Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Hinter sich hörte er Centhos Worte, die ihm erklangen wie von weit, weit weg. Ihm fiel auf, dass er und Centho irgendwie dazu übergegangen waren, sich beim Cognomen anzureden, was auch nicht mehr etwas ausmachte. Sowas schweißte wohl zusammen. Er schüttelte den Kopf und drehte sich zu Centho hin, man konnte wohl nun sehen, dass er wieder geheult hatte.
    “Centho, es ist nicht deine Schuld. Und danke für die Unterstützung... vielleicht verläuft das Ganze ja auch im Sande oder so...“ Obwohl Piso das nicht recht glauben wollte. Um den Aeliern und den Patriziern eines auszuwischen, würde Salinator alles machen, absolut ALLES. Zumindest nahm Piso ihn so wahr. “Danke, Imperiosus...“, fügte er hinzu. Über die Toten durfte man nichts Schlechtes reden, das war ein eisernes Gebot römischer Sitte. Und so sehr Piso gerne mal gegen die Tradition anruderte – nur tote Fische schwammen mit dem Storm – gab es Sachen, bei denen musste man sie einhalten. Zum Beispiel hier. Was für ein Ungeheuer wäre Salinator, um zum Schaden auch noch Spott hinaufzusetzen? Eines, das Rom schon gewohnt war, ohne Zweifel.
    Er wandte sich wieder zu Archias hin – nur um sich von hinten plötzlich umarmt zu fühlen, nachdem er Axilla sein Angebot gemacht hatte. Nur den Bruchteil einer Sekunde überkam ihm der Instinkt, sie abzuschütteln, sie, bei der er nie gewollt hatte, dass sie Archias geheiratet hatte, die ihn womöglich in den Tod getrieben hatte...
    ...doch er tat es nicht. Denn die Umarmung, das war etwas, was etwas ausdrückte. Anerkennung. Wärme. Wertschätzung. Sachen, die auf Piso ob seiner merkwürdigen Art nie zugeflogen waren, durch den altbekannten „flavischen Wahn“ sich ins Abstrakte verloren oder ihm durch gewisse Aurelier verwehrt wurden. Doch hier spürte er es direkt, physisch – Axilla umarmte ihn aus Dankbarkeit. Piso hatte selten Berührung gehabt mit einer schönen Frau seit der Sache mit Prisca im Garten. Und nun dies. Ein eigenartig warmes Gefühl durchflutete ihn. Vielleicht, dachte er sich, war Axilla keine gute Matrone, hatte etwas entschieden Promiskuitives an sich, verplant und chaotisch war sie auf jeden Fall. Und trotzdem war sie eine wirklich Liebe, von der Piso nicht glaubte, dass sie böse oder gemein war. Und doch hatte sie Archias nicht daran hindern können, sich umzubringen... wie könnte sie ihn dazu getrieben haben... hatte sie es oder war es alleine Vescularius? Oh schreckliche Ungewissheit! Zum ersten Mal fragte sich Piso, wo Archias‘ Tafel hingekommen war. Hatte er sie mitgenommen? Wo war sie dann hin? Er entschloss, dass er sie zu Hause vergessen hatte. Er würde sie noch lesen müssen. Bisher wusste er nur, dass er sich umgebracht hatte, Katander hatte es ihm gesagt.
    Axilla löste sich von ihm. Sein trauriger Blick folgte ihr. Vielleicht sollte er ihr nachgehen und sie richtig umarmen, eine versöhnliche Geste, doch da war sie schon bei ihrem Verwandten oder wer der Mann auch immer war, ein Soldat auf jeden Fall, da war sich Piso recht sicher. Was flüsterte sie zu ihm? Piso glaubte es verstehen zu können. Sie wollte heim. Piso schloss die Augen und atmete durch.
    “Wir sollten alle heim, glaube ich. Wir können hier nichts mehr ausrichten. Nicht mehr heute.“ Er blickte zu Axilla, ihrem Verwandten, zu Centho und zu Imperiosus, dann zu den Prätorianern. “Ich auf jeden Fall... werde in die Villa Flavia gehen.“ Um dort zu trinken. Um seine Trauer und seine Verzweiflung runterzuspülen, bis zum bitteren Erbrechen. Sodass es ihm nachher noch schlechter gehen würde - aber das interessierte Piso nicht mehr.

    Sim-Off:

    Tschuldigung, dass ich nichts mehr in der Wi-Sim anbiete. Irgendjemand hat mir meinen Wein gestohlen, das törnt leicht ab. ;)


