemals die Zeit zu weinen für einen Mann seiner Abstammung, seiner Familie, seines Standes... halt, Stand? Er war Sklave in Rom. Wie konnte er sich noch Kataphrakt nennen? Durch seine Worte hatte er seinen großkönig verraten. Durch sein Versprechen, nicht zu fliehen, bei Charis zu bleiben, hatte er die Möglichkeit, zurückzukehren, für sich begraben. Und damit sein Treuebündnis an den prächtigen monarchen gebrochen.
    Phraates‘ Herz stockte, als er sich dieser Tatsache bewusst wurde. Wieder musste er sich die Tränen verkneifen. Es gab heute Abend nur noch eines.
    Trost in den Armen der Frau zu suchen, derentwegen er dies alles tat. Derentwegen er sein bisheriges Leben aufgab. Bislang hatte er sich kataphrakt des Reiches nennen können. Doch dies war nun nicht mehr möglich. Er hatte all dem nun abgeschworen. Jetzt war er nur noch... ein Nichts.
    Das Nichts in Form von Phraates nickte nur kläglich, als Charis ihm anbot, in ihrem Zimmer zu übernachten. Stumm war sein Einverständnis. Er ergriff ihre Hand und drückte sie, nicht zu fest, aber warm.

    Wann würde endlich Phraates einen Römer begegnen, der seine Stellung zu schätzen wusste? Wann würde er es endlich erleben, dass man Respekt zeigte vor den Leistungen, die er unzweifelhaft erbracht hatte, um in diese Position zu kommen? Es würde wohl noch ewig dauern. Der Römer zuckte nicht einmal zusammen, als er davon hörte. Was für ein Barbar, dachte sich Phraates. Sein Blick wurde gleich noch ein wenig abweisender.
    Dieser jedoch schwand auf einen Schlag, als er hörte, dass jemand gestorben war. Aurelia Minervina? Noch nie gehört. Es schien aber seine Nichte zu sein. Er verrückte seinen Turban leicht und kratzte sich am Kopf. „Äh, klar.“, machte er. „Wie heißt dein Neffe? Und wie ist sie gestorben?“, fragte er ein wenig verlegen. Er wollte dies wissen, wenn er diese Nachricht überbringen würde.
    Nun hasste er es, schlechte Nachrichten zu überbringen. Er erinnerte sich an ein Stück, welches man einmal in Aspadana gespielt hatte. Ein griechisches Spiel, da hatte irgendjemand glatt dem Überbringer einer schlechten Nachricht den Kopf abgeschlagen. Ob das der Römer auch so machen würde? Hoffentlich nicht. Er blickte Corvinus an, ein wenig treudoof, wie es ein Dackel nicht besser hätte tun können, und nickte. „Ich werde es tun, Herr...“, meinte er, mit dem Fuß am Boden herumscharrend. „Nach Mantua.“ Vielleicht würde er dort Bashir treffen! Eine bessere Sache könnte ihm wohl nicht passieren. Und so geschah es, dass er, trotz des bitteren Eindruckes, den Corvinus machte, jenen nur mit einem freundlichen, ja, freudigen Ausdruck in seinen Augen erwiderte.

    Als Phraates näher hinsah, merkte er, dass doch nichts schlimmes passiert war. Welch Glück. Erleichtert atmete er auf. Doch ihr Knie schien zu schmerzen. Er blickte dorthin, doch konnte er in der Dunkelheit nur wenig sehen. Es schien aber zu bluten.
    Bevor er etwas dazu sagen konnte, ergriff sie das Wort. Er hörte ihr aufmerksam zu. Wie war das zu verstehen? Mögen? Lieben? Und sie fand dies schlimm? Phraates blickte nicht mehr durch, er blickte sie nur verständnislos an. Ihre letzte Botschaft aber drang knallhart zu ihm durch.
    Er hätte ihr liebend gerne widersprochen. Er hätte am Liebsten ihr gesagt, sie solle sich nicht so anstellen, es würde schon in Ordnung kommen. Er hätte ihr am Liebsten zum wiederholten Male vorgeschwärmt von den Wundern Parthiens, dem Reichtum des Landes, des angenehmen Lebens dort. Dem Geruch der Freiheit.
    Doch alles, was ihm aus dem Mund kam, war ein stockendes: „Ich... bleibe bei dir.“ Es war sogar richtiges Latein. Er senkte den Blick und biss sich in die Unterlippe. Nie hatte er es für möglich gehalten, dass er einmal sein Leben wegwerfen würde für eine Frau. Doch dies tat er gerade.
    Leidvoll seufzte er. Er konnte es nicht zurückhalten. Was für eine elende Situation! Er blickte Charis traurig an, bevor er sie an sich heranzog und fest umarmte, seinen Kopf in ihrer rechten Schulter vergrabend.

