Beiträge von Aulus Flavius Piso

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    Die was? Acanthus‘ Gesicht war ein Fragezeichen. Hier gab es viele Alte in der Villa. Es hing davon ab, wie man alt definierte. Und das könnte alles Mögliche sein.
    Dann korrigierte sich der Sklave. Acanthus blickte ihn noch immer mehr als misstrauisch an, aber immerhin wusste er nun, was hier gespielt wurde! Domitilla, die Tochter des Aetius... er kombinierte schnell. Und damit die Schwester von Nigrina und Piso. Interessant. Durchaus interessant.
    Er dachte schnell nach. Gab es da einen Termin? Eine Ankündigung? Würde es schon geben, da war sich Acanthus relativ sicher. Ach, was. Ganz sicher.
    Er nickte also nur kurz, vielleicht ein wenig lethargisch, und trat beiseite. “Phoebus wird die Domina ins Atrium führen.“
    Und so geschah es.

    Phoebus trat, wortkrag wie immer, vom Vestibulum aus ins Atrium hinein, schritt leise und ohne einen Mucks von sich zu geben zu den Klinen, die im Atrium lagen, verbeugte sich tief vor der wohl Gleichaltrigen, die hier Einlass begehrte, und wandte sich wieder ab, um sich zur Porta zu begeben. Ein Sklave derweil brachte ein bisschen Apfelsaft – eine kostbare Angelegenheit, aber die Flavier ließen sich nicht lumpen. In nichts.

    Auf sein Liebesbekenntnis erwiderte sie nichts – nichts Verbales! Aber Piso war sich ziemlich sicher, ihre schmachtenden Blicke interpretieren zu können. Oh ja, das war ein gutes Gefühl. Ob man es glaubte oder nicht, Piso war eigentlich nie ein großer Frauenheld gewesen. Viel zu früh fanden die Weiber über seine Marotten heraus, und das schien nicht so angesagt zu sein. Freilich waren ganz Niedrige, gemeines Fußvolk, durchaus bereit, zu versuchen, sich emporzuschlafen. Aber das konnte man wohl kaum als ehrlichen Erfolg bei den Frauen betrachten.
    Bei Prisca jedoch hatte er lange genug seine Eigenarten verbergen können, um die Liebe aufrechtzuerhalten, ja, sie sogar höher schlagen zu lassen. Er hatte auch keine Ahnung, was Prisca so an sich haben mochte, was Piso nicht gefiele. Aber er dachte gar nicht daran! Für ihn, Flavius Piso, war die wundervolle Aurelia hier vor ihm das Traumwesen schlechthin. Ganz astrein. Ästhetische Figuren, Konstanten und Variable begannen in seinem Kopf herumzuschwirren, als er vergeblich versuchte, Prisca in die ästhetische Taxonomie einzuordnen. Sie war da ganz oben! Einfach perfekt! Von vorne bis hinten. Und dabei noch standesgemäß. Der Glückstreffer seines Lebens, da war er sich sicher.
    Er nickte fleißig, als Prisca wegen Gracchus nachfragte und ihm rechtgab. Nichts wie hin! Nichts wie zu Ursus, Heriatserlaubnis abholen, und... nun ja, vielleicht würde es nicht ganz so einfach werden. Aber es würde schon gehen. Ganz sicher!
    Er scherte also aus, bedacht, dass Prisca ihm folgte, und schritt zu Ursus hin. Ja, Ursus und der Abend in der Taverne! Sie waren ja dabei verblieben, sich mit dem Cognomen anzureden, wiewohl sie sich schon einige Zeit nicht mehr gesehen hatten.
    “Salve, Gracchus. Salve, Ursus.“ Er räusperte sich. “Ursus, es tut mir wirklich fürchterlich Leid. Es ist eine wahre Tragödie für die aurelische Gens...“ Blabla, anständiges Gerede. Aber Piso machte durchaus anständige Miene dabei, schließlich ging es hier um viel. “...und es hat mich wahrlich getroffen, als ich vom Tod deines Verwandten gehört habe...“ Wie ein Blitz, und zwar ein lustiger Blitz! Sofern es sowas gab. “....wie auch von Celerina.“ Immerhin das war nicht gelogen. Piso hatte Celerina bewundert für ihre durchaus fürstliche und edle Art. Er schwieg kurz pietätvoll.
    “Aurelius Corvinus hat...“ Er blickte kurz zu Prisca, dann wieder zu Ursus. “Er hat in seinem Abschiedsbrief an Prisca einer Heirat zwischen ihr und mir den Segen gegeben.“ Er machte eine kurze Pause. Erst einmal sehen, wie Ursus nun reagierte, bevor er ihn hochoffiziell um die Hand seiner Base bat. Nun, um die Hand würde er nicht bitten, das sollte keine Manus-Ehe werden, aber es war eine nette Formulierung. Fand Piso.