    Die Vorspeise


    Es war reiner Zufall, dass Pisos Augen dorthin wanderten, wo Gracchus saß. Er lächelte und nickte seinem Vetter kurz zu, bevor er sich wieder mit Konzentration der Durchführung des Rituals widmete. Denn er war ja schließlich dafür bezahlt, und zwar nichtmal allzu schlecht. Denn ohne sein Geld könnte er es sich abschminken, seinen exquisiten Lebenswandel zu führen und gleichzeitig sein Luxusschwesterchen durchzufüttern.
    In letzten Jahren war manchmal ein Rind benutzt worden für ein Voropfer, aber dieses Mal hatte sich Opimius Naso dagegen entschlossen. Der hutzelige alte Mann hatte gesagt, es wäre nicht der Sinn und Zweck des Epulum, vor dem Essen groß rumzuopfern – sowas bekamen die Götter alle Tage, ein Epulum Iovis geschah aber nur zweimal pro Jahr! Aus diesem Grund sollten die Götter statt jenes Opfers eine reichhaltigere Bewirtung bekommen. Reichhaltig, als ob die Teller nicht schon das letzte Mal übergequollen wären, hatte Piso eingeworfen. Und der findige Vitellius Rufio hatte sofort eine Idee gehabt – zwei Teller für die Götter, mit der eigentlichen Speise auf dem ersten Teller und den Beilagen auf dem zweiten. Was für Beifall sorgte, denn die Septemviri pflegten – was geheim gehalten wurde – nach jeder Götterspeisung die Speisen selber zu verzehren (denn es waren ja nur noch schließlich die weltlichen Hüllen, die Essenz des Essens hatten die Götter, im übertragenen Sinne des Wortes und in einer absolut religiös-geistlichen Interpretation schon bekommen). Weihrauch sollte also genug sein.
    Die Septemviri sorgten dafür, dass die Foculi nahe bei den Göttern stehen blieben, damit es auch schön weihräuchelte. Dann und wann würde ein Septemvir noch etwas Weihrauch hinzufügen, damit die Götter weiterhin aufmerksam blieben.
    Piso wurstelte um Iuno herum, es war seine Aufgabe, sich um die Gattin des Iuppiter zu kümmern. Die Statue war überaus ansehnlich, dachte sich Piso, der versuchte, Ähnlichkeiten mit Prisca zu finden. Nun ja, wenn jemand Ähnlichkeit mit ihr hatte, war das wohl Venus. Oder so.
    Die Vorspeise also! Ein griechisch zubereiteter Salat mit Ziegenkäse und einer dicklichen, süßen Soße, die Fulvius Frugi irgendwo aufgetrieben hatte, die Piso auf den Salat goss. Er hielt mit der Kanne inne und wandte sich an Iunos Statuengesicht. “Noch etwas mehr, Iuno?“ Keine Reaktion von der Statue. “Ja?“ Keine Reaktion von der Statue. “Nun gut. Aber nicht beschweren, wenn es dir nachher zuviel ist.“ Er entleerte den Rest der kanne über den Salat, und nickte Axius Serenus zu, sodass dieser das bereits vorgebrutzelte Spiegelei auf den Salat raufklatschen konnte. Ein anderer, Sulpicius Quadratus, ein aler Senator, schnetzelte derweil Schinken auf den Beilagenteller rauf, mit Mühe freilich, schließlich waren die Hände des alten Mannes nicht mehr die Besten. Ein paar Gewürze drauf von Axius. Piso selber stellte ein Garum auf den Beilagenteller rauf und steckte metikulös Gurkenschnitze hinein. Was sonst noch? Genau, Bohnensalat. Piso griff nach hinten und lud großzügig auf den Beilagenteller auf.
    Dann traten die Septemviri respektvoll zurück. “Auf dass es euch schmecke!“, rief Opimius Naso, der nachher die Augen schloss, um zu erforschen, ob er aus dem Kau- und Schmatzgeräuschen der Senatoren, welches nun einsetzte, auch das herzhafte Futtern der Götter heraushören konnte.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Das Pochen kannte Acanthus. Es war das Pochen von Schwächlingen. Von Kreaturen, die der kräftige Ianitor zwischen seinem Ringfinger und seinem kleinen Finger, wohlgemerkt der linken Hand, einfach zermalmen konnte. Der Sklave, eben noch versunken in Gedanken, die sich drehten um die schier endlos erscheinende Natur des Universums, das umso größer erschien, je länger man es beobachtete, und so gigantisch war, dass Acanthus denen, die sagten, es wäre nur eine Kuppel, keinerlei Beachtung schenkte. Oh ja, er war sich sicher, es gab intelligentes Leben auf den Sternen. Irgendwie weit, weit weg.
    Doch nun musste er sich um seine bedrückend irdischen Pflichten kümmern. Grummelnd machte er auf, und sah einen Sklaven vor der Türe – ja, der Ianitor erkannte Sklaven, er hatte ein Auge für so was. Eher mickrig, dachte sich Acanthus. Schaut aus wie ein Säugling. Könnte er ohne Mühe übers Kreuz legen. Für wen war der? Sicher für diverse Schöngeister, die in der Villa patrizisch rumirrten.
    “Salve. Kann ich helfen?“ Seine raue Stimme erklang zum Bürschchen hin.

    ...mit der rechten Hand warf Piso Buchstaben in seiner schnörkeligen Schrift auf eine Wachstafel, wie ein Sklave Kies über einen Weg ausstreute, wenn er eisig war – was in Italien selten vorkam, aber umso öfter in nördlichen Provinzen des Reiches. Mogontiacum, brrr. Dorthin würde übrigens einer der Briefe gehen. Doch zuvor entwarf er nur einmal ein Standardbrieflein. Auf der Wachstafel. Ach, Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit...


    An Blablabla


    Quaestor Principis A Flavius Piso LAPP/PC/PAeg Soundso Salutem Dicit.


    Gemäß des jüngstens Befehls des Praefectus Urbi Pot Vescularius Salinator, in welchem er einen Census aller Bürger im römischen Reiche anordnet, möchte ich dich hiermit bitten, mir bei der Erstellung dieses für das Wohlergehen und die gute Verwaltung des Reiches unerlässlichen Dokuments zu helfen. Ich hätte gerne, dass du mir eine Liste aller der in deiner Provinz geführten Bürger schickst. Insbesondere wäre es sehr hilfreich, wenn auf dieser Liste die in deiner Provinz anwesenden Senatoren, Ritter und einfachen Bürger separat geführt werden; dies wäre mir eine große Unterstützung in meiner Arbeit.