    „Der ich bin. Der bin ich.“, korrigierte sich Phraates, dessen latein noch immer nicht ganz fest saß. „Und reiten? Ob ich reiten kann?“ Er beugte sich vor, als ob er Corvinus als eine ganz kuriose Sache empfinden würde. „Ich bin Kataphrakt! Savaran des parthischen Reiches! Ja, ich kann reiten.“, machte er. Kurz kam in ihm der Stolz eines parthischen Edelmannes hervor, bevor er sich ins Gedächtnis rief, dass es vielleicht nicht allzu klug wäre, jetzt den Blaublütigen heraushängen zu lassen. Und den Parther. Er musste es Corvinus ja nicht unter die Nase reiben, dass er schon 7 Römer getötet hatte. Nein, es war nur gut, wenn ihn der Römer unterschätzte. Immerhin schien Corvinus ihm ein Pferd anvertrauen zu wollen. Ein Pferd! Er fuhr sich mit seinem Zeigefinger über seine Oberlippe, wo auch er einen Schnurrbart sich leistete, der jedoch beileibe nicht so jenseits aller Proportionen war wie der anderer Sklaven.
    Endlich wieder reiten! In seinem Kopf erschien eine Karte des römischen Reiches, welche er sich gut eingeprägt hatte. Zuerst nach Mantua, dann über die Alpen. Die Donau entlang. Und dann entweder nach Süden, zum Bosporus, oder nach Norden, um durchs Skythenland sich zum Kaukasus, an die parthische Grenze, durchzuschlagen. Würde er das jetzt amchen? War die Zeit gekommen? Doch er dachte auch an Charis. Könnte er sie alleine lassen?
    Er beäugte misstrauisch die Versiegelung des Briefes, bevor er Corvinus anschaute. „Eine Botschaft?“, fragte er nach. „Was für eine Botschaft? Wohin? Zu wen?“, fragte er nach.

    Phraates verstand Charis‘ Bedenken wirklich nicht. Gut, die Flucht würde eine schreckliche Sache sein. Aber sobald sie in Parthien waren, würden sie sicher sein! Phraates war parthischer Staatsbürger. Er würde Charis heiraten und sie somit zu einer Partherin machen! Und der parthische Staat würde seine Bürger beschützen vor den Römern, besonders, wenn es um Adelige aus dem ritterlichen Stand ging!
    All dies wollte Phraates Charis sagen. Doch es ging nicht. Er fand die passenden Worte auf latein nicht. Und so starrte er nur dem Wortschwall der Makedonierin entgegen, unfähig, etwas zu erwidern. Was sie sagte, ließ ihn innerlich zusammenfallen. Sie wollte nicht fliehen. Sie konnte es nicht.
    Sie konnte es nicht.
    Und dann rannte sie weg. Ungläubig schaute er ihr nach, wollte ihr nachrennen, doch sein Körper war wie erstarrt. Wieso tat sie das? Wieso? Verdammte Weiber!
    Gerade, als Zorn durch seine Seele schwappen wollte, hörte er einen dumpfen Aufprall aus der Dunkelheit. Dies riss ihn aus seinen trüben Gedanken, und seiner Starrheit. „Charis!“, rief er, entsetzt.
    Und er begann zu rennen, in die Dunkelheit hinein. Mit sicheren Fußtritten erreichte er schnell Charis, welche am Boden lag, am Kies. Er machte einen Satz zu ihr hin und kniete hastig neben ihr nieder.
    „Ich... es mir Leid tut, ich...“ Er berührte Charis Kopf mit aller Zärtlichkeit. „Alles gut?“, fragte er bestürzt nach, behutsam ihre linke Schulter aufhebend.

    Schlapp. Schlurf.
    Schlapp. Schlurf.
    Schlapp. Schlurf.