    Zitat

    Original von Flavia Nigrina


    Ach ja. Er war ja gar nicht alleine, wie er es sich in einem Anfall von Autismus gedacht hatte. Seine Schwester war ja noch da! Nigrina!
    Piso hatte sich lange Zeit miserabel gefühlt. Wegen seiner unerfüllten Liebe, wegen des Todes zweier ihm besonders nahe stehenden Personen, wegen Nigrinas Verlobung. Aber dass die Aussicht, Prisca zu heiraten, nun so gut stand, das hatte wieder Leben in ihn hineingebracht. Er fühlte sich wieder frisch. Und er war sogar bereit, wieder ein bisschen ästhetischen Unfug zu betreiben.
    Er blcikte auf seine Schwester, verkniff sich ein Grinsen und dachte nach, wie er ihr am Besten auf den Geist gehen könnte. Nun ja. Nigrina konnte man mannigfaltig auf den Geist gehen, das war ja das Schöne an ihr. Er ballte seine linke Hand zur Faust, ließ aber seinen Zeigefinger herausgucken. Mit jenem Zeigefinger stupste er Nigrina an.
    “Huhu!“, machte er mit gefälscht hoher Stimme und grinste jetzt wirklich. “Huhu, Nigrinchen!“ Er stupste sie noch ein paar Male an. “Huhu!“ Noch einmal stupste er. “Was ist mit du?“ Piso grinste seine Schwester breit an, mit dem breitesten Grinsen auf seinen Lippen seit Monaten. Mit halbwegs normaler Stimme fuhr er fort. “Magst du ein Honigbrötchen haben? Die sind echt spitze, sage ich dir...“ Er hielt Nigrina eines davon direkt unter die Nase, sodass sie ebendiese zwangsläufig mit Honig beschmieren würde, sollte sie unwillkürlich auch nur einen Zehntelzoll mit ihrem Gesicht nach vorne gehen.
    Den Kampf da unten beachtete er bei diesem Heidenspass nciht einmal sonderlich.

    Pisos lebhafte Geste beinhaltete das dramatische Schwingen seines rechten Armes hinauf in die Höhe und das direkt darauf erfolgende Niederfahren-Lassen, wodurch er fast ein Regal von Schriftrollen leergefegt hätte, wäre er nicht nur einen halben Zoll daran vorbeigeschrammt, und war untermalt von einem bedeutungsvollen Grinsen. “Caesar ist sehr gut zu lesen. Bist du Leseanfänger?“ Er legte seinen Kopf in einer leicht effeminierten Geste schief und beugte sich ein klein wenig herab mit leicht philosophischem Gesichtsausdruck – Piso war eine Kleinigkeit größer als Phaeneas, und für einen Mann war das nie schlecht. Bei Frauen eher weniger, aber das war Piso nicht... ganz knapp nicht. Ja, man sah ihm wohl an, dass er sein Leben unter einem ganzen Stall von Schwestern verbracht hatte. “Einem Leseanfänger würde ich durchaus Caesar ans Herz legen. Er ist leicht zu lesen. Sollte ich mich irren, dann wäre es wohl Vergil, auch wenn seine Sprache anspruchsvoller ist. Ziemlich schwer hingegen ist Sallust. Der Mann schrieb... sonderbar.“ Maxume zu sagen statt maxime war ja wohl ein wenig seltsam, auch, sich quasi ständig und ohne Unterlass darüber zu beschweren, wie „conruptus“ die Gesellschaft wäre. Nun, vielleicht war sie wirklch korrupt. Piso selber hatte sich ja schon länger der Dekadenz hingegeben, er scheute sich auch nicht davor, sie öffentlich zur Schau zu stellen.
    “Bithynier!“, platzte er hervor, als hätte er gerade die geistige Erlösung erfahren. “Bithynien! Ich war schon einmal in Pergamon... Bithynien ist das wohl noch nicht, oder? Nein, Bithynien, das ist weiter oben... Nicomedia und so. Aber wunderschöne Landschaft. Wunderschön! Ich erinnere mich noch immer gerne dran. Und die Weine, hmm, deliziös!“ Indem er seinen Daumen und seinen Zeigefinger möglichst weit auseinanderbrachte und seine rechte Hand Phaeneas unter die Nase hielt, zeigte er an, wie sehr und gewaltig er Pergamon geschätzt hatte. Nun ja, es war ja immerhin in der Nähe von Bithynien! Bei wem würden heimatliche Gefühle sich da nicht einstellen?
    Dann fuhr er sich mit seinem rechten Zeigefinger an sein Kinn, stützte jenes auf die Faust auf, die er mit dem Rest seiner rechten Hand gebildet hatte, und begann, schnell mit seinem Finger sich ans Kinn zu tippen, als er der Beschreibung des Phaeneas zuhorchte. Kurz ließ er die Worte in sich einwirken, bevor er leicht lächelte.
    “Deine Ansichten in allen Ehren, nur muss ich widersprechen. Ästhetik, das ist das Idol, der perfekte Punkt. Wie Pythagoras festgestellt hatte, kann man jenen Punkt mathematisch messen.“ Er machte eine kurze, dramatische Pause. “Und frequent begegnen wir ihn. Bei einem Musikstück. Bei einem Gedicht. Beim Anblick einer schönen Frau. Beim Anschauen einer hübschen Blume. Bei der Betrachtung eines besonders schönen Sonnenuntergangs an der Bucht von Neapolis. Beim Schmecken eines perfekt gewürzten Garums. Ästhetik ist das, was freut, wie schon Sokrates sagte. Nein, warte, das muss man qualifizieren. Das, was den geschulten und künstlerischen Geist erfreut, denn der Pöbel...“ Er winkte ab mit seiner linken Hand. “Der erfreut sich an Straßenkeilereien, die von Ästhetik fernab ist.“ Nachdem er seine mehr als nur elitistischen Ansichten an den Mann gebracht hatte, senkte er seine Stimme ein wenig zu einem verschwörerischen Mauscheln.
    “Aber, mein guter Phaeneas, ich glaube, du bist einer der Leute, die die höchsten Punkte der Ästhetik erfassen kann. Denn Wasser, was für eine schöne Sache. Nur Dunkelheit... absolute Dunkelheit... ich würde sagen, ästhetisch ansprechend ist sie nicht. Viel eher... hmm... ästhetisch neutral. Denn man sieht ja nichts. Normalerweise. In der Dunkelheit, meine ich.“ Er nickte suggestiv. Sicher würde ihm Phaeneas zustimmen! Einmal wenn er wirklich so ein kluges Bürschchen war, wie Piso es sich dachte.

