Piso nickte mit heruntergezogenen Mundwinkeln, als Verus pessimistisch wurde. “Fehlt nur noch, dass er beginnt, reihenweise die Leute umzubringen. Er ist noch nicht mächtig genug, sich sowas zu erlauben. Aber warte nur, bald schon werden die ersten Köpfe rollen. Möglicherweise ist es Salinator, der daran Schuld ist, dass der Prätorianerpräfekt untergetaucht ist, denn man sieht und hört nichts mehr von jenem.“ Ja, Piso begann schon, sich um Balbus Sorgen zu machen. Wo steckte der Mensch denn?
Er seufzte. “Titus, das ist Wunschdenken. Als ich den Kaiser gesehen habe, habe ich gesehen, wie schlecht es ihm ging. Stell dir vor, der Typ ist eingeschlafen, als ich mit ihm redete, so fertig ist er.“ Er grübelte. “Wobei er auch vielleicht nur einen üblen Kater hatte. Kann ja auch sein, oder?“ Er konnte nicht dem Drang widerstehen, sich am Kopf zu kratzen. “Aber ehrlich, als ich ihn gesehen habe, habe ich sofort geglaubt, dass er nicht nach Rom kommen kann. Dabei hat er einen Sohn, macht ihn aber nicht offiziell zum Caesar. Ich habe ihn ja danach gefragt, aber er ist der Frage einfach ausgewichen. Stell dir vor. Wenn der Kaiser mit seiner Krankheit morgen stirbt, dann ist die Frage, wer der nächste Kaiser wird, total offen.“ Er zuckte mit den Schultern. “Dann könnte Salinator sich wirklich zum Augustus aufschwingen. Kaiser Salinator, mir wird schlecht, wenn ich daran denke.“ Er seufzte leise. “Ich hoffe es ja auch. Aber ich weiß nicht... naja.“
Die Sprache kam auf Serrana, und über sie zu reden, fiel Piso um Einiges schwerer, als zu Politisieren. Er nickte nur schwerfällig, als Verus auf ihn einredete wegen Serrana. Sie hatte mit ihrem Vater abgeschlossen. Sie war durchgebrannt, und weg. Der Flavier begann nervös auf seiner Unterlippe zu nagen. Natürlich sollte es ihn nicht mehr bekümmern... aber trotzdem, tief drinnen in seinem Herzen stach es gehässig.
“Nun... ich...“ Er rang nach Worten. Hoffentlich war Verus ihm nicht böse, wenn er es ihm anvertraute. “Deine Worte bestätigen mich darin, dass ich den richtigen Entschluss gefällt habe.“ Er blickte Verus kurz bedeutungsvoll an, bevor er erklärte. “Ich werde mich bald verloben, und, wenn die Götter es wollen, verheiraten.“ Er begann zu lächeln. “Sie heißt Aurelia Prisca. Also eine Patrizierin. Du musst wissen, ich liebe sie wirklich. Sie ist ganz wunderbar. Schön, gebildet, geistvoll, liebenswert, und eine wahre Ästhetin.“ Vielleicht wäre es noch einen Zacken schöner, an sie zu denken, wenn nicht Verus Serrana erwähnt hätte.
Was Verus‘ Söhne anging, konnte Piso nicht viel sagen. Er kannte keinen der beiden. So legte er also nur sachte seine Hand auf Verus‘ Schulter. “Das ist ganz furchtbar“, versicherte er ihm, bemüht, mit gesammelten Ernst daherzuschauen, während seine wahren Gedanken aber bei zwei Frauen weilte... einer, die nah, und einer, die fern war. Einer der beiden würde er für immer für sich haben, die andere war aber für immer verloren für ihn.
Verus erklärte das Aufnehmen seiner neuen Arbeit mit einem gewaltigen Pflichtbewusstsein, wozu Piso nur milde nickte. Seine Gedanken hatten sich noch immer nicht recht zu diesem Gespräch hier hergefunden. “Ich bin mir sicher, du wirst die Kanzlei und das Imperium bereichern können. Lass dich nicht einschüchtern, wenn die Notarii in Ohnmacht fallen, wenn sie dich zum ersten Mal sehen. Es sind relativ schwierige Leute. Lass dir das von einem ehemaligen Primicerius gesagt sein.“, machte Piso ernsthaft.
Er nickte wieder einmal, als Verus über die beiden Toten sprach. “Ja, sehr traurig“, machte er knapp. “Und ja, Vera war noch sehr jung. Sie hat es nicht verdient, weißt du? Sie hat es nicht verdient, so jung zu sterben. Sie... sie war die einzige, die mich jemals wirklich verstanden hatte.“ Nervös faltete und entfaltete er seine Hände.