    Orientalische Patschen.
    Phraates kam. Nicht frohen Mutes, doch er kam. Am Liebsten hätte er, als er die Nachricht bekam, Corvinus brauche ihn, vor lauter Frust seinen rechten Patschen ausgezogen und den unglückseligen Überbringer der Hiobsbotschaft damit wiederholt geschlagen. Doch er konnte seine nahöstlichen Emotion unter Kontrolle halten, und schlapperte mit seinen weiten Schuhen zum Officium des Corvinus.
    Richtig kannte er den Hausherren noch nicht. Er war schon einige Male an ihm vorbeigerauscht, aber richtig unterhalten hatte er sich noch nie mit ihm. Gerade, dass er ihn erkannte.
    Nun würde es wohl ein Gespräch werden. Das erste, das er jemals mit dem Aurelier geführt hatte. Und es sah nach Arbeit aus. Elender, langer, sehr unbezahlter Arbeit, die einem das Leben minütlich versauerte. Wenn Corvinus an Celrina Gefallen gefunden hatte, musste er ja ein schrecklicher Mensch sein!
    Er klopfte an, wartete gar nicht auf das Herein, da Corvinus ihn eh erwartete, und öffnete die Türe. „Salve, Herr.“, meinte er freundlich und verneigte sich ein wenig. „Wie kann ich helf... verdammt!“, fügte er auf parthisch zornig hinzu, als ihm sein Turban bei seiner Verneigung über den Kopf rutschte. Er richtete ihn hastig wieder auf. „Also. Wie kann ich helfen?“, fragte er abermals.