    Piso trat unwillkürlich zur Seite, als garstige und unästhetische Hustessenz und sonstiger grauenvoller und undesirabler Schlonz ihm entgegenflog. Ein bisschen indigniert raffte er seine Toga. Hmm, es wäre unvorteilhaft, den Pontifex pro Magistro bei etwas Wichtigem zu stören. Andererseits, dies hier war auch wichtig!
    “Ich habe keinen Termin mit ihm vereinbart. Lässt sich da was machen?“, fragte er nach. Denn jetzt wieder zurückzulatschen zur Villa Flavia wäre auch nicht so toll. Außer, man ließ ihn nur 1 Stunde oder so warten. Dann könnte er sich am Esquilin rumtreiben. Auch eine ganz nette Gegend hier.

    Gewichtig warf Piso seinen Kopf zurück und räusperte sich staatsmännisch, sodass der wahre Kenner sicherlich erkennen konnte, dass er einen "wichtigen" Politiker und mit Titel überschütteten Ehrenmann handelte.
    “Salve, Stesichoros. Kannst du dich nicht mehr an mich erinnern? Ich bin Septemvir und Quaestor Flavius Piso. Ich würde gerne deinen Herrn, den Consular und Pontifex Tiberius Durus, reden. Es handelt sich um das Collegium Pontificium. Ich würde mit ihm gerne über die Neubesetzung des Postens, der durch den Tod des Aurelius Corvinus entstanden ist, reden. Und zudem geht es um die Arvalbruderschaft, deren jetziger Zustand mit viel Kummer bereitet.“ Wehe, man schickte ihn jetzt zur Salutatio wie einen dahergelaufenen Bittsteller. Was er mit Durus zu besprechen hatte, war von Staatswichtigkeit! Vor allem, da es Piso höchstselbst betraf.
    “Es handelt sich also, wie du hörst, um wichtige staatliche Angelegenheiten“, setzte er hinzu, nur, damit kein Zweifel aufkam.

    Der Flavier lächelte gerührt. Genau das hatte er hören wollen. “Oh, Prisca. Wie sehr ich dich doch liebe. Ja, das musste nicht jeder mitbekommen, aber, wie gesagt, die Sache war noch nicht zu hundert Prozent geritzt. Wenn der Fall erst mal eingetreten war, konnte er seine Liebe zu ihr noch immer in die Welt hinaustrompeten. Er betrachtete Prisca dabei, wie sie sich kurz umschaute. Was mochte sie denken? Ätsch, schaut, was ich für einen tollen Kerl geangelt habe? Irgendwie hielt er das noch immer für abstrus. Trotzdem war es eine hübsche Vorstellung. Piso hatte sich aber noch immerhin insoweit unter Kontrolle, dass sein mildes Lächeln nicht zu einem triumphierend-suüffisanten Grinsen mutierte, das wäre nicht so gut gekommen. Und dann blickte sie wieder zu ihm hin – ach, was für schöne Augen sie hatte, dachte er sich. Und, wenn es nach Corvinus – ausgerechnet Aurelius Corvinus, hatte er doch bei der Nachricht von seinem Tod durchaus nicht allzusehr nicht alzusehr Trübsal geblasen – wenn es nach diesem Hammel ging, dann würde er Prisca heiraten. Er würde mit ihr in die Villa Flavia ziehen, und somit seine Heimstatt zieren mit der Blume von Rom. Wundervoll – zumindest klang der Plan wundervoll. Und erschien Piso nun durchaus realistisch. Er musste sich nur mit Ursus austauschen, und höllisch aufpassen, dass er keinem Aurelier bis zur Heirat auf den Schlips trat, nein, auch nicht Lupus, obwohl er den Kerl mehr als nur unmöglich fand. Er würde ihn einfach in Frieden lassen, rief er sich noch einmal ins Gedächtnis. Ja, das war vielleicht eine gute Idee. Mit so einem Kerl musste man nicht unbedingt was zu tun haben. Andererseits, sollte Piso mal Senator, Pontifex und Ehemann von Prisca sein, könnte er ihm ja einen Brief schicken. Mit nicht als Inhalt außer die Zeichnung eines Gesichtes mit herausgestreckter Zunge. Das wäre klass. Von ästhetisch gar nicht zu reden, denn Kunst wäre es wohl!
    Er behielt sein Lächeln bei und nickte freundlich, als Prisca ihm sagte, dass sich sicherlich ihr Onkel mit ihr freute. Denkste. Wobei Piso noch immer nicht wusste, warum Corvinus gerade ihm Prisca überlassen hatte. So, wie er neben ihr langsam schritt, war es eigentlich eine ziemliche Überwindung, ihr ins Gesicht zu sehen, während er mit ihr redete, und nicht einen vorsichtigen Blick in ihren Ausschnitt zu riskieren. Spätestens bei der Hochzeitsnacht würde er das, was sie hatte, in seiner vollen Pracht sehen können.
    Sein Blick wanderte in die Richtung, auf die Prisca deutete, und seine beiden Augenbrauen hoben sich leicht. Ursus. Und Gracchus! Wunderbar! Erbeugte sich leicht zu Prisca hin. “Genau, das ist er. Du weißt ja, Gracchus ist auf unserer Seite. Sollen wir einmal zu ihnen hingehen?“, fragte er die schöne Aurelierin.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Missmutig erhob Acanthus sich. Er hasste es, in seinen Gedanken unterbrochen zu werden. Seine Überlegungen waren das einzige, was er als Sklave hatte. Und was ihm niemand nehmen konnte, außer, man nahm ihm sein Leben. Also hielt er sich an ihnen fest. An seinen Überlegungen, wie seine Position im Vergleich zum Universum an sich war. Wie der Kosmos funktionierte. Was die unterliegenden Gesetze waren. Doch auch das blieb ihm verwehrt. Wenn es klopfte. Immer, wenn es klopfte.
    Acanthus schritt langsam zur Porta hin und öffnete sie. Das erste, was er sah, war eine Sänfte draußen, auf der Straße. Sie trug das flavische Zeichen. Kurz wurden seine Gesichtszüge noch ein wenig finsterer. Noch ein Flavier? Oh nein. Sie hatten die Angewohnheit, aus dem Boden zu schießen wie die Pilze. Und dann, kaum dass sie angekommen waren, wegzusterben.
    Sein Blick klärte sich jedoch wieder, als er sah, dass es sich scheinends um ein Mädchen handelte, ein Kind noch. Acanthus mochte Kinder. Schon alleine, weil sie sich in die Harmonie des Universums so exzellent einfügten.
    Er blickte auf den Sklaven, der angeklopft hatte, ernst und nachdenklich. Den hatte er doch schon einmal gesehen. Er gehörte Aetius, glaubte Acanthus, dem Vater von Piso und Nigrina.
    “Ja? Was ist?“ Höflichkeit gegenüber anderen Leuten nur, wenn sie unumgänglich war, dachte sich Acanthus.