    Ich zähle auf dich und auf die Qualität der mir in die Villa Flavia in Rom zu schickenden Liste im Namen des römischen Volkes.


    Mögen die Unsterblichen dich segnen und beschützen.


    Als er fertig war, blickte er auf. “BRIDHE!“, brüllte er nach seiner Schreibse.

    “Heppeppeppeppepp!“, kommentierte Piso mit belehrender Stimmlage, als der Arm des Parthers hochfuhr. Sonderlich verängstigt oder beeindruckt wirkte er dabei nicht. Er war hier in seiner Villa, umringt von seinen Custodes. Ein altes Sprichwort drängte sich ihm auf, wer bewacht die Wächter? Denn es war eindeutig, dass dieser Kerl hier Custos-Corporis-Material darstellte. Ein Leibwächter, hmm, das wäre seiner Position als wichtiger Mann angemessen (auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Quaestor gewählt worden war). Ruhig sah der Flavier dabei zu, wie der Parther seine Hand wieder herunternahm. Sehr gut. Er nickte nur knapp, als der Parther sich entschuldigte. Ja, Entschuldigen, eine emaskuliernde Aufgabe für jeden. Für absolut jeden, bei Iuppiter. Vielleicht, dachte er sich in einem Geistesbitz, sollte er dem Parther ihm seine Füße ablecken lassen zum Zeichen seiner Devotion? Aber nein, das ging zu weit. Erstens würde es kitzeln. Zweitens könnte sich die Drohung materialisieren, die diese Asny ihm einst gegeben hatte – dass ein Sklave beim Fuß küssen einen Zehennagel abreißen könnte. Was nicht so toll aussehen würde. Nein, das war vielleicht keine gute Idee.
    Beleidigt blicke Piso Shayan an, als dieser abermals die Trauben verschmähte. Nur eine hochgezogene Augenbraue? Wie flavisch, dachte sich Piso und pflückte eine Traube von seinem Teller herab. Diese kaute er lang und ausgiebig in seinem Mund herum.
    “Bogen. Stimmt, du warst bei den Bogenschützen“, was Piso wohl verriet, dass Shayan kein Edelmann war. Denn parthische Edelleute kämpften als Kataphrakte in voller Rüstung. Eine grausame Vorstellung, vor allem, wenn man sich die Temperaturen in der Wüste anschaute.
    “Der Bogen aber ist in Rom verboten. Kannst du dir abschminken“, kaute Piso, mit seiner Traube beschäftigt, und dann ging es auch schon ins Griechische über. Kein Kommentar zu seinen Lobhudeleien? Och wie schade. Dabei hätte Piso gerne etwas über die parthische Kultur herausgefunden. Aber offenbar war der Sklave kein großer Ästhet. Schade, schade, schade! Piso mochte Parthien. Und es war ihm ganz egal, ob man gegen sie Krieg führte oder nicht. Er war ja nicht davon betroffen, ätsch.
    “Fein. Fein. Fein. Dann reden wir auf griechisch. Aber ja, das Lateinische ist sehr wichtig hier in Rom. Einige können hier Griechisch, die meisten können es nicht, weil sie ungebildet sind. Ohne gutem Latein wirst du es schwer haben hier in Rom“, indoktrinierte er dem Sklaven und fuhr dabei megalomanisch mit den Händen in der Gegend herum.
    Das Zurückzucken des Sklaven beim Fingerschnipsen amüsierte Piso so sehr, dass er sich zu einem kurzen, leicht weibischen Kichern herabließ. Sofort wurde er aber wieder ernst. Und als Shayan eine durchaus nicht schlechte Antwort gab, und sich selber korrigierte, grinste Piso wieder. “Ahhhhh! Schlau ist er. Das war eine sehr gute Antwort“, lobte er den Sklaven. “Ich würde dir jetzt als Lohn eine Traube geben... aber lassen wir das.“ In einer affektierten Bewegung stand er auf. “Du musst wissen, Shayan, Sklave, ich selber bin...“ Er begann herumzuschreiten. “Ein Künstler von mitnichten unbedeutendem Ruf. Tatsächlich werde ich regelmäßig im Zusammenhang mit der höchsten Stufe der Avantgarde erwähnt!“, legte er Shayan grinsend seine Traumwelt dar. “Und so versteht es sich von selber, dass meine Sklaven eine gewisse Kunstfertigkeit haben. Shayan, du solltest ein Musikinstrument erlernen! Ich bin sicher, du würdest fabulöse Musik darauf machen“, behauptete er und wandte sich rasch zu Shayan hin. “Was denkst du?“