    Die Casa Ogulnia war nicht Phraates‘ eigentliches Ziel. Das Ziel, das ihm zugetragen worden war, war die Villa Cloelia, welche ein heruntergekommenes Patriziergeschlecht geherbergte, welches irgendeinen Salier stellte. Jenem musste Phraates ein religiöses Pamphlet zukommen lassen.
    Nun, anch getaner Arbeit, hätte er eigentlich zur Villa Aurelia zurückkehren müssen. Doch nahm er einen kleinen Umweg, der ihn, welch Zufall, über die Casa Ogulnia führte.
    Die Ogulnier waren eine verarmte römische Sippe. Einst, von fast 400 Jahren, hatten sie einmal einen Consul gestellt, doch dies war lange her. Die Casa Ogulnia bot einen trübseligen Anblick. Es war ein winziges Haus, hineingeduckt zwischen zwei riesigen, schäbig aussehenden Insulae, wo die Nachbarschaft der Ogulnier hauste – heruntergekommene, verwahrloste Kerle, die regelmäßig Verbrechen begingen.
    Doch die Ogulnier konnten, trotz allem, sich über Wasser halten. Das karge Gehalt, welches der eine oder andere Ogulnier als Soldat oder als Scriba verdiente, mochte dazu beitragen. Was sie aber auch taten, war Phraates erst vor Kurzem ans Ohr gekommen.
    Er hatte es von einem Sklaven der Gens Genucia gehört, als er jener am Markt einen Apfel zugesteckt hatte. Die Ogulnier boten... unter der Hand... Dienstleistungen für Sklaven aller Art. Sie würden ihnen jetzt nicht dabei helfen, auszubrechen, oder ihre Herren töten, aber kleinere Dienste wurden immer angeboten. Zum Beispiel... Briefe verschicken.
    Phraates war sofort entflammt gewesen für die Idee, Briefe durch die Ogulnier verschicken zu lassen. Und so hatte er es sich zu Nutze gemacht, dass bei einem Unzug, unglücklicherweise, immer Sachen verloren gehen. Kleine silberne Anhängerchen, die nicht richtig eingewickelt waren. Eine Jadekette. Ein paar Seidentücher. Nicht viel war es, was Phraates entwendete, gerade so wenig, dass es nicht auffiel, und gerade so viel, dass er einen Postdienst damit bezahlen konnte. Er hatte es in einem Flohmarkt verkauft, und sich dadurch ein paar Sesterzen ergattert.
    Den Brief hatte er schon geschrieben, unter seinem Gewand war er verborgen. Mit soviel Selbstsicherheit, wie sie ein Sklave aufbringen konnte, klopfte er an die Türe der Casa an. Es war bezeichnend, dass kein Sklave, sondern ein Römer aufmachte, der Sohn des Hausherren, wie sich herausstellte. Er musterte den jungen Parther zuerst argwöhnisch, bevor er begann, langsam zu reden.
    „Willkommen in der Casa Ogulnia. Was ist dein Name und Begehr?“, meinte er argwöhnisch.
    Phraates holte tief Luft. „Mein Name... ist nicht wichtig. Ich bin Sklave und suche einen geeigneten... Poststelle.“ Sein Latein war nochmals um vieles besser geworden, nur bei den Fällen und beim Vokabularium haperte es noch stellenweise.
    Der Kerl an der Türe grinste. „Ah, verstehe. Komm mal rein, Namensloser.“, meinte er und winkte Phraates ins Haus.
    Das Innere des Hauses sah kaum gepflegter aus als das Äußere. Phraates fühlte sich, als ob er durch die Pracht der Villae der Flavier und der Aurelier schon komplett versnobt wäre. Er blickte sich um. Die Casa hatte gar kein Atrium und dergleichen, sondern führte direkt durch ein winziges Vestibulum in eine Art Triclinium. Dort saß, auf einer alten Kline, der Hausherr. Jener erhob sich und wackelte, das Gesicht durch die Schmerzen von der Gicht ein wenig verzerrt, auf Phraates zu. „Du suchst also Hilfsdienste.“, meinte er kurz angebunden, ohne Gruß. „Welcher Art?“ „Post.“
    Der Ogulnier nickte. „Ah so. Wohin?"
    „Nach Mantua.“, antwortete Phraates wahrheitsgemäß.
    „Prima. Ich hoffe, wir kommen ins Geschäft. Quintus Ogulnius Picens, mein Name. Deiner?“
    „Phraates.“, meinte jener endlich.
    „Sehr gut. Also, wir werden deinen Brief senden. Und wenn eine Antwort kommt, ihn aufbewahren. Wenn du dann wieder reinschaust, kannst du ihn dir abholen. Alles um eine Gebühr, selbstredend.“, grinste Picens. Phraates seufzte. „Wieviel?“ „50 Sesterzen fürs Schicken. Und 25, wenn du einen Brief abholst. Fixpreise. Kein Feilschen möglich.“
    „Was? Kein Rabatt?“
    Nein.“
    40.“
    Nein.“ Picens grinste.
    45!“
    Nur noch Kopfschütteln.
    48!“
    Nein. 50.“
    Phraates stöhnte abermals. „Gut, 60.“, meinte er schließlich. „Aber daür wird der Brief ankommen. Gibt es da einer Garantie?“
    Nein.“, meinte Picens, wandte aber beschwichtigend ein: „Aber wir garantieren dir, dass wir deinen Brief abschicken. Ganz sicher.“
    Phraates machte ein säuerliches Gesicht. Dann holte er, ganz vorsichtig, seinen Brief hervor. Und legte 50 Sesterzen dazu.
    „Und du wirst es abschicken.“
    „Klar.“, meinte der Ogulnier. „Genauso, wie ich die Briefe aller anderen abgeschickt habe. Du hast das Wort eines Nachfahren des großen Consuls Quintus Ogulnius Gallus.“ Er blickte für einen Moment ganz stolz drein, bevor er sein Gesicht wieder zusammensacken ließ. „Gleich morgen wird er eingeworfen.“
    Phraates nickte dem Mann nochmals zu, bevor er sich, zu Ahura Mazda betend, dass Picens sein Wort halten würde, nach Hause begab.

    Die friedliche Ruhe wurde unterbrochen durch einen lauten Ausruf in unverkennbar makedonischem Akzent. Phraates blickte besorgt auf seine Liebste. Was war mit ihr los? Hatte sie eine Wespe in den Hintern gestochen?
    Doch dem war nicht so, vielmehr schien sich fast so etwas wie Widerstand bei der Makedonierin zu regen. Er war nicht allzu glücklich damit, und seine Mundwinkeln rutschten ein ganz kleines bisschen herunter. Sie wollte gar nicht in die Freiheit? Es war ihr gar nicht so wichtig? Nein, es war ihr gar abhold? Phraates taxierte das Mädchen mit einem staunenden Blick. „Du nicht fliehen willst? Aber...“, stotterte er heraus. „Ich weiß, wie! Ich habe Kontakt. Nach außen. Noch nicht ich weiß, wie ich es werde“ verwenden, was hieß das noch einmal? Verdammt. „machen. Aber es gehen wird. Charis, ganz sicher. Fliehe. Fliehe mit mir. Bitte.“ Mit großen Augen, die die Ruhe eines Hirsches ausstrahlten, und trotzdem auch das Feuer eines Elefantenbullen vermuten ließen, blickte er Charis in die Augen. „Ich liebe dich. Ich nicht ohne dich kann.“, gestand er ihr anch einer langen Pause. Wie schäbig klingt doch ein Liebesgeständnis in gebrochenem Latein! Der Wille in Phraates, sich die lateinische Sprache besser anzueignen, wuchs in jener Sekunde um das hundertfache. Latein würde er lernen, und Griechisch ebenfalls! Denn er wusste, mit Charis würde er seine Zukunft verbringen werden.
    Zumindest, wenn die Götter es so wollten. „Freiheit... ist wunderbar.“, brachte er nur noch heraus. „Wunderbar... so wunderbar... du nicht es glauben wirst...“ Mühsam nur hielt er die Tränen zurück.