    Pulcher, den tatsächlich mehr mit Piso verband als nur der Anfangsbuchstabe des Cognomens, grunzte vor lauter Kichern. Genauso, wie Piso Ehrenmitglied des Gesangsvereines von Colonia Pompeia in Anatolien war (ein Titel, den er sich übrigens um nicht einmal geringes Geld erkauft hatte), war Pulcher Ehrenmitglied des Dichtvereines von Praeneste unweit von Rom, ein Titel, der weitaus mehr gekostet hatte als der des Flavius Piso, schließlich war es bis Praeneste von Rom aus nur ein paar Meilen.
    Und er teilte mit Piso auch das selbe weibische, falsettige unkontrollierte Lachen, welches sich vor allem aus dem Vergnügen speiste, die der wahre Patrizier aus der Verarschung von Sklaven zog. Derweil schien Semiramis endlich die Worte, die Piso sprach, wahrzunehmen. Pulcher starrte ihr unverhohlen auf ihren Vorbau, während Piso sein Augenmerk auf die langen schlanken Beine setzte, die sich unterhalb des Stoffes ihres Gewandes abzeichneten.
    Pisos Mund formte sich zu einem breiten Grinsen, als Semiramis seinen Befehlen Folge leistete und ihre Hand mit der soebn abgepflückten Traube seinem Mund näher brachte. Was war denn das? Sie zitterte? Piso ließ sie zittern. Ihm eine Ohrfeige geben! Ihm! Sollte sie doch zittern. Er riss seinen Schnabel auf und wollte tatsächlich mit seiner Zunge noch die Finger von Semiramis in einer obszönen Geste abschlecken, ließ es dann aber sein. Denn Semiramis zog ihre Hand so schnell zurück, als würde sie sich an Pisos Lippen verbrennen.
    Der Flavier zerkaute langsam und bedächtig seine Traube, während er hinüberlinste zu Pulcher, dem Semiramis ebenfalls eine Traube nun zusteckte.
    Als Semiramis sich zum Curatier zuwandte und kurz in die Traubenschüssel schaute, also wohl abgelenkt war, beschloss Pulcher, dass es eigentlich nicht die Trauben waren, die er wollte. Vielmehr waren es andere, ähnlich pralle und volle Gegenstände, von denen er träumte, sie zwischen seinen Zähnen zu erpacken.
    Pulchers Arme schossen nach vorne, als er betrunken versuchte, sie an ihren wundervollen Brüsten, die ihm innerlich wie Melonen erschienen, zu ergreifen. Gleichzeitig klapperte er gar schauderlich mit seinen Zähnen, hoffend, er könnte damit den Busen der schönen Syrerin zu erhaschen.

    Piso nickte abermals. “Hoffentlich ist er zu was nütze und sabotiert nicht nur deine Arbeit. Aber es weiß noch niemand, wer genau das sein wird? Naja, wenn du irgendetwas hast, was du normalerweise deinem Quaestor Consulum anvertrauen würdest, aber dem vom Vescularier dir aufs Auge gedrückten Quaestor nicht traust... frag mich einfach. Ich bin mit den Aufgaben eines Quaestors vertraut und helfe dir gerne“, bot er an, denn irgendetwas in seinem Hirn sagte ihm, dass er nicht nur die ganze Zeit mit Wünschen bei seinem Patron andampfen konnte, ohne nicht auch einmal etwas anzubieten. Nun, Piso war immerhin Jurist. Keiner von besonderem Renommee, aber trotzdem!
    Er seufzte kurz. “Ja, das stimmt. Es war ein anstrengendes Jahr, aber ich habe vieles gelernt. Zum Beispiel habe ich den Kaiser kennen gelernt. Und bin nun mit dem Praefectus Urbi näher in Kontakt gekommen. Und in der Geographie des Reiches bin ich nun, dank der Aufgabe der Volkszählung, ein wahrer Experte“, setzte er ein bisschen spitz hinzu.
    “Hast du schon einen konkreten Gesetzesvorschlag, den du dem Senat vorlegen willst?“, fragte er dann nach.