    Die Prozession


    Ein Sklave blickte durch eine Lucke am Fenster durch und blickte hernach zum obersten Septemvir. “Es haben sich schon die ersten Senatoren eingefunden, Dominus. Die Prozession sollte bald beginnen.“ Opimius Naso nickte. “Sehr gut. Ich denke, wir beginnen jetzt. Gib das Startzeichen.“ Der Sklave nickte, hiefte eine ziemlich große Flagge heraus und steckte sie durch die Lucke hindurch. Trompeten erschallten, tädärätä. Langsam, grollend, knirschend, schleifend, ächzend, quietschend, öffnete sich die Tür der Cella des Tempels. Jeder Epulone zog sich die Toga über den Kopf, und stellte sich an einer Ecke der Sänfte hin – Piso vorne links, vorne rechts ging Naso – und die Sklaven hoben die Sänfte, auf der Iuppiter sanfte vor sich hinschaukelte, hoch. Unter Getrappel ging es hinaus aus der Cella, zum Tempelvorplatz, wo sich ein Ehrenspalier aus Temepldienern gebildet hatte. Unter vorgetäuschtem Jubel warfen sie Blütenblätter auf den Weg hin und über die offene Sänfte. Man konnte auch die Sänften erkennen, die sich vom Tempel der Iuno und vom Tempel der Minerva herbewegten, jeweils mit 3 Epulonen an ihrer Seite. Naso blickte sehr zufrieden drein, es schien alles nach Plan zu gehen. Fulvius Frugi, hinter ihnen, zog unentwegt den Rotz in die Nase ein, was Pisos ästhetisches Empfinden gewaltig störte, aber er konnte nicht mehr tun, als in Gedanken die Götter zu bitten, dies nicht als Störung der Pax Deorum zu sehen.
    Langsam, nur sehr langsam, bewegte sich die Sänfte dem Bankett zu, um den beiden anderen Sänften Zeit zu lassen, sich an die Seite des Göttervaters zu begeben. Iuno traf zuerst ein, dann Minerva. Seite an Seite schritten die Epulonen mit ihren auf Sänften getragenen Statuen zum Bankett hin, welches die Sklaven bereits tüchtig aufgestellt hatten. Schon vor dem Ritual an sich schenkten sie Wein an die Senatoren aus, was zwar nicht zum Kult gehörte, aber die Leute bei Laune halten sollte. Die Sänften wurden hingestellt, ein bisschen vorm Bankett, sodass man zwischen dem Tisch und den Statuen noch drei Foculi hinstellen konnte und auch noch einen Priester davor.
    Bei Iuppiter war dies Opimius Naso, eh klar. Minerva würde Propertius Secundus übernehmen. Und Iuno? Ja, Piso bekam Iuno zugeeilt. So war es zuerst Propertius Secundus, der zu dem tragbaren Feueraltar hinschritt, welches vor Minerva stand, und dort Weihrauch hineinschmiss, bevor er seine Hände ausbreitete.
    “Oh große Minerva, Göttin der Weisheit! Hör mich an! Erweise uns die Gunst, dich heute bewirten zu dürfen! Sei unser Gast! Nimm dieses Mahl an zu deinen Ehren!“ Er schmiss abermals ein wenig Weihrauch in den Foculus, als preliminäre Opfergabe. Dann drehte er sich nach rechts.
    Piso tat es Secundus nun mit Iuno gleich. Weihrauch zackig rein, und dann mit ausgestrecketn Armen und gerade Körperhaltung im Dunst reden. “Oh große Iuno, Muttergöttin! Hör mich an! Erweise uns die Gunst, dich heute bewirten zu dürfen! Sei unser Gast! Nimm dieses Mahl an zu deinen Ehren!“ Nochmal Weihrauch. Drehung nach rechts.
    Opimiuns Naso war der letzte. Er warf auch Weihrauch in den Foculus, der vor Iuppiter stand. Mit vom Alter schon ein wenig angekratzter Stimme und auch in Betstellung machte er dann: “Oh großer Iuppiter Optimus Maximus! Hör mich an! Erweise uns die Gunst, dich heute bewirten zu dürfen! Sei unser Gast! Nimm dieses Mahl an zu deinen Ehren!“ Noch mehr Weihrauch. Drehung nach rechts.
    Die Foculi wurden abgeräumt und die Götter von den Sklaven ganz respektvoll zum Ehrenplatz am Tisch hingeschoben. Die Septemviri beeilten sich, auch den Gottheiten erstmal Wein einzuschenken.


    Sim-Off:

    Für jeden hier im Thread Anwesenden gibt es zehnmal Wein in der Wisim! :D

    Piso stand kurz vor dem Abgrund, den man die Rage nannte. Archias war tot, gestorben, und nun kam dieser Soldat hier und wollte das Andenken des Aeliers beschmutzen! Sein Ärger wuchs mit jedem Satz, den er sprach. Ja, er brauchte ein Ventil für seine Trauer. Und das war wohl der Zorn, den er gegenüber dem Soldaten aufbaute. Niemand wusste, wie weit es gekommen wäre, hätte sich nicht dankenswerterweise Centho eingemischt. Erst später würde Piso wohl bewusst werden, dass er es dem Iulier zu verdanken hatte, dass nicht noch viel Schlimmeres an diesem Tag passiert war. Dann winkte der Iulier ganz nonchalant die zwei Aufpasshanseln weg – und sie gingen tatsächlich! Es war ein unglaublicher Anblick. Sogar Piso vergaß seine Wut und starrte auf Centho, wie man auf einen Halbgott starrte, der durch Rom mir nichts, dir nichts durchmarschierte. Tatsächlich erwartete er sich jetzt ein Donnerwetter.
    Das aber nicht kam. Wohl auch, weil Imperiosus sich einschaltete. Zuerst einmal ein paar kalmierende Worte an Piso, und dann wandte er sich an den Princeps Prior, dem er empfahl, es gut zu lassen.
    Und tatsächlich lenkte der Soldat ein. Er gab nach. Und schritt aus dem Zimmer heraus, nicht ohne noch deutlich zu machen, dass er Piso kannte. Kurz fragte sich Piso, woher denn bloß. Hatte er ihn in den Castra Praetoria gesehen? Oder auf einer seiner Werbekampagnen? Oder kannte er ihn ob seiner erstaunlichen Künste? Es war schlimm, eine bekannte Persönlichkeit zu sein, dachte sich Piso, und schüttelte den Kopf. Heute war schon viel zu viel Kurioses geschehen. Was machte es aus, wenn dieser Tag von sonst noch schrägem Zeug geprägt war?
    Wie ein Schlafwandler starrte er Centho und Imperiosus an und wandte sich dann zu Archias‘ Bahre zu, welches ja schon die Prätorianer gerichtet hatten. Er wankte darauf zu und blieb davor stehen. Er schwieg. Seine plötzliche Wut war so plötzlich verpufft, wie der Soldat verschwunden war. Was zurückblieb, war die Leere, die entsetzliche Leere. “Axilla“, hörte er sich sagen. “Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich um die Bestattung kümmern. Ich habe Erfahrung darin. Vor Kurzem erst habe ich meine Schwester zu Grabe tragen müssen... meine Vera... und jetzt auch noch du, Archi...“ Eine einzelne Träne rann aus seinem rechten Auge und tropfte herunter, auf das Tuch, wo es einen feuchten, kleinen Fleck ergab.
    “Warum?“ Mehr brachte er nicht mehr hervor. Er hatte plötzlich, urplötzlich, das Bedürftnis, allein sein zu wollen. Sich zu verkriechen, sich zusammenzumummeln und wie ein kleines Kind zu heulen. Er spürte, heute war ein Tag, der eine Zäsur darstellte. Er würde nie mehr der Alte werden, nie wieder der Piso sein, der er einst war.
    Eine Ära war vorbei. Gestorben mit Archias.