    Ahhh, Verschwindibus. Es gab kein besseres gefühl, als sich erfolgreich zu drücken und dann in Ruhe... verdammte Kacke! Wer war das, die mit der Stimme? Er fuhr krampfhaft herum, im selben Moment, als er Chais‘ Stimme erkannte. Er trat ein paar Schritte auf sie zu, vorwurfsvoll sie anschauen. „Was habe ich falsch gemachen... gemacht?“, fragte er sie. „Charis! Wieso redest mit mir du so?“ Er war eher traurig als erbost, war doch Anfälligkeit für Wut eine Eigenschaft, die der junge Parther nur in Extremfällen besaß.
    Er trat zu ihr hin und legte seine rechte Hand auf ihre linke Schulter. „Sag mir, sollen wir nicht einmal eines Pause machen? Hier ist sonst niemand.“, meinte er in einem etwas versöhnlicheren Tonfall. Sein Latein hatte sich wirklich verbessert in seiner Zeit hier. Er war ja auch schon lange bei den Flaviern gewesen, und war gewillt, bei den Aureliern weiter sein Latein zu verbessern. Er schmunzelte Charis wieder an, er konnte ihr nicht böse sein.


    Sim-Off:

    Ich habe mir selber nun Farbe verliehen. Ist besser so, glaube ich. ;)

    Phraates war ein gläubiger Mensch. Er glaubte an die Allmächtigkeit von Ahura Mazda, die diabolische Boshaftigkeit von Ahriman, das gütige, ausgleichende Element, welches durch Mithras symbolisiert wurde. Und er mochte andere Glauben nicht. Nicht den römsichen Glauben, und schon gar nicht den ägyptischen. Hätte er gewusst, dass man der Patrizierin die Katze als Nachkomme von der durchau katzenköpfigen Gottheit Bastet verkauft hätte, hätte er lauthals aufgelacht.
    Aber so sah er nur einen Leckerbissen. Ein Braten auf 4 Beinen, ein wandelndes Steak, das Hackfleisch, bevor es auf den Teller kommt. So sehr er sich konzentrierte, so weiter weg schlüpfte die Katze... in einen verdammten Strauch hinein. Der junge Parther wollte sich, todesmutig, gerade auf den Strauch stürzen, da wurde er plötzlich der Stimme eines Kindes gewahr. Eine laute Stimme.
    Er fuhr herum und starrte ungläubig in das Gesicht des Kindes, welches ihn auszuschimpfen schien. Wie? Dummer Mann? Sie wagte es, so mit ihm zu reden? Bevor er was erwidern konnte, drang ihm die Stimme der Vernunft ins Hirn. Sie hat erstens recht. Und zweitens, du bist nicht mehr Savaran des Großkönigs, sondern nur noch Sklave, also, nicht aufspielen! Er tat das, was er immer tat, wenn er in die traurige Realität geworfen wurde – er ließ seine Schultern einsacken. „Du habest... hast... Recht!“, machte er mit tieftrauriger Stimme. „Ich bin keine gute Fänger. Mach du. Bitte.“, forderte er sie auf und ging schnell in Deckung, hinter einem Busch. Ob die Katze darauf reinfiel?
    Bisher hatte Phraates Katzen immer für intelligente Geschöpfe gehalten. Er hatte gedacht, natürlich wird die nicht herauskommen. Sie wird sich im Strauch verschanzen. Er blickte schon desillusioniert weg, in Gedanken sein verdientes Mahl zeitlich nach hinten verschiebend. Katzenbraten! Er hatte es oft und gerne gegessen! Die sogdische Köchin, die sie gehabt hatten, hatte es immer zubereitet. So gut war es gewesen! Natürlich musste man gesunde Katzen dafür nehmen. Man konnte keine Katzen von der Straße nehmen. Nein, es war für Phraates von Anfang an klar gewesen, dass er eine Katze von den Herrschaften nehmen musste. Und wessen Fleisch könnte zarter sein als das von der verhätschelten Saba?
    So war der Plan in ihm gekeimt. Schnell und unbemerkt an die Katze kommen, sie töten, dann braten, sie verspeisen – mit Charis natürlich, so etwas wollte er ihr nicht vorenthalten – und dann die Überreste verschwinden lassen. Und, natürlich, das Fell am Markt verkaufen. Ein paar Sesterzen waren da immer drinnen.
    Und dies alles hatte er schon davontreiben sehen. Doch nun wurde ihm bewiesen, als er wieder zum Strauch sah, dass Katzen wohl doch nicht so viel Hirn hatten, wi ihnen allgemein bescheinigt wurde. Phraates‘ Augen wurden zu Stielen. Unkontrolliert begann er zu sabbern. Katze... Katze... ESSEN! Jetzt!
    Ohne die Folgen seiner Tat zu bedenken, stürzte er sich auf die Katze hinauf, kurz bevor jene bei der kleinen Sklavin (oder war es ein Sklave? Phraates war sich nicht sicher) ankam. Er stürzte durch den Busch hindurch, dabei Äste und Zweige abknickend, dass die halbe Krone abgesäbelt wurde. Er flog auf die sorgfältig gerechte Erde, auf die Katze hinauf, dabei sich selber mit Dreck besudelnd und die Erde in Unordnung bringend. Das machte nichts, er musste die Katze fangen! Seine Hände langten nach ihr, umschlossen sie abermals, wie schon vor ein paar Minuten... endlich am Ziel! Er hatte sie! Er wurde einen Moment vor lauter Freude ganz unaufmerksam – es wäre nun wohl der perfekte Moment für die Katze, zuzuschlagen.