    Piso war sehr froh, dass er seinem Sklaven Cassivellaunus, den er irgendwie noch immer am Hals hatte, Anweisungen gegeben hatte, ein Kissen mitzubringen sowie einen Hocker, auf dem Piso nach den Strapazen der Prozession seine Füße hochlagern konnte. Der Septemvir und Arvalbruder war einigermaßen geschlaucht, und hatte sich ein wenig abgesondert von den anderen. Um ehrlich zu sein, war es manchmal sehr schön, alleine zu sein. Niemand, der ihn anquatschte, niemand, mit dem er sich unterhalten musste. Nein, seine Konzentration konnte er, ohne die Kiefer auseinanderbringen zu müssen, auf zwei Dinger richten. Erstens auf die Kämpfe. Zweitens auf die Plaette an Honigbrötchen, die er sich erstanden hatte. Genüsslich dreinschauend, hob er eines hoch, und kaute mit wohligem Gesichtsausdruck drauf herum, während unten irgendwelche Tschapperl komplett depperte Tafeln hochhielt, die Piso nicht im Geringsten interessierten. Den Jubel quittierte er mit geräuschvollem Kauen, welches niemand bemerkte wegen des Lärms. Was kam nun? Irgendwelche Mädchen machten einen skurillen Kampf mit Dolchen. Pah. Sie müssten 10 Jahre älter sein, dann würde es auch was zum Schauen geben. Denn Piso schaute sich gerne wohlgeformte, in anderen Worten ästhetische Brüste und Hintern an. Aber er war nicht so versaut, dass das Gleiche für so junge Mädchen galt.
    Deshalb schielte er nur halbherzig zur Arena hin, dann und wann die Funken von den Dolchen bemerkend, bevor die Gören endlich abdampften und der eigentliche Kampf begann. Piso begann, seine Honigbrötchen vor Aufregung schneller herunterzumampfen. Jetzt geht’s los!

    Auch Piso sah die Leibwächter des Salinator, dachte sich aber nicht so viel dabei, wie es andere tun mochten. Natürlich war Pisos Ehre damals sehr geknickt worden durch den Vescularier, als dieser ihn als Procurator a memoria abgelehnt hatte. Aber immerhin hatte der Mann ihn in den Ordo Senatorius erhoben. Und zusätzlich hatte er, wie Piso in Erfahrung gebracht hatte, dieses unsägliche Weib, diese Germanica, nach Germanien verfrachtet, wo sie auch hingehörte. Das hatte ihm schon ein paar Pluspunkte in Pisos Buch verschafft. Zumindest Imperiosus hatte ihn als Patron erwählt. Ob das so klug gewesen war? Nun, einen netten Ritterstreifen an der Tunika hatte es ihn verschafft. Trotzdem war der Mann Piso nicht ganz geheuer, und die flavische Familienpolitik war diesem Mann nicht allzu freundlich gegenüber eingestellt (was aber kein Flavier je öffentlich zeigen würde). Also beschränkte Piso sich darauf, woanders hin zu gucken.
    Er stand zusammen mit den anderen Septemviri unweit der Quindecimviri nahe der Ara Pacis und wartete auf das Opfer des Flamen Divorum. Die Zeit vertrieb er sich damit, mit Vitellius Rufio über die neuesten Kunstströmungen in Griechenland zu sprechen, ein belangloses Gesprächsthema, aber immerhin konnte man sich damit Zeit totschlagen.
    Als Septemvir war er zwar vorläufig hier, aber er würde auch als Arvalbruder in Erscheinung treten. Schon lästig, wenn man eine solche Doppelfunktion hatte. Ihm fiel dabei ein, einen neuen Magister der Arvalbrüder sollte man bestimmen, denn Furianus war nicht mehr hier.
    Er versuchte, etwas von Gracchus bei den Pontifices zu erhaschen, aber vergebens. Nun ja, man würde sich sicher noch sehen.

    Piso nickte mit heruntergezogenen Mundwinkeln, als Verus pessimistisch wurde. “Fehlt nur noch, dass er beginnt, reihenweise die Leute umzubringen. Er ist noch nicht mächtig genug, sich sowas zu erlauben. Aber warte nur, bald schon werden die ersten Köpfe rollen. Möglicherweise ist es Salinator, der daran Schuld ist, dass der Prätorianerpräfekt untergetaucht ist, denn man sieht und hört nichts mehr von jenem.“ Ja, Piso begann schon, sich um Balbus Sorgen zu machen. Wo steckte der Mensch denn?
    Er seufzte. “Titus, das ist Wunschdenken. Als ich den Kaiser gesehen habe, habe ich gesehen, wie schlecht es ihm ging. Stell dir vor, der Typ ist eingeschlafen, als ich mit ihm redete, so fertig ist er.“ Er grübelte. “Wobei er auch vielleicht nur einen üblen Kater hatte. Kann ja auch sein, oder?“ Er konnte nicht dem Drang widerstehen, sich am Kopf zu kratzen. “Aber ehrlich, als ich ihn gesehen habe, habe ich sofort geglaubt, dass er nicht nach Rom kommen kann. Dabei hat er einen Sohn, macht ihn aber nicht offiziell zum Caesar. Ich habe ihn ja danach gefragt, aber er ist der Frage einfach ausgewichen. Stell dir vor. Wenn der Kaiser mit seiner Krankheit morgen stirbt, dann ist die Frage, wer der nächste Kaiser wird, total offen.“ Er zuckte mit den Schultern. “Dann könnte Salinator sich wirklich zum Augustus aufschwingen. Kaiser Salinator, mir wird schlecht, wenn ich daran denke.“ Er seufzte leise. “Ich hoffe es ja auch. Aber ich weiß nicht... naja.“
    Die Sprache kam auf Serrana, und über sie zu reden, fiel Piso um Einiges schwerer, als zu Politisieren. Er nickte nur schwerfällig, als Verus auf ihn einredete wegen Serrana. Sie hatte mit ihrem Vater abgeschlossen. Sie war durchgebrannt, und weg. Der Flavier begann nervös auf seiner Unterlippe zu nagen. Natürlich sollte es ihn nicht mehr bekümmern... aber trotzdem, tief drinnen in seinem Herzen stach es gehässig.
    “Nun... ich...“ Er rang nach Worten. Hoffentlich war Verus ihm nicht böse, wenn er es ihm anvertraute. “Deine Worte bestätigen mich darin, dass ich den richtigen Entschluss gefällt habe.“ Er blickte Verus kurz bedeutungsvoll an, bevor er erklärte. “Ich werde mich bald verloben, und, wenn die Götter es wollen, verheiraten.“ Er begann zu lächeln. “Sie heißt Aurelia Prisca. Also eine Patrizierin. Du musst wissen, ich liebe sie wirklich. Sie ist ganz wunderbar. Schön, gebildet, geistvoll, liebenswert, und eine wahre Ästhetin.“ Vielleicht wäre es noch einen Zacken schöner, an sie zu denken, wenn nicht Verus Serrana erwähnt hätte.
    Was Verus‘ Söhne anging, konnte Piso nicht viel sagen. Er kannte keinen der beiden. So legte er also nur sachte seine Hand auf Verus‘ Schulter. “Das ist ganz furchtbar“, versicherte er ihm, bemüht, mit gesammelten Ernst daherzuschauen, während seine wahren Gedanken aber bei zwei Frauen weilte... einer, die nah, und einer, die fern war. Einer der beiden würde er für immer für sich haben, die andere war aber für immer verloren für ihn.
    Verus erklärte das Aufnehmen seiner neuen Arbeit mit einem gewaltigen Pflichtbewusstsein, wozu Piso nur milde nickte. Seine Gedanken hatten sich noch immer nicht recht zu diesem Gespräch hier hergefunden. “Ich bin mir sicher, du wirst die Kanzlei und das Imperium bereichern können. Lass dich nicht einschüchtern, wenn die Notarii in Ohnmacht fallen, wenn sie dich zum ersten Mal sehen. Es sind relativ schwierige Leute. Lass dir das von einem ehemaligen Primicerius gesagt sein.“, machte Piso ernsthaft.
    Er nickte wieder einmal, als Verus über die beiden Toten sprach. “Ja, sehr traurig“, machte er knapp. “Und ja, Vera war noch sehr jung. Sie hat es nicht verdient, weißt du? Sie hat es nicht verdient, so jung zu sterben. Sie... sie war die einzige, die mich jemals wirklich verstanden hatte.“ Nervös faltete und entfaltete er seine Hände.