    Piso trat folgerichtig ein, um ein Lächeln bemüht. “Salve, Varus!“, grüßte er den Annaeer, den er hoffte durch seine Anwesenheit zu erstaunen. “Vor dir, mein alter Freund, steht der Quaestor Principis et Septemvir Aulus Flavius Piso. Ich habe mich gemausert, nicht wahr?“, meinte er und schritt näher zum Tisch hin. “Mensch, lange ist es her, dass ich noch in dieser Kanzlei meinen Arbeitsplatz hatte. Sind die Notarii immer noch so schreckhaft?“ Der Gedanke an die furchtsamen Schreiberlinge ließ für einen Moment ein aufrichtiges Lächeln über sein Gesicht zucken.
    “Nun ja, um ganz ehrlich zu sein, ich bin nicht hierher gekommen, um über die alten Zeiten zu reden – obwohl wir das natürlich im Anschluss machen können, wann hast du frei? – sondern es geht um Arbeit. Vescularius hat mir einen Stoß Schufterei aufgehalst... den muss ich mit der Hilfe der Kanzlei abarbeiten.“ Er machte ein unglückliches Gesicht und schnaubte aus, während er darauf wartete, was Varus so zu sagen hatte.

    Auf die schnippische Antwort hin schluckte sich Piso eine ebenso schnippische Antwort herunter. Dass ein Patrizier sich so was von einem Dreckschlucker aus der hintersten Subura erlauben musste... also wirklich. “Das wird wohl nicht nötig sein.“ Er nickte, als Salinator ihn entließ. “Sehr wohl. Wir sehen uns bald. Vale.“ Mit diesen Worten erhob er sich, froh, nicht mehr mit diesem Sack in einem Raum sein zu müssen, und verließ das Zimmer eilends.

    “Nein? Dann weißt du es jetzt!“, meinte Piso mit einer schwurbeligen Geste, infolgedessen er fast Shayan mit seinen Händen in den rechten Augapfel gefahren wäre. “Keine Waffen. Nicht hier in Rom. Knüppel und Stäbe gelten nicht als Waffen, also kannst du diese benutzen!“, belehrte er weiterhin und pflückte sich noch eine Traube vom Teller. “Ganz sicher, dass du nicht noch eine willst? Wie dem auch sei. Du sagst, du kannst mit dem Schwert kämpfen, aber nicht gut? Was ist denn deine Primärwaffe? Kolben? Lanze?“, fragte er, kauend natürlich. Erst nach seinen Worten schluckte er die Trauben herab und blickte starr geradeaus auf Shayan, als ginge es darum, ihn zu hypnotisieren. Dann grinste er urplötzlich (Verwirrungstaktiken fand Piso bei Sklaven gut). “Es wird schon gehen irgendwie, oder? Ganz sicher, dass du keine Trauben willst?“, wiederholte er seine Frage von vorhin, unbeachtet der Antwort, die Piso sowieso ignoriert hatte, und streckte dem Sklaven wiederum den Teller hin.
    “Widarna“, wiederholte er mit einem genau so seltsamen Tonfall, wie er schon persepolis wiederholt hatte. Nicht, dass Piso das shcon irgendwann einmal gehört hatte, aber es klang ganz hübsch. “Ach, ich liebe die parthische Sprache. Und die parthische Kultur. Ihr Kerls habt eine ganz wundervolle Auffassung von Kunst und Ästhetik!“, behauptete er. “Und wenn du willst, können wir griechisch reden. Kein Problem“, setzte Piso hinzu, auf Griechisch, wenngleich in einem leichten dorischen Akzent – als ob ein Mann aus Kreta versuchte, attisches Griechisch zu reden. Der Dialekt zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass öfters ein e als a ausgesprochen wurde und ein s als t. Auch waren die Vokale etwas länger als normal. Immerhin hatte er keinen deutlich hörbaren lateinischen Akzent, im Gegenteil zum Keltischen, was ebenfalls eine Sprache war, die er halbwegs konnte, aber im öffentlichen leben einfach nicht so anerkannt war wie das Griechische. “Ich fasse zusammen... kämpfen kannst du... Philosophie kannst du... schreiben kannst du auf griechisch und parthisch... latein schreiben ist einfach, das lernst ganz einfach so.“ Er schnippte die Finger vor Shayans Nase. “Zack! Aber kein Instrument und kein Singen? Deplorabel.“ Er seufzte. Anderes hätte er durchaus erwartet.
    “Sag, wie ist deine Einstellung zu den Künsten an sich – zu den freien Künsten, die eines freien Mannes würdig sind?“ Sicher kannte der Sklave dieses Konzept von den griechischen Philosophen. “Insbesondere die... Musiklehre?“