    Mit „Miez, miez“ hatte es nun aufgehört. Stattdessen erklang ein deutlich hörbarer Schrei durch den ganzen aurelischen Garten. Er klang entsetzlich, als ob jemand gefoltert werden würde. Ein Schwall von grässlichen parthischen Flüchen folgte. Wer etwas Parthisch verstand, würde durchaus einzelne Begriffe, wie „Sauvieh“ oder „Dreckiges Biest“ aus den schmutzigen Wörtern, welche Phraates um sich schleuderte wie ein nasser Hund Wassertropfen, wenn er sich beutelt, herausfiltern können. Wäre dies der flavische garten gewesen, wären die Dinge um einiges leichter gewesen. Dort kannte sich Phraates gut aus, er wusste, wo welche Abbiegungen waren, was zu erwarten war. In diesem neuen Garten, den er gerade erst einige Tage zuvor gesehen hatte, wusste Phraates nicht, was als nächstes kam, was er erwarten sollte hinter jeder einzelnen Böschung, Abbiegung, Baum.
    Besonders blöd war es aber, wie immer, wenn man nicht die oberste Maxime des noblen geschäfts der Katzenjagd wusste – niemals – niemals der Katze am Schwanz ziehen, wenn man sie erwischt. Dies hatte Phraates missachtet, und er bezahlte den Preis dafür. Die scharfen Krallen rissen seine Haut auf, und zu allem Überfluss biss ihm das Vieh noch in den Arm. Vor Schmerzen war es also, dass Phraates so brüllte (nicht etwa, weil es ihm Spaß machte). Er ließ das Ding vor lauter Schmerzen fallen und blickte voller Schrecken auf seinen malträtierten Arm.
    In seinen Augen stieg etwas auf, was man von dem freundlichen jungen Sklaven selten gewohnt war – ungehemmte Wut. Mit einem dumpfen, kehligen Grollen stürzte er sich auf die Katze, doch verfehlte er sie – diese kleinen nervigen Dinger sind so wendig, hopsen ständig hin und her, da konnte man sich keinen Reim mehr daraus machen. Phraates verlor das Gleichgewicht und stürzte auf einen kleinen, sorgfältig gehegten, kugelrunden Buchsbaum neben dem Strauch, wo sich die Katze versteckt gehalten hatte. Die filigrane Pflanze knickte an ihrem Stamm um, und wurde durch das Gewicht des Parthers regelrecht in zwei Teile gestückelt, als der Stamm von oben her gespalten wurde, als Phraates hineinflog. Das ganze flog um, und Phraates mit. Er landete, inmitten eines Chaoses, bestehend aus den ruinösen Überresten des Buchsbaumes, am Boden, auf dem Rücken. Mit einem unterdrückten Wutschrei stieß er den komplett zerstörten Buchsbaum von seinem Körper herunter, wischte sich Geäst und Blätter aus seinem Gewand, bevor er aufsprang und hektisch herumblickte.
    Wo war die Katze? Da! Er hatte sie entdeckt und sprang ihr hastig nach. Er musste sie einfangen, das konnte nicht umsonst gewesen sein!

    Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
    Hör's näher und näher brausen.
    Es zieht sich herunter in düsteren Reihn,
    Und gellende Hörner schallen darein,
    Erfüllen die Seele mir Grausen.
    Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
    Das ist,
    Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.



    „Miez, miez, miez...“, erklang es zwischen den Büschen und den Sträuchern des aurelischen Hortes. Ein gar seltsam, oder soll man sagen, lustig, gewandeter junger Mann mit bräunlicher Hautfarbe und Kopftuch auf seinem Haupt hatte den Kopf gegen Boden gebeugt und schien irgendetwas zu suchen. Dem war auch so. Er suchte etwas, von dem er gerade vor 3 Sekunden einen Blick erhascht hatte. Die Katze seiner Herrin. Was für ein zartes Fleisch musste sie haben! Gar köstlich würde sie schmecken, auf sogdische Art zubereitet, so wie es seine Mutter manchmal getan hatte. Sie mochte ihre Kinder manchmal leicht vernachlässigt haben, aber eine großartige Köchin war sie gewesen, und auch Phraates dachte, er könne sicherlich eines ihrer besten Rezepte nachkochen.
    In Sogdien, in Nordwestparthien, war eine Spezialität der regionalen Küche Katze. Die Ktesiphoner aus Mesopotamien sagten immer scherzweise, es wäre eine Spezialität aus den Tagen, als Alexander der Große versucht hatte, die Städte Sogdiens auszuhungern. Allerdings war Katze, so wie sie die Sogdier zubereiteten, echt gut. Sie sagten, sie hätten ihr Rezept von den Tochariern, diese hätten es wiederum von den Kshatriyas, diese wiederum von den Dayuan, und diese wiederum von den Uiguren, welche es wiederum von jenem mysteriösen, riesigen Volk der Serer hatten, welche sich selber die Han nannten, deren Reich angeblich größer war als die von Rom und Parthien zusammen, beherrscht waren sie von mächtigen Kaisern, und hatten sich mittels einer gewaltigen Mauern von allem Fremden abgeschottet.
    Wie man sehen kann, wollte Phraates ein chinesisches Rezept ausprobieren. Saba, die Katze, sollte das erste Tier sein, welches in Europa als Chopsuey herhalten sollte. Es war ein Tier, welches garantiert keine Krankheiten hatte, und zudem wohlgenährt war. Die perfekte Wahl, dachte sich der junge Parther, lächelte und avanzierte auf einen Strauch zu, wo er die Katze vermutete.
    Natürlich war Phraates entschlossen, dieses Essen mit Charis zu teilen. Er würde es mit ihr zu Abend essen. Wie erfreut sie sein würde... da! Ein Schwanz lugte aus dem Busch hervor. Das blöde Tier hatte einfach den Schwanz herausgestreckt lassen. Das gab es doch nicht. Phraates grinste noch mehr, packte mit einem schnellen Handgriff den Schwanz und zog kräftig daran. Jetzt hatte er die Katze!

    „Vielleicht.“, antwortete Phraates, dies war nicht die Zeit, um große Reden zu schwingen. Er blickte sie genau an, fast so, als wolle er sich sie ins Gedächtnis brennen. Wie schön sie doch war. Sie war so, wie die Traumfrau, von der er in jungen Jahren geträumt hatte. In Phraates Herz brannte glühendes Verlangen. Er fühlte sich nicht mehr wie ein armseliger, glückloser Sklave, nein, sondern wie eine Mischung aus Hengst, Bulle, Löwe, das alles zusammen, eine solch gewaltige Energie hatte sich in ihm versammelt. Diese konnte unmöglich von der ganzen Pampe kommen, die man hier in der Villa aß, nein, sie kam aus ihm heraus.
    „Vielleicht.“, wiederholte er sich. Dieses Mal klang es wie ein Ja, eher denn als ein Nein. Er blickte kurz hinauf, in die weit entfernten Sterne, bevor er wieder auf Charis blickte. „Charis. Ich will fliehen. Einmal. Mit eine Pferd. Und mit dich.“, vertraute er ihr an. „Nach Parthien. Es ist eine schönes Land.“, versicherte er ihr. „Willst du kommen mit mich?“ Er blickte sie unverwandt an. „Ich weiß noch nicht, wann. Aber irgendwann. Ich werde sehen wieder die Land von meine Vater.“ Er war sich darin sicher. „Nicht jetzt, aber irgendwann.“