    In sich drinnen spürte Piso, dass dies ein Tag sein könnte, der sein Leben verändern könnte. Er hatte also eine absolut neue Toga an, zusammen mit auf Hochglanz gewienertem Schuhwerk und einer mit an den Rändern dezenten Ornamenten verzierten Tunika.
    Piso ließ nicht gerne anklopfen. Nein, wer präsent sein wollte, und zudem seinen eigenen Sklaven nicht recht traute – denn irgendwie waren sie alle unästhetische Subjekte – der klopfte selber. Und das tat er auch.
    Während er darauf wartete, dass ihm jemand die Tür öffnete – wohl Stesichoros, dieser Tölpel – ging er sorgsam im Kopf seine schon im Vorhinein ausgedachten Zeilen durch.

    Piso erwiderte das Grinsen seines Patrons ganz breit. Natürlich war es ziemlich unmöglich, zweimal hintereinander einstimmig gewählt zu werden. Hundert Prozent zum Consul war ohnehin fast unmöglich. Tatsächlich, so sagte man sich, hat dies erst einmal jemand zustande gebracht – ein Flavier, und zwar Pisos Vetter Felix, der aber nun in Sardinien weilte. Was für eine Verschwendung von politischem Talent.
    “Es freut mich, dass du das auch so siehst. Beizeiten werde ich deswegen Tiberius Durus aufsuchen.“ Es erschien ihm sinnig, mit jenem zu sprechen, nun, da sein Patron das abgenickt hatte.
    Die zweite Thematik aber war etwas, was durchaus auch etwas Leistung von Macer abverlangte. Macer schien sich nicht auf ein eindeutiges Versprechen festlegen zu wollen, aber was er sagte, klang schon einmal ziemlich gut. Ein erfreutes Funkeln war in Pisos Augen zu sehen, welches ein Echo des begeisterten Glanzes darin, wenn er über Kunst, insbesondere Musik, sprach, war.
    “Ich hoffe, Vescularius sieht das auch so.“ Könnte gut sein, dass dies nicht der Fall war. Schließlich war er ein erklärter Patrizierfeind... aber ach was. Der Macer wird’s schon richten, der Macer wird’s schon richten, das g’hört zu seinen Pflichten, dafür ist er ja da.
    “Schade nur, dass ich nicht dein Quaestor Consulum sein konnte. Wie ich gehört habe, will der Praefectus Urbi einen selber einsetzen... wozu, frage ich mich...“ Dämliche Frage eigentlich, denn es war klar, dass Salinator die Consule im Schach halten wollte.

    Nur, dass er es einmal beinander hatte, ging er die Liste durch, langsam und sorgfältig.



    Italia:


    Roma:


    Imperator
    GAIUS ULPIUS AELIANUS VALERIANUS



    Senatores
    ...
    Medicus Germanicus Avarus
    Potitus Vescularius Salinator
    Manius Tiberius Durus
    Manius Flavius Gracchus
    Marcus Vinicius Lucianus
    Quintus Germanicus Sedulus
    Lucius Annaeus Florus
    Kaeso Annaeus Modestus
    Faustus Octavius Macer
    Tiberius Aurelius Avianus
    Gaius Octavius Victor
    Spurius Purgitius Macer
    Lucius Aelius Quarto
    Herius Claudius Menecrates
    Titus Helvetius Geminus
    ...