    Der Anstieg war geschafft, Piso selber hatte keine Mühe, das Officium des Annaeers zu finden. Wehmütig blickte er zu seinem alten Officium hin, er widerstand der Versuchung, dort hin zu schreiten und aufzumachen, um die Notarii zu verschrecken. Ob Numerius Urbicus noch immer der war, der als Primicerius dort drinnen saß? Gut möglich, Andersweitiges hatte er nicht erfahren. Vielleicht würde er ihn abpassen, wenn er wieder zurückgehen würde, vielleicht auch nicht. Er musste auf jeden Fall jetzt zum Officium des Annaeus Varus.
    Welches er auch schnell fand. Der in Trauerkleidung Gewandete klopfte hastig an die Türe, ungewohnt niedrig und schwach für ihn.

    Sehr verehrte Herren Senatoren,


    ich bitte euch, hoffentlich zahlreich beim diesjährigen Epulum Iovis der Ludi Romani zu erscheinen. Denn wann bekommt man denn schon die Gelegenheit, Seite an Seite mit den Göttern zu speisen (und sein kultisches Profil dabei ein wenig zu heben)? ;)


    Es wird übrigens hier ausgespielt. :D

    In den Tempeln


    Der Weg zum Minervatempel war nicht sonderlich weit, und so wurden der Epulonen Füße auch nicht übermäßig von Blasen malträtiert, bis sie dort ankamen. Die Statue der Minerva, die von ihrem Sockel gehoben werden konnte, um zum Bankett transportiert werden zu können – die Bänke würden mittlerweile schon von Sklaven aufgestellt werden – saß auf ihrer Sella im Tempel. Fleißige Sklaven trugen hinter den Epulonen eine offene Sänfte hinterher, worauf man die auf einer Sella sitzende Statue stellen konnte. Doch zuerst kam das Ankleiden.
    Piso, der Ästhet, hatte sich freiwillig für das Herrichten der beiden Göttinnen gemeldet, sodass dies vorwiegend seine Aufgabe war. Fulvius Frugi hingegen hielt einen Spiegel hoch, vors Gesicht der Göttin, dass sich diese auch ausgiebig bewundern konnte.
    Zuerst musste die Statue gewaschen, gesalbt und eingeölt werden. Den Septemviri wurden Wasserkrüge gereicht, wo sie Tücher eintauchten und unter dem Murmeln ritueller Formeln die Statue der Göttin rituell wuschen. “Möge dieses Wasser alle Unreinheit von deinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es.”, raunte auch Piso, als er sorgfältig den Bauch der Göttin mit Wasser befeuchtete. Danach kam die Ölung, diese bestand darin, dass ein Septemvir – Vitellius Rufio in diesem Fall – die Statue einölte, von oben bis unten. Propertius Secundus schmierte noch salbungsvoll eine Salbe auf die Statue, und erst jetzt konnte der Feinschliff begonnen werden.
    Piso warf der Statue erst einmal einen Chiton über und fixierte ihn an den Schultern. So weit, so einfach. Eine Palla würde die jungfräuliche, unverheiratete Minerva schon nicht haben, dachte er sich und langte wieder hinunter, um eine Puderkiste heraufzuholen, die er aus der Villa Flavia gefladert hatte, und begann, die Wangen der Statue einzupudern, während Frugi den Spiegel um ihr gesicht herum hielt, peinlichst darauf bedacht, dass die Göttin auch ja sah, wo Piso so rumpuderte. Ein wenig Goldstreusel teilte Piso noch über die Haare der Statue aus, bevor er noch mit Rußstiften die Augenlider nachzog – es sollte alles ganz fein und damenhaft aussehen! Der Flavier legte noch zwei, drei Kissen auf ihren Schoß, und zu guter Letzt band er Minerva noch eine schwere Goldkette um den Hals.
    Dann stieg er herab. Es war getan. Jetzt musste die Statue nur noch auf die Sänfte gestellt werden. Ein Sklavenkontingent stemmte die Statue hoch und stellte sie auf die Sänfte hinaus. Gut, dort konnte sie einmal eine Weile lang bleiben.
    Denn die Epulonen zogen weiter zum Iunotempel, sie würde Minerva später abholen.
    Dort wiederholte sich das Prozedere ganz gleich wie das letzte Mal. Waschen, Ölen, Salben. Piso puderte ein, Frugi hielt den Spiegel hoch. Nur gab es ein Problem – die Palla über dem Chiton. Jener verhedderte sich hoffnungslos in den Armen, musste von Axius Serenus, einem begeisterten Freizeithandwerker, entknotet werden, und nur er und Piso schafften es gemeinsam, der Göttin auch die Palla überzuziehen. Schließlich wickelte Serenus noch die Palla um, und nachdem Piso der Göttin einen Schmuck umgelegt hatte, der noch ein wenig prunkvoller war als jener der Minerva, wurde auch diese Statue auf die Sänfte gestellt, umkränzt von ein paar Kissen.
    Und nun kam der wirklich große Brocken. Iuppiter.
    Die Septemviri traten gemeinsam in den Tempel ein, gefolgt von einem Sklaven, der mit größtem Respekt Blut von einem geopferten Ochsen im Krug trug. Die Septemviri wuschen wieder, sie ölten, sie salbten. Und sie warfen Iuppiter ein prunkvolles purpurnes Imperatorengewand über, wie es sich ziemte für den obersten aller Triumphatoren.
    Am Schluß war es Opimius Naso selber, der Iuppiters Gesicht mit Blut einschmierte, sodass ein sauberes rotes Oval auf seinem Gesicht entstand. Dann gab der Magister Septemvirorum geflüsterte Anweisungen – drei würden zurückgehen zum Minervatempel, drei zum Iunotempel, und 4 würden hier bleiben. Piso gehörte zu jenen, die bei Iuppiter selber blieben, zusammen mit Opimius. Jetzt war alles bereit schon für die Prozession nach draußen – wo schon Temepldiener bereit standen, um Blümenblüten zu werfen – doch man wollte noch etwas warten. Denn die Senatoren waren noch nicht eingetroffen.