    Phraates war dem Kleinen von der Porta her bis zum Zimmer seiner Herrin hier bei den Aureliern gefolgt. Er prägte sich, so gut wie es ging, alles ein, woran er vorbeiging. Statuen, Sträucher in Töpfen, Reliefs an den Wänden, Flure, Türen, Abbiegungen, alles. Schlussendlich standen die beiden im Zimmer der Flavierin. „Uff.“, machte Phraates, als er seinen Krempel geräuschvoll ablud. Dem großen Ahura Mazda sei Dank verstreute sich nicht sein ganzer Seich im Raum der Patrizierin, sondern blieb gerade stehen – das hätte zu seinem Glück noch gefehlt, dass er beginnen musste, herumzuklauben und zu sortieren. „Danke!“, rief Phraates noch dem Knaben hinterher und blickte sich dann um. Noch gar nichts war eingerichtet. Nun gut, er würde nicht der sein, der dies tun würde.
    Er blickte sich schnell um – niemand war da – dann verließ er das Cubiculum klammheimlich, um sich unter die Sklavenschaft der Aurelier zu mischen.

    Phraates hörte in seinem Rücken die Wirbeln knacken, als die Türe geöffnet wurde. Vor ihm stand ein schwarzes Ungetüm, welches, als Phraates hinschaute, sich als Mensch entpuppte. Und was ür ein Mensch, das war nicht mehr zu glauben.
    Doch noch viel grauenerregender als sein Anblick wirkten die ungeschlachten Worte, die dem Riesen aus dem Mund polterten. Phraates zuckte kurz zusammen und schüttelte den Kopf. Sein latein hatte sich in der letzten Zeit sehr verbessert. Er verstand alles, was ihm Leone sagte, und blickte ihn ungläubig an. „Eins. Ich bin richtig. Das ist die Villa Aurelia. Und musste hierher gehen. Ein Befehl von Flavia Celerina, meine Herrin. Zwei. Das ist nicht korrektes Latein.“ Er schaute streng auf den Türsklaven, veraergert. „Lass mich rein.“ Man konnte deutlich den einstigen Savaran-Kataphrakten heraushören, diese Stimme gehörte einem Mann aus der Elite der parthischen Armee, der schon mehr als genug Männer aus geringerem Rang kommandiert hatte. „Ich breche mir jetzt und dann den Rücken.“, setzte er vorwurfsvoll hinzu.

    Der Titel dieses Beitrags mag dramatisch klingen, doch spiegelt er genau das wieder, was Phraates empfand über sich selber. Die Welt war ungerecht, böse, schlimm, und deprimierend, ungefähr in dieser Reihenfolge. Dementsprechend mürrisch blickte er auch drein, als er auf die Villa Aurelia zuschlurfte. Auf seinem Rücken trug er haufenweise Zeug, Geschirr, Kleidung, und sperrigen Kram aus Holz, dessen Sinn und Zweck nicht unbedingt ersichtlich war. Beim Umzug der Herrin Celerina mussten alle Sklaven mitanpacken, und Phraates hatte, damit er nur einmal zur Villa Aurelia latschen musste, seinen kompletten Part gleich jetzt mitgenommen, ohne nur die Hälfte zu nehmen. Sein Rücken schmerzte. Seine armen Schultern standen davor, abzubrechen. Aus seinen Armen traten die Venen blau hervor. Er blieb vor der Tür stehen, doch hatte er seine Arme nicht frei. Nicht wissend, wie er sonst banklopfen sollte, senkte er den Kopf wie ein Stier, und rammte ihn 2, 3-mal gegen die Tür. Es war laut und hörbar. Phraates, der nun Kopfschmerzen auf die Liste seiner mannigfaltigen Leiden aufnehmen konnte, hob seinen Kopf und blickte die Tür müde an.