    Equites
    ...
    Tiberius Prudentius Balbus
    Decimus Annaeus Varus
    Marcus Decimus Mattiacus
    Lucius Hadrianus Iustus
    Titus Decimus Verus
    Decius Germanicus Corvus
    Marcus Aelius Callidus
    Decima Lucilla
    ...


    Cives


    ...
    Lucius Iulius Centho
    Aulus Flavius Piso
    IULIA ULPIA DRUSILLA
    Decima Seiana
    Iunia Axilla
    Titus Duccius Vala
    Decimus Atius Romanus
    Claudia Romana
    Cnaeus Prudentius Spurinna
    Furia Calliphana
    Titus Sergius Lupus
    Sextus Aurelius Lupus
    Quartus Flavius Lucullus
    Spurius Tiberius Dolabella
    Quintus Claudius Lepidus
    Manius Peltrasius Bibulus
    Publius Aurelius Imbrex
    Iunia Serrana
    Lucius Claudius Brutus
    Quintus Flavius Flaccus
    Appius Aurelius Cotta
    Flavia Epicharis
    Lucius Iulius Antoninus
    Aulus Tiberius Ahala Tiberianus
    Tiberia Albina
    Aurelia Flora
    Publius Pompeius Pius
    Tiberia Arvinia
    Sergia Drusilla
    Aurelia Prisca
    Octavia Varena
    Gaius Iulius Lucanus
    Tiberia Septima
    Appius Matinius Augurinus
    Aulus Iunius Seneca
    Decima Amaesia
    Iulia Corona
    Marcus Claudius Flavus
    Titus Iulius Flavus
    Caius Silurius Rufinus
    Gnaeus Postumius Rufus
    Marcus Valerius Mercurinus
    Publius Matinius Avianus
    Aelia Paulina
    Aelia Vespa
    Annaea Iuliana
    Aulus Decimus Paulus
    Aulus Germanicus Umbricius
    Aurelia Narcissa
    Claudia Antonia
    Claudia Catilina
    Flavia Nigrina
    Gaius Decimus Matho
    Gaius Iulius Curio
    Gaius Pompeius Pinus
    Germanica Laevina
    Iulia Cara
    Iulia Livilla
    Iulia Vera
    Octavia Catiena
    Publius Ulpius Maioranus
    Quintus Claudius Iavolenus
    Quintus Germanicus Stilo
    Sergia Chaerea
    Terentia Gemina
    Tiberia Faustina
    Tiberius Pompeius Civilis
    Vinicia Petronilla
    Volusus Sergius Imperiosus
    Caius Flavianus Aquilius
    Germanica Sabina
    Manius Flavius Gracchus Minor
    ...


    Misenum:


    Senatores
    ...


    Equites:
    ...
    Primus Decimus Magnus
    Herius Hadrianus Subdolus
    ...


    Cives
    ...
    Publius Iulius Saturninus
    Marcus Iulius Proximus
    Publius Annaeus Domitianus
    Kaeso Iulius Iuvenalis
    ...


    Mantua:


    Senator
    ...
    Titus Aurelius Ursus


    ...


    Ritter
    ...
    Servius Artorius Reatinus
    ...


    Cives
    ...
    Marcus Iulius Licinus
    Gaius Tallius Priscus
    Caius Decimus Celsus
    Lucius Pompeius Cavarinus
    Manius Quintilius Cavarinus
    Tiberius Germanicus Messalla
    ...
    ...


    Aegyptus:


    Equites
    ...
    Appius Terentius Cyprianus
    Tiberius Octavius Dragonum
    Faustus Decimus Serapio
    Germanica Aelia
    ...



    Cives
    ...
    Lucius Iunius Merula
    Titus Decimus Cursor
    Lucius Septimius Palaemon
    Marcus Iulius Sparsus
    Aulus Trebellius Posca
    Lucius Annaeus Gratus
    Lucius Artorius Graeceius
    Appius Decimus Massa
    Lucius Claudius Cethegus
    ...
    ...

    Piso grinste, während er sich krampfhaft überlegte, ob er denn auch Aufträge gegeben hatte, Wandmalereien zu kritzeln. Hatte er doch gemacht. Oder? War das vielleicht das letzte Mal gewesen? Vielleicht bei seinem eigenen Wahlkampf? Oder hatte er es für jemanden komplett anderen gemacht? Ui, es war peinlich, dass sich Piso nicht mehr daran erinnern konnte. So behielt er nur sein Grinsen bei. “Ich denke, Werbung könnte deinen Namen kaum bekannter machen“, spielte er auf Macers Reputation als Kriegsheld an. “Die paar armen verlorenen Seelen, die gegen dich gestimmt haben, müssen irre gewesen sein.“
    Er blickte sorgsam nach links und dann nach rechts. Er hatte etwas zu sagen zu Macer, was vielleicht vorerst nicht jeder hören sollte. Und wozu er, Hand aufs Herz, eigentlich im gleichen Ausmaß gekommen war, wie Macer zu gratulieren. “Ich... ich habe mir kürzlich einige Sachen durch den Kopf gehen lassen. Was meine Zukunft anging. Und wie du weißt, ist kürzlich Aurelius Corvinus gestorben, er hat also einen Platz im Collegium Pontificium hinterlassen. Einen Platz, der einem Patrizier zusteht, schließlich sind die Plätze bei den Pontifices fein danach ausbalanziert. Ich... hmm... ich denke ernsthaft, ich möchte mich für diesen Platz bewerben. Das wäre doch eine gute Idee, oder? Fragen auf jeden Fall kostet nichts.“ Denn mit einem Pontifex als Klienten dürfte Macer einiges an Einfluss im Cultus Deorum gewinnen.
    Und noch etwas lag Piso auf dem Herzen. “Und wenn du... hmm... einmal Consul bist, dann wirst du doch sicher auch mit Vescularius Salinator in Kontakt treten. Und mit ihm besprechen, welche Leute in den Senat kommen können. Und werden. Oder?“ Neugierig blickte er Macer an. Wenn die Pläne, die in seinem Kopf umhergingen, sich nun materialisierten, könnte er richtig dicke aus der Geschichte heraussteigen.