    Piso nickte nur schicksalergeben, machte "Sicher" und breitete seine Arme aus. Sollten sie ihn doch durchsuchen, warum sollte er denn Waffen mitführen? Lasteten Waffen doch sowieso etwas Antiästhetisches an, wie er fand. Auch wenn es schön gefertigte Schwerter geben konnte, weniger schön war es doch, wenn sie Menschen zerhackten. Nun gut, wenn es andere menschen betraf, war es ja nicht schlimm. Schlimm war es, beträfe es ihn selber. Brrrr.

    Erste Vorbereitungen


    Es war schon früh am Morgen, dass sich Piso, ausnahmsweise nicht in Trauergewändern, sondern in ritueller weißer Kleidung, zum Kapitol begab, um dort eine der wichtigsten römischen Feste überhaupt zu schmeißen – das Epulum Iovis, ursprünglich der einzige Grund, wieso die Septemvires einst gegründet wurden; wobei sie mittlerweile aber für ziemlich jedes öffentliche Lectisternium zuständig waren. Das Epulum Iovis hob sich aber von anderen Lectisternia durch seine rituelle Wichtigkeit ab. Es war die Einladung Roms an die drei wichtigsten Götter, Iuppiter, Iuno und Minerva, mit ihnen, dem Volk, symbolisiert durch die Senatoren der Republik, zu speisen. Natürlich war noch kein Senator eingetroffen, und das war auch gut so. Schließlich hatten die Septemviri noch einiges zu tun.
    Draußen vor der Villa traf Piso seinen Calator, Lollius Tubulus, der leicht untersetzte Beamtentypus par excellence, der schon seit Pisos Beginn bei den Epulonen sein Calator gewesen war.
    Die Stadt erwachte eben erst zum Leben, da begrüßte Piso schon die mittlerweile eingetroffenen Septemviri, darunter auch den Magister Septemvirorum. Der letzte Epulone, der eintraf, war Fulvius Frugi, einst ein bemerkenswert guter Priester, aber leider der Völlerei erlegen. Die letzten tage hatte er etwas trunken auf den Ludi Romani zugebracht, welche zum Anlass des Epulum Iovis gehalten wurden (oder aber umgekehrt... wie es wirklich war, und ob das Epulum oder die Spiele zuerst waren, lag im Dunkel der Geschichte).
    Der Flavier warf einen kurzen Blick auf die capitolischen Tempeln. Einst hatten sie ihn sehr beeindruckt. Doch nun war er an ihren Anblick gewohnt. Wiewohl er sie noch immer schön fand. Doch nun gab es nur noch eine Sache, die daran wirklich interessant war – die Götterstatuen in ihnen.
    Die Epulonen hatten die Pflicht, zum Epulum Iovis die Götterstatuen zuerst aufzuputzen (das heißt, ankleiden, schminken, sie auch sich selber in Spiegeln betrachten lassen) und sie dann öffentlich zu präsentieren. Sie würden am Bankett den Ehrenplatz einnehmen, und die Epulonen würden sie persönlich bewirten, während sie auch darauf aufpassen würden, dass der Rest der Senatoren etwas zu essen bekommen würde. Das Essen freilich wurde schon vorbereitet von einer Heerschar von Küchensklaven, alles gestellt von Vater Staat, die, abgeschirmt vom Bankett, welches am Vorplatz der Tempel aufgestellt war und genug Platz bot für alle Senatoren, durch eine Trennwand, schon fast fertig waren mit Brutzeln und mit Kochen – Axius Serenus hatte das ganze Essen organisiert, von daher hatte sich Piso keinen Kopf machen müssen darüber.
    Was nun wichtig war, war, die Götterstatuen herauszutragen. Natürlich, nachdem man sie vorbereitet hatte. Die Epulonen hatten schon im Vorhinein etwas ausgeheckt – Piso, der Ästhet, war Feuer und Flamme für so etwas gewesen – dass die Götter, einer nach dem anderen, hergerichtet wurden. Dann eskortierten 4 Epulonen Iuppiter raus, und jeweils 3 Iuno und Minerva. Vorm Iuppitertempel würden sie sich zu einem Zug vereinigen und zum Parkett mit einem Mordstheater geleitet werden, während auch schon die Senatoren eintreffen würden. Als Erstes würden sie sich in den Tempel der Minerva begeben, um dort, mit der Hilfe von Tempeldienern, die sich auch hier eingetroffen hatten, die Göttin der Weisheit ihre Aufwartung zu machen. Beziehungsweise, sie herzurichten, wie es sich für eine Dame von Welt geziemte. Denn sowas dürfte Minerva als Göttin ja sein.

    Piso glaubte nicht wirklich, dass seine Frage vom Vescularier verstanden worden war. Typisch, dass man die feinsinnige, elegante, gepflegte Sprache der Elite* bei diesem Pöbel hier nicht verstand. Aber es war wohl eh nicht so wichtig, wenn er wirklich daran dachte. Doch zu allem Überfluss bekam er noch eine Aufgabe auferlegt. Piso starrte Vescularius leicht angestrengt an, während er im Hinterkopf überlegte, wie er sich rauswinden konnte. Genau, das war es!
    “Nun, ich bin Septemvir, und als solcher muss ich mich zur Zeit mit dem Epulum Iovis beschäftigen. Aber später werde ich das sicher machen. Vorher haben aber, wie ich sehe, die Bürgerlisten Priorität.“
    Er legte seine Hände wieder sorgsam auf seinen Schoß.
    “Gibt es sonst noch etwas, Praefectus Urbi?“

    Es gab ein Geräusch. Der Flavier, dessen Tunikahinterseite von den zersessenen Blumen komplett verschmiert war, erhob sich langsam und blinzelte, um die Tränen zu vertreiben. Was sollte denn das werden? Ein Kerl von den Cohortes Urbanae marschierte hinein, und verkündete, dass... die Güter und Besitztümer von Archias beschlagnahmt wären? Hatte er das eben wirklich gesagt? Im Quaestor Principis schrillten die Alarmglocken. Was in aller Welt hatte das zu bedeuten?
    Er blickte kurz zu Axilla. Diese hatte ihren Cousin, an den sie sich stützen konnte, so sah sich Piso wenigstens nicht in der Position, dass er die Pflicht hatte, auf sie zu sagen. Im nächsten Augenblick kam noch jemand herein. Bald würde das Atrium auseinanderplatzen, wenn es weiterhin so ging! Erst auf den zweiten Blick erkannte Piso Imperiosus. “Imperiosus?“, fragte er bedröselt, bevor sein Blick wieder zum Soldaten hinging.
    “Üble Nachrede?“, fragte er und blickte auf einmal, trotz seiner enormen Trauer, verblüfft drein. Er stellte sich zu Iulius Centho und blickte auf die Tafel. Dann schüttelte er energisch den Kopf.
    “Er hat ihn also in einen Brief beleidigt?“ Das sah Archias ähnlich, noch vor einem Selbstmord giftige Briefe herumzuversenden! Seine Konzentration war aber nun auf die Wachstafel fokussiert. Abermals schüttelte den Kopf.
    “Soldat! Üble Nachrede kann man nicht in einem persönlichen Brief anstellen. Üble Nachrede ist immer öffentlich, hinter dem Rücken einer Person! Soll ich dir den relevanten Gesetzesabschnitt aus dem Kopf zitieren?“ Vescularius hatte wohl Beleidigung gemeint, der depperte Hund. Piso blickte den Soldaten scharf an. “Miles, wegen übler Nachrede kann hier niemand verhaftet oder beschlagnahmt werden! Und außerdem, hast du schon jemals davon gehört, dass ein Toter Eigentum hat? Da kann man ja auch gleich sagen, mein Stuhl hat Eigentum! Hier ist nichts zu holen für dich!“, machte er sauer. Üble Nachrede! Dieser Vescularius hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Oder von den Gesetzen keinerlei Ahnung. Was Piso immer plausibler vorkam.
    “Ich bitte dich nun also zu gehen und die Todesruhe des Aelius Archias zu berücksichtigen. Sofern du es nicht vorziehst, von den Lemuren der Aelier heimgesucht zu werden; denn mit deiner Präsenz und diesem widersinnigen Wisch hier entweihst du diese Aufbahrungsstätte!“, erboste er sich und deutete mit dem rechten Zeigefinger geradewegs auf den Soldaten. “Einen Toten verhaften und dann auch noch das Eigentum eines Toten konfiszieren. Ich lach mich schief“, behauptete er, obwohl er die Situation sicher nicht lustig fand.

    Es war kurz nach dem Tod des Archias, dass Piso schweren Schrittes und gesenkten Hauptes zur Kanzlei hinschritt. Er machte keinen Hehl aus seiner Trauer, wie er aussah. Nein, Piso war viel zu erschüttert, um fröhlich aufzutreten. So unerschütterlich war seine Laune nicht, dass er zwei Tode hintereinander leicht einstecken konnte. Zuerst seine Schwester, dann sein bester Freund. Da war der verdammte Liebeskummer ja fast schon zweirangig. Fast.


    Übel war die Laune, mit der er den Prätorianer anblickte, der als Wache fungierte. “Salve. Quaestor Principis Flavius Piso. Ich bin gekommen, um Procurator a libellis Annaeus Varus in meiner amtlichen Funktion zu sprechen. Kann ich durch?“, machte er ohne auch nur ein Anzeichen von Freundlichkeit in seinem Gesichtsausdruck.