    Piso konnte es sich nicht verkneifen, Verus noch einmal ganz kurz zu mustern. Ja, der Decimer war älter geworden. Er, Piso, ja auch. Die erste Blüte der Jugend war schon vorbei, so Leid es ihm selber auch tat, sich dies einzugestehen. Er schmunzelte auf Verus‘ erste Ansage hin. “Wenn die Götter es so wollen“, entgegnete er. Natürlich wollten es die Götter so, vor allem seine Ahnen! Die vergöttlichten flavischen Kaiser grinsten auf ihn herab, da gab es keinen Zweifel. Altrömisches Blut, ja, das stimmte wohl. Die Decimer waren noch nicht lange Römer. Zwar hatten sie sich viel Ruhm erarbeitet, aber doch waren sie Homines Novi. Die Flavier waren das nicht. Die Flavier waren etabliert. Nobilitas. Rom war das Licht, das durch die Taten der Römer befeuert wurde? Herrje, das klang ja fast wie eine Zeile aus einem besonders kitschigen Gedicht aus der Hand des Piso. Ja, er schrieb Gedichte, auch wenn die meisten nie sein Cubiculum verließen und den Platz unter seinem Bett zumüllten. Piso lächelte, als Verus über den Kaiser redete und über Salinator.
    “Titus, das mag wohl stimmen. Kürzlich habe ich den Kaiser kennen gelernt... ach...“ Sein Lächeln schwand. “Es geht ihm nicht gut. Wer verlangt, dass der Kaiser regiert, der denkt unrealistisch. Es geht nicht.“ Er schüttelte leise den Kopf.
    Ehrliche Worte, ja, Piso hatte davon gehört, was Verus in den Hallen des Senats damals gemacht hatte. Die Botschaft dessen hatte ihm Angst eingeflösst, Angst, als er damals zum ersten Mal vor den Patri Conscripti stand. Ist aber alles gut gelaufen. Er war auch das zweite Mal gewählt worden, als er zur Quaestur kandidierte. Ob es aber wirklich die ehrlichen Worte waren, warum er verloren hatte, oder viel eher die Tatsache, dass Verus vorm Senat aus seinen Sandalen gekippt war? Das sprach er dann auch an, als Piso nur weise nickte.
    Exil also. In einer Waldhütte. Abgeschieden von der Welt. Irgendwie war es ganz dumm, so etwas zu tun. Aber nicht dämlich dumm, sondern dumm in einer glorreichen Art und Weise. Es passte zu Verus wie die Faust aufs Auge, solch eine Aktion zu setzen. Piso hätte es sich eigentlich denken müssen. “Hättest mir was sagen können. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, musste er dann aber doch einwerfen. Oder war es Verus‘ Plan gewesen, dass niemand, aber auch niemand, je draufkommen würde, wo er war? Konnte gut sein.
    Ausgewogene Studien... Psio fragte sich, was Verus denn so in seiner Waldhütte, wo immer die auch war, studiert hatte, da kam Verus mit der Neuigkeit über Serrana.
    Serrana. Und wie er sie kennen mochte. Serrana. Sie war... “...mit einem Kerl durchgeb...“, stotterte er hervor und blickte Verus ungläubig an. Er keuchte nach Luft. Setzte sich. Ballte seine Hände zu Fäusten. “Aber... wie... Serrana durchgebrannt...“ Seine Fäuste verkrampften sich. “Aber ich habe sie doch...“ Sein Blick schweifte ab, zum Impluvium hin, wo sich der Himmel im Wasser spiegelte. “Und hat sie denn nicht auch...?“, fragte er stumpfsinnig vor sich hin. Er atmete tief aus und ein und ließ Verus‘ Worte wieder an sein Bewusstsein dringen.
    “Es tut mir Leid. Das mit deinen Söhnen.“ Er meinte es ehrlich. Es musste schlimm sein, als Vater seine Söhne zu verlieren. Nicht, dass Piso sie gekannt hatte. Trotzdem. Sie mussten noch sehr jung gewesen sein.
    Verus redete von der Stoa, Piso war bemüht, sein Hirn nicht auszuschlaten. Stoa. Nicht unbedingt seine Philosophie. Am Ehesten war er noch Pythagoreer... wobei, nciht einmal das. Er war Pisoniker. Genau das. Er lebte nach seiner eigenen Philosophie, die zu vertrackt war, um Schüler zu gewinnen. Nicht aber, dass er jene disrespektierte, die einer philosophischen Schule anhingen!
    “Procurator a Memoria. Das ist ein guter Posten. Damit wärst du Nachfolger von Caius Aelius Archias...“ Er blickte Verus ernst an. “Hast du ihn kennen gelernt? Er war mein bester Freund. Der beste, den ich je gehabt hatte. Er hat sich umgebracht, ich weiß nicht, wieso. Depressionen, glaube ich“, machte er leise. “Meine geliebte Schwester Vera habe ich auch verloren. Eine lange Krankheit“, fügte er hinzu. Er schwieg kurz.
    “Procurator a Memoria ist ein guter Posten, und du wärst sicher ein würdiger Nachfolger für Archias. Und ich bin mir sicher, du kannst dem Kaiser und dem Reich so gut dienen.“ Er schluckte und atmete aus.
    “Aber Serrana... ich verstehe es nicht, Titus. Ich verstehe es nicht. Ich habe sie doch geliebt...“, wiederholte er